BT-Drucksache 15/1268

Situation von Straßenkindern und Jugendlichen in Honduras

Vom 24. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1268
15. Wahlperiode 24. 06. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Egon Jüttner, Irmgard Karwatzki, Hermann Gröhe, Rainer
Eppelmann, Holger Haibach, Melanie Oßwald, Daniela Raab, Ingrid Fischbach,
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Siegfried Helias, Hubert Hüppe,
Volker Kauder, Julia Klöckner, Werner Lensing, Albert Rupprecht (Weiden),
Dr. Wolfgang Schäuble, Arnold Vaatz und der Fraktion der CDU/CSU

Situation von Straßenkindern und Jugendlichen in Honduras

Trotz des Regierungswechsels in Honduras im Jahre 2001/02 und den zunächst
erfolgversprechenden Justizreformen des Jahres 2002 wurden keine nennens-
werten Fortschritte hinsichtlich der Menschenrechtslage und der Verbrechens-
bekämpfung erzielt. Nach Darstellung von amnesty international ist trotz der
von Staatspräsident Ricardo Maduro eingeleiteten Politik der „Null Toleranz“
kein nennenswerter Rückgang der Kriminalität festzustellen.
Anlass zu großer Sorge bieten vor allem die gewalttätigen Übergriffe auf
Kinder und Jugendliche und die hohe Zahl der unaufgeklärten Todesfälle von
Kindern und Jugendlichen. Nach Schätzungen der honduranischen Sektion der
Kinderhilfsorganisation Casa Alianza wurden von 1998 bis Ende 2002 über
1 500 Kinder und Jugendliche ermordet. Nach ihren Angaben kamen allein im
April dieses Jahres 73 Kinder und Jugendliche unter 23 Jahren gewaltsam zu
Tode. Es handelt sich hier um eine alarmierende Zunahme der weitgehend
ungeklärten Todesfälle.
Casa Alianza, die seit Jahren diese Fälle dokumentiert und sich über eine Petition
bereits erfolgreich an die inter-amerikanische Menschenrechtskommission ge-
wandt hat, erhebt den Vorwurf, dass für einen Teil der Todesfälle Angehörige
und ehemalige Angehörige staatlicher Organe verantwortlich seien. Zu diesem
Schluss kam auch die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen (VN) für
außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen, Asma Jahangir,
in ihrem im Jahre 2002 vorgelegten Bericht über ihren Besuch in Honduras im
August 2001. Casa Alianza beschuldigt die Regierung weiterhin, aus den Morden
und Gewalttaten an Straßenkindern keinerlei Konsequenzen zu ziehen: Die Justiz
ermittle entweder gar nicht erst, oder die eingeleiteten Verfahren würden wieder
eingestellt. Während die Regierung für viele Todesfälle die in den Elendsvierteln
der Großstädte operierenden Jugendbanden verantwortlich macht, befürchten
Menschenrechtsverteidiger, dass die getöteten Kinder und Jugendlichen mög-
licherweise Opfer „sozialer Säuberungen“ geworden sein könnten.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Informationen über die Anzahl unaufgeklärter Todesfälle bei

Jugendlichen und Kindern in Honduras liegen der Bundesregierung vor?

Drucksache 15/1268 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
2. In welcher Weise thematisiert die Bundesregierung das Problem der unauf-
geklärten Todesfälle in Kontakten auf bilateraler und multilateraler Ebene
gegenüber der honduranischen Regierung, z. B. beim jährlichen Minister-
treffen der EU mit den Staaten der San José-Gruppe oder bei den Umset-
zungsverhandlungen der EU-Länderstrategie 2002 bis 2006 für Honduras?

3. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die Beteiligung von Angehöri-
gen oder ehemaligen Angehörigen staatlicher Organe an Gewalttaten ge-
gen Straßenkinder, und wenn ja, welche?

4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Existenz so genann-
ter Todesschwadronen?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorwurf, dass die getöteten Stra-
ßenkinder möglicherweise Opfer „sozialer Säuberungen“ seien?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Bemühungen Honduras zur Be-
kämpfung und Aufklärung der Morde an Straßenkindern?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die im September 2002
in Honduras eingerichtete Polizeispezialeinheit zur Aufklärung von Todes-
fällen und deren Arbeit?

8. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über die vom honduranischen Natio-
nalen Sicherheitsrat am 26. September 2002 beschlossene beschleunigte
Aufklärung von 20 spezifischen von Casa Alianza dokumentierten Todes-
fällen, und wenn ja, welche?

9. Wie bewertet die Bundesregierung den von der VN-Sonderberichterstatte-
rin, Asma Jahangir, im Oktober 2002 vorgelegten Bericht über ihren Auf-
enthalt in Honduras im August 2001?

10. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass Kinder in Honduras
verschleppt und an Bordelle verkauft werden, und wenn ja, welche?

11. Kann die Bundesregierung Meldungen bestätigen, dass hunderttausend
Kinder in Honduras niemals als geboren registriert wurden?
Welche Informationen liegen ihr dazu vor?

12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Situation in den hon-
duranischen Gefängnissen hinsichtlich der Überbelegung und den Häft-
lingsrevolten, bei denen auch Kinder und Jugendliche zu Tode kamen?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolgschancen der von der hondu-
ranischen Regierung eingesetzten Kommission zur Untersuchung der To-
desfälle bei der Häftlingsrevolte im April 2003 im Gefängnis El Porvenir
in La Ceiba hinsichtlich der Aufklärung dieser Fälle?
Wie beurteilt sie die Gefahr, dass Täter möglicherweise straffrei bleiben?

14. Wie bewertet die Bundesregierung die Sicherheit der inhaftierten Jugend-
lichen in den honduranischen Gefängnissen?

15. Welche nationalen und internationalen Hilfsprojekte, mit denen Kinder von
der Straße geholt werden, gibt es?

16. Welche konkreten Projekte werden von der Bundesregierung zur Verbesse-
rung der Lebenssituation von Straßenkindern in Honduras unterstützt?

17. Welche weiteren Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit mit Honduras zu einer Verbesserung der
Situation beizutragen?

Berlin, den 24. Juni 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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