BT-Drucksache 15/1215

Mehr Mut zur Reform der EU-Entwicklungszusammenarbeit

Vom 24. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1215
15. Wahlperiode 24. 06. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Ralf Brauksiepe, Dr. Christian Ruck, Peter Hintze, Hartwig
Fischer (Göttingen), ErichG. Fritz, Kurt-Dieter Grill, Siegfried Helias, Rudolf Kraus,
Conny Mayer (Baiersbronn), Sibylle Pfeiffer, Christa Reichard (Dresden), Peter
Weiß (Emmendingen), Rainer Eppelmann, Norbert Geis, Dr. Egon Jüttner, Jürgen
Klimke, Arnold Vaatz und der Fraktion der CDU/CSU

Mehr Mut zur Reform der EU-Entwicklungszusammenarbeit

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Europäische Union steht angesichts ihrer Erweiterung auf 25 Mitgliedstaa-
ten sowie der Arbeit an einem Verfassungsvertrag vor einem Umbruch. Grund-
sätzlicher struktureller Änderungsbedarf erwächst aber auch immer stärker aus
den Liberalisierungsanforderungen der Welthandelsorganisation WTO an die
EU und die mit ihr bevorzugt verbundenen AKP-Entwicklungsländer.
Gleichzeitig müssen auch die seit langem beklagten Defizite in der EU-Ent-
wicklungszusammenarbeit einer raschen Lösung zugeführt werden:
Der Abfluss der von der EU verwalteten Entwicklungsgelder stockt nach wie
vor und hat sich mittlerweile auf bis zu 29 Mrd. Euro angestaut.
Qualität und Effizienz der EU-Entwicklungszusammenarbeit unterliegen nach
wie vor starker Kritik. Von Vertretern der EU-Kommission wird in diesem
Zusammenhang nicht nur auf Personalknappheit hingewiesen, sondern auch die
Ungleichbehandlung von AKP (Afrika/Karibik/Pazifik)-Staaten und anderen
Entwicklungsregionen wie z. B. den ALA (Asien/Lateinamerika)- oder MEDA
(Mittelmeerraum)-Staaten bemängelt.
Trotz bestimmter Strukturreformansätze z. B. in Form der Gründung von
EuropeAid klagen Beobachter immer noch über zu viel Bürokratie bei der
Mittelvergabe.
Koordination und Kohärenz zwischen der Entwicklungszusammenarbeit der
EU-Kommission bzw. EuropeAid und den nationalen Entwicklungsaktivitäten
der EU-Partnerstaaten haben sich kaum verbessert.
Der Deutsche Bundestag, der die bisherigen Bemühungen der EU-Kommission
zur Beseitigung der eben genannten Defizite begrüßt, sieht diese jedoch als kei-
neswegs ausreichend an. Er ruft die EU-Kommission dazu auf, die derzeitige
Diskussion über die Neugestaltung der Institutionen und Dienststellen der EU-
Entwicklungszusammenarbeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen und die für
eine nachhaltige Verbesserung notwendigen Reformschritte zu unternehmen.

Drucksache 15/1215 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
in enger Abstimmung mit den anderen EU-Mitgliedstaaten
1. darauf hinzuwirken, dass die Europäische Union die politisch und sachlich

nicht mehr zu rechtfertigende Sonderbehandlung für die AKP-Staaten unter
dem Dach des Cotonou-Abkommens aufhebt und ein einheitliches WTO-
konformes handels- und entwicklungspolitisches System für sämtliche Ent-
wicklungspartnerstaaten der EU schafft. Die Neuerungen auf Basis der neuen
Verordnung zur Zusammenarbeit der Europäischen Union mit den Ländern
Asiens und Lateinamerikas werden anerkannt, greifen aber viel zu kurz;

2. die EU-Kommission dazu zu bewegen, ihre Entwicklungskooperation mit
sämtlichen Entwicklungsregionen einschließlich den AKP-Staaten unter
einem EU-Kommissar bzw. einer entwicklungspolitischen Generaldirektion
zusammenzuführen;

3. die Vergabe von EU-Entwicklungsgeldern in Übereinstimmung mit der Ge-
meinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) strenger auszu-
richten nach guter Regierungsführung, Demokratie und Menschenrechten in
den Entwicklungsländern;

4. es der EU-Kommission zu ermöglichen, dass diese den stockenden Abfluss
der Entwicklungsgelder aus dem Europäischen Entwicklungsfonds und dem
EU-Haushalt durch eine Entbürokratisierung und Flexibilisierung der Verga-
beverfahren beschleunigt, ohne dabei eine Abnahme von Qualität und Effi-
zienz der EU-Entwicklungszusammenarbeit zu riskieren. Sollte dies auf ab-
sehbare Zeit in nennenswertem Umfang nicht gelingen, sind eine Revidie-
rung der zugrunde liegenden Abkommen und ein Rückübertrag nicht ausge-
gebener Mittel in die nationalen Entwicklungshaushalte zu prüfen;

5. der EU-Kommission zu helfen, die für eine Qualitäts- und Effizienzverbes-
serung in der EU-Entwicklungszusammenarbeit notwendigen Personalres-
sourcen bereitzustellen;

6. auf eine weitaus bessere Abstimmung der EU-Entwicklungszusammenarbeit
mit den bilateralen Entwicklungsaktivitäten der einzelnen EU-Mitgliedstaa-
ten hinzuarbeiten und in diesem Zusammenhang vermehrt Programme und
Projekte in Kofinanzierung mit der EU-Kommission umzusetzen;

7. den gegenseitigen Austausch von entwicklungspolitischem Fachpersonal
zwischen der EU-Kommission und den nationalen Entwicklungsinstitutio-
nen zu intensivieren und hierin im Zuge der Dekonzentration bei der Umset-
zung der EU-Entwicklungszusammenarbeit gerade auch die EU-Auslands-
vertretungen in Entwicklungsländern einzubeziehen;

8. auf eine zügige und konsistente Umsetzung der Zusammenarbeit zwischen
EuropeAid und den bewährten und erfahrenen nationalen Durchführungsor-
ganisationen in den EU-Mitgliedstaaten wie z. B. EUNIDA (Network of Im-
plementing Development Agencies) hinzuwirken, die inzwischen vom EU-
Haushaltsrecht ermöglicht wird, aber in der Praxis noch nicht nachhaltig
umgesetzt ist;

9. vor dem Hintergrund der im Rahmen der WTO eingegangenen Verpflichtun-
gen eine weitaus bessere Kohärenz zwischen der Handelspolitik und der
Entwicklungspolitik der EU anzustreben.

Berlin, den 24. Juni 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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