BT-Drucksache 15/1210

Wirksamere Tierseuchenbekämpfung ermöglichen

Vom 24. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1210
15. Wahlperiode 24. 06. 2003

Antrag
der Abgeordneten Gitta Connemann, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Albert
Deß, Gerda Hasselfeldt, Peter Bleser, Helmut Heiderich, Ursula Heinen, Uda
Carmen Freia Heller, Dr. Peter Jahr, Julia Klöckner, Marlene Mortler, Bernhard
Schulte-Drüggelte, Kurt Segner, Jochen Borchert, Cajus Caesar, Hubert Deittert,
Thomas Dörflinger, Susanne Jaffke, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Dr. Klaus Rose,
Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Max Straubinger, Volkmar Uwe Vogel und
der Fraktion der CDU/CSU

Wirksamere Tierseuchenbekämpfung ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Das Bundestierseuchenrecht weist Rechtslücken bei der Bekämpfung hochkon-
tagiöser Tierseuchen auf. Der Bundesrat hat deshalb die Bundesregierung be-
reits mit einer Entschließung vom 27. September 2001 (Bundesratsdrucksache
621/01) aufgefordert, kurzfristig Rechtsvorschriften vorzulegen, die eine effek-
tive Seuchenbekämpfung ermöglichen. Dieser Beschluss blieb unbeachtet. Der
jüngste Seuchenzug in Gestalt der Geflügelpest hat die angemahnten Rechtslü-
cken wieder zu Tage treten lassen.
So müssen Beschränkungen wie ein „stand still“ in den amtlichen Verkün-
dungsblättern bekannt gemacht werden. Der damit verbundene Zeitverzug von
bis zu einigen Tagen steht dem Ziel der sofortigen Eingrenzung von Seuchen-
herden entgegen. Denn bei einem Seuchenausbruch ist es erforderlich,
schnellstmöglich zu reagieren. In den Niederlanden besteht deshalb bereits län-
ger die Möglichkeit, ein „stand still“ durch Bekanntmachung in Medien anzu-
ordnen und damit Tierverbringungen umgehend zu stoppen. Die Seuchenbe-
kämpfung wird auch dadurch erschwert, dass ein Ermessen für die Anordnung
von Präventivtötungen besteht. Unklare Rechtslagen bedingen erhöhte Wider-
stände gerade bei wertvollen Zuchtbeständen.
Auch wenn das Seuchengeschehen sich zurzeit in Deutschland entschärft hat,
müssen Rechtslücken wie diese auch im Hinblick auf die Gefahr zukünftiger
Seuchenzüge umgehend geschlossen werden. Dabei ist es erforderlich, die Re-
gelungen bundesrechtlich im Tierseuchengesetz zu verankern. Denn eine Viel-
zahl landwirtschaftlicher Betriebe und von Betrieben, die Lebensmittel be- und
verarbeiten und/oder verteilen, agiert über die innerdeutschen Ländergrenzen
hinweg. Da das Erfordernis nach einer zügigen und umfassenden einheitlichen
Regelung für alle Tierseuchen besteht, kann ein weiteres Zuwarten nicht mit
dem Hinweis auf noch ausstehende EU-Regelungen zu einzelnen Tierseuchen
wie der Novellierung der Maul- und Klauenseuche-Richtlinie begründet wer-
den. Zur wirksamen Seuchenbekämpfung muss unverzüglich für Deutschland
ein einheitliches Tierseuchenrecht geschaffen werden, das den Behörden der
Länder ein rechtlich einwandfreies Handeln auf tierseuchenrechtlicher Basis
des Bundesrechts vom Verdachtsfall an ermöglicht sowie für Betriebe und Be-
troffene eindeutig und klar ist.

Drucksache 15/1210 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
die Rechtslücken bei der bundeseinheitlichen wirksamen Bekämpfung von
Tierseuchen zu schließen und das Tierseuchengesetz wie folgt zu ändern:
1. Die im Bundesmaßnahmenkatalog zur Bekämpfung von Tierseuchen vorge-

sehenen Beschränkungen, insbesondere für den Verdachtsfall, vollständig zu
übernehmen, verbunden mit der Möglichkeit der kurzfristigen Bekanntma-
chung und Inkraftsetzung der Maßnahmen über die Medien.
Insoweit müssen die zuständigen Behörden u. a. ermächtigt werden zur
– sofortigen Anordnung eines „stand still“ über die Medien, um die Ver-

bringung empfänglicher Tiere zu stoppen,
– verbindlichen Vorgabe der Tötung der Bestände von sog. K1-Betrieben,

also Betrieben mit direkten Tierkontakten zu Verdachts- oder Ausbruchs-
fällen,

– verbindlichen Anordnung der Präventivtötung aller empfänglichen Tiere
im Umkreis von 1 km bei Seuchenbetrieben,

– verbindlichen Anordnung der Präventivtötung von empfänglichen Tieren
in Betrieben, für die der Verdacht der Ansteckungsgefahr durch Kontakte
mit infektiösen Personen, Fahrzeugen etc. besteht, sofern die Ansteckung
nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,

– verbindlichen Anordnung der Präventivtötung von empfänglichen Tie-
ren, wie z. B. bei Einrichtung einer Pufferzone.

2. Regelungen zu treffen bezüglich der Tiere und Waren aus Ländern, in denen
eine Seuche der Liste A entsprechend der Feststellung des Internationalen
Tierseuchenamtes in Paris ausgebrochen ist und die in der Inkubationszeit
nach Deutschland verbracht bzw. importiert worden sind, u. a. betreffend die
Vernichtung bzw. Rücksendung von Fleisch und Fleischprodukten sowie
den innergemeinschaftlichen Verkehr.

3. Eine Rechtsgrundlage zu schaffen, durch die die Möglichkeit zu Einschrän-
kungen für den außerlandwirtschaftlichen Wirtschaftsgüter- und Personen-
verkehr in Verdachtssperrbezirken, Sperrbezirken und Beobachtungsgebie-
ten eröffnet wird.

4. Regelungen zu treffen für Veranstaltungen und Zusammenkünfte von Perso-
nen, bei denen das Risiko einer Seuchenverbreitung besteht.

5. Geeignete Maßnahmen vorzusehen, die eine Einschleppung der Erreger
nach Deutschland insbesondere an Flug- und Seehäfen sowie im sonstigen
Reiseverkehr verhindern wie z. B. Reinigungs- und Desinfektionseinrich-
tungen.

6. Eine Rechtsgrundlage für die Reglementierung des Verkehrs mit nichtemp-
fänglichenTieren sowie von tierischenAusscheidungenwieGülle zu schaffen.

7. Eine Rechtsgrundlage für die Reglementierung des Personenverkehrs in Be-
triebenmit empfänglichen Tieren und in Ställen für Kontaktpersonenwie Lie-
feranten, Kontrolleure, Viehzähler aber auch Medienvertreter zu schaffen.

8. Eine Rechtsgrundlage für die Anordnung vorbeugender Reinigungs- und
Desinfektionsmaßnahmen, insbesondere bei regelmäßig verkehrenden Fahr-
zeugen wie z. B. von Tierkörperbeseitigungsanstalten, Molkereien, Liefe-
ranten, Medien, zu schaffen.

Berlin, den 24. Juni 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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