BT-Drucksache 15/1202

1. zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae und der Fraktion der FDP -15/542- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/652 (neu)- Aufhebung der gesundheitspolitischen Maßnahmen im Beitragssatzsicherungsgesetz

Vom 24. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1202
15. Wahlperiode 24. 06. 2003

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (13. Ausschuss)

1) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm,
Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae
und der Fraktion der FDP
– Drucksache 15/542 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur
Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung
und in der gesetzlichen Rentenversicherung

2) zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette
Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/652 (neu) –

Aufhebung der gesundheitspolitischen Maßnahmen
im Beitragssatzsicherungsgesetz

A. Problem
1) zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 15/542
Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP halten das am 1. Januar 2003 in Kraft
getretene Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) für den untauglichen Ver-
such, im Eilverfahren und unter Ausblendung der Notwendigkeit grundlegen-
der Strukturreformen eine über mehrere Jahre verfehlte Gesundheitspolitik mit
willkürlichen Ausgabenbegrenzungen zu korrigieren. Vor diesem Hintergrund
fordern sie die Rücknahme der Maßnahmen des Beitragssatzsicherungsgeset-
zes.
Insbesondere müsse in einem ersten Schritt dem dringenden Handlungsbedarf
beim Rabatt der pharmazeutischen Großhändler an die Krankenkassen Rech-
nung getragen werden, denn seit Ende Dezember 2002 gingen die pharmazeuti-
schen Großhändler dazu über, den ihnen mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz
auferlegten Abschlag mit bestehenden Rationalisierungsrabatten an die Apo-
theken zu verrechnen. Dies führe gemeinsam mit dem eigenen im Beitragssatz-
sicherungsgesetz festgelegten Sparbeitrag der Apotheken bei diesen zu einer
deutlichen und teilweise existenzbedrohenden Verringerung des Einkommens

Drucksache 15/1202 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

vor Steuern. Nur die schnellstmögliche Rücknahme der entsprechenden Maß-
nahmen des Beitragssatzsicherungsgesetzes könne das bewährte System der
Arzneimitteldistribution durch öffentliche Apotheken erhalten und die flächen-
deckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gewähr-
leisten.
2) zu dem Antrag auf Drucksache 15/652 (neu)
Auch in diesem Antrag führt die Fraktion der CDU/CSU aus, dass das Beitrags-
satzsicherungsgesetz sein Ziel verfehlt habe, die Finanzgrundlagen der GKV zu
stärken, das Beitragssatzniveau zu stabilisieren und finanziellen Spielraum für
notwendige strukturelle Reformmaßnahmen zu schaffen.
Der verordnete Beitragssatzstopp laufe weitgehend ins Leere. Außerdem ge-
fährdeten die mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz erfolgten Belastungen der
Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäuser sowie der Apotheken, der pharmazeuti-
schen Großhändler und der pharmazeutischen Hersteller wie auch die Absen-
kung der Preise für zahntechnische Leistungen in der GKV Tausende von
Arbeitsplätzen und schmälerten damit zusätzlich die Einnahmebasis der GKV.
Darüber hinaus führten die getroffenen Zwangsmaßnahmen zu einer Ver-
schlechterung der Qualität der medizinischen Versorgung.

B. Lösung
1) Ablehnung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/542 mit den Stim-

men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP

2) Ablehnung des Antrags auf Drucksache 15/652 (neu) mit den Stimmen
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stim-
men der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der
FDP

C. Alternativen
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/542 sowie des Antrags auf
Drucksache 15/652 (neu).

D. Kosten
Wurden von den einbringenden Fraktionen nicht beziffert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1202

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Gesetzentwurf – Drucksache 15/542 – abzulehnen,
2. den Antrag – Drucksache 15/652 (neu) – abzulehnen.

Berlin, den 24. Juni 2003

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Klaus Kirschner
Vorsitzender

Dr. Marlies Volkmer
Berichterstatterin

Drucksache 15/1202 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Marlies Volkmer

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 15/542 in seiner 38. Sitzung am 4. April 2003 in ers-
ter Lesung beraten und dem Ausschuss für Gesundheit und
Soziale Sicherung zur federführenden Beratung sowie dem
Innenausschuss, dem Rechtsausschuss, dem Ausschuss für
Wirtschaft und Arbeit und dem Ausschuss für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft zur Mitberatung
überwiesen. Den Antrag auf Drucksache 15/652 (neu) hat er
ebenfalls in seiner 38. Sitzung am 4. April 2003 in erster
Lesung beraten und dem Ausschuss für Gesundheit und
Soziale Sicherung zur federführenden Beratung sowie dem
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur Mitberatung über-
wiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
1) zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 15/542
Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP halten das am
1. Januar 2003 in Kraft getretene Beitragssatzsicherungs-
gesetz (BSSichG) für den untauglichen Versuch, im Eilver-
fahren und unter Ausblendung der Notwendigkeit grund-
legender Strukturreformen eine über mehrere Jahre ver-
fehlte Gesundheitspolitik mit willkürlichen Ausgabenbe-
grenzungen zu korrigieren. Sein Ziel, die Beitragssätze zur
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu stabilisieren,
sei deutlich verfehlt worden. Zugleich hätten die willkür-
lichen Ausgabenkürzungen durch das Beitragssatzsiche-
rungsgesetz zur Verschlechterung der Versorgungsqualität,
zur Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen der Leis-
tungserbringer und zur Vernichtung zahlreicher Arbeits-
plätze im Gesundheitswesen geführt. Vor diesem Hinter-
grund fordern die Fraktionen der CDU/CSU und FDP die
Rücknahme der Maßnahmen des Beitragssatzsicherungs-
gesetzes.
Dabei sei in einem ersten Schritt dem dringenden Hand-
lungsbedarf beim Rabatt der pharmazeutischen Großhändler
an die Krankenkassen Rechnung zu tragen. Im Widerspruch
zu der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung wiederholt vorgetragenen Argumentation würden
die Apotheken durch die Maßnahmen des Beitragssatz-
sicherungsgesetzes nicht mit rund 350 Mio. Euro jährlich
belastet, sondern mit rund 900 Mio. Euro. Seit Ende
Dezember 2002 gingen die pharmazeutischen Großhändler
dazu über, den ihnen mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz
auferlegten Abschlag in Höhe von 3 % des Arzneimittel-
abgabepreises mit bestehenden Rationalisierungsrabatten an
die Apotheken zu verrechnen, was gemeinsam mit dem
eigenen im Beitragssatzsicherungsgesetz festgelegten Spar-
beitrag der Apotheken bei diesen durchschnittlich zu einer
Verringerung des Einkommens vor Steuern um rund 35 %
führe.
Deshalb müsse zunächst einmal rückwirkend zum 1. Januar
2003 der Großhandelsabschlag aufgehoben werden. Nur so
könnten das bewährte System der Arzneimitteldistribution
durch öffentliche Apotheken erhalten und die flächen-
deckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arz-
neimitteln gewährleistet werden.

2) zu dem Antrag auf Drucksache 15/652 (neu)
Auch in dem Antrag führt die Fraktion der CDU/CSU aus,
dass das Beitragssatzsicherungsgesetz sein Ziel verfehlt
habe, die Finanzgrundlagen der GKV zu stärken, das Bei-
tragssatzniveau zu stabilisieren und finanziellen Spielraum
für notwendige strukturelle Reformmaßnahmen zu schaffen.
Der von der Bundesregierung mit dem Beitragssatzsiche-
rungsgesetz verordnete Beitragssatzstopp laufe weitgehend
ins Leere. Außerdem gefährdeten die mit diesem Gesetz er-
folgten Belastungen der Ärzte, Zahnärzte und Krankenhäu-
ser sowie der Apotheken, der pharmazeutischen Großhänd-
ler und der pharmazeutischen Hersteller wie auch die Ab-
senkung der Preise für zahntechnische Leistungen in der
GKV Tausende von Arbeitsplätzen und schmälerten damit
zusätzlich die Einnahmebasis der GKV. Darüber hinaus
führten die getroffenen Zwangsmaßnahmen zu einer Ver-
schlechterung der Qualität der medizinischen Versorgung.
Vor diesem Hintergrund fordert die Fraktion der CDU/CSU
l die mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz angeordnete

Null-Runde für Krankenhäuser aufzuheben, um die
Krankenhäuser vor einem unüberlegten, übereilten Um-
stieg in das Fallpauschalensystem mit gravierenden Fol-
gen für die medizinische Versorgung der Patienten und
die wirtschaftliche Existenz einer Klinik zu schützen,

l die Null-Runde in der ambulanten ärztlichen und zahn-
ärztlichen Versorgung aufzuheben, um eine flächen-
deckende medizinische Versorgung der Bevölkerung bis
zum Inkrafttreten einer Gesundheitsreform, die als einen
wesentlichen Bestandteil feste Preise für medizinisch
notwendige Leistungen beinhalten müsse, sicherzustel-
len,

l die die Versorgungsqualität der zahntechnischen Leis-
tungen gefährdende Preisabsenkung bei den Zahntechni-
kern zu beseitigen und

l die Preisnachlässe bei pharmazeutischen Herstellern,
pharmazeutischen Großhändlern und Apotheken rück-
gängig zu machen, zumal sich das verordnete Rabatt-
einzugsverfahren als vollkommen untauglich zur Steue-
rung der Arzneimittelausgaben erwiesen habe.

Auch die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze habe
sich als untaugliche Maßnahme zur Sanierung der Finanzen
der gesetzlichen Krankenversicherung erwiesen. Es mache
keinen Sinn, immer mehr Versicherte in ein reformbedürfti-
ges Versicherungssystem zu drängen und zugleich einem
anderen funktionierenden Versicherungssystem die Exis-
tenzgrundlage zu entziehen. Bedenklich sei außerdem unter
dem Aspekt des Vertrauensschutzes die Halbierung des
Sterbegeldes.
Die Bundesregierung habe mit ihrer konzeptionslosen, be-
schäftigungs- und patientenfeindlichen Kostendämpfungs-
politik und einer Politik der fortgesetzten Verschiebebahn-
höfe keines der drängenden Probleme der gesetzlichen
Krankenversicherung gelöst. Die durch eine verfehlte
Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik bedingte Erosion der
Einnahmen halte an und wiege umso schwerer als auch un-
zureichender Wettbewerb und Intransparenz zu strukturel-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1202

len Mängeln in der GKV führten. Die Schere zwischen Ein-
nahmen und Ausgaben klaffe deshalb immer weiter ausein-
ander und verlange geradezu nach einer grundlegenden die
Einnahmen- und Ausgabenseite gleichermaßen umfassen-
den Reform. Zentraler Bestandteil einer solchen Reform
müsse die Schaffung von Freiräumen für alle Beteiligten im
Gesundheitswesen sein, auch für Patienten und Versicherte,
sowie eine spürbare Stärkung der Eigenverantwortung.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Innenausschuss hat in seiner 14. Sitzung am 4. Juni
2003 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Gesetzent-
wurf auf Drucksache 15/542 abzulehnen.
Der Rechtsausschuss hat in seiner 20. Sitzung am 4. Juni
2003 mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Gesetzent-
wurf auf Drucksache 15/542 abzulehnen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat in seiner
22. Sitzung am 4. Juni 2003 mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den
Gesetzentwurf auf Drucksache 15/542 sowie den Antrag auf
Drucksache 15/652 (neu) abzulehnen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft hat in seiner 15. Sitzung am 4. Juni 2003
mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP empfohlen, den Gesetzentwurf auf
Drucksache 15/542 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung hat
seine Beratungen in der 14. Sitzung am 9. April 2003 auf-
genommen und beschlossen, eine öffentliche Anhörung von
Sachverständigen zu dem Gesetzentwurf durchzuführen.
Die Anhörung fand in der 23. Sitzung am 21. Mai 2003
statt. Hierzu hat der Ausschuss folgende Sachverständige
eingeladen:
AOK-Bundesverband, Verband der Angestellten-Kranken-
kassen e.V./Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e. V. (VdAK/
AEV), Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK),
Bundesverband der Innungskrankenkassen (IKK), Bundes-
knappschaft, Bundesverband der landwirtschaftlichen Kran-
kenkassen, Verband der privaten Krankenversicherung e. V.
(PKV), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Kas-
senzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), Marburger
Bund – Verband der angestellten und beamteten Ärzte
Deutschlands e. V., Deutsche Krankenhausgesellschaft
(DKG), Bundesverband Deutscher Privatkrankenanstalten
e. V., Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e. V.
(BAH), Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie
e. V. (BPI), Verband Forschender Arzneimittelhersteller
(VFA), Deutscher Generika Verband e. V., Bundesverband
des pharmazeutischen Großhandels e. V. (PHAGRO), Bun-
desverband der Arzneimittel-Importeure e. V., Bundesverei-

nigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Verband
Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI), Deutscher Ge-
werkschaftsbund (DGB), Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA), Bundesvereinigung der Kom-
munalen Spitzenverbände, Verband Deutscher Rentenver-
sicherungsträger e. V. (VDR), Verbraucherzentrale Bundes-
verband e. V. (vzbv), Deutsche Gesellschaft für Versicherte
und Patienten e. V. (DGVP) und Verband der Krankenver-
sicherten Deutschlands e. V. (VKVD) als sachverständige
Verbände sowie Günther Borcherding, Dr. Klaus G. Brauer,
Rudolf Henke, Prof. Dr. med. Dr. sc. Karl W. Lauterbach
und Prof. Dr. med. Ulrich Schwabe als Einzelsachverstän-
dige.
Auf das Wortprotokoll und die als Ausschussdrucksachen
verteilten Stellungnahmen der Sachverständigen wird Be-
zug genommen.
In der 24. Sitzung am 4. Juni 2003 hat der Ausschuss seine
Beratungen fortgesetzt und abgeschlossen.
Als Ergebnis empfiehlt er mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP die Ablehnung des
Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/524 sowie mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 15/652 (neu).
Die Mitglieder der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN hoben hervor, dass es zu den Maßnahmen
des Beitragssatzsicherungsgesetzes keine Alternative gebe.
Eine Aufhebung des Beitragssatzsicherungsgesetzes würde
zu steigenden Beiträgen in der gesetzlichen Krankenver-
sicherung führen. Hätte die Opposition mit ihrer Initiative
zur Wiederherstellung des bis zum 31. Dezember 2002 be-
stehenden Rechtszustands Erfolg, fehlten der GKV 3 Mrd.
Euro und die Beitragssätze müssten in der Folge um 0,3
Prozentpunkte angehoben werden. Die Opposition verlange
die Rücknahme sämtlicher Maßnahmen des Beitragssatz-
sicherungsgesetzes, lege aber keine Konzepte zur Gegen-
finanzierung vor. Dies sei eine unseriöse Vorgehensweise.
Unredlich sei das Vorgehen auch deshalb, weil zum Zeit-
punkt der Einbringung beider Initiativen der Opposition
noch keine verwertbaren Zahlen über Auswirkungen des
Gesetzes vorgelegen hätten. Mittlerweile wisse man, dass
der Apothekenmarkt zu Herstellerabgabepreisen im Januar
2003 ein Umsatzplus von 5,5 % im Vergleich zum Vor-
jahresmonat, im Februar sogar von 9,4 % verzeichnen
konnte. Zwischen Umsatz und Gewinn bestehe ein enger
Zusammenhang.
Der Versuch des Arzneimittelgroßhandels, seinen Anteil an
der Stabilisierung der Arzneimittelausgaben auf die Apothe-
ken abzuwälzen, sei zumindest gebremst worden. Der Groß-
handel habe sich in Gesprächen mit der Bundesregierung
verpflichtet, eigene substanzielle Sparbeiträge zu erbringen.
Außerdem seien die Apotheken auch nicht – wie von der
Opposition behauptet – mit dem gesamten Großhandelsra-
batt von 600 Mio. Euro belastet worden. Zur Frage der Aus-
wirkungen auf die freiwillig gewährten Rabatte des Groß-
handels sei noch anzumerken, dass marktlich ausgehandelte
Rabatte nicht Gegenstand der Abführung an die GKV sein
könnten und sollten. Die Apotheken hätten jetzt die Chance,
ihre Marktmacht zu nutzen und neue Rabatte auszuhandeln.

Drucksache 15/1202 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Dies gelinge insbesondere umsatzstärkeren Apotheken.
Gleichzeitig solle noch einmal betont werden, dass die jet-
zige Regelung mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz
ohnehin – wie von vornherein vorgesehen – vorübergehen-
der Natur sei. Mit einer Neuordnung der Vertriebsstrukturen
und der Preisbildung bei Arzneimitteln einschließlich der
Rabattierungen durch das neue Gesetz zur Modernisierung
des Gesundheitssystems werde eine zukunftsweisende ver-
lässliche Lösung gefunden.
Insgesamt sei das Beitragssatzsicherungsgesetz nach wie
vor eine unverzichtbare Maßnahme zur Ausgabenstabilisie-
rung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit dem Ge-
sundheitssystemmodernisierungsgesetz werde die Koali-
tion die Voraussetzungen für mehr Qualität und Effizienz in
der Gesundheitsversorgung schaffen und dafür sorgen, dass
auch zukünftig unabhängig vom Einkommen allen Ver-
sicherten das medizinisch Notwendige zur Verfügung stehe.
Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU betonten, dass
die fatalen Folgen des Beitragssatzsicherungsgesetzes, vor
denen sie von Anfang an gewarnt hätten, mittlerweile deut-
lich sichtbar würden. Krankenhäuser, Arztpraxen und Zahn-
ärzte litten unter den erzwungenen Null-Runden. Infolge
dessen werde sich die medizinische Versorgung der Patien-
ten verschlechtern und Tausende von Arbeitsplätzen seien
gefährdet.
Noch schlimmer habe es die Zahntechniker und die Apothe-
ker getroffen. Bei den Zahntechnikern seien wegen der
5 %igen Preisabsenkung in größerem Umfang mittelständi-
sche Existenzen gefährdet. Die Preisabsenkung sei vorge-
nommen worden, um die Belastung der GKV durch die An-
hebung der Mehrwertsteuer für zahntechnische Leistungen
abzufedern. Da aber die Steuerreform nicht realisiert wor-
den sei, entfalle der Grund für die Preisabsenkung. Die
Apotheken treibe die rot-grüne Koalition mit ihrer Politik in
weiten Teilen des Landes an den Rand des Ruins. Man dürfe
nicht – wie dies die Koalition tue – Umsatz und Gewinn
verwechseln. Der Gewinn der Apotheken vor Steuern sei im
Durchschnitt um 35 bis 40 % eingebrochen, was kein Wun-
der sei, wenn man sich vor Augen halte, dass die Apotheken
durch das Beitragssatzsicherungsgesetz in diesem Jahr in
einer Dimension von insgesamt mindestens 900 Mio. Euro
belastet würden. Denn der Großhandel wälze seinen Rabatt
komplett auf die Apotheken ab. Die Union befürchte, dass
die Maßnahmen des Beitragssatzsicherungsgesetzes nur den
Einstieg in die vollständige Zerschlagung der bewährten
flächendeckenden wohnortnahen Versorgung mit Apothe-
ken darstellten.
Zu kritisieren sei auch die willkürliche Anhebung der Ver-
sicherungspflichtgrenze, die dazu führe, dass den privaten
Kassen der Nachwuchs abgeschnitten werde, ohne dass die
Strukturprobleme der GKV auch nur näherungsweise gelöst
würden. Allein die Ankündigung der Maßnahme habe zu
einer Massenflucht freiwillig Versicherter in die PKV und
so zu Einbußen von ca. 1 Mrd. Euro bei der GKV geführt.

Die Koalition habe mit ihren willkürlichen und völlig kon-
zeptionslosen Maßnahmen das Vertrauen der Menschen in
die Gesundheitspolitik nachhaltig erschüttert. Die von ihr
verordnete Therapie könne schon deswegen nicht greifen,
weil ihre Diagnose nicht zutreffend sei. Die Situation im
Gesundheitswesen sei nicht in erster Linie durch Probleme
auf der Ausgabenseite, sondern durch solche auf der Ein-
nahmeseite gekennzeichnet. Diese wiederum seien haupt-
sächlich auf die dramatische Entwicklung auf dem Arbeits-
markt und die politisch bedingten Verschiebebahnhöfe zu-
lasten der Krankenkassen zurückzuführen. Deshalb müsse
primär die Finanzierungsbasis neu geordnet werden. Ver-
sicherungsfremde Leistungen sollten umfinanziert, die
Eigenbeteiligung der Versicherten solle erhöht und ein Leis-
tungsbereich über eine Zusatzversicherung und nicht mehr
über lohnbezogene Beiträge finanziert werden. Auf der
Ausgabenseite müsse man durch marktwirtschaftliche
Instrumente, insbesondere mehr Transparenz und Wett-
bewerb, Effizienzreserven erschließen. Was man aber nicht
brauche, seien ungeordnete Eingriffe in die Substanz der
Leistungserbringer, die lediglich ein Arbeitsplatzfiasko im
Gesundheitswesen nach sich zögen und gleichzeitig die Ver-
sorgung der Menschen gefährdeten.
Die Mitglieder der Fraktion der FDP erklärten, dass sie
grundsätzlich der Zurücknahme des gesamten Beitrags-
satzsicherungsgesetzes zustimmten. Bei den Menschen
gehe das Vertrauen in die Bundesregierung mehr und mehr
verloren. Die Motivation der Beschäftigten im Gesundheits-
wesen tendiere gegen null und die Akteure im Gesundheits-
wesen und die Patienten müssten für die verfehlte Politik
der rot-grünen Koalition ihren Kopf hinhalten. Zwangs-
rabatte, Minusrunden, Preisabsenkungen und Manipula-
tionen an der Versicherungspflichtgrenze seien Musterbei-
spiele von Regulierungswut nach staatlichem Gutdünken
und zeigten keinen Ausweg aus der Misere auf. Auf der
Grundlage freiheitlicher Strukturen müssten vielmehr
Eigenverantwortung, Wettbewerb und Transparenz die ent-
scheidende Rolle spielen. Von diesen Zielen sei das Bei-
tragssatzsicherungsgesetz meilenweit entfernt.
Die bloße Rückführung in den Zustand vom 31. Dezember
2002 allein könne allerdings nicht die Lösung sein. Benötigt
werde – statt willkürlicher und arbeitsplatzgefährdender
Kostendämpfungsmaßnahmen – eine grundlegende Reform
vor allem auf der Finanzierungsseite des Gesundheitssystems.
Eine solche grundlegende Reform müsse mehr Eigenverantwor-
tung, höherer Transparenz und mehr Wettbewerb zum Durch-
bruch verhelfen. Letztlich laute die Kernfrage, wer das System
zukünftig steuern solle: der Versicherte bzw. der Patient oder
aber der Staat? Hier habe sich die Fraktion der FDP klar positio-
niert. Sie wolle die Entscheidung, was über die eigentliche
Grundversorgung hinaus wie finanziert werden solle, den Versi-
cherten und den Krankenkassen im Wettbewerb überlassen.
Wenn nicht auch die Regierung diesenWeg einschlage, werde es
zwangsläufig zu weiterhin steigenden Beiträgen bei rationierten
Leistungen kommen.

Berlin, den 24. Juni 2003
Dr. Marlies Volkmer
Berichterstatterin

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.