BT-Drucksache 15/1133

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Dr. Sascha Raabe, Matthias Weisheit, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Friedrich Ostendorff, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/550- Für eine nachhaltige Agrarpolitik und einen gerechten Interessenausgleich bei den laufenden WTO-Verhandlungen 2. zu dem -15/534- WTO-Verhandlungen - Europäisches Landwirtschaftsmodell absichern

Vom 4. Juni 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1133
15. Wahlperiode 04. 06. 2003

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
(10. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Dr. Sascha Raabe,
Matthias Weisheit, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken, Thilo Hoppe, Friedrich Ostendorff,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/550 –

Für eine Nachhaltige Agrarpolitik und einen gerechten Interessenausgleich bei
den laufenden WTO-Verhandlungen

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Peter H. Carstensen (Nordstrand), Albert
Deß, Gerda Hasselfeldt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/534 –

WTO-Verhandlungen – Europäisches Landwirtschaftsmodell absichern

A. Problem
Die Beschlüsse der 4. WTO-Ministerratstagung im November 2001 in Doha
sehen vor, dass bis zum 31. März 2003 die Modalitäten für ein neues WTO-
Agrarübereinkommen festgelegt werden. Der Vorsitzende des WTO-Agraraus-
schusses hat am 12. Februar 2003 den Entwurf eines Modalitätenpapiers vorge-
stellt, auf dessen Basis sich die WTO-Mitgliedsländer bis zur nächsten Minis-
terratstagung im September 2003 in Cancun auf ein neues Agrarübereinkom-
men verständigen sollen.
Der Allgemeine Rat der EU hat am 27. Januar 2003 einstimmig einen EU-
Verhandlungsvorschlag für die WTO-Agrarverhandlungen beschlossen, der
auf dem Grundsatz einer nachhaltigen Entwicklung im Agrarbereich weltweit
basiert.
Die Antragsteller zu 1. und 2. kritisieren den Entwurf des WTO-Modalitäten-
papiers mit unterschiedlicher Gewichtung und erheben eine Reihe von Forde-
rungen an die Bundesregierung im Hinblick auf die weiteren WTO-Verhand-
lungen.

Drucksache 15/1133 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

B. Lösung
Annahme des Antrags auf Drucksache 15/550 mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 15/534 mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1133

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Antrag - Drucksache 15/550 – anzunehmen,
2. den Antrag – Drucksache 15/534 – abzulehnen.

Berlin, den 21. Mai 2003

Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Vorsitzende

Reinhold Hemker
Berichterstatter

Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Berichterstatter

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

Hans-Michael Goldmann
Berichterstatter

Drucksache 15/1133 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Reinhold Hemker, Peter H. Carstensen (Nordstrand),
Ulrike Höfken und Hans-Michael Goldmann

I. Verfahrensverlauf
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 31. Sitzung am
13. März 2003 die Anträge auf den Drucksachen 15/550
und 15/534 zur federführenden Beratung an den Ausschuss
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft so-
wie zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und
Arbeit, den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung und an den Ausschuss für die Angelegen-
heiten der Europäischen Union überwiesen.
Der Antrag auf Drucksache 15/550 wurde zusätzlich zur
Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss sowie den Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
überwiesen.
Der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft hat die Vorlagen in seiner
14. Sitzung am 21. Mai 2003 abschließend behandelt.
II. Inhalt der Vorlagen
Zu Nummer 1
Mit dem Antrag auf Drucksache 15/550 fordern die Koali-
tionsfraktionen eine Nachhaltige Agrarpolitik und einen ge-
rechten Interessenausgleich zwischen den Industrie- und
den Entwicklungsländern bei den laufenden WTO-Verhand-
lungen.
Der Entwurf des WTO-Modalitätenpapiers werde dem Leit-
bild einer global nachhaltigen Wirtschaft nicht gerecht und
gefährde gleichzeitig das europäische Modell einer flächen-
deckenden, mutlifunktionalen Landwirtschaft.
Die Bundesregierung wird u. a. aufgefordert,
– sich in der WTO-Runde für einen verbesserten Markt-

zugang der Entwicklungsländer im Agrarbereich einzu-
setzen,

– Direktzuschüsse der Industriestaaten, die auf Produkte
bzw. die Produktion bezogen sind und bei denen der Ex-
port des Produkts einen bestimmten Anteil überschreitet,
wie Export-Subventionen zu behandeln und sich für eine
drastische Reduzierung aller Formen der Export-Sub-
ventionierung der Industrieländer einzusetzen,

– sich dafür einzusetzen, dass die Multifunktionalität der
Landwirtschaft und damit Maßnahmen zur Förderung
des Natur- und Landschaftsschutzes, der Entwicklung
ländlicher Räume, der Arbeitsplatzsicherung, des ländli-
chen Tourismus und regionaler Wirtschaftskreisläufe als
förderungswürdig im Rahmen der „green-box“ aner-
kannt und entsprechende Maßnahmen hierzu gefördert
werden,

– im Zuge der WTO-Verhandlungen insbesondere dafür
Sorge zu tragen, dass bestehende Präferenzen für die
ärmsten Entwicklungsländer sowie der AKP-Staaten er-
halten bleiben,

– sich bei der Weltbank, im Rahmen der europäischen Ent-
wicklungszusammenarbeit und der bilateralen Zusam-

menarbeit für eine stärkere Förderung ländlicher Ent-
wicklungsprogramme und dafür einzusetzen, dass
Regelungen dafür getroffen werden, die Nahrungsmittel-
hilfe nicht zur Überschussbeseitigung und zur Verdrän-
gung einheimischer Saaten zu missbrauchen.

Zu Nummer 2
Die Antragsteller fordern, die unterschiedlichen politischen,
wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in den ver-
schiedenen Regionen der Welt fair und kontrolliert zu be-
rücksichtigen.
Die Vorschläge des Vorsitzenden der WTO-Agrarverhand-
lungsgruppe, Stewart Harbinson, seien aus deutscher und
EU-Sicht völlig unannehmbar. Sie bedeuteten einen Rück-
schlag für das Modell einer multifunktionalen Landwirt-
schaft.
Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, bei den lau-
fenden WTO-Verhandlungen die Einhaltung maßgeblicher
Leitlinien sicherzustellen, wie beispielsweise:
– das europäische Modell einer umweltfreundlichen, nach-

haltigen, multifunktionalen und flächendeckenden Land-
wirtschaft zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Stabilisierung des ländlichen Raumes abzusichern,

– die Vorleistungen der Europäischen Union im Rahmen
der Agenda 2000 zu berücksichtigen,

– das System der direkten Beihilfen und der Mengensteue-
rung beizubehalten und über die „blue-box“ abzusichern,

– in das neue Welthandelsabkommen das hohe Niveau des
Gesundheits-, Tier- und Umweltschutzes der EU zu in-
tegrieren und den Verbraucherwünschen Rechnung zu
tragen,

– die Interessen der Entwicklungsländer in den Welthandel
verstärkt einzubeziehen und sicherzustellen, dass die
Agrarproduktion in den Entwicklungsländern nicht durch
subventionierte Agrarexporte in diese Länder gefährdet
wird.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
Zu Nummer 1
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 14. Sitzung am
9. April 2003 die Annahme der Vorlage mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und FDP empfohlen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat in seiner
17. Sitzung am 9. April April 2003 die Annahme der Vor-
lage mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfoh-
len.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit hat in seiner 11. Sitzung am 9. April 2003 der Vor-
lage mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/1133

Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zuge-
stimmt.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat in seiner 11. Sitzung am 2. April 2003 die
Annahme der Vorlage mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP empfohlen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat in seiner 17. Sitzung am 9. April 2003 die
Annahme der Vorlage mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP empfohlen.
Zu Nummer 2
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit hat in seiner
17. Sitzung am 9. April 2003 die Vorlage mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP gegen
die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat in seiner 11. Sitzung am 2. April 2003 die
Vorlage mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP abge-
lehnt.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat in seiner 17. Sitzung am 9. April 2003 die
Ablehnung der Vorlage mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der Fraktion der FDP gegen die Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU empfohlen.
IV. Beratungsverlauf im federführenden Ausschuss
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft hat die Vorlagen in seiner 14. Sitzung am
21. Mai 2003 abschließend beraten.
Seitens der Koalitionsfraktionen wurde der EU-Verhand-
lungsvorschlag für die WTO-Agrarverhandlungen unter-
stützt, da er ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Han-
delsliberalisierung und wirtschaftlichen/gesellschaftlichen
Interessen der Mitglieder anstrebe. Begrüßt wurde, dass so-
wohl die EU-Kommission, wie auch die Bundesregierung
die Halbzeitbewertung der Agenda 2000 als Chance für eine
tragfähige WTO-Kompatible Reform der gemeinsamen
Agrarpolitik nutzen wollten.
Bemängelt wurde jedoch, dass der Entwurf des WTO-Mo-
dalitätenpapiers dem Leitbild einer globalen nachhaltigen
Entwicklung der Landwirtschaft nicht gerecht werde. Auch
aus entwicklungspolitischer Sicht seien die vorgesehenen
Regelungen für Entwicklungsländer unzureichend. Gleich-

zeitig werde das europäische Modell einer flächendecken-
den, multifunktionalen Landwirtschaft gefährdet, was den
Verlust unzähliger Arbeitsplätze im ländlichen Raum zur
Folge hätte.
Insgesamt gehe es also um einen fairen Ausgleich bei den
WTO-Agrarverhandlungen zwischen einer Neuorientie-
rung der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion im
Sinne einer nachhaltigen, umwelt- und qualitätsorientierten
Produktion sowie der Förderung der Entwicklungsziele der
Entwicklungsländer.
Von der Fraktion der CDU/CSU wurde die Absicht der EU
begrüßt, bei den WTO-Agrarverhandlungen auf eine Absi-
cherung des europäischen Agrarmodells einer umwelt-
freundlichen, nachhaltigen, multifunktionalen und flächen-
deckenden Landwirtschaft und damit der Existenz entspre-
chend wirtschaftender Betriebe hinzuwirken.
Inakzeptabel sei der inzwischen vorliegende Entwurf eines
Modalitätenpapiers des Vorsitzenden der WTO-Agrarver-
handlungsgruppe, und zwar sowohl aus deutscher wie aus
EU-Sicht. Er laufe dem Modell einer multifunktionalen
Landwirtschaft zuwider und stelle die Gemeinsame Agrar-
politik der EU in weiten Bereichen in Frage. Viele Betriebe
wären nicht mehr existenzfähig, die ländlichen Räume nicht
mehr lebensfähig. An den grundsätzlich begrüßten Sonder-
regelungen für Entwicklungsländer wurde insbesondere be-
mängelt, dass sie nicht den Entwicklungsgrad der einzelnen
Länder berücksichtigten.
Seitens der Fraktion der FDP wurde der Entwurf für ein
WTO-Modalitätenpapier ebenfalls als Grundlage für die
WTO-Verhandlungen abgelehnt, da seine Umsetzung eine
Abkehr von der flächendeckenden, mulitfunktionalen Land-
wirtschaft in Europa bedeuten würde. Bei den WTO-Ver-
handlungen müsse es zu einem fairen Interessenausgleich
der WTO-Staaten kommen. Dabei gehe es um die Öffnung
der Märkte, um einen besseren Wettbewerb zu ermöglichen
und den Entwicklungsländern Zugang zu unseren Märkten
zu verschaffen. Weiterhin müssten die hohen EU-Standards
in der Lebensmittelsicherheit, im Umweltschutz und im
Tierschutz gesichert werden. Schließlich benötigten die Ent-
wicklungsländer Schutzräume zur Verbesserung der Wettbe-
werbsfähigkeit ihrer Produkte.
Der Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache 15/550 mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP angenommen.
Der Antrag auf Drucksache 15/534 wurde mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
abgelehnt.

Berlin, den 21. Mai 2003
Reinhold Hemker
Berichterstatter

Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Berichterstatter

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

Hans-Michael Goldmann
Berichterstatter

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