BT-Drucksache 15/1029

Konsequenzen des "AK End" für die nationale Entsorgung radioaktiver Abfälle

Vom 20. Mai 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1029
15. Wahlperiode 20. 05. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kurt-Dieter Grill, Dr. Peter Paziorek, Dr. Rolf Bietmann,
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Jochen-Konrad Fromme, Albrecht Feibel,
Cajus Caesar, Marie-Luise Dött, Dr. Maria Flachsbarth, Georg Girisch, Tanja
Gönner, Josef Göppel, Kristina Köhler (Wiesbaden), Doris Meyer (Tapfheim), Franz
Obermeier, Ulrich Petzold, Werner Wittlich und der Fraktion der CDU/CSU

Konsequenzen des „AK End“ für die nationale Entsorgung radioaktiver Abfälle

Bereits im Jahr 1999 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (BMU) den „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstand-
orte (AK End)“ eingerichtet. Diese Einrichtung erfolgte deutlich vor der Ver-
einbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunter-
nehmen (EVU) vom 14. Juni 2000, in der die Bundesregierung wörtlich zum
Erkundungsbergwerk für ein Endlager im Salzstock Gorleben erklärt: „Somit
stehen die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit
des Salzstockes Gorleben zwar nicht entgegen“. Der „AK End“ findet in der
Vereinbarung vom 14. Juni 2000 hingegen keine Erwähnung und ist insofern
auch nicht Gegenstand des Vertrages zwischen Bundesregierung und EVU.
Am 17. Dezember 2002 haben die Mitglieder des „AK End“ dem Bundesminis-
ter für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, ihren Ab-
schlussbericht vorgelegt. Der „AK End“ schlägt ein fünfstufiges Verfahren im
Vorfeld eines Endlagerbetriebes für radioaktive Abfälle vor. Nachdem aus Sicht
des „AK End“ die Phase I mit der Vorlage des Abschlussberichtes abgeschlos-
sen ist, würde bis zum Beginn des Jahres 2004 die Phase II folgen. Während
Phase II würde die politische und rechtliche Festlegung des Auswahlverfahrens
unter breiter Beteiligung der Öffentlichkeit erfolgen.
Bis zum Ende des Jahres 2002 – sowohl im Rahmen der Diskussion um das
Moratorium im Salzstock Gorleben während des Gesetzgebungsprozesses zum
„Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen
Erzeugung von Elektrizität (Änderung des Atomgesetzes)“ als auch in der poli-
tischen Auseinandersetzung nach Inkrafttreten – hat die Bundesregierung im-
mer wieder auf die Bedeutung und Wichtigkeit der Arbeit des „AK End“ ver-
wiesen. Nachdem der Abschlussbericht des „AK End“ schon seit Ende des
Jahres 2002 vorliegt, ist immer noch völlig unklar, wie die Bundesregierung die
Ergebnisse bewertet bzw. welche Konsequenzen sie daraus ziehen will. Es ist
immer noch offen, welche Verfahrensvorschläge des „AK End“ die Bundes-
regierung übernehmen und wann und wie sie diese implementieren will.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse des „AK End“?

Drucksache 15/1029 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Wird die Bundesregierung bei der Umsetzung der Ergebnisse des „AK
End“ an die Bund/Länder-Beschlüsse zum deutschen Entsorgungskonzept
aus den Jahren 1979, 1981 und 1990 anknüpfen?
Wenn nein, wie will sie die von der Verfassung her gebotene Mitverant-
wortung aller Länder bei der Entsorgung nuklearer Abfälle sicherstellen,
oder betrachtet sie die bisherigen Bund/Länder-Beschlüsse als obsolet?

3. Wird die Bundesregierung formale Verhandlungen mit den Ländern über
Fortsetzung oder Neufassung der Entsorgungsgrundsätze aufnehmen?

4. Sind die Ergebnisse des „AK End“ mit dem so genannten Konsens der
Bundesregierung mit den EVU vom 14. Juni 2000 vereinbar?
Wenn ja, warum?

5. Welche Verfahrensvorschläge des „AK End“ will die Bundesregierung
übernehmen, wie will sie sie rechtlich implementieren und welchen detail-
lierten Zeitplan sieht sie bis zur Inbetriebnahme eines nationalen Endlagers
für hochradioaktive Abfälle vor?

6. Sieht die Bundesregierung verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bei der
Verrechtlichung des vom „AK End“ vorgeschlagenen Auswahlverfahrens?

7. Auf welche Höhe beziffert die Bundesregierung die Gesamtkosten (unter-
teilt nach Verhandlungsgruppe, Studienvergabe, tatsächliche ober- und
unterirdische Erkundung etc.) für die nach dem Verfahren des „AK End“
vorgeschlagene alternative Standorterkundung?

8. Wie würde die Bundesregierung diese Kosten für die alternative Standort-
erkundung finanzieren, und zu welchen Anteilen bzw. in welcher Form
würde sich der Bund daran beteiligen?

9. Soll der institutionelle Beginn, wie in Schritt 1 Phase II des „AK End“-Ab-
schlussberichtes vorgesehen, durch einen Beschluss der Bundesregierung
erfolgen?
Wenn ja, wann soll dieser Beschluss erfolgen?
Wenn nein, soll der institutionelle Beginn durch einen Beschluss des BMU
erfolgen, und wann soll dies geschehen?

10. In welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt sollen, wie in Schritt 1 Phase
II des „AK End“-Abschlussberichtes vorgeschlagen, der Deutsche Bundes-
tag, der Bundesrat und die Landesregierungen am institutionellen Beginn
beteiligt werden?

11. Aus wie vielen Personen soll die in Schritt 2 Phase II des „AK End“-
Abschlussberichtes vorgesehene Verhandlungsgruppe bestehen, und wer
würde sie leiten?

12. Welche gesellschaftlichen Gruppen sollen in welchem Umfang bzw. in
welcher Form in dieser Verhandlungsgruppe beteiligt werden und warum
jeweils?

13. Welche Bundesländer sollen in welchem Umfang bzw. in welcher Form in
der Verhandlungsgruppe beteiligt werden?

14. Welche Bundesministerien sollen in welchem Umfang bzw. in welcher
Form in der Verhandlungsgruppe beteiligt werden?

15. Welche Bundestagsfraktionen sollen in welchem Umfang bzw. in welcher
Form in der Verhandlungsgruppe beteiligt werden?

16. Sollen Mitglieder des „AK End“ an der Verhandlungsgruppe beteiligt
werden?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1029

17. Würde die Verhandlungsgruppe mehrheitlich oder einstimmig über ihre
Ergebnisse entscheiden?

18. Wann soll die Verhandlungsgruppe ihre Arbeit aufnehmen, wann soll sie
sie abschließen und bis wann und in welcher Form sollen die entsprechen-
den Ergebnisse rechtlich umgesetzt werden?

19. Würde die Bundesregierung nach Abschluss der Arbeit der Verhandlungs-
gruppe dem Deutschen Bundestag einen Beschlussvorschlag unterbreiten,
und in welchem Umfang würden dabei die Ergebnisse der Verhandlungs-
gruppe berücksichtigt?

20. Würde nach den Plänen der Bundesregierung der Deutsche Bundestag
letztlich in einer Atomgesetznovelle über die Auswahlkriterien und Aus-
wahlverfahren entscheiden und soll dies mit der Mehrheit des Deutschen
Bundestages geschehen oder würde die Bundesregierung einen interfrak-
tionellen Konsens anstreben wollen?

21. Inwieweit würden bei einer solchen Änderung des Atomgesetzes durch den
Deutschen Bundestag die Ergebnisse der Verhandlungsgruppe letztlich
berücksichtigt?

22. In welcher Form und zu welchen Zeitpunkten will die Bundesregierung die
Öffentlichkeit in die Festlegung des Auswahlverfahrens bzw. in die letzt-
liche Standortbestimmung einbeziehen?

23. Soll die Bürgerbeteiligung nach dem Vorbild des 1979 in Hannover prak-
tizierten einwöchigen Gorleben-Hearings erfolgen?

24. Sollen die Standorte Gorleben und Konrad im Auswahlverfahren berück-
sichtigt werden, und wenn ja, in welcher Form jeweils?

Berlin, den 7. Mai 2003
Kurt-Dieter Grill
Dr. Peter Paziorek
Dr. Rolf Bietmann
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Cajus Caesar
Marie-Luise Dött
Dr. Maria Flachsbarth
Georg Girisch
Tanja Gönner
Josef Göppel
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Doris Meyer (Tapfheim)
Franz Obermeier
Ulrich Petzold
Werner Wittlich
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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