BT-Drucksache 15/1012

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/614, 15/994- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser - Fallpauschalenänderungsgesetz (FPÄndG)

Vom 20. Mai 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/1012
15. Wahlperiode 20. 05. 2003

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Hans Georg Faust, Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette
Widmann-Mauz, Dr. Wolf Bauer, Monika Brüning, Verena Butalikakis, Michael
Hennrich, Hubert Hüppe, Barbara Lanzinger, Maria Michalk, Hildegard Müller,
Matthias Sehling, Jens Spahn, Matthäus Strebl, Gerald Weiß (Groß-Gerau),
Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 15/614, 15/994 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten
Fallpauschalensystem für Krankenhäuser – Fallpauschalenänderungsgesetz
(FPÄndG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest,
Mit der Einführung der diagnosebezogenen Fallpauschalen (Diagnosis Related
Groups; DRGs) hat das Krankenhausfinanzierungssystem in Deutschland die
seit Jahrzehnten stärkste Veränderung erfahren. Das neue System hätte die
Chance für eine leistungsgerechte Finanzierung und für eine deutliche Reduk-
tion der Krankenhauskosten geboten.
Deutschland ist weltweit das einzige Land, in dem die DRGs fast alle klini-
schen Versorgungsbereiche umfassen und abbilden sollen. In Australien, dessen
AR-DRG-System als Vorlage ausgewählt wurde, wird dieses System jedoch
weitaus weniger umfassend eingesetzt als in Deutschland, so dass den austra-
lischen Ärzten ein größerer Handlungsspielraum verbleibt. Diese politisch vor-
gegebene umfassende Abbildung aller klinischen Versorgungsbereiche hat eine
folgenschwere Schwäche der deutschen Fallpauschalen-Regelung zur Folge, so
dass etwa 20 bis 30 Prozent der medizinischen Leistungen nicht sachgerecht
abgebildet werden können, wie z. B. Intensivmedizin, Frührehabilitation,
Onkologie, Kinderchirurgie, Transplantationsmedizin, Unfallchirurgie, Per-
sonen mit zusätzlichen Behinderungen, Rheumatologie und Schmerztherapie.
Die Bundeswehrkrankenhäuser bleiben wie bisher zur Behandlung von Zivil-
patienten berechtigt, um eine ausreichende Aus-, Fort- und Weiterbildung des
Sanitätspersonals zu gewährleisten.
Die Fallpauschalen-Regelung hat zu einer immensen Zunahme der Belastungen
von Ärzten und Pflegepersonal im Krankenhaus mit bürokratischen Arbeiten
geführt, so dass heute nahezu ein Drittel der Arbeitszeit durch Dokumentations-

Drucksache 15/1012 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

und Administrationsaufgaben gebunden wird. Durch dieses Mehr an zeitauf-
wendigen Verwaltungsaufgaben verbleibt immer weniger Zeit für die medizini-
sche und pflegerische Versorgung des Patienten mit negativen Folgen für die
Behandlungsqualität.
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch eine Studie aus den USA,
die an der University School of Medicine in Connecticut durchgeführt wurde.
Darin wurden die Behandlungsdaten von Patienten mit Pneumonie aus den Jah-
ren 1992 und 1997 analysiert, vor und nach der Einführung von Fallpauschalen.
Es zeigte sich in der Tat, dass die Verweildauer durchschnittlich mit dem neuen
System um 35 Prozent zurückging. Die Krankenhauskosten pro Fall verringer-
ten sich um 25 Prozent. Die Sterblichkeit im Krankenhaus ging um 15 Prozent
zurück. Bei Ausweitung der Untersuchung auf die ersten 30 Tage nach der Ent-
lassung stellte man jedoch fest, dass hier die Sterblichkeit um 35 Prozent ge-
stiegen war. Die Wiederaufnahmen wegen eines Rückfalls nahmen um 23 Pro-
zent zu und die Verlegung in eine Pflegeeinrichtung um 42 Prozent. Diese Zah-
len belegen für den Fall der Pneumonie eine eindeutige Verschlechterung der
Behandlungsqualität.
Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Fallpauschalenge-
setzes ziehen die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen
die Konsequenzen aus den bekanntgewordenen Fehlentwicklungen im Zusam-
menhang mit der Einführung des DRG-Fallpauschalensystems in den Kranken-
häusern. Diese Nachbesserungen wären vermeidbar gewesen, wenn die Verant-
wortlichen für dieses Fallpauschalensystem – wie schon im Entschließungsan-
trag der Fraktion der CDU/CSU vom 12. Dezember 2001, Drucksache 14/7843,
festgestellt – nicht auf eine vorschnelle Umsetzung bestanden und an einer
willkürlich vorgegebenen hundertprozentigen Abbildung im DRG-Fallpau-
schalen-System festgehalten hätten.
Die aufgezeigten Fehlentwicklungen und Mängel des DRG-Fallpauschalen-
Systems wurden auch durch die deutliche Kritik der Sachverständigen im
Rahmen der Öffentlichen Anhörung zum Fallpauschalenänderungsgesetz am
9. April 2003 bestätigt. Insbesondere legten die Sachverständigen dar, dass eine
sachgerechte Abbildung für die Jahre 2003 und 2004 dringend erfolgen muss,
um eine angemessene Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen und
eine stationäre Unterversorgung zu vermeiden.
Zudem führt die bisher vorgesehene formelhafte Ermittlung des Mehrerlösaus-
gleiches bei verschiedenen Konstellationen zu untragbaren Ergebnissen. Bei
der formelhaften Ermittlung wird außerdem grundsätzlich unterstellt, dass eine
Erhöhung des Case-Mix-Index (CMI) immer auf sog. Upcoding-Effekte zu-
rückzuführen ist. Ein steigender CMI muss jedoch nicht zwangsläufig auf eine
veränderte Codierung zurückzuführen sein. Es ist ebenso denkbar, dass durch-
gehend richtig und konstant kodiert wurde, aber beispielsweise auf Grund der
demographischen Entwicklung verstärkt ältere, multimorbide Patienten mit
einem höheren Behandlungsaufwand behandelt wurden. Dem Krankenhaus
entsteht hierdurch ein tatsächlicher Mehraufwand, der leistungsgerecht höher
vergütet werden muss und nicht zu 100 Prozent ausgeglichen werden darf.
Keine Berücksichtigung findet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichts-
hofes zum Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit bei der Ermittlung der Fallpau-
schalen. Dies hat zur Folge, dass zusätzlich benötigtes Personal nicht einge-
stellt werden kann, weil über die Fallpauschalen die notwendigen finanziellen
Ressourcen nicht bereitgestellt werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/1012

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf,
das Fallpauschalengesetz grundlegend zu überarbeiten und dabei vor allem
1. für eine sachgerechte Abbildung der Indikationen und damit verbundenen

medizinischen und pflegerischen Leistungen in den Fallpauschalen Sorge zu
tragen;

2. in die Bewertungsrelationen den Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit einzube-
ziehen;

3. eine Regelung für den Erlösausgleich zu finden, die eine sachgerechte Diffe-
renzierung von Kodiereffekten und Veränderungen der Leistungsstruktur
vorsieht.

Berlin, den 20. Mai 2003
Dr. Hans Georg Faust
Horst Seehofer
Andreas Storm
Annette Widmann-Mauz
Dr. Wolf Bauer
Monika Brüning
Verena Butalikakis
Michael Hennrich
Hubert Hüppe
Barbara Lanzinger
Maria Michalk
Hildegard Müller
Matthias Sehling
Jens Spahn
Matthäus Strebl
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Wolfgang Zöller
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.