BT-Drucksache 14/9978

über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 22. bis 26. April 2002 in Straßburg

Vom 17. September 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9978
14. Wahlperiode 17. 09. 2002

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates vom 22. bis 26. April 2002 in Straßburg

Während des zweiten Teils der Sitzungsperiode 2002 vom 22. bis 26. April 2002 erörterte
die Parlamentarische Versammlung des Europarates Berichte, behandelte die üblichen ge-
schäftsordnungsmäßigen Vorgänge und fasste Beschlüsse zu folgenden Themen:

Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des Ständigen Ausschusses
der Versammlung

Bericht des Ministerkomitees
– Vorlage durch den amtierenden Vorsitzenden, den Außenminister von Litauen, Antanas

Valionis
Frage der Abg. Wolfgang Behrendt (S. 19) und Rudolf Bindig (S. 19)

Politische Fragen
– Ansprache von Großherzog Henri von Luxemburg
– Ansprache des Präsidenten von Rumänien, Ion Iliescu
– Ansprache des Präsidenten der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina, Beriz

Belkic
– Ansprache des Präsidenten des Föderationsrates, Föderation sversammlung der Russi-

schen Föderation, Sergej Mironow
– Die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen

Hierzu sprach Abg. Wolfgang Behrendt (S. 27)
– Der Nahostkonflikt (Entschließung 1281 – S. 32)

Hierzu sprach Abg. Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues (S. 31); die Reden von Abg. Wolfgang
Behrendt (S. 31) und Abg. Benno Zierer (S. 31) wurden zu Protokoll gegeben

Rechts- und Menschenrechtsfragen
– Das russische Religionsgesetz (Entschließung 1278 – S. 17)
– Ansprache der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige

Jugoslawien, Carla del Ponte

Drucksache 14/9978 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– Der Minderheitenschutz in Belgien
Die Versammlung überwies den Bericht zur weiteren Beratung an den Ausschuss

– Die rechtliche Lage der Roma in Europa (Empfehlung 1557 – S. 36)
Hierzu sprach Abg. Marlene Rupprecht (S. 35)

Wirtschafts- und Entwicklungsfragen
– Der Haushalt des Europarates für das Haushaltsjahr 2003 (Stellungnahme 236 – S. 10)
– Die Ausgaben der Versammlung für das Haushaltsjahr 2003 (Stellungnahme 237 – S. 10)
– Die „New Economy“ und Europa (Entschließung 1279 – S. 20)

Umwelt- und Landwirtschaftsfragen
– Die Forstwirtschaft in Kanada und die Zusammenarbeit mit Europa (Entschließung

1282 – S. 41)
– Fischerei in halbumschlossenen Meeren (Empfehlung 1558 – S. 43)

Hierzu sprach Abg. Wolfgang Behrendt (S. 40)
– Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen (Entschließung 1283 – S. 45)

Soziale, Gesundheits- und Familienfragen
– Die Schulung von Arbeitnehmern in der Verwendung neuer Technologien (Empfehlung

1559 – S. 47)
– Abgestimmte Bemühungen um die Behandlung und Heilung von Rückenmarksverlet-

zungen (Empfehlung 1560 – S. 48)

Wanderungs-, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
– Die Aktivitäten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) (Entschließung

1276 – S. 8)
– Ansprache des Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Jakob

Kellenberger

Kultur-, Wissenschafts- und Bildungsfragen
– Religion und Wandel in Mittel- und Osteuropa (Empfehlung 1556 – S. 29)

Hierzu sprach Abg. Benno Zierer (S. 28)

Fragen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau
– Das Bild der Frau in den Medien (Empfehlung 1555 – S. 26)

Fragen betreffend die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europa-
rates eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
– Die Einhaltung der von der Russischen Föderation eingegangenen Pflichten und Ver-

pflichtungen (Empfehlung 1553 – S. 16 und Entschließung 1277 – S. 14)
Hierzu sprachen Abg. Rudolf Bindig (S. 12), Abg. Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues (S. 13)
und Abg. Jelena Hoffmann (S. 13)

– Das Funktionieren der demokratischen Institutionen in Moldau (Empfehlung 1554 –
S. 25 und Entschließung 1280 – S. 23)

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9978

Zum Ablauf der Tagung
Die Reden und Fragen der Mitglieder der Delegation der Bundesrepublik Deutschland in
der Parlamentarischen Versammlung sowie die Beschlusstexte sind nachstehend im Wort-
laut abgedruckt.
Den Bericht des Ministerkomitees trug der amtierende Vorsitzende des Ministerkomitees
und Außenminister Litauens, Antanas Valionis, vor. Zu der Versammlung sprachen außer-
dem der Großherzog von Luxemburg, der Präsident von Rumänien, Ion Iliescu, der Präsi-
dent der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina, Beriz Belkic, der Präsident des
Föderationsrates der Föderationsversammlung, Sergej Mironow, die Chefanklägerin des
Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Carla del Ponte, und der
Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Jakob Kellenberger.
An der Tagung nahmen eine Delegation aus der Bundesrepublik Jugoslawien mit Sonder-
gaststatus, Gäste aus dem seit 1997 vom Sondergaststatus suspendierten Belarus, Vertre-
ter des Palästinensischen Legislativrates sowie Beobachter aus Israel, Kanada und Mexiko
teil.
Am Rande der Sitzungswoche wurde Bosnien und Herzegowina am 24. April in einer fei-
erlichen Zeremonie als 44. Mitgliedsland in den Europarat aufgenommen.

Schwerpunkte der Beratungen
In einer Dringlichkeitsdebatte beriet die Versammlung über die Lage im Nahen Osten. Im
Mittelpunkt der Beratungen standen auch die Einhaltung der von Russland eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen sowie das Funktionieren der demokratischen Institutionen
in Moldau. Zudem befasste sich die Versammlung in einer Aktualitätsdebatte mit der Zu-
kunft der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen.
In der Dringlichkeitsdebatte über die Lage im Nahen Osten nahm die Parlamentarische
Versammlung mit großer Mehrheit eine Entschließung an, in der die von der israelischen
Armee in den Palästinensergebieten ergriffenen militärischen Maßnahmen als unange-
messen bezeichnet und der willkürliche und unverhältnismäßige Einsatz von Gewalt
scharf verurteilt wird. Die Abgeordneten erklärten ihre Solidarität mit den Reservisten der
israelischen Armee, die den Dienst in den besetzten Gebieten verweigerten. Die systema-
tische Zerstörung der palästinensischen Infrastruktur durch die israelischen Streitkräfte
wurde ebenso verurteilt wie die gezielte Tötung angeblicher Terroristen ohne Gerichtsver-
fahren. Die Versammlung zeigte sich besorgt über Berichte von Verletzungen des huma-
nitären Völkerrechts durch die israelische Armee unter der Führung von Premierminister
Ariel Scharon. Die Beziehungen mit der israelischen Knesset, die in der Parlamentarischen
Versammlung Beobachterstatus hat, sollen vorerst auf Kontakte reduziert werden, die zur
Wiederaufnahme des politischen Dialogs zwischen den Konfliktparteien beitragen und die
Achtung der Menschenrechte sowie das humanitäre Völkerrecht betreffen.
Mit Blick auf die Beziehungen zum Palästinensischen Legislativrat bekräftigte die Ver-
sammlung ihre Entscheidung, palästinensische Vertreter zu Nahost-Debatten einzuladen,
und beschloss, die Möglichkeiten für die Gewährung eines Status auszuloten, die dem
Palästinensischen Legislativrat eine stärkere Einbindung in die Arbeit der Versammlung
ermöglichen solle, soweit dieser nicht eklatant die fundamentalen Ideale des Europarates
missachte. Die Abgeordneten verurteilten in diesem Zusammenhang die palästinen-
sischen Selbstmordanschläge und riefen Präsident Arafat sowie andere Führer der Paläs-
tinensischen Autonomiebehörde dazu auf, Gewalt und Terror unverzüglich zu beenden
und die Souveränität und Unabhängigkeit des Staates Israel anzuerkennen. Umstritten
war bis zuletzt die Rolle Arafats: in der Entschließung bedauert die Versammlung das Zö-
gern Arafats, terroristische Handlungen zu verurteilen, akzeptiert ihn jedoch als aner-
kannten palästinensischen Führer und Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomie-
behörde und hält seine Isolierung durch die israelischen Streitkräfte in seiner Residenz
für nicht akzeptabel.
Von den USA wünschten sich die Abgeordneten ein stärkeres Engagement als Vermittler
im Nahen Osten, während die Europäische Union aufgefordert wurde, keine Waffen mehr

Drucksache 14/9978 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

in die Region zu liefern und die militärische Zusammenarbeit mit Israel einzustellen. Die
Europäer hätten die historische Chance, zu einem Wandel im Nahen Osten beizutragen,
wenn sie zusammenstünden und ihre Stimme erhöben, bemerkte der stellvertretende Lei-
ter der deutschen Delegation, Abg. Benno Zierer. Beide Konfliktparteien wurden zu ei-
nem sofortigen Waffenstillstand, zur Umsetzung des Tenet- und des Mitchell-Plans sowie
zur uneingeschränkten Zusammenarbeit mit den internationalen Vermittlern aufgerufen.
Deutsche Abgeordnete hatten durch mehrere Änderungsanträge in den Ausschusssitzungen
und der Plenardebatte, an denen auch Vertreter der israelischen Knesset und des Palästi-
nensischen Legislativrates teilnahmen, versucht, den Wortlaut der Entschließung zu mäßi-
gen. So appellierte Abg. Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU) an die Vertreter der
beiden Konfliktparteien, den direkten Kontakt wieder aufzunehmen. Ihr persönliches En-
gagement sei gefragt, damit einerseits Premierminister Scharon seine Politik nicht fortsetze
und andererseits die Selbstmordattentate gestoppt würden. In einer zu Protokoll gegebenen
Rede bemerkte der deutsche Delegationsleiter, Abg. Wolfgang Behrendt (SPD), mit Blick
auf die Vorgänge in Dschenin, er vertraue darauf, dass Israel mit den Mitteln des Rechts-
staates reagieren und die Schuldigen zur Verantwortung ziehen werde, falls es Übergriffe
auf die Zivilbevölkerung gegeben haben sollte.
Anstelle der ursprünglich vorgesehenen Aussprache über den Bericht des konservativen
niederländischen Abgeordneten René van der Linden betreffend die Zukunft der Zu-
sammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen, die auf die nächste Tagung
verschoben wurde, beriet die Versammlung auf Antrag der Schweizer Delegation in einer
Aktualitätsdebatte ohne Textgrundlage über dieses Thema. Redner aller Fraktionen beton-
ten die Notwendigkeit einer solchen Debatte zum jetzigen Zeitpunkt: Seit Februar berate
der EU-Verfassungskonvent, und bereits 2004 sei die Erweiterung der EU um zehn Bei-
trittskandidaten zu erwarten. Die EU müsse ihre Beziehungen zu Nicht-Mitgliedsländern,
die aber Mitglied des Europarates seien, genau festlegen. Es dürften keine neuen Trenn-
linien in Europa entstehen. Auch in Zukunft werde der Europarat das beste Forum sein, um
die europäischen Werte aufrechtzuerhalten. Die Stärke des Europarates seien seine beson-
ders hohen Standards in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlich-
keit, über die nicht zuletzt die Versammlung als „das Gewissen Europas“ wache. Nicht zu-
letzt angesichts der Terroranschläge in Washington und New York am 11. September 2001
müsse der Europarat die Einhaltung dieser Standards in der ganzen Welt fördern.
Der deutsche Delegationsleiter, Abg. Wolfgang Behrendt (SPD), warnte davor, den Euro-
parat lediglich als „Wartezimmer für die Aufnahme in die EU“ zu sehen. In der Arbeitstei-
lung zwischen den europäischen Organisationen habe insbesondere der Europarat einen
rechtlichen Acquis entwickelt, der Menschen- und Minderheitenrechte, die demokratische
Funktionsweise und rechtsstaatliche Mindestanforderungen umfasse. Mit dem in dieser
Form einzigartigen Monitoring-Verfahren sei zudem die entscheidende Voraussetzung
dafür geschaffen worden, diese Prinzipien auch praktisch vor Ort zu überprüfen. Darüber
hinaus ermögliche das doppelte Mandat der Mitglieder in der Parlamentarischen Ver-
sammlung, die zugleich Mitglieder ihres nationalen Parlamentes seien, eine besondere
Möglichkeit der Rückkoppelung, sodass z. B. die Ergebnisse der Monitoring-Verfahren
auch in die nationalen Parlamenten eingebracht würden und die Umsetzung von Urteilen
des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes überwacht werden könnte.
Als Repräsentantin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien
bedauerte die Chefanklägerin Carla del Ponte in ihrer Ansprache vor der Parlamentari-
schen Versammlung die mangelnde Zusammenarbeit von zivilen und Militärbehörden in
Jugoslawien und der Republik Srpska, die ihre Anfragen im Sande verlaufen ließen. Mit
der Anklage des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Milosevic, eines Staatsober-
hauptes im Amt, sei ein historischer Wendepunkt in der Geschichte des internationalen
Strafrechts erreicht worden. Die Arbeit des Haager Tribunals hänge jedoch von der unein-
geschränkten Bereitschaft der Staaten zur Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof ab. So
habe zwar Jugoslawien kürzlich ein Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Tribunal an-
genommen, doch erstrecke sich dieses nicht auf Personen, die nach dem Inkrafttreten des
Gesetzes angeklagt würden. Abschließend äußerte sie die Hoffnung, die schnelle Ratifi-
zierung des Statuts zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofes möge von einem
wachsenden Vertrauen in die internationale Justiz zeugen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9978

Äußerst besorgt zeigten sich die Parlamentarier in ihrer ursprünglich sogar als Dringlich-
keitsdebatte geplanten Aussprache über das Funktionieren der demokratischen Institu-
tionen in Moldau über die anhaltende Verschlechterung und Radikalisierung des politi-
schen Klimas in dem Land. Die politische Opposition habe Rechte, die konsolidiert und
eingehalten werden müssten. In diesem Zusammenhang zeigten sich die Abgeordneten ins-
besondere irritiert über das Verschwinden von Vlad Cubreacov, der seit 1996 Mitglied der
Parlamentarischen Versammlung war, und riefen die Behörden zu einer schnellen, trans-
parenten und vollständigen Untersuchung des Vorfalls auf. Zwischen der herrschenden
Partei und der politischen Opposition gebe es keinen echten Dialog. Die Versammlung ap-
pellierte an alle politischen Kräfte in der Republik Moldau, einem Kompromiss zuzustim-
men: Grundlage müsse ein Moratorium für Sanktionen gegen Parlamentarier, ein Ende der
Demonstrationen in den Straßen, eine Neufassung der Radio- und Fernsehgesetzgebung
und eine Änderung der Geschäftsordnung des Parlaments mit dem Ziel erweiterter Rechte
der Opposition sein. Die Abgeordneten riefen alle Mitgliedsländer des Europarates zu ver-
stärkter Unterstützung für Moldau auf.
Auch der amtierende Vorsitzende des Ministerkomitees, der litauische Außenminister
Antanas Valionis, äußerte bei der Vorlage seines Berichts seine Besorgnis über die jüngs-
ten Entwicklungen in der Republik Moldau. Auf Einladung des Ministerkomitees habe der
Generalsekretär des Europarates unmittelbar vor der Sitzungswoche der Versammlung
eine Informations- und Unterstützungsmission in das Land entsandt. Diese habe die Mög-
lichkeiten für zusätzliche Aktivitäten der Zusammenarbeit zwischen Moldau und dem Eu-
roparat zur Stabilisierung der Demokratie in dem Land ausgelotet.
In der Debatte über die Einhaltung der von der Russischen Föderation eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen begrüßten die Abgeordneten die Fortschritte, die Russ-
land auf dem Weg zur Konsolidierung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gemacht
habe, beschlossen jedoch die Fortsetzung des Monitoring-Verfahrens wegen der in einigen
Bereichen noch ausstehenden Reformen bzw. deren Umsetzung. Dazu gehörten die un-
eingeschränkte Freiheit der Meinungsäußerung, die Bewegungs- und die Religionsfreiheit,
die Fortsetzung der Umstrukturierung des Büros des Generalstaatsanwalts und des Ge-
heimdienstes FSB, Verbesserungen der Haftbedingungen in russischen Gefängnissen, ein
Ende der Misshandlungen von Wehrpflichtigen sowie die Aufhebung von Vorbehalten im
Zusammenhang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Die beiden Berichterstatter, darunter der deutsche Abg. Rudolf Bindig (SPD), wiesen da-
rauf hin, dass das größte Problem Russlands in der bisher nicht erfüllten Verpflichtung liege,
den Konflikt in Tschetschenien mit friedlichen Mitteln zu lösen. In ihrer Entschließung
riefen die Abgeordneten die russischen Behörden daher erneut dazu auf, den Konflikt in
Tschetschenien mit friedlichen Mitteln zu lösen, alle Fälle von Machtmissbrauch und Men-
schenrechtsverletzungen in Tschetschenien zu untersuchen und die Verantwortlichen zur
Rechenschaft zu ziehen.
Im Namen der EVP-Fraktion unterstrich der deutsche Abg. Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues
(CDU/CSU) die große Bedeutung der Justizreform, deren landesweite Umsetzung in der
gesamten Föderation für Russland einen gewaltigen Schritt hin zu einem demokratischen
Rechtsstaat bedeute. Ebenso begrüßte er den Abzug der russischen Truppen aus Transni-
strien als wesentlichen Beitrag zu Befriedung der Lage in der Republik Moldau. Es be-
treffe jedoch alle Parlamentarier der Europaratsversammlung, wenn die russische Duma
– wie im Februar geschehen – Präsident Putin zur Wiedereinführung der Todesstrafe auf-
fordere.
Es reiche nicht aus, Gesetze zu verändern, betonte die deutsche Abg. Jelena Hoffmann
(SPD): Gesetze müssten auch durchgesetzt werden. Mit Blick auf den Konflikt in Tsche-
tschenien könne es hilfreich sein, wenn in der Duma darüber diskutiert würde, wie euro-
päische Demokraten über den Konflikt dächten und warum sie so dächten. Alle demokra-
tischen Kräfte in Europa hätten den Wunsch, Russland bei der friedlichen Beilegung des
Konflikts zu unterstützen, und die verstärkte Einbeziehung von Dritten als Vermittler in
diesem Konflikt könne sehr hilfreich sein.
Die Debatte über die Einhaltung der von Russland eingegangenen Pflichten und Verpflich-
tungen fand in Verbindung mit einer Aussprache über das russische Religionsgesetz statt.

Drucksache 14/9978 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die Versammlung stellte fest, dass ein Teil der Kritikpunkte an dem ursprünglich aus dem
Jahr 1997 stammenden Religionsgesetz von der russischen Regierung und dem Verfas-
sungsgericht angegangen worden sei. Handlungsbedarf bestehe jedoch weiterhin hinsicht-
lich der landesweit einheitlichen Anwendung des Gesetzes, damit die ungerechtfertigte Dis-
kriminierung von bestimmten Religionsgemeinschaften in einzelnen Regionen oder
Kommunen, u. a. der Heilsarmee und der Zeugen Jehovas in Moskau, sowie die bevorzugte
Behandlung der russisch-orthodoxen Kirche durch lokale Beamte ein Ende finde.
In einer separaten Debatte befasste sich die Versammlung mit Religion und Wandel in
Mittel- und Osteuropa,wobei der geografische Rahmen des Berichts auch Armenien und
die Türkei umfasste. Mit Blick auf harmonische Beziehungen zwischen religiösen und
staatlichen Einrichtungen riefen die Abgeordneten die Mitgliedsländer des Europarates da-
bei erneut dazu auf, die Freiheit religiöser Minderheiten zu gewährleisten und diese ins-
besondere vor Diskriminierung und Verfolgung zu schützen. Alle religiösen Gruppen soll-
ten den Status einer eigenen Rechtspersönlichkeit erhalten, sofern ihre Aktivitäten nicht
die Menschenrechte oder das Völkerrecht verletzten. In ihrer Empfehlung riefen die Par-
lamentarier auch zu Maßnahmen auf, die das Verständnis zwischen Christen in Ost und
West, Juden und dem islamischen Kulturkreis verbessern könnten. Dazu gehörten z. B. kul-
turelle Austauschprogramme und entsprechende Lehrpläne an den Schulen. Darüber hi-
naus müsse gleicher Zugang zu den Medien, zu Bildung und Kultur für die Angehörigen
aller religiösen Traditionen gewährleistet werden.
In diesem Zusammenhang wies der stellvertretende Leiter der deutschen Delegation,
Abg. Benno Zierer (CDU/CSU), in seiner Eigenschaft als Berichterstatter des Monito-
ring-Ausschusses für die besondere Überwachung der Türkei auf die schwierige Lage
christlicher Kirchen in der Türkei hin. Er ging dabei auf Hindernisse bei der Erteilung von
christlichem Religionsunterricht, auf das Verbot der Wiedereröffnung von christlichen
Hochschulen und Berufsverbote für katholische Geistliche und evangelische Pastoren ein.
Jede Möglichkeit der Einmischung der Regierungen in Fragen des Dogmas oder in Fragen
der Kirchenorganisation und des Kirchenrechts müsse ausgeschlossen werden.
Nach einer Debatte über die rechtliche Lage der Roma in Europa prangerten die Abge-
ordneten der Versammlung die nach wie vor weit verbreitete Diskriminierung, Marginali-
sierung und Ausgrenzung von Angehörigen der Roma in Europa an. Die Diskriminierung
umfasse alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens, auch den Zugang zu öffentli-
chen Plätzen, Bildung, Beschäftigung, das Gesundheitswesen und die Wohnsituation. Ei-
nige Staaten hinderten Roma sogar systematisch an der Einreise in ihr Land. Die deutsche
Abg. Marlene Rupprecht (SPD) warnte angesichts dieser Lage vor einem zweiten Palä-
stina in Europa und forderte zum Handeln auf. Es dürfe nicht länger über Roma geredet
werden, sondern es müsse mit ihnen geredet werden.
Die Parlamentarier riefen deshalb die Regierungen in Europa dazu auf, den Roma den Sta-
tus einer ethnischen oder nationalen Minderheit und den entsprechenden Rechtsschutz zu ge-
währen und sie auf allen Ebenen stärker in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Ihrer
Stimme müsse bei der Entscheidung über ihre Zukunft mehr Gehör verschafft werden. In die-
sem Zusammenhang sollten die Mitgliedsländer des Europarates u. a. das Amt einer Euro-
päischen Ombudsperson für die Belange der Roma und ein Europäisches Studienzentrum für
Roma schaffen. Die Roma wiederum sollten ihrerseits die in einer Gesellschaft als Ganzes
herrschenden Regeln akzeptieren und könnten – bei entsprechender staatlicher Unterstüt-
zung – ihre eigenen Probleme aktiver angehen, so die Parlamentarier in ihrer Empfehlung.
In einer verbundenen Debatte beriet die Versammlung über drei Berichte betreffend die
Fischereipolitik in Europa und die Forstwirtschaft in Kanada. In Bezug auf die Forst-
wirtschaft in Kanada und die Zusammenarbeit mit Europa warnten alle Redner vor
einer wachsenden Bedrohung der Wälder. Angesichts der Tatsache, dass die Mitgliedslän-
der des Europarates und Kanada zusammen fast 40% der weltweiten forstwirtschaftlichen
Ressourcen besäßen, komme diesen Ländern eine besondere Verantwortung für deren Er-
haltung und Bewirtschaftung zu. Die Abgeordneten riefen Kanada und Europa zu einem
gemeinsamen, auf nachhaltiger Entwicklung basierenden Politikansatz im Bereich der
Forstwirtschaft auf. Die EU könne einen wichtigen Beitrag leisten, insbesondere bei der
Festlegung von Standards und Indikatoren für die nachhaltige Bewirtschaftung der Wäl-
der in Europa und bei der Ausarbeitung geeigneter Rechtsinstrumente für diesen Bereich.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9978

Auf der Grundlage eines weiteren Berichts des Umweltausschusses beschäftigte sich die
Versammlung mit der Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen. Die Gren-
zen für die Ausbeutung der Fischbestände seien erreicht, und die Fischbestände gingen
zurück. Angesichts dieser Tatsachen forderten die Parlamentarier geringere Fänge, be-
stimmte Schutzzonen und Zeiträume für das Fischen, strengere technische Regeln für die
beim Fang eingesetzten Schiffe und Methoden sowie eine bessere Aus- und Weiterbildung
der Fischer. Ausdrücklich unterstützt wurde in diesem Zusammenhang die Reform der Ge-
meinsamen Fischereipolitik der Europäischen Union, deren soziale, wirtschaftliche und
Umweltaspekte stärker berücksichtigt werden müssten.
Den dritten Bericht des Umweltausschusses legte der deutsche Delegationsleiter,
Abg. Wolfgang Behrendt, zur Fischerei in halbumschlossenen Meeren vor. Dem
Fischereisektor in der Ostsee, dem Mittelmeer und dem Schwarzen Meer drohten Über-
fischung und Verschmutzung. Es sei bereits „fünf nach zwölf“ für die Fische in Europa.
Die Parlamentarier riefen deshalb die Regierungen zur Einführung von Schutzzonen und
zur Anpassung der Fangquoten an die verfügbaren Ressourcen auf. Zudem sollten Maß-
nahmen für eine Reduzierung der Beifänge in der Schleppnetzfischerei ergriffen werden.
Bereits im Vorfeld der geplanten Debatte über den Schutz von Minderheiten in Belgien
hatte es aus Belgien massive Versuche von flämischer bzw. frankophoner Seite gegeben,
Abgeordnete zur Unterstützung oder Ablehnung des vorgelegten Berichtsentwurfs zu be-
wegen. Im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Europäischen Rahmenübereinkom-
mens zum Schutz nationaler Minderheiten durch Belgien und den bei der Zeichnung des
Übereinkommens angebrachten Vorbehalten der belgischen Regierung enthielt der Emp-
fehlungsentwurf die umstrittene Forderung, im überwiegend flämischen Landesteil le-
bende frankophone Belgier als Minderheit zu betrachten und entsprechend zu schützen
bzw. zu fördern. Trotz einstimmiger Annahme des Empfehlungsentwurfs im federführen-
den Ausschuss für Recht und Menschenrechte stimmte die Versammlung mehrheitlich
einem italienischen Antrag zu, den Bericht zur erneuten Beratung an den Ausschuss zurück
zu überweisen.

Berlin, im Mai 2002

Wolfgang Behrendt, MdB Benno Zierer, MdB
Leiter der Delegation Stellvertretender Leiter der Delegation

Drucksache 14/9978 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Montag, 22. Apri l 2002
Tagesordnungspunkt

Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des
Ständigen Ausschusses der Versammlung

(Drucksache 9415 + Addendum III)
Berichterstatterin:

Abg. Vaira Paegle (Lettland)
in verbundener Debatte mit

Bericht der Gemeinsamen Arbeitsgruppe zu
Tschetschenien

(Addendum I zu Drucksache 9415)
Berichterstatter:

Abg. Lord Judd (Vereinigtes Königreich) und Dmitri
Rogosin (Russische Föderation)

und
Wahlbeobachtungen in der Ukraine

(Addendum II zu Drucksache 9415)
Berichterstatter:

Abg. Doros Christodoulides (Zypern)
(Themen: Interparlamentarisches Forum zur Bekämpfung
des Terrorismus in St. Petersburg – Follow-up zur Lage
derpolitischenHäftlingeinAserbaidschan– dieLageinMol-
dau – die Beobachtung der Parlamentswahlen in der Ukra-
ine –ListederÜberweisungenandieAusschüsse–geänderte
BestimmungenfürdiePlenardebatten–Tätigkeitsberichtder
GemeinsamenArbeitsgruppezuTschetschenien)

Tagesordnungspunkt
Ansprache von Großherzog Henri von

Luxemburg
(Themen: die europäische Idee – der Europarat als Wer-
tegemeinschaft – der Schutz der Menschenrechte – die Er-
weiterung des Europarates – die Überwachung der Ein-
haltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates
eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen – die zukünf-
tige Rolle des Europarates)

Tagesordnungspunkt
Aktivitäten des Internationalen Komitees vom

Roten Kreuz (IKRK)
(Drucksache 9388)
Berichterstatter:

Abg. Leonid Slutsky (Russische Föderation)
(Themen: die Arbeit des Internationalen Komitees vom
Roten Kreuz angesichts anhaltender Krisen und neuer
Konflikte – der Schutz der Mitarbeiter des IKRK – die
Rolle des IKRK als Vermittler – die Zusammenarbeit des
IKRK mit dem Europarat und der NATO sowie mit ande-
ren Organisationen)

Ansprache des Präsidenten des Internationalen
Komitees vom Roten Kreuz,

Jakob Kellenberger
(Themen: der Schutz der Würde des Menschen als ge-
meinsames Ziel von Europarat und IKRK – das IKRK als
Wächter des humanitären Völkerrechts – die Zusammen-
arbeit des IKRK mit den Ausschüssen der Parlamentari-
schen Versammlung, dem Ministerkomitee und dem Anti-
Folter-Komitee – die Arbeit des IKRK in den Bereichen
Binnenvertriebene, Landminen und Menschenhandel im
Zusammenhang mit bewaffneten Konflikten – die Tätigkeit
des IKRK in Afghanistan, der Russischen Föderation, auf
dem Balkan, im südlichen Kaukasus und im Nahen Osten)

Entschl ießung 1276 (2002)*
betr.: Aktivitäten des Internationalen Komitees

vom Roten Kreuz (IKRK)
(Drucksache 9388)

1. Die Versammlung erinnert an ihre Entschließungen
823 (1984), 881 (1987), 921 (1989), 991 (1992) und
1085 (1996) betr. die Aktivitäten des Internationalen
Komitees vom Roten Kreuz IKRK).

2. Die Versammlung spricht dem IKRK ihre Anerken-
nung für seine von den Grundsätzen der Mensch-
lichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhän-
gigkeit bestimmte Arbeit aus. Die Versammlung
empfindet Hochachtung für die Art und Weise, in
welcher das IKRK sein Mandat für den Schutz und
die Unterstützung von Opfern bewaffneter Konflikte
und innerer Unruhen erfüllt. Darüber hinaus kann
die Rolle des IKRK für die Förderung des huma-
nitären Völkerrechts gar nicht hoch genug einge-
schätzt werden.

3. In den letzten Jahren ist das IKRK bei immer mehr
Konflikten – auch in Europa – hinzu gerufen wor-
den, um den Opfern Schutz und Hilfe zu bieten. In
diesem Zusammenhang spricht die Versammlung
dem IKRK ihre besondere Dankbarkeit aus für sein
wirksames Handeln zugunsten der von den Konflik-
ten auf dem Balkan sowie im südlichen und nördli-
chen Kaukasus betroffenen Bevölkerung.

4. Die Versammlung stellt besorgt die Zunahme
schwerwiegender Sicherheitsprobleme für die Mit-
arbeiter des IKRK fest, während diese vor Ort tätig
sind. Die immer häufigeren Zwischenfälle mit tödli-
chen Folgen für seine Mitarbeiter machen es drin-
gend erforderlich, die Sicherheitsmaßnahmen aller
Beteiligten zu verschärfen.

5. Die Versammlung begrüßt die Bemühungen des
IKRK, quer über alle Zivilisationen hinweg eine Kul-

* Debatte der Versammlung am 22. April 2002 (9. Sitzung). Siehe
Dok. 9388, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen, Flücht-
lings- und Bevölkerungsfragen (Berichterstatter: Herr Slutsky). Von
der Versammlung verabschiedeter Text am 22. April 2002 (9. Sit-
zung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/9978

tur der Toleranz, der Gerechtigkeit und des Friedens
zu fördern, um so den Terrorismus an der Wurzel zu
packen.

6. Die Versammlung weiß die Bemühungen des IKRK
zu schätzen, das humanitäre Völkerrecht zu verbrei-
ten und auszubauen. In diesem Zusammenhang
nimmt die Versammlung die Untersuchungen des
IKRK zur Verbesserung des Schutzes der am stärks-
ten gefährdeten Teile der Zivilbevölkerung befrie-
digt zur Kenntnis.

7. Die Versammlung bekundet gegenüber dem IKRK
ihre Wertschätzung für dessen wichtigen Beitrag zu
den Veranstaltungen anlässlich des 100-jährigen Ju-
biläums der Ersten Internationalen Friedenskonfe-
renz, des 50. Jahrestages der Genfer Abkommen und
der Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes
und des Roten Halbmonds von 1999.

8. Die Versammlung unterstützt voll und ganz die
Bemühungen des IKRK um die Förderung der Rati-
fizierung und der einzelstaatlichen Umsetzung von
Verträgen des humanitären Völkerrechts, insbeson-
dere im Hinblick auf die Bekämpfung schwerer Ver-
stöße gegen dessen Bestimmungen.

9. Die Versammlung begrüßt die Kampagne des IKRK
während der Neunzigerjahre, die zur Ausarbeitung
eines Übereinkommens zum völligen Verbot von
Antipersonenminen führte. Die Versammlung unter-
stützt den Vorschlag des IKRK, ein neues Protokoll
zum VN-Übereinkommen über bestimmte konven-
tionelle Waffen auszuarbeiten, um das globale Pro-
blem kriegsbedingter explosiver Munitionsrückstände
anzugehen.

10. Die Versammlung begrüßt die Arbeit des IKRK in
Bezug auf die Folgen des leichten Zugangs der Zivil-
bevölkerung zu Waffen und Munition.

11. Die Versammlung nimmt mit Befriedigung die beim
IKRK eingeleitete Organisationsreform zur Kennt-
nis, die mit dem „Plan Avenir“ begann und die Ar-
beitsmethoden durch noch stärkere Ergebnisorien-
tierung und größere Effizient verbessern will.

12. Die Versammlung nimmt eine positive Bewertung
der Zusammenarbeit und der Beziehungen des IKRK
mit den Staaten vor, in denen es tätig ist. Ebenso sind
auch die operativen Kontakte mit anderen huma-
nitären Einrichtungen und Hilfsorganisationen vor
Ort uneingeschränkt zufriedenstellend.

13. Die Versammlung begrüßt die neue Initiative des
IKRK, erneut über Mittel und Wege nachzudenken,
wie der tragischen Lage von Menschen begegnet
werden kann, die aufgrund bewaffneter Konflikte
oder innerer Gewalttätigkeiten vermisst werden.

14. Die Versammlung begrüßt darüber hinaus die Vertie-
fung ihrer eigenen Zusammenarbeit mit dem IKRK.

15. Dementsprechend bittet die Versammlung die Re-
gierungen der Mitgliedstaaten sowie der Staaten, de-

ren Parlamente einen Sondergast- oder Beobachter-
status bei der Versammlung haben, um
a. die Ratifizierung – soweit noch nicht erfolgt –

der Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer
Abkommen von 1949, des Übereinkommens
über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der
Herstellung und der Weitergabe von Antiperso-
nenminen oder über deren Vernichtung von 1997,
des Übereinkommens über den Schutz von Kul-
turgütern bei bewaffneten Konflikten von 1954
und von dessen Protokollen, des Statuts von Rom
des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998,
der Konvention der Vereinten Nationen von 1980
über das Verbot oder die Beschränkungen des
Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen
und von deren Protokollen und die Erklärung,
dass sie Artikel 90 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur
Zuständigkeit der Internationalen Ermittlungs-
kommission annehmen;

b. die Sicherstellung der strengen Befolgung des
humanitären Völkerrechts;

c. die Aufnahme von Bestimmungen des huma-
nitären Völkerrechts in ihre innerstaatliche Ge-
setzgebung;

d. die Einbeziehung des humanitären Rechts in die
militärische und polizeiliche Ausbildung sowie
in die offizielle innerstaatliche Bildungspolitik
und das eigene Bildungswesen;

e. die Förderung der Grundsätze und die Verbesse-
rung der Kenntnis des humanitären Rechts in ih-
rer eigenen Gesellschaft;

f. die Zusammenarbeit mit dem IKRK vor Ort und
bei Bedarf die Erleichterung von dessen Arbeit,
einschließlich des Zugangs zu im Rahmen inter-
nationaler oder innerer bewaffneter Konflikte in
Gewahrsam gehaltener Personen;

g. die Achtung der Mitarbeiter des IKRK und von
deren humanitärer Tätigkeit;

h. großzügiges Handeln und vermehrte finanzielle
Unterstützung der Arbeit des IKRK im An-
schluss an künftige Hilfeersuchen;

i. die aktive Unterstützung der Bemühungen des
IKRK bei der Förderung der Ratifizierung und
innerstaatlichen Umsetzung von Verträgen zum
humanitären Völkerrecht und insbesondere die
Unterstützung der Arbeit des Beratungsdienstes
des IKRK, die dem Ziel dient, die strafrechtliche
Ahndung schwerer Verletzungen des humani-
tären Völkerrechts und von in die Zuständigkeit
des Internationalen Strafgerichtshofs fallenden
Straftaten in das innerstaatliche Strafrecht aufzu-
nehmen;

j. die zügige Fortsetzung der Arbeiten in der
Gruppe der Regierungsexperten für kriegsbe-
dingte explosive Munitionsrückstände, die im
Dezember 2001 von der Überprüfungskonferenz

Drucksache 14/9978 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

des VN-Übereinkommens über bestimmte kon-
ventionelle Waffen eingesetzt worden war und die
Förderung der Verabschiedung eines Verhand-
lungsmandats für ein neues Protokoll zu kriegsbe-
dingten explosiven Munitionsrückständen bis
Ende 2002;

k. die – vom IKRK verlangte – Aufnahme von Re-
gelungen auf der Grundlage der Achtung des hu-
manitären Völkerrechts durch den Empfänger in
die einzelstaatliche Politik und die Verhaltens-
kodizes der Staaten für Waffenexporte;

l. weitere Anstrengungen zur Verbesserung der
Kenntnisse über das IKRK und seine Rolle ins-
besondere während eines bewaffneten Konflikts.

Tagesordnungspunkt
Der Haushalt des Europarates für das

Haushaltsjahr 2003
(Drucksache 9386)

in verbundener Debatte mit
Die Ausgaben der Versammlung für das

Haushaltsjahr 2003
(Drucksache 9387)
Berichterstatter:

Abg. Bernard Schreiner (Frankreich)
Stel lungnahme 236 (2002)*

betr.: den Haushalt des Europarates für das
Haushaltsjahr 2003
(Drucksache 9386)

1. Nach vier Jahren mit Sparhaushalten begrüßt die
Versammlung die zusätzlichen Mittel, die der Orga-
nisation 2002 zur Verfügung stehen. Diese neuen
Mittel stellen ein positives Ergebnis der Haushalts-
gespräche im Ministerkomitee dar und werden den
Generalsekretär des Europarates bei seinen anhal-
tenden, mutigen Bemühungen unterstützen, die in-
ternen Arbeitsmethoden zu straffen, vorhandene
Ressourcen besser zu nutzen und zusätzliche Mittel
für die vier wichtigsten Prioritäten bereitzustellen,
die das Ministerkomitee im Anschluss an den Be-
richt der Weisen festgelegt hat.

2. Angesichts der spezifischen Rolle des Europarates
in der neuen institutionellen Architektur Europas ist
es von entscheidender Bedeutung, dass die Regie-
rungen der Mitgliedstaaten diesem weiterhin die
personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung
stellen, die zur Finanzierung seines ausgedehnten
Tätigkeitsfelds benötigt werden, auf dem er das An-

wachsen des Terrorismus, die organisierte Krimina-
lität, Korruption und unerlaubten Handel bekämpfen
will, die in mehreren Mitgliedstaaten ein ungutes
Klima der Unsicherheit hervorrufen. Darüber hinaus
sind weitere Ressourcen erforderlich, um andere
wichtige Tätigkeiten zu finanzieren, durch die der
Frieden erhalten, die demokratischen Institutionen
gefestigt, der politische Pluralismus gefördert, die
Achtung der Menschenrechte und die Rechtsstaat-
lichkeit vorangebracht, Rechtshilfe geleistet sowie
Korruption und soziale Ausgrenzung bekämpft wer-
den sollen.

3. Die Versammlung bedauert, dass das Ministerkomi-
tee den von der Versammlung in ihrer Stellung-
nahme Nr. 224 (2001) vorgeschlagenen Maßnahmen
zur Verbesserung der prekären Haushaltslage nicht
zugestimmt hat. Es handelt sich dabei um folgende
Maßnahmen:
i. Koordinierung des Haushaltszeitplans der Orga-

nisation mit den entsprechenden Zeitplänen der
Mitgliedstaaten. In dieser Hinsicht ist die Ver-
sammlung der Auffassung, dass künftig eine Un-
tersuchung der geltenden Haushaltsverfahren in
den Mitgliedstaaten unternommen werden sollte.
Eine solche Änderung würde es den Regierungen
ermöglichen, den Mittelbedarf des Europarates im
Einzelnen zu prüfen, bevor eine abschließende
Entscheidung über die künftigen einzelstaat-
lichen Haushalte getroffen wird;

ii. angesichts der großen Unzulänglichkeiten und
der Schwerfälligkeit des gegenwärtigen Haus-
haltsverfahrens Einführung eines zweijährigen
Systems, wie es bei anderen internationalen Or-
ganisationen besteht und worauf in den Stellung-
nahmen Nr. 199 (1996), 203 (1997), 211 (1999),
218 (2000) und 224 (2001) hingewiesen wurde.
Damit würde die Organisation in die Lage versetzt,
mehrjährige Projekte zu planen und durchzu-
führen, insbesondere im Hinblick auf die Konsoli-
dierung demokratischer Institutionen in Mittel-
und Osteuropa, den Schutz der Minderheiten und
den Kampf gegen soziale Ausgrenzung;

iii. Schaffung einer besonderen Haushaltszeile „Eu-
roparat“ in den nationalen Haushalten und Er-
mächtigung der zuständigen Ministerien, zum
Beispiel der für Kultur, Bildung, Justiz und Sozia-
les, zur Finanzierung bestimmter intergouverne-
mentaler Tätigkeiten beizutragen, wie dies bereits
in den Empfehlungen Nr. 199 (1996), 211 (1999),
218 (2000) und 224 (2001) der Versammlung er-
beten wurde. Die Beiträge zum Europarat stam-
men aus Zuweisungen in den Haushalten der
Außenministerien mit der Bezeichnung „Beiträge
zu internationalen Organisationen“. Nun war aber
in den meisten Mitgliedstaaten des Europarates
die Wachstumsrate des Budgets in den letzten Jah-
ren gerade bei den Außenministerien am niedrigs-
ten, was erklärt, weshalb die berechtigten Bitten
des Europarates um eine Aufstockung des Haus-
halts in den letzten vier Jahren nicht erhört wurden;

* Debatte der Versammlung am 22. April 2002 (9. Sitzung). Siehe
Dok. 9386, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung
(Berichterstatter: Herr Schreiner). Von der Versammlung verabschie-
deter Text am 22. April 2002 (9. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/9978

iv. Überprüfung der in der Entschließung 94 (31)
angegebenen Kriterien, wonach die Beiträge der
fünf größten Beitragszahler auf nur 12,60% des
ordentlichen Haushalts reduziert wurden, was
die Position der weniger wohlhabenden Mit-
gliedstaaten verschlechterte. Die Versammlung
ist weiterhin sehr besorgt, dass es aus ihrer Sicht
zwischen den Mitgliedstaaten in gewissem Maße
an Solidarität mangelt. Eine Möglichkeit wäre
es, als Berechnungsgrundlage für die Beitrags-
staffelung nur das Bruttoinlandsprodukt (PIB)
pro Kopf der Bevölkerung heranzuziehen. Eine
Alternative dazu wäre die Änderung der Ent-
schließung 94 (31) durch Aufnahme einer Klau-
sel, die einen Mindestbeitrag festgelegt, den je-
der Mitgliedstaat zu entrichten hat. In diesem
Zusammenhang möchte die Versammlung unter-
streichen, dass jede denkbare Änderung der in
der Entschließung 94 (31) aufgeführten Kriterien
nicht zu einer Verkleinerung des Gesamthaus-
halts der Organisation genutzt werden sollte;

v. Untersuchung zusätzlicher Finanzierungsmetho-
den neben dem herkömmlichenWeg, eine Erhöh-
ungderBeiträgederMitgliedstaaten anzustreben;

4. in der Überzeugung, dass der gegenwärtige, auf ei-
nem Konsens beruhende Entscheidungsprozess im
Ministerkomitee letztlich alle Bemühungen scheitern
lässt, die personellen und finanziellen Ressourcen
der Organisation zu erhöhen, ruft die Versammlung
das Ministerkomitee auf, seinen Modus Operandi zu
ändern – vor allem in Bezug auf Entscheidungen
über den Haushalt des Europarates.

5. In der Überzeugung, dass ihre Beiträge zu den bud-
getären und administrativen Angelegenheiten der
Organisation dem Ministerkomitee in hohem Maße
bei der Festlegung neuer Prioritäten geholfen haben,
regt die Versammlung an, ihr bei der Festlegung des
Gesamthaushalts der Organisation gemäß Empfeh-
lung 1344 (1997) gemeinsame Entscheidungsbefug-
nisse zu gewähren.

6. Nach der Prüfung des Berichts der Evaluierungs-
gruppe für das Ministerkomitee über den Europä-
ischen Gerichtshof für Menschenrechte begrüßt die
Versammlung die zusätzlichen Finanzmittel, die dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im
Jahre 2002 zufließen. Wie jedoch schon in den Stel-
lungnahmen Nr. 203 (1997), 211 (1999), 218 (2000)
und 224 (2001) vorgeschlagen wurde, sieht die Ver-
sammlung es als entscheidend an, innerhalb des or-
dentlichen Haushalts der Organisation spezifische
Haushaltsregelungen für den Europäischen Ge-
richtshof für Menschenrechte als jenes europäische
Gremium vorzusehen, das mit dem Schutz der Men-
schenrechte auf unserem Kontinent betraut ist. In
Anbetracht der Bedeutung und der Tragweite der Ar-
beiten des Gerichtshofs und seines ständig wachsen-
den strukturellen Bedarfs sind erhöhte Pflichtbeiträge
erforderlich, um das reibungslose Funktionieren die-
ses wichtigen Organs sicherzustellen, auch wenn
freiwillige Beiträge ebenfalls zu begrüßen sind. Aus-

gaben gemäß „Vote IV“ in Bezug auf die Tätigkeit
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
könnten Gegenstand eines spezifischen Beitrags der
Justizministerien der Mitgliedstaaten sein.

7. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee nach-
drücklich auf, bei allen seinen politischen Entschei-
dungen, die zu zusätzlichen Aufgaben für die Organi-
sation führen, angemessene Finanzmittel vorzusehen.
Sie begrüßt die Einstellung einer Reserve von
1,5Mio. Euro für Vor-Ort-Missionen (Field Missions)
in den ordentlichen Haushalt 2002, wodurch der Eu-
roparat in die Lage versetzt wird, auf unvorhergese-
hene politische Entwicklungen schnell zu reagieren.
Sie ermutigt das Ministerkomitee, die Reserve für sol-
che Missionen auch weiterhin vorzusehen, da die Me-
thode der Finanzierung über freiwillige Beiträge nicht
geeignet ist, die finanzielle Deckung unvorhergesehe-
ner, aber notwendiger Ausgaben zu gewährleisten.
Ganz allgemein sind freiwillige Beiträge zu Beginn ei-
nes bestimmten Projekts stets großzügig, pflegen aber
in den nachfolgenden Jahren zurückzugehen. Sie for-
dert deshalb das Ministerkomitee auf, die Entwick-
lung der freiwilligen Beiträge der Mitgliedstaaten zu
verfolgen und ihre Auswirkungen auf die langfristige
Arbeit der Organisation zu prüfen.

8. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,
alle finanziellen Folgewirkungen neuer Beitritte sorg-
fältig zu prüfen. Sie bittet deshalb das Ministerkomi-
tee, die steigenden Kosten zu beachten, die mit Rege-
lungen zur Überwachung von Verträgen verbunden
sind, insbesondere in Fällen, in denen neue Beitritte
die personellen und finanziellen Ressourcen zusätz-
lich belasten.

9. Die Versammlung begrüßt die Entscheidung des
Ministerkomitees, Vorarbeiten für die Errichtung
zweier neuer Gebäude einzuleiten, um so den Raum-
bedarf der Sekretariate des Europarates und des Eu-
ropäischen Arzneibuchs zu decken.

10. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,
alle finanziellen Folgewirkungen der Büros der Or-
ganisation vor Ort zu prüfen, die Teil einer Strategie
sind, um nicht nur die Umsetzung und die Auswir-
kungen der Tätigkeiten und Programme des Europa-
rates in den Aufnahmeländern besser verfolgen zu
können, sondern auch die Zusammenarbeit der Or-
ganisation mit den entsprechenden Staaten und an-
deren auf ähnlichen Gebieten tätigen internationalen
Institutionen weiter voran zu bringen.

11. Angesichts des Beobachterstatus des Europarates bei
der Generalversammlung der Vereinten Nationen und
seiner fruchtbaren langjährigen Zusammenarbeit mit
den Gremien und Sonderorganisationen der Ver-
einten Nationen sollte das Ministerkomitee die Frage
prüfen, wie künftig eine ständige Präsenz der Orga-
nisation in New York erreicht werden könnte.

12. Die Versammlung ist der Auffassung, dass das Minis-
terkomitee – im Rahmen der laufenden Umstrukturie-
rung des Europarates mit dem Ziel der Prioritätenset-
zung für seine Tätigkeit und der Rationalisierung seiner

Drucksache 14/9978 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Arbeitsmethoden – die Mittel aufstocken sollte, die für
die Verbesserung der Kommunikationswirkung der
Organisation benötigt werden, und zwar durch Ausbau
der technischen Einrichtungen, ein aktualisiertes und
effizientes Netz von Medienkontakten und eine Stra-
tegie für mehrsprachige Veröffentlichungen.

13. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee nach-
drücklich auf, unverzüglich Regelungen über einen
Zusatzrentenfonds einzuführen, wie dies in der Emp-
fehlung 1391 (1998) und den Stellungnahmen Nr. 211
(1999), 218 (2000) und 224 (2001) erbeten wurde,
was den Mitgliedstaaten dabei helfen würde, ihren ge-
setzlichen Verpflichtungen zu Rentenzahlungen für
pensionierte Mitarbeiter nachzukommen.

14. In Anbetracht der unmittelbar bevorstehenden Ein-
führung einer neuen Personalpolitik, die der Gene-
ralsekretär mit Recht eingeleitet hat, empfiehlt die
Versammlung dem Ministerkomitee, den Grundsät-
zen der Chancengleichheit und der fairen geografi-
schen Verteilung bei seiner künftigen Einstellungs-
politik besondere Beachtung zu schenken. Die
Versammlung bittet das Ministerkomitee außerdem,
auf der Grundlage der Entschließung 92 (38) beson-
dere Maßnahmen im Hinblick auf ein Frühpensio-
nierungsmodell zu ergreifen, um die Erneuerung des
Personalbestands der Organisation zu beschleunigen
und die systematische und effiziente Neubesetzung
von Stellen zu fördern.

15. Angesichts der laufenden Verhandlungen über künf-
tige Gehaltsanpassungen bei allen fünf koordinierten
Organisationen – Europarat, Europäisches Zentrum
für mittelfristige Wettervorhersage, Europäische Welt-
raumagentur, NATO und OECD – bekräftigt die Ver-
sammlung ihre schon in der Empfehlung 1488 (2000)
geäußerte Auffassung, dass eine objektive mathemati-
sche Methode eingeführt werden muss, die es den Ge-
neralsekretariaten dieser fünf internationalen Organi-
sationen ermöglicht, gut ausgebildete, kompetente
und unabhängige Mitarbeiter einzustellen, zu halten
und zu motivieren. Es kommt deshalb entscheidend
darauf an, dass die Vergütung des Personals im Ver-
gleich mit drei Rekrutierungsmärkten wettbewerbs-
fähig bleibt – der Privatwirtschaft, dem einzelstaat-
lichen öffentlichen Dienst und internationalen
Beamteneinschließlichderer derEuropäischenUnion.

Dienstag, 23. Apri l 2002
Tagesordnungspunkt

Die Einhaltung der von der Russischen
Föderation eingegangenen Pflichten

und Verpflichtungen
(Drucksache 9396)
Berichterstatter:

Abg. David Atkinson (Vereinigtes Königreich) und
Rudolf Bindig (Bundesrepublik Deutschland)

in verbundener Debatte mit

Das russische Religionsgesetz
(Drucksache 9393)
Berichterstatter:

Abg. Kevin McNamara (Vereinigtes Königreich)
Abg. Rudolf Bindig (SPD)*: Herr Präsident! Herr Atkinson
hat mit Recht darauf hingewiesen, dass das größte Pro-
blem Russlands in der bisher nicht erfüllten Verpflichtung
liegt, den Konflikt in Tschetschenien mit friedlichen Mit-
teln zu lösen. Die Probleme dieses Konflikts liegen aller-
dings außerhalb unseres Mandats als Co-Berichterstatter
für das generelle Monitorverfahren Russlands. Wir müs-
sen uns hier daher darauf beschränken, auf die verschie-
denen Resolutionen dieser Versammlung über diesen
Konflikt zu verweisen. Wir bekräftigen allerdings die
Aufforderung an die russischen Behörden, über alle Fälle
von Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch
in Tschetschenien ordentliche Untersuchungen durchzu-
führen und die Verantwortlichen ungeachtet ihrer Funk-
tionen strafrechtlich zu verfolgen.
Herr Präsident, von großer Bedeutung für die Annäherung
Russlands an europäische Standards ist die Reform des
Strafvollzugs. Durch den Transfer der Verantwortung für
den Strafvollzug vom Innenministerium zum Justizminis-
terium ist ein wichtiger Schritt getan. Weitere wichtige
Schritte sind die Demilitarisierung des Strafvollzugsdiens-
tes und die Trennung verschiedener Tätergruppen. Durch
eine Reform der Strafen und eine Teilamnestie ist die Zahl
der Inhaftierten in den verschiedenen Institutionen des
Strafvollzugssystems zurückgegangen. Tief besorgt sind
Herr Atkinson und ich allerdings über die weiterhin sehr
schlechten Haftbedingungen, insbesondere die Überfül-
lung von Gefängnissen, die schlechte medizinische Versor-
gung sowie die Vorwürfe von Misshandlungen und Folter.
Herr Präsident, in den Streitkräften Russlands ist die
Misshandlung von Wehrpflichtigen bedauerlicherweise
noch immer ein Hauptproblem. Selbst die Generalstaats-
anwaltschaft muss zugeben, dass die Achtung der Men-
schenrechte von Wehrpflichtigen in den Streitkräften de-
saströs ist. Es muss auch endlich ein Gesetz über einen
Wehrersatzdienst verabschiedet werden, wie dies in Arti-
kel 59 der russischen Verfassung vorgesehen ist.
Ein wichtiger Fortschritt ist, dass nun endlich das Amt des
Menschenrechtsombudsmann mit Herrn Oleg Mironov be-
setzt worden ist. Er hat wichtige Besuche gemacht, wichtige
Initiativen und Berichte geliefert, insbesondere über psy-
chiatrischeEinrichtungen, über dieBedingungen inGefäng-
nissen,überFolterundMisshandlungenindenGefängnissen
und den bewaffneten Streitkräften. Er hat uns gemahnt, uns
nicht von manchen neuen Gesetzen täuschen zu lassen; sie
hätten, so sagt er, wenig Einfluss auf die Praxis.
Wir begrüßen es, dass auch auf regionaler EbeneMenschen-
rechtskommissareeingesetztwerdensollen.Besorgtsindwir
über dieAuflösung der Gnadenkommission beim Präsiden-

* Im Auftrag des Ausschusses für die Einhaltung der von den Mit-
gliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Verpflich-
tungen (Monitoring-Ausschuss).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/9978

ten der Russischen Föderation. Wir befürchten, dass regio-
nale Gnadenkommissionen unter den Einfluss der Gouver-
neure kommen können und anUnabhängigkeit verlieren.
Herr Präsident, ein wichtiges Anliegen ist uns schließlich
auch die Reform der Procuratura, der Anklagebehörden.
Von großer Bedeutung ist hierbei die Entscheidung des Ver-
fassungsgerichts, dass ab 1. Juli in Russland nur noch die
Gerichte Verhaftungen anordnen können. Wenn dies um-
gesetzt wird, stellt dies geradezu eine Revolution im russi-
schen Strafrecht dar. Die Russische Föderation verabschie-
det sich damit von einem Überbleibsel des sowjetischen
Rechtssystems.
Herr Präsident, David Atkinson und ich haben in unserem
Bericht etliche Fortschritte bei den beim Beitritt einge-
gangenen Verpflichtungen dokumentiert, aber wir haben
auch vorhandene Lücken und sogar Bereiche aufgezeigt,
in denen es Rückschritte gegeben hat. Bei unserer weite-
ren Arbeit werden wir uns stärker mit der Frage befassen
müssen, ob und, wenn ja, wie sich die erreichten theoreti-
schen Fortschritte auch in der Praxis auswirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Abg. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU): Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Namen mei-
ner Fraktion darf ich zunächst einmal den Berichterstat-
tern herzlich für ihre engagierte Arbeit danken, die sich in
ihren Berichten ausdrückt. Die Berichte umfassen – ich
beziehe mich dabei überwiegend auf den Monitoring-Be-
richt – erfreulich viel Positives. Man würde gerne das Le-
sen des Berichts nach dem positiven Teil beenden, bevor
die lange Liste der Probleme aufgeführt wird.
Die Berichterstatter haben betont, dass die Tschetschenien-
Frage nicht zumGegenstand desMonitoring-Verfahrens im
engeren Sinne gehört. Sie haben aber zuRecht darauf hinge-
wiesen, inwelchemMaße gerade diese Frage unser gemein-
samesVerhältnis belastet, solange dieseWunde offen ist und
schwärt. Ich danke den Berichterstattern im Namen meiner
Fraktion dafür, dass sie dies so deutlich gesagt haben.
Bei den positiven Punkten möchte ich nachdrücklich die
große Bedeutung des großen Komplexes der Justizreform
unterstreichen. Wenn diese Reform jetzt auch landesweit
in der gesamten Föderation in die Praxis umgesetzt wor-
den ist, wird Russland sicherlich einen gewaltigen Schritt
hin zu einem demokratischen Rechtsstaat getan haben.
Dies können wir nicht nachdrücklich genug begrüßen;
ebenso hoffen wir, dass der Abzug der russischen Truppen
aus Transnistrien einen wesentlichen Beitrag zur Befrie-
dung der Lage in Moldawien leisten kann und wird.
Nichtsdestotrotz meine ich allerdings, dass ein paar Punkte
herausgegriffen werden müssen – ich will dies auch tun –,
die ich als besonders kritisch ansehe. In diesem Zusam-
menhang wäre vieles zu nennen. Was das Thema Medien
angeht, das immer wieder angesprochen worden ist, kann
man nicht genug auf Besserung hoffen. Aber mir liegt ei-
nes besonders am Herzen, weil es uns als Kollegen und
Kolleginnen in dieser Versammlung betrifft: Wenn wir
gemeinsam darum ringen, dass die Wertvorstellungen, die
uns alle im Europarat verbinden, auch durchgesetzt wer-
den, dann betrübt es mich zutiefst, in diesem Bericht zu

lesen, dass die Duma im Februar exakt das Gegenteil von
dem beschlossen hat, was eines unserer großen Herzens-
anliegen ist, nämlich die Abschaffung der Todesstrafe.
Wenn ich mir die Rednerliste ansehe, Herr Vorsitzender,
dann freue ich mich, dass sich so viele Kollegen aus Russ-
land zu Wort gemeldet haben. Gerade von Kollege zu Kol-
legen wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Position zu
den Fragen bezögen, wie und warum es dazu gekommen
ist und wie Sie sich persönlich dazu eingelassen haben.
Denn daraus kann eine Entwicklung entstehen, die ich zu-
tiefst bedauerlich fände. Die Berichterstatter haben ange-
deutet, welche Konsequenzen es haben kann, wenn der
Präsident dem Begehren des Parlaments nach gäbe. Ich
bedaure sehr, dass von daher in diesem Zusammenhang
das Parlament im Mittelpunkt meiner Kritik stehen muss.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, alles zusam-
mengenommen, Positives wie Negatives, ist die positive
Entwicklung erfreulich. In meiner Fraktion gibt es viele
Kolleginnen und Kollegen, die eine kritischere Bewer-
tung vornehmen und in der Frage, ob man überwiegend
den Fortschritt – das Positive – unterstreichen oder das
Negative kritischer hervorheben soll, eher zur Kritik nei-
gen; ich sehe beides als ausgewogen an und äußere vor al-
len Dingen die Hoffnung und die dringende Bitte an die
Kolleginnen und Kollegen der Duma, ihrerseits zu tun,
was in ihren Möglichkeiten steht. In ihren Möglichkeiten
steht nämlich viel, um dazu beizutragen, dass der nächste
Bericht unserer Berichterstatter noch ein bisschen positi-
ver ausfallen kann als der gegenwärtige. Vielleicht behält
dann auch Herr Atkinson Recht, dass er dann seinen Be-
richt mit einem Datum abschließen kann, was er sicher-
lich, wie viele von uns, gern tun würde. Aber jetzt ist die
Zeit dafür noch nicht gekommen. – Danke schön.
Abg. Jelena Hoffmann (SPD): Sehr geehrter Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der ausgezeichnete Be-
richt des Monitoring-Ausschusses und die Berichterstat-
tung unserer Kollegen zeigen, dass Russland auf dem
richtigen Weg ist. Ich wähle bewusst dieses Bild, denn der
Bericht zeigt auch, dass Russland noch ein Stück des Weges
zu gehen hat. Das Land hat in den Bereichen Rechtsstaat-
lichkeit, Demokratie und Aufbau eines modernen Mehr-
parteienstaates Fortschritte gemacht. Ebenso ist die Re-
form des Justizsystems eingeleitet.
Der Bericht weist jedoch auch offen und ungeschminkt auf
Probleme hin: Tschetschenien, die Haftbedingungen, die
Einschränkung der Pressefreiheit und vor allem die noch
nicht ausreichende Durchsetzbarkeit der Gesetze. Gesetze
zu verändern reicht nicht; sie müssen auch umgesetzt wer-
den. Uns allen muss aber auch klar sein, dass das Zeit
braucht. Was sind zehn Jahre in der Geschichte eines Lan-
des, das einen solch grundlegenden Wandel in die Wege ge-
leitet hat?
Der Tschetschenien-Konflikt fordert nach wie vor Opfer in
der Zivilbevölkerung, bei den russischen Sicherheitskräften
und bei den tschetschenischen Kämpfern. Ein Ende des
Konflikts ist zurzeit nicht in Sicht. Außerdem besteht die
Gefahr, die gesamte Kaukasusregion zu destabilisieren.
Das russische Vorgehen steht nicht im Einklang mit
dem humanitären Völkerrecht. Zwar bekennen sich die

Drucksache 14/9978 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

tschetschenischen Kämpfer zu ihren Verbindungen zum
internationalen Terrorismus, aber das darf den völker-
rechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel
nicht außer Kraft setzen.
Es gibt Fortschritte in der internationalen Zusammenar-
beit in Bezug auf den Konflikt. Doch die russische Seite
lässt die internationale Hilfe nur begrenzt zu. Die Tätig-
keit von drei Vertretern des Europarates, die seit Juni 2000
mit dem Büro des Menschenrechtsbeauftragten Wladimir
Kalamanow zusammenarbeiten, sehe ich als ein gutes Zei-
chen an. Leider sind die Ergebnisse weiterer Inspektions-
reisen von Vertretern des Europarates sowie anderer Orga-
nisationen nach Tschetschenien nicht zufrieden stellend.
Ich möchte unseren russischen Kollegen ans Herz legen,
in der Duma darüber zu diskutieren, wie europäische De-
mokraten über den Konflikt denken und warum sie so
denken. Alle demokratischen Kräfte in Europa haben den
Wunsch, Russland bei der friedlichen Beilegung des Kon-
flikts zu unterstützen, obwohl uns allen klar ist, welche
Gefahr von den tschetschenischen Rebellen ausgeht. Der
Weg zu einer politischen Lösung muss unbedingt wieder
gefunden werden, und es müssen alle Kräfte, die frie-
densbereit sind, darin eingebunden werden.
Die verstärkte Einbeziehung von Dritten als Vermittlern
in diesem Konflikt kann sehr hilfreich sein. Die Kommu-
nikation und der Austausch auf allen Ebenen sollen ver-
bessert werden. In der Zusammenarbeit mit Deutschland
sind zum Beispiel deutliche Verbesserungen auf der zivi-
len Ebene sichtbar: Ich denke an den Petersburger Dialog.
Präsident Putin bekräftigte dies in seiner Rede vor dem
Deutschen Bundestag am 25. September des vergangenen
Jahres mit den folgenden Worten: „Das Hauptziel der In-
nenpolitik Russlands ist vor allem die Gewährleistung der
demokratischen Rechte und der Freiheit, die Verbesse-
rung des Lebensstandards und der Sicherheit des Volkes.“
Er handelt auch danach. Wir dürfen aber eines nicht aus
den Augen lassen, wenn wir über Russland sprechen: Russ-
land befindet sich noch im Transformationsprozess. Ein
riesiges Land ist in einem Prozess der Neuentstehung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte es für sehr wich-
tig, die Zusammenarbeit Russlands mit dem Europarat zu
fördern und zu verstärken, um auf diesem Weg den Reform-
prozess des Landes weiter zu unterstützen. – Vielen Dank.

Entschl ießung 1277 (2002)*
betr.: die Einhaltung der von der Russischen
Föderation eingegangenen Pflichten und

Verpflichtungen
(Drucksache 9396)

1. Unter Bezugnahme auf die beiden vorherigen Be-
richte des Überwachungsausschusses über die Ein-
haltung der von der Russischen Föderation einge-

gangenen Pflichten und Verpflichtungen (Dok. 8127
[1998] und Dok. 9396 [2002]) begrüßt die Parla-
mentarische Versammlung die von Russland erziel-
ten unzweifelhaften Fortschritte in Richtung auf
Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und den Aufbau
eines demokratischen Mehrparteienstaats, was zu
größerer politischer und wirtschaftlicher Stabilität
führt. Sie begrüßt außerdem die beträchtlichen An-
strengungen der Russischen Föderation seit ihrer
Aufnahme am 28. Februar 1996 zur Einhaltung ihrer
mit der Stellungnahme Nr. 193 (1996) akzeptierten
Pflichten und Verpflichtungen.

2. In Bezug auf die Unterzeichnung und Ratifizierung
von Übereinkommen stellt die Versammlung erfreut
fest, dass:
i. Russland am 5. Mai 1998 die Europäische Men-

schenrechtskonvention sowie deren Protokolle
Nr. 1, 2, 4, 7 und 11, das Europäische Überein-
kommen über die Verhütung von Folter und un-
menschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Strafe sowie die Europäische Charta der kom-
munalen Selbstverwaltung ratifiziert hat.

ii. Russland hat außerdem das Europäische Ausliefe-
rungsübereinkommen und seine Protokolle und
das Europäische Übereinkommen über die gegen-
seitige Amtshilfe in Strafsachen (am 10. Dezember
1999) sowie das Europäische Übereinkommen
über Geldwäsche und Ermittlung, Beschlagnahme
und Einziehung von Erträgen aus Straftaten (am
28. Mai 2001) unterzeichnet.

iii. Russland hat ferner das Europäische Rahmen-
übereinkommen zum Schutz nationaler Minder-
heiten und das Allgemeine Übereinkommen über
die Vorrechte und Immunitäten des Europarates
sowie dessen Zusatzprotokolle ratifiziert.

3. Die Versammlung äußert ihre Genugtuung über die
Entwicklung eines ehrgeizigen Reformprojekts für
das Justizsystem, das Ende 2000 von dem Präsiden-
ten der Russischen Föderation durch die Schaffung
einer Arbeitsgruppe für die Justizreform eingeleitet
wurde. Diese Reform betrifft die wichtigsten für das
Justizsystem geltenden Rechtsinstrumente wie z. B.
die Strafprozessordnung, die Zivilprozessordnung
und die Wirtschaftsprozessordnung, die Rechtsvor-
schriften in Bezug auf die Gerichte und die Stellung
der Richter sowie die Rechtsvorschriften für die An-
waltschaft und für Vermittlungs- und Vollstreckungs-
verfahren.

4. In dieser Hinsicht ist Russland auch für die Fort-
schritte bei der Umsetzung der Justizreform Aner-
kennung auszusprechen, insbesondere für die Ver-
abschiedung einer neuen Strafprozessordnung am
22. November 2001 und eine Reihe von Gesetzen
aus dem Justizreformpaket, die sich in zweiter bzw.
dritter Lesung befinden. Die Versammlung begrüßt
es ferner, dass die Russische Föderation mit dem In-
krafttreten der neuen Strafprozessordnung im Januar
2004 – dem derzeit vorgesehenen Zeitrahmen – end-

* Debatte der Versammlung am 23. April 2002 (10. Sitzung). Siehe Dok.
9396, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den Mit-
gliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Verpflich-
tungen (Berichterstatter: Herr Atkinson und Herr Bindig). Von der Ver-
sammlung verabschiedeter Text am 23. April 2002 (11. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/9978

lich in die Lage versetzt werden wird, ihre Vorbe-
halte gegenüber der Europäischen Menschenrechts-
konvention aufzuheben.

5. Die Versammlung unterstreicht mit Freude, dass alle
diese Projekte durch den Sachverstand des Europa-
rates geprüft wurden und ein bedeutender Teil der
neuen mit diesen Gesetze verabschiedeten Bestim-
mungen die Konsolidierung und Unabhängigkeit
des Justizsystems und die Durchsetzung der Rechts-
staatlichkeit gestärkt hat.

6. Die Versammlung begrüßt ferner die am 31. Dezem-
ber 1998 erfolgte Übertragung der Zuständigkeit für
das Strafvollzugssystem vom Innenministerium auf
das Justizministerium und tritt für eine weitere De-
militarisierung der Gefängnisverwaltung ein.

7. Die Versammlung stellt mit Befriedigung die Verab-
schiedung des Gesetzes über das Amt des Menschen-
rechtskommissarsunddiekürzlich–am22.Mai1998–
erfolgte Wahl von Oleg Mironow zum Ombudsmann
für Menschenrechte fest. Sie empfiehlt die Auswei-
tung der Institution des Ombudsmanns für Men-
schenrechte auf die gesamte Russische Föderation.

8. Die Versammlung ist jedoch besorgt über eine Reihe
von Pflichten und wichtigen Verpflichtungen, bei
denen die Fortschritte immer noch unzureichend
sind und deren Einhaltung weitere Maßnahmen
durch die russischen Behörden erfordern:
i. das größte Problem Russlands bleibt in der Tat

seine Verpflichtung, den Tschetschenienkonflikt
auffriedlicheWeisezuregeln,wobeidieVersamm-
lung auf ihre verschiedenen Entschließungen,
insbesondere die Entschließung 1270 (2002),
Bezug nimmt. Sie bekräftigt jedoch ihre Auf-
forderung an die russischen Behörden, eine or-
dentliche Untersuchung über alle Fälle von
Menschenrechtsverletzungen und Machtmiss-
brauch in Tschetschenien durchzuführen und
die Verantwortlichen ungeachtet ihrer jeweili-
gen Funktion strafrechtlich zu verfolgen;

ii. die Versammlung ist schockiert über die Abstim-
mung in der Staatsduma am 15. Februar 2002,
mit der Präsident Putin aufgefordert wurde, die
Todesstrafe wieder einzuführen. Sie erkennt
zwar an, dass das von Präsident Jelzin am 2. Au-
gust 1996 eingeführte offizielle Moratorium
für Hinrichtungen beachtet wird, ersucht je-
doch gleichzeitig die russischen Behörden
nachdrücklich, die Todesstrafe de jure abzu-
schaffen und die Ratifizierung des Protokolls
Nr. 6 der Europäischen Menschenrechtskon-
vention abschließend vorzunehmen;

iii. die Versammlung erinnert die Russische Föde-
ration an ihre Verpflichtung, die Europäische
Charta der Regional- oder Minderheitenspra-
chen, die sie am 10. Mai 2001 unterzeichnete, zu
ratifizieren;

iv. in Bezug auf die innerstaatliche Gesetzgebung
erkennt die Versammlung an, dass die Rechts-

reformen in der Tat in vielen Bereichen voran-
gekommen sind, bleibt jedoch weiterhin besorgt
über die ausbleibende Umsetzung und verweist
erneut auf die Notwendigkeit einer sachgerech-
ten Umsetzung der bestehenden Gesetze;

v. in dieser Hinsicht erwartet die Versammlung von
den russischen Behörden, dass sie die Reform
der Generalstaatsanwaltschaft im Einklang mit
den Prinzipien des Europarates und den ein-
gegangenen Verpflichtungen abschließend voll-
zieht;

vi. in Bezug auf die Streitkräfte verweist die Ver-
sammlung auf die Verpflichtung der Russi-
schen Föderation, Misshandlungen von Wehr-
pflichtigen abzustellen und bedauert, dass dies
bis jetzt noch nicht erfolgt ist;

vii. die Versammlung fordert die Staatsduma nach-
drücklich auf, endlich ein Gesetz über den Wehr-
ersatzdienst, wie er in Artikel 59 der russischen
Verfassung vorgesehen ist, zu verabschieden;

viii. die Versammlung bedauert, dass das neue Ge-
setz über die Geheimdienste immer noch nicht
verabschiedet worden ist. Sie stellt fest, dass
das Recht des Bundessicherheitsdienstes FSB,
Untersuchungshaftanstalten zu unterhalten, ab-
geschafft wurde (mit Ausnahme der Moskauer
Untersuchungshaftanstalt „Lefortowo“, die der
FSB unverzüglich dem Justizministerium über-
geben sollte) und ersucht die russischen Behör-
den nachdrücklich, dem FSB die Befugnis zu
Ermittlungen bei Straftaten zu entziehen;

ix. feststellend, dass es einen bemerkenswerten
Rückgang der Zahl von Häftlingen in den Straf-
vollzugsanstalten gegeben hat, bedauert die
Versammlung jedoch die Haftbedingungen,
insbesondere die Überfüllung der Gefängnisse,
die schlechte medizinische Versorgung und die
unzulängliche Finanzierung. Die Versamm-
lung fordert die russischen Behörden auf, die
Bedingungen in den Gefängnissen und Unter-
suchungshaftanstalten unverzüglich zu verbes-
sern. Sie besteht darauf, dass Russland das Eu-
ropäische Übereinkommen über die Verhütung
von Folter und unmenschlicher oder erniedri-
gender Behandlung oder Strafe, welches von
ihm am 5. Mai 1998 ratifiziert wurde, beachtet,
die von dem Komitee zur Verhütung von Folter
(CPT) ausgesprochenen Empfehlungen umsetzt
und die Veröffentlichung der Berichte nach den
Besuchen des CPT im Land genehmigt;

x. die Versammlung äußert ihre tiefe Besorgnis
über behauptete Misshandlungen oder Folterun-
gen in Strafvollzugsanstalten. Die Versamm-
lung ist außerdem alarmiert über die Belästi-
gung von Journalisten, durch die eindeutig das
Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ver-
letzt wird und fordert die russischen Behörden
nachdrücklich auf, Maßnahmen zur Abstellung
dieser Praktiken zu ergreifen;

Drucksache 14/9978 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

xi. in dieser Hinsicht ist die Versammlung auch
über die russischen Medien betreffende Ereig-
nisse aus jüngster Zeit ernsthaft besorgt, die als
Ermutigung zur Einschränkung der Pressefrei-
heit ausgelegt werden könnten. Sie erwartet da-
her, dass die russischen Behörden Maßnahmen
ergreifen, um die Erhaltung und Stärkung der
Medienvielfalt zu ermöglichen und eine Me-
dienpolitik betreiben, die Befürchtungen, dass
die Meinungsfreiheit in diesem Land in Gefahr
ist, auf überzeugende Art und Weise ausräumt;

xii. die Versammlung stellt zwar fest, dass die rus-
sischen Bundesbehörden bei der Abschaffung
der Relikte des alten internen Registrierungs-
systems der Zuzugsgenehmigung (propiska)
bemerkenswerte Fortschritte erzielt haben, be-
dauert jedoch, dass ethnischen Minderheiten
gegenüber weiterhin – oft in diskriminierender
Form – restriktive Registrierungsvorschriften
angewandt werden. Deshalb bekräftigt die Ver-
sammlung ihre in der Entschließung 1544 (2001)
aufgestellte Forderung, in der sie die betroffenen
Mitgliedstaaten nachdrücklich aufforderte, „eine
gründliche Überprüfung der nationalen Gesetze
und Verfahren vorzunehmen, um alle Bestim-
mungen abzuschaffen, die das Recht auf Freizü-
gigkeit und freie Wohnsitzwahl innerhalb der
Landesgrenzen beeinträchtigen könnten“;

xiii. die Versammlung bekundet ihre Bestürzung
über die Maßnahmen der Behörden in Kras-
nodar zur Vertreibung der meschketischen Be-
völkerung aus dem russischen Staatsgebiet und
erwartet von den Behörden der Russischen Fö-
deration, dass diese mit den betroffenen Mesch-
keten und den georgischen Behörden im Wege
eines Dialogs eine dauerhafte Lösung anstreben;

xiv. die Versammlung bedauert die Probleme der
Heilsarmee und der Zeugen Jehovas in Moskau,
begrüßt jedoch den Beschluss der russischen
Behörden, für eine Beseitigung des Problems
der lokalen Diskriminierung und Belästigung
dieser Religionsgemeinschaften zu sorgen;

xv. dieVersammlung nimmt den anhaltendenAbzug
russischer Truppen und schwerer Waffen aus
der transnistrischen Region (Dnjestr-Republik)
Moldau zur Kenntnis und bekräftigt ihre Erwar-
tung eines vollständigen Abzugs der russischen
Truppen bis zu der 1997 gemäß demErsuchen in
derStellungnahme193 festgesetztenFrist, die je-
doch nicht eingehaltenwurde,was zu der vonder
OSZE auf den 31. Dezember 2002 festgesetzten
neuen Frist führte. Sie fordert die russischen
Behörden auf, zusammenmit derEntsorgungder
großenMunitionslager einen baldigen, geordne-
tenundvollständigenAbzugder russischenTrup-
pen aus dem Gebiet Moldau sicherzustellen,
um günstigere Voraussetzungen für eine ab-
schließende Regelung des Transnistrien-Kon-
flikts zu schaffen und zur Festigung des Friedens
und der Sicherheit in der Region beizutragen;

xvi. in Bezug auf die Rückgabe diplomatischen Ver-
mögens der baltischen Staaten, das im Jahre
1940 an die Sowjetunion ging und die Entschä-
digung der aus den baltischen Staaten deportier-
ten Personen und ihrer Nachkommen im Sinne
der Stellungnahme 193 fordert die Versammlung
die russischen Behörden nachdrücklich auf,
diese Probleme so schnell wie möglich zu lösen;

xvii. ebenso fordert die Versammlung die russischen
Behörden nachdrücklich auf, rasch alle Pro-
bleme in Bezug auf die Rückgabe von Kultur-
gütern, die von Mitgliedstaaten des Europara-
tes beansprucht werden, direkt mit diesen
Staaten und zu beiderseits vorteilhaften Bedin-
gungen zu klären und dabei der Notwendigkeit
Rechnung zu tragen, die im Zweiten Weltkrieg
aus Russland in andere Länder verbrachten
Kulturgüter zurückzugeben.

9. Abschließend begrüßt die Versammlung die Fort-
schritte der Russischen Föderation bei der Einhaltung
ihrer Verpflichtungen als Mitgliedstaat des Europara-
tes und insbesondere den offenen und ernsthaften
Dialog, der sich über die noch ungeklärten Fragen
entwickelt hat. Sie erkennt jedoch an, dass eine Reihe
von Verpflichtungen, die im vorstehenden Absatz 8
erwähnt werden, weitere Maßnahmen erfordern. Zu-
sätzlich zu der zufrieden stellenden Umsetzung aller
durch die Russische Föderation eingegangenen, aber
noch nicht erfüllten Pflichten und Verpflichtungen
muss die Versammlung von der Einrichtung von
Rundfunk- und Fernsehanstalten, die frei von staat-
licher und kommunaler Beeinflussung arbeiten kön-
nen sowie von der Unparteilichkeit der Medien bei
den bevorstehenden Parlaments- und Präsident-
schaftswahlen erst noch überzeugt werden.

10. Die Versammlung beschließt daher in enger Zusam-
menarbeit mit der russischen Delegation, das Über-
wachungsverfahren in Bezug auf die Russische Föde-
ration fortzusetzen, um den russischen Behörden bei
ihren Maßnahmen zur Einhaltung der von Russland
als Mitgliedstaat eingegangenen Pflichten und Ver-
pflichtungen soweit erforderlich mit Rat und Hilfe zur
Seite zu stehen.

Empfehlung 1553 (2002)*
betr.: die Einhaltung der von der Russischen
Föderation eingegangenen Pflichten und

Verpflichtungen
(Drucksache 9396)

1. Die Versammlung nimmt Bezug auf ihre Ent-
schließung 1277 (2002) über die Einhaltung der von

* Debatte der Versammlung am 23. April 2002 (10. Sitzung). Siehe Dok.
9396, Bericht des Ausschusses über die Einhaltung der von den Mit-
gliedstaaten des Europarates eingegangen Pflichten und Verpflichtun-
gen (Berichterstatter: Herr Atkinson und Herr Bindig). Von der Ver-
sammlung verabschiedeter Text am 23. April 2002 (11. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/9978

der Russischen Föderation eingegangenen Pflichten
und Verpflichtungen.

2. Im Lichte der in dieser Entschließung aufgeführten
Überlegungen setzt die Versammlung das Minister-
komitee davon in Kenntnis, dass die Russische Fö-
deration beträchtliche Anstrengungen zur Einhaltung
ihrer als Mitgliedstaat des Europarates eingegange-
nen Pflichten und Verpflichtungen unternommen hat,
die sie mit der Stellungnahme 193 (1996) zum An-
trag Russlands auf Aufnahme in den Europarat
akzeptiert hatte. Sie sieht jedoch ein, dass eine Reihe
von Verpflichtungen, die in Absatz 8 der Ent-
schließung 1277 (2002) aufgeführt werden, noch
weitere Maßnahmen erfordern. Zusätzlich zu einer
zufrieden stellenden Umsetzung aller von der Russi-
schen Föderation eingegangenen Pflichten und Ver-
pflichtungen muss die Versammlung von der Ein-
richtung von Rundfunk- und Fernsehanstalten, die
frei von staatlicher und kommunaler Beeinflussung
arbeiten können sowie von der Unparteilichkeit der
Medien bei den bevorstehenden Parlaments- und
Präsidentschaftswahlen erst noch überzeugt werden.

3. Die Versammlung beschließt daher in enger Zusam-
menarbeit mit der russischen Delegation, das Über-
wachungsverfahren in Bezug auf die Russische Fö-
deration fortzusetzen, um den russischen Behörden
bei ihren Maßnahmen zur Einhaltung der von Russ-
land als Mitgliedstaat eingegangenen Pflichten und
Verpflichtungen soweit erforderlich mit Rat und
Hilfe zur Seite zu stehen.

4. Das größte Problem Russlands bleibt in der Tat seine
Pflicht und Verpflichtung, den Tschetschenienkon-
flikt friedlich zu regeln, wobei die Versammlung auf
ihre verschiedenen Entschließungen, insbesondere
die Entschließung 1270 (2002), Bezug nimmt. Sie
bittet daher das Ministerkomitee, seine Aufforde-
rung an die russischen Behörden zu wiederholen,
eine sachgerechte Untersuchung aller Fälle von
Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch
in Tschetschenien durchzuführen und die Verant-
wortlichen ungeachtet ihrer jeweiligen Funktion
strafrechtlich zu verfolgen.

5. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
ferner:
i. die russischen Behörden zu ermutigen, die Zu-

sammenarbeit mit dem Europarat zu verstärken,
um eine umfassende Übereinstimmung der russi-
schen Gesetze und Verfahren mit den Grundsätzen
und Normen der Organisation zu gewährleisten,
insbesondere mit den durch die Europäische Men-
schenrechtskonvention garantierten Normen und
der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs.
Darüber hinaus sollten allen Teilen der russischen
Gesellschaft – der Exekutive, der Legislative und
der Judikative, der kommunalen und regionalen
Selbstverwaltung, Politikern und schließlich auch
der Zivilgesellschaft – angemessene Informatio-
nen über die Grundsätze der Organisation zur Ver-
fügung stehen;

ii. die Kooperationsprogramme zwischen dem Eu-
roparat und der Russischen Föderation zu vertie-
fen, um die russischen Behörden bei ihren An-
strengungen zu unterstützen, die Grundrechte
und Grundfreiheiten – insbesondere die Mei-
nungsfreiheit und die Medienfreiheit – und die
Anwendung der Rechtsstaatlichkeit auf dem ge-
samten Staatsgebiet zu gewährleisten;

iii. spezielle Kooperationsformen mit den russi-
schen Behörden vorzusehen, was die Ausarbei-
tung von Vorschlägen zur Kompetenzverteilung
zwischen den bundesstaatlichen Gremien der
Russischen Föderation, den Gremien der Föde-
rationssubjekte und den Institutionen der kom-
munalen Selbstverwaltung angeht;

iv. angesichts des anhaltenden Abzugs russischer
Truppen und schwerer Waffen aus der transnis-
trischen Region (Dnjestr-Republik) Moldau die
Erwartung zu bekräftigen, dass bis zur vorgese-
henen Frist vom 31. Dezember 2002 ein vollstän-
diger Abzug der russischen Truppen erfolgt. Der
baldige, geordnete und vollständige Abzug russi-
scher Truppen aus dem Gebiet Moldau – zusam-
men mit der Entsorgung der großen Munitions-
lager – sollte günstigere Voraussetzungen für eine
abschließende Regelung des Transnistrien-Kon-
flikts schaffen und zur Festigung des Friedens
und der Sicherheit in der Region beitragen;

v. in Bezug auf die Rückgabe diplomatischen Ver-
mögens der baltischen Staaten, das im Jahre 1940
an die Sowjetunion ging und die Entschädigung
der aus den baltischen Staaten deportierten Per-
sonen, die russischen Behörden aufzufordern,
diese Fragen schnellstmöglich zu klären und
ebenfalls rasch alle Probleme mit der Rückgabe
von durch Mitgliedstaaten des Europarates bean-
spruchten Kulturgütern direkt mit diesen Staaten
und zu beiderseits vorteilhaften Bedingungen zu
klären und dabei der Notwendigkeit Rechnung
tragen, die im Zweiten Weltkrieg aus Russland in
andere Länder verbrachten Kulturgüter zurück-
zugeben.

Entschl ießung 1278 (2002)*
betr.: das russische Religionsgesetz

(Drucksache 9393)
1. Das neue russische Religionsgesetz ist am 1. Okto-

ber 1997 in Kraft getreten und ersetzt ein russisches
Gesetz aus dem Jahre 1990 zur gleichen Thematik,
das generell als sehr liberal bezeichnet wurde. Das

* Debatte der Versammlung am 23. April 2002 (10. Sitzung). Siehe Dok.
9393, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte (Be-
richterstatter: Herr McNamara), Dok. 9407, Stellungnahme des Politi-
schen Ausschusses (Berichterstatterin: Frau Gatterer) und Dok. 9409,
Stellungnahme des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und Bildung
(Berichtestatter: Herr Roseta):. Von der Versammlung verabschiedeter
Text am 23. April 2002 (11. Sitzung).

Drucksache 14/9978 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

neue Gesetz hat einige Besorgnis erregt, sowohl hin-
sichtlich seines Inhalts als auch hinsichtlich seiner
Umsetzung. Einige dieser Besorgnisse wurden an-
gesprochen, insbesondere durch die Urteile des Ver-
fassungsgerichts der Russischen Föderation vom
23. November 1999, vom 13. April 2000 und 7. Fe-
bruar 2002 und durch das Verfahren der erneuten
Registrierung religiöser Gemeinschaften auf Bun-
desebene, das erfolgreich vom Justizministerium am
1. Januar 2001 abgeschlossen wurde, andere Be-
sorgnisse bleiben jedoch weiterhin bestehen.

2. Das Gesetz selbst, das zwar eine annehmbare Ar-
beitsgrundlage für die meisten religiösen Gemein-
schaften bietet, könnte noch verbessert werden. Ob-
wohl das russische Verfassungsgericht bereits die
Anwendung der so genannten „15 Jahre Regelung“
begrenzt hat, die zunächst die Rechte religiöser
Gruppen gravierend eingeschränkt hatte, welche ihr
Bestehen auf russischem Staatsgebiet im Verlauf der
letzten 15 Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes nicht
belegen konnten, würde die völlige Abschaffung
dieser Regelung als eine wichtige Verbesserung der
gesetzlichen Grundlage durch mehrere dieser Grup-
pen gesehen werden.

3. Die meisten der angesprochenen Probleme betreffen
die fehlende Einheitlichkeit bei der Umsetzung des
Gesetzes. Während keine religiöse Gemeinschaft
eine systematische Diskriminierung oder Belästi-
gung durch den Staat beklagt hat, bleiben in einigen
Regionen weiterhin Schwierigkeiten bestehen. Ei-
ner der Gründe für diese Schwierigkeiten liegt darin,
dass einige Gremien der Föderation ihre eigenen Re-
ligionsgesetze verabschiedet haben, die nicht im
Einklang mit dem Bundesgesetz stehen. Die Präsi-
dialverwaltung ist Berichten zufolge mit diesem Pro-
blem befasst.

4. Ein weiteres Problem scheint sich auf örtliche
Staatsvertreter zu beziehen, die in beistimmten Fäl-
len (jedoch nicht systematisch) bestimmte religiöse
Gemeinschaften diskriminieren oder einschüchtern,
insbesondere Glaubensrichtungen, die in bestimm-
ten Gegenden in einer Minderheit sind. In manchen
Fällen wird die russisch-orthodoxe Kirche durch ört-
liche Vertreter bevorzugt behandelt, und andere reli-
giöse Gemeinschaften werden gezwungen, die Zu-
stimmung örtlicher Repräsentanten der orthodoxen
Kirche einzuholen, bevor sie ihre Projekte realisie-
ren können (z. B. bei der Anmietung oder dem Bau
einer Kirche oder Moschee). Manchmal werden Be-
schwerden von religiösen Gemeinschaften, die bei
den zuständigen Behörden vorgelegt werden, z. B.
bei der Generalstaatsanwaltschaft in Fällen eines tät-
lichen Angriffs oder einer Kirchendurchsuchung,
nicht weiter verfolgt, und die betreffenden Gemein-
schaften sind gezwungen, ihre Beschwerden selbst
vor Gericht zu bringen.

5. Darüber hinaus haben sich einige regionale und
kommunale Stellen des Justizministeriums gewei-
gert, bestimmte religiöse Gemeinschaften (erneut)

zu registrieren, trotz deren Registrierung auf Bundes-
ebene. Das Bundesjustizministerium scheint nicht in
der Lage zu sein, die regionalen und kommunalen
Dienststellen zu kontrollieren im Einklang mit den
Erfordernissen des Rechtsstaats und zieht es vor, re-
ligiöse Gemeinschaften zu zwingen, sich mit den
kommunalen Dienststellen über die Registrierung
gerichtlich auseinander zu setzen anstatt Abhilfe-
maßnahmen innerhalb des Ministeriums zu ergrei-
fen. Der Fall des Moskauer Zweigs der Heilsarmee
verdient besondere Aufmerksamkeit in diesem Zu-
sammenhang und sollte zu einem internen Diszipli-
narverfahren durch das Bundesjustizministerium
über die Arbeitsweise seiner Moskauer Dienststelle
führen. Die Moskauer Dienststelle des Justizminis-
teriums hat versucht, diesen Zweig der Heilsarmee
zu verbieten, trotz Bundesregistrierung, angeblich
wegen des Versäumnisses, sich innerhalb der ge-
setzlichen Frist erneut zu registrieren. Das Verfas-
sungsgericht hat am 7. Februar 2002 zugunsten der
Heilsarmee geurteilt.

6. Daher empfiehlt die Versammlung den russischen
Behörden:
i. das Religionsgesetz einheitlicher in der gesam-

ten Russischen Föderation anzuwenden, unbe-
gründete regionale und kommunale Diskriminie-
rung bestimmter religiöser Gemeinschaften zu
beenden und die bevorzugte Behandlung der rus-
sisch-orthodoxen Kirche durch lokale Vertreter
ebenfalls abzustellen und insbesondere ihr Be-
harren in einigen Gebieten darauf, dass religiöse
Organisationen eine vorherige Genehmigung für
ihre Tätigkeit durch die russisch-orthodoxe Kir-
che einholen müssen;

ii. darauf hinzuwirken, dass das Bundesjustizmi-
nisterium bei der Lösung von Streitigkeiten zwi-
schen seinen kommunalen/regionalen Vertretern
und religiösen Organisationen aktiver wird, be-
vor Streitigkeiten vor Gericht gebracht werden,
indem es Abhilfemaßnahmen innerhalb des Mi-
nisteriums bei Fällen von Korruption und/oder
unsachgemäßer Umsetzung des Religionsgeset-
zes ergreift und es damit unnötig macht, solche
Fälle vor Gericht zu bringen;

iii. dass bei einem gerichtlichen Verbot einer reli-
giösen Gemeinschaft im Einklang mit dem Reli-
gionsgesetz kein Eigentum konfisziert wird, be-
vor nicht alle Rechtswege ausgeschöpft sind
(einschließlich nationaler und internationaler ge-
richtlicher Berufungsgremien);

iv. für Fälle von Streitigkeiten zwischen den kom-
munalen Behörden und anderen offiziellen Ver-
tretern und religiösen Gemeinschaften innerhalb
der Russischen Föderation ein unabhängiges,
nicht richterliches Kontrollgremium einzurich-
ten, unter Vertretung der religiösen Gemein-
schaften mit dem Ziel, bei Problemen zu vermit-
teln und Lösungen zu finden;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/9978

v. dass die Behandlung des derzeit im russischen Par-
lament erörterten Projekts hinsichtlich der Einrich-
tung eines alternativen Zivildienstes für Wehr-
pflichtige beschleunigt werden sollte, um Bürgern,
deren religiöse Überzeugung es ihnen verbietet,
Wehrdienst zu leisten, eine Alternative anzubieten;

vi. dass regelmäßige Sendezeiten für Religionen in
den staatlichen Medien sichergestellt werden.

7. Die Versammlung fordert ferner die Behörden der
Russischen Föderation auf, die in der Empfehlung
1396 (1999) betr. Religion und Demokratie und in
der Empfehlung 1412 (1999) über illegale Sek-
tentätigkeiten aufgeführten Prinzipien bei der Be-
handlung von Problemen, welche die Religion be-
treffen, zu berücksichtigen.

Tagesordnungspunkt
Ansprache des Präsidenten von Rumänien,

Ion Iliescu
(Themen: die Entwicklung der Beziehung zwischen
Rumänien und dem Europarat nach der Wende – die Fort-
schritte Rumäniens, insbesondere in den Bereichen De-
mokratie, Grundfreiheiten und Menschenrechte, Minder-
heitenschutz und der Rückgabe von Eigentum – die
Beziehungen Rumäniens zu den Nachbarländern Russ-
land und Moldau – das Engagement Rumäniens für mehr
Stabilität in Europa – die Bemühungen Rumäniens auf
dem Weg in die NATO und die Europäische Union )

Tagesordnungspunkt
Bericht des Ministerkomitees

(Drucksache 9416 – Parlamentarische Fragen)
vorgelegt vom amtierenden Vorsitzenden,

dem Außenminister von Litauen,
Antanas Valionis

(Themen: die Aufnahme Bosnien und Herzegowinas in
den Europarat – die Lage in Moldau – die Entwicklungen
in der Ukraine – der Prozess der europäischen Integra-
tion der südkaukasischen Staaten – die Mitgliedschaft
Russlands im Europarat – die Beziehungen zwischen dem
Europarat und Belarus – der Kampf gegen den Terroris-
mus – regionale und subregionale Zusammenarbeit )
Frage des Abg. Wolfgang Behrendt (SPD): Der Rat der
EU hat am 28. Januar 2002 einen Beschluss über die
Grundsätze, Prioritäten, Zwischenziele und Bedingungen
der Beitrittspartnerschaft mit zwölf Staaten gefasst, die
eine Mitgliedschaft in der EU anstreben und die auch dem
Europarat angehören.
Im Hinblick auf politische Kriterien für eine Aufnahme in
die EU werden auch Bedingungen genannt, die sich auf
die Bereiche Demokratie und Rechtsstaatlichtkeit sowie
Menschenrechte und Minderheitenschutz beziehen.
Inwieweit sind bei derAuflistung der jeweiligen Prioritäten
derEUfürdie einzelnenBewerberstaatendieErgebnisseder

Monitoring-Verfahren der ParlamentarischenVersammlung
bzw. des Ministerkomitees des Europarates berücksichtigt
worden?Gabeshierbei eine systematischeZusammenarbeit
zwischen denGremien des Europarates und der EU?
Antwort des amtierenden Vorsitzenden: Der Beschluss
des Ministerrates der Europäischen Union, auf den sich
das ehrenwerte Mitglied bezieht, bestätigt die Bedeutung
der so genannten „Kopenhagener Kriterien“ im gegen-
wärtig stattfindenden Erweiterungsprozess der Europä-
ischen Union. Es ist bereits etwas mehr als acht Jahre her,
dass diese Kriterien die Existenz einer Wertegemeinschaft
zwischen dem Europarat und der Europäischen Union be-
stätigt haben.
Diese Wertegemeinschaft hat von Anfang an bestanden.
Sie erlangte einen neuen Sinn nach dem Fall der Berliner
Mauer, als die Länder Mittel- und Osteuropas sich auf ein-
drucksvolle Art und Weise zu einer pluralistischen Demo-
kratie und zur Wahrung von Menschenrechten und
Rechtsstaatlichkeit hin bewegten. Der Europarat dürfte
einer Reihe von Ländern als ein Sprungbrett für den Bei-
tritt zur Europäischen Union erschienen sein.
Die Leistungen der betroffenen Länder innerhalb des Eu-
roparates erlangen daher eine Bedeutung, die über die
Grenzen der Organisation hinausgeht. Insbesondere die
Ergebnisse der Überwachungsverfahren des Ministerko-
mitees und der Parlamentarischen Versammlung bieten
den Institutionen der Europäischen Union eine wichtige
Informationsquelle während der Beitrittsverhandlungen.
Die Länder, die Kandidaten für eine Mitgliedschaft in der
Europäischen Union sind, sind in der Tat alle Mitgliedstaa-
ten des Europarates, manche von ihnen seit vielen Jahren.
Auf eher institutionellem Gebiet findet Informationsaus-
tausch zwischen der Europäischen Union und dem Euro-
parat zu dieser Frage und zu anderen Angelegenheiten
von gemeinsamem Interesse statt, bei Koordinierungssit-
zungen auf hochrangiger Ebene, die unter dem Namen
„Vierparteiensitzungen“ bekannt sind und an denen ei-
nerseits die Präsidentschaft des Ministerrates der Europä-
ischen Union und die Europäische Kommission und an-
dererseits der Vorsitz des Ministerkomitees und der
Generalsekretär des Europarates teilnehmen. Diese Sit-
zungen finden in regelmäßigen Abständen statt und wer-
den von praktisch täglichen Kontakten zwischen hohen
Beamten ergänzt.
Frage des Abg. Rudolf Bindig (SPD): In Anbetracht der
allgemeinen Besorgnis, die auf der Januartagung der Ver-
sammlung angesichts der Tatsache zum Ausdruck ge-
bracht wurde, dass die Türkei den Urteilen im Fall Sadak
und Zana noch nicht nachgekommen ist durch das Ergrei-
fen von Maßnahmen zur Behebung der Folgen für die An-
tragsteller – ehemalige Mitglieder der türkischen Großen
Nationalversammlung – der vom Gerichtshof festgestell-
ten schwer wiegenden Verletzungen ihres Rechts auf ei-
nen fairen Prozess in dem Strafverfahren, das 1995 zu ihrer
Verurteilung zu fünfzehn Jahren Haft geführt hat; jedoch in
Anbetracht der Tatsache, dass wir informiert wurden,
dass das Ministerkomitee darauf vertraue, dass geeignete
Maßnahme in Kürze von den türkischen Behörden ergriffen

Drucksache 14/9978 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

werden würden, entweder durch eine Neueröffnung des an-
gefochtenen nationalen Verfahrens oder auf andere Art und
Weise, richtet die Frage an den Vorsitzenden des Minister-
komitees, ob die erforderlichen Maßnahmen ergriffen wur-
den, oder, falls dies nicht der Fall sei, welche Maßnahmen
das Ministerkomitee plane, um sicherzustellen, dass die
Türkei ihre Verpflichtungen gemäß dem Urteil des Gerichts-
hofes sowie gemäß dem Übereinkommen selbst einhält.
Antwort des amtierenden Vorsitzenden: Das Ministerko-
mitee versteht Herrn Bindigs Besorgnis über die Nicht-
einhaltung der Türkei des vor neun Monaten ergangenen
Urteils im Falle Sadak und Zana. Es wurden bisher keine
speziellen individuellen Maßnahmen getroffen, um die
Folgen der Rechtsverletzungen zu beheben, und die Lage
der Antragsteller ist daher unverändert.
Die Türkei ist vom Ministerkomitee zu wiederholten Ma-
len aufgefordert worden, eine schnelle Lösung für das
Problem zu finden. Der Fall wurde erneut auf der Men-
schenrechtssitzung der Stellvertreter der Minister erst in
der vergangenen Woche geprüft und wird vor Ende dieses
Monats erneut untersucht werden.
Ich kann dem ehrenwerten Mitglied versichern, dass das
Ministerkomitee der Dringlichkeit dieser Angelegenheit
und den vorgetragenen allgemeinen Besorgnissen umfas-
send Rechnung tragen wird bei seiner Entscheidung, wel-
che Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung des
Urteils des Gerichtshofes ergriffen werden sollten.

Tagesordnungspunkt
Die „New Economy“ und Europa

(Drucksache 9398)
Berichterstatterin:

Abg. Josette Durrieu (Frankreich)
(Themen: die „New Economy“, einschließlich der Infor-
mationstechnologien, dem Internet, Computern und Mo-
biltelefonen, und ihre Auswirkungen auf den Handel und
die Wirtschaft im Allgemeinen – neue Finanzströme und
Börsenhandel im Internet – die Gefahr neuer Muster zur
Ausbeutung von Arbeitnehmern – der Schutz der Bürger
vor Internet-Kriminalität – die Auswirkungen der neuen
Technologien auf die räumlichen Entwicklungen)

Entschl ießung 1279 (2002)*
betr.: die „New Economy“ und Europa

(Drucksache 9398)
Ursprung und Entwicklung der „New Economy“
1. Die New Economy wird als der Zweig der Wirt-

schaftsaktivitäten definiert, die sich hauptsächlich
auf Informations- und Kommunikationstechnologien

stützen, wie Computer- und Softwareherstellung, Mo-
biltelefone, Kreditkarten, Datenverwaltung, Dienste
usw.

2. Der Begriff der „New Economy“ tauchte zum ersten
Mal vor fünfzehn Jahren auf. Mit dem Aufkommen
des Internet-Booms sind wir in die Informationsge-
sellschaft eingetreten, die unbestreitbar neue Mög-
lichkeiten eröffnet. Die späten Neunzigerjahre waren
ein Zeitraum außergewöhnlichen Wachstums. Ab
dem Jahr 2000 änderte sich die Lage jedoch: der Ak-
tienmarkt brach ein, und die Technologiewerte des
Nasdaq stürzten ab. Für ihre Gegner ist die New Eco-
nomy eine Grauzone, ein unerforschtes Gebiet ohne
jeglichen institutionellen Kontrollmechanismus. Die
Entwicklung der Informations- und Kommunika-
tionstechnologien ist jedoch ein entscheidender Fak-
tor für das Konkurrieren auf dem Weltmarkt, auf dem
Europa seine Vorzüge und seine auf den Menschen
ausgerichteten Erwartungen geltend machen muss.

Verringerung der Kluft zwischen Europa und den
Vereinigten Staaten
3. Es mag den Anschein haben, dass Europa etwas lang-

sam in den Informations- und Kommunikationsbe-
reich eingestiegen ist. Was die Ausstattungsdichte an-
belangt, haben heute jedoch mehrere europäische
Länder die Vereinigten Staaten eingeholt oder sogar
überholt. Die Quoten für Haushalte mit Internet-An-
schluss in den Ländern der Europäischen Union stie-
gen von 18% im März 2000 auf 38% im Jahre 2001,
und fast 50% der Bevölkerung über 15 Jahre nutzt das
Internet heute zu Hause, bei der Arbeit, an der Uni-
versität oder an Orten mit Zugang für die Öffentlich-
keit. Die Quoten in den Unternehmen sind beein-
druckend: Fast 90% aller Unternehmen mit mehr als
zehn Angestellten sind an das Internet angeschlossen,
und mehr als 60% verfügen über ihre eigene Website.

4. Einige verweisen auf die Flexibilität des Arbeits-
marktes und die dynamische Unternehmensethik in
den Vereinigten Staaten, um die Deregulierung im
Bereich des Arbeitsrechts in Europa zu rechtferti-
gen. Die spektakuläre Art und Weise, wie Europa
aufholt, und die Anfälligkeit bestimmter US-Firmen
sind ein klarer Beweis dafür, dass die Entwicklung
der Informations- und Kommunikationstechnolo-
gien und die Schaffung von Arbeitsplätzen in keiner
Weise den Abbau von Normen erfordern, die eine
Garantie für den sozialen Zusammenhalt bieten.

5. In Europa bestehen jedoch große Unterschiede bei der
Ausstattungsdichte in Haushalten und Unternehmen.
Diese Unterschiede rufen zu einer proaktiven Politik
und zu einem europäischen Modell auf, das ein nach-
haltiges Wachstum mit sozialen Anforderungen (de-
mokratische Rechte und Solidarität) kombiniert.

Herausforderungen für Europa und Möglichkeiten
für Mittel- und Osteuropa. Schließen der „digitalen
Kluft“ zwischen Entwicklungsländern und Industrie-
ländern

* Debatte der Versammlung am 23. April 2002 (11. Sitzung). Siehe
Dok. 9398, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung
(Berichterstatterin: Frau Durrieu). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 23. April 2002 (11. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 – Drucksache 14/9978

6. Europa kann eine wichtige Rolle auf dem Gebiet
der Informations- und Kommunikationstechnologien
spielen. Die Versammlung begrüßt die auf dem Gip-
fel von Lissabon des Europäischen Rates im März
2002 eingegangene Verpflichtung, sicherzustellen,
dass die Europäische Union innerhalb eines Jahr-
zehnts zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischs-
ten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt
gemacht wird, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirt-
schaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplät-
zen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu er-
zielen“. Der Gipfel betonte auch die Bedeutung der
Schaffung eines gesetzlichen Rahmens für den elek-
tronischen Handel und den Zugang zum Internet.
Die Versammlung hofft, dass die Mitgliedstaaten
des Europarates ebenfalls in der Lage sein werden,
in naher Zukunft von diesen Fortschritten zu profi-
tieren.

7. Es gibt noch immer merkliche Unterschiede zu den
Ländern Mittel- und Osteuropas, und zwar sowohl
zwischen den einzelnen Ländern als auch zwischen
ländlichen Gebieten und städtischen Metropolen.
Der durch die Informations- und Kommunikations-
technologien ermöglichte Zugang zum Wissen passt
jedoch genau zu dem Wunsch junger Leute nach
Offenheit, die im Informations-, Dienstleistungs-,
Bank- und Tourismussektor zunehmend besser in
diesen Technologien ausgebildet sind. Eine derartige
Lage kann etwas überraschend sein und einen An-
trieb für eine stärkere Entwicklung in diesen Ländern
bieten.

8. Europa muss auch den Entwicklungsländern dabei
helfen, die „digitale Kluft“ zu schließen, die sie auf
dem Gebiet der Informations- und Kommunika-
tionstechnologien von den Industrieländern trennt.
Die Entwicklungsländer können erhebliche Vorteile
aus weiteren Fortschritten in den IKT ziehen – nicht
nur, was das Wirtschaftswachstum betrifft, sondern
auch in Bereichen wie demokratische Entwicklung,
institutioneller Aufbau, Menschenrechte, Sozialpo-
litiken, Gesundheitswesen und Umweltschutz.

Greifbare Aussichten verbunden mit Risiken
9. Es handelt sich eindeutig um eine technologische Re-

volution, und Informations- und Kommunikations-
technologien sind
i. eine mächtige und innovative Kraft, die Wirt-

schaft und Gesellschaft von Grund auf verändert;
ii. ein unbestreitbarer strategischer Faktor für ein

„dauerhaftes Wachstum“ und diversifizierte Akti-
vitäten;

iii. eine Quelle zusätzlicher Fähigkeiten, die es er-
möglicht, Wissen zu multiplizieren und zu ver-
breiten und Innovationen anzuregen;

iv. die Quelle für ein neues, leistungsstarkes Poten-
zial zur Verwaltung von Massendaten, sofort ver-
fügbarer und unglaublich preisgünstiger Infor-

mationen. Der intellektuelle Inhalt einer Aktivität
wird jetzt genauso wichtig wie Kapital. Immate-
riellen Vermögensgegenständen (Forschung und
Entwicklung, Zusatznutzen) wird größere Bedeu-
tung beigemessen als Sachanlagen (Ausstattung,
Gebäude, Maschinen).

10. Die New Economy fließt über vor neuen Ideen, und
„Tempo“ diktiert das Spiel: neue Arbeitsplätze, neue
Arbeitsbedingungen, neue Machtzentren, mobiles
Kapital, neue Kapitalformen (Rentenfonds), ein
grundlegender Wandel im Finanzsektor, Online-
Broker für einzelne Investoren – gleichzeitig gekop-
pelt mit Spekulationsrisiken. Es ist unerlässlich, In-
formations- und Kommunikationstechnologien völlig
zu kontrollieren, die das Potenzial besitzen, die Wirt-
schaft grundlegend zu verändern und den sozialen
Zusammenhalt auszuhöhlen.

11. Die spontane Entwicklung von Informations- und
Kommunikationstechnologien kann eine Reihe von
Veränderungen auslösen:
i. Gestiegene Produktivität und neue Formen der

Produktionsorganisation: „Just-in-time“-Verfah-
ren, flexible Arbeitszeiten, Produktionsverlage-
rung, Telearbeit usw. Zeit und Raum werden re-
duziert. Traditionelle Bewegungen der Menschen
ändern sich.

ii. Gegensatz zwischen „gut ausgebildeten, gut be-
zahlten Arbeitsplätzen“ und „schlecht ausgebil-
deten, schlecht bezahlten Arbeitsplätzen“.

iii. Mangelnde Sicherheit solcher Arbeitsplätze. Neu-
gegründete Unternehmen und „Gazellen“ haben
manchmal ein sehr kurzes Leben.

Wissensverbreitung und Schulen
12. Es ist unerlässlich, die Kluft zwischen denen, die die

nötigen Fähigkeiten besitzen, und denen, die es nicht
tun, nicht noch breiter werden zu lassen. Es ist von
entscheidender Bedeutung, dass das Bildungssys-
tem den Anforderungen der New Economy ange-
passt wird, um den Zugang zu einem „universalen
Wissen“ zu gewährleisten. Die Kompetenzen wer-
den nicht nur die Fähigkeit zum Lesen, sondern auch
zur Nutzung schriftlicher Informationen und zur An-
wendung der Informations- und Kommunikations-
technologien im Alltag einschließen.

13. Die „Informationsgesellschaft“ ist synonym mit der
„Wissensgesellschaft“. Neben den „Besitzenden“,
den „Elite-Insidern“ und den „neuen Business-Ty-
coons“ wird es jedoch weiterhin die „Besitzlosen“
geben, die vom Wissen ausgeschlossenen Massen
ohne eine zu Qualifikationen führende Ausbildung,
ausgenutzt und schlecht bezahlt. Sie werden heute
als die „berufstätigen Armen“ bezeichnet. Es besteht
ein Bedarf an politischen Maßnahmen zur Unter-
stützung von Forschung und Entwicklung und zur
Beherrschung der Informationstechnologie in der
Schule, Hochschule, bei der Arbeit und zu Hause.

Drucksache 14/9978 – 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

14. Europa braucht eine Strategie, um dem Gefühl der
Unsicherheit, der Angst und des gesellschaftlichen
Missbehagens, das aus den rasanten Veränderungen
der Beschäftigungs-und Einkommensstrukturen
und den hoch gesteckten Anforderungen durch die
IKT erwächst, entgegenzuwirken. Beträchtliche
Anstrengungen müssen im Bildungsbereich unter-
nommen werden, insbesondere im Hinblick auf
fortlaufende Ausbildung und berufliche Weiterbil-
dung; gleichzeitig ist es notwendig, den Schutz der
Arbeiter bei Kurzzeit- oder Teilzeitarbeit zu ver-
bessern.

Raumplanung und lokale Entwicklung
15. Informations- und Kommunikationstechnologien

können zu neuen Formen der Integration benach-
teiligter Gruppen und zu einer proaktiven Regional-
oder Raumentwicklungspolitik beitragen. Sie kön-
nen auch wirtschaftlich benachteiligten Ländern
oder ländlichen Gebieten dabei helfen, aufzuholen
und eine „New Economy“ auf wirklichen Aussich-
ten aufzubauen. Die Mitgliedstaaten des Europa-
rates sollten Maßnahmen ergreifen, um den Zugang
zu solchen Möglichkeiten zu erleichtern.

16. Dienstleistungsaktivitäten, Dokumentenverarbei-
tung, virtuelle Geographie, Online-Shopping, Ver-
fügbarkeit von Fremdenverkehrsangeboten im Inter-
net, Schulungen über das Internet usw. erleben einen
spektakulären Aufschwung. Kleine und mittlere In-
dustriebetriebe und Unternehmen siedeln sich in
diesen neuen Märkten an, die sich in manchen Fäl-
len auf die gesamte Welt erstrecken. Ihr Überleben
hängt jedoch sehr rasch von der Verfügbarkeit spe-
zifischer Ausstattungen wie beispielsweise Hochge-
schwindigkeits-ADSL-Verbindungen (einseitige Be-
nutzergruppen-Verbindungen) ab.

F& E (Forschung und Entwicklung), industrielles
und geistiges Eigentum
17. Diese neuen Aktivitäten bieten eine Vielzahl von

Märkten für Produkte und Markennamen sowie ein
unbegrenztes Publikum für geistige Arbeiten. Fäl-
schungen und die Online-Verfügbarkeit von Kopien
(von Software, Design und Modellen und Musikauf-
nahmen) beraubt die Erfinder, Designer oder Inter-
preten jedoch ihrer legitimen wirtschaftlichen Rechte.
Neben der Entwicklung der neuen Wirtschaft muss es
auch eine entsprechende Prüfung der industriellen,
kommerziellen, geistigen und künstlerischen Eigen-
tumsrechte geben.

Verbesserung der Sicherheit und Verhinderung der
widerrechtlichen Nutzung
18. Informations- und Kommunikationstechnologien

werden bereits zu widerrechtlichen Zwecken ver-
wendet (verschiedene Formen des illegalen Han-
dels, rassistische und revisionistische Botschaften,
Pädophilie). Die Staaten müssen einen rechtlichen

Rahmen aufstellen, um der Gefahr einer gleichzeiti-
gen Entwicklung von Informations- und Kommuni-
kationstechnologien und Kriminalität entgegenzu-
wirken.

19. Es ist an der Zeit, internationale Normen aufzustel-
len, die nicht nur die Sicherheit der Transaktionen
(beispielsweise Zahlungen und Geldtransfer zwi-
schen Banken) mithilfe von Verschlüsselungssyste-
men garantieren, sondern auch die Überwachung
und Kontrolle der widerrechtlichen Nutzung vorse-
hen mithilfe des Informationsaustauschs zwischen
den einzelnen Ländern und der Zusammenarbeit
zwischen den Justizbehörden.

20. Die New Economy in den Mitgliedstaaten des Euro-
parates sollte innerhalb des Rahmens verfolgt wer-
den, der in dem Europaratsübereinkommen über Da-
tennetzkriminalität vom 23. November 2001 und
seinem derzeit erstellten Protokoll definiert wurde.
Auch die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan und
Mexiko trugen als Beobachterstaaten zur Verfassung
dieser internationalen Charta der Informations- und
Kommunikationstechnologie bei.

Eine neue Form der partizipativen Demokratie
21. Die Informationsnetzarbeit (über Lebensmittelsi-

cherheit, Umwelt, Kultur, Bildung usw.) ermöglicht
einen demokratischeren Zugang zum Wissen. Sie
trägt dazu bei, eine neue Form der Bürgerbeteiligung
am Leben der Gemeinschaft herbeizuführen, die
auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein-
schließt. Individuelle und kollektive Entscheidun-
gen werden künftig auf andere Weise beeinflusst
werden. Wenn sie sachgemäß angewandt werden,
können Informations- und Kommunikationstechno-
logien zur Freiheit beitragen. Die Parlamentarische
Versammlung des Europarates hat jedoch die unum-
gängliche Aufgabe, die neuen Beziehungen zu ana-
lysieren, die zwischen Informations- und Kommuni-
kationstechnologien, Demokratie, Freiheit und
Menschenrechten entstehen.

Vereinbarung der New Economy mit einem am Men-
schen orientierten Ansatz: ein „europäisches Modell“
22. Mit den Informations- und Kommunikationstechno-

logien könnte entweder ein Traum wahr werden,
oder sie könnten sich als der schlimmste Alptraum
erweisen, den wir je hatten. Die technische Lage ist
faszinierend. Die wirklichen Gefahren müssen ge-
messen und unter Kontrolle gebracht werden. Paral-
lel zum IKT-Boom müssen zahlreiche neue qualifi-
zierte Arbeitsplätze geschaffen, die Forschung
ausgeweitet, das Wissen weiter verbreitet und be-
nachteiligte Gebiete wirksamer vermarktet werden.
Darüber hinaus sollte die Menschheit, der der tech-
nologische Fortschritt dienen sollte, erneut im Mit-
telpunkt des Systems stehen. Es ist Aufgabe des Eu-
roparates, dem eine politische und auf den Menschen
ausgerichtete Rolle obliegt, umfassend an dieser his-
torischen Chance mitzuwirken.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 – Drucksache 14/9978

Mittwoch, 24. Apri l 2002
Tagesordnungspunkt

Ansprache des Präsidenten von Bosnien
und Herzegowina,

Beriz Belkic
(Themen: der Weg Bosnien und Herzegowinas zu einem
demokratischen Staat – die Reformprozesse in den Berei-
chen Justizwesen, Stärkung der Institutionen, Bekämp-
fung des organisierten Verbrechens und beim Schutz der
Menschenrechte – die Zusammenarbeit Bosnien und Herze-
gowinas mit dem Europarat – regionale Zusammenarbeit)

Tagesordnungspunkt
Ansprache des Präsidenten der Russischen

Föderation,
Sergej Mironow

(Themen: die Rolle Russlands in einem einigen Europa –
die Bemühungen Russlands um Reformen in den Berei-
chen Marktwirtschaft, Justizwesen und Verwaltungs-
reform – die Abkehr Russlands von der Todesstrafe – die
Rolle Russlands angesichts der Herausforderung des in-
ternationalen Terrorismus – die Beziehungen zu Belarus)

Tagesordnungspunkt
Das Funktionieren der demokratischen

Institutionen in Moldau
(Drucksache: 9418)
Berichterstatter:

Abg. Josette Durrieu (Frankreich) und
Lauri Vahtre (Estland)

(Themen: die politische, wirtschaftliche und kulturelle Krise
in Moldau – die Demonstrationen gegen die herrschenden
Kommunisten – die russische Militärpräsenz in Moldau –
Waffen-, Kinder-, Frauen- und Organhandel in Moldau)

Entschl ießung 1280 (2002)*
betr.: das Funktionieren der demokratischen

Institutionen in Moldau
(Drucksache: 9418)

1. Die Versammlung bringt ihre schwere Besorgnis im
Hinblick auf die Ereignisse zum Ausdruck, die seit
Januar 2002 in Moldau stattgefunden haben sowie
über die anhaltende Verschlechterung und Radikali-
sierung des politischen Klimas, die eine Bedrohung
für die Stabilität des Landes darstellen.

2. Von der Christlich-Demokratischen Volkspartei
(CDPP) organisierte Demonstrationen haben jetzt
seit dreieinhalb Monaten in der Innenstadt Chisinaus
stattgefunden. Nach einer Zeit der Verwirrung wur-
den diese Demonstrationen, die die Regierungsbehör-
den und Gerichte für illegal erklärten, mit offenkun-
dig unverhältnismäßigen Sanktionen beantwortet.
Die Versammlung ist der Auffassung, dass die Aufhe-
bung der parlamentarischen Immunität der CDPP-
Führer in einer Demokratie von äußerst zweifelhaf-
ter Zulässigkeit ist.

3. Die Versammlung nimmt Kenntnis von der Tatsache
und begrüßt, dass die Behörden keine Gewalt gegen
die Demonstranten angewandt und sich fähig ge-
zeigt haben, den Prozess bestimmter Reformen an-
halten zu lassen. Sie nimmt jedoch zur Kenntnis,
dass die Organisatoren, deren Handeln als illegal er-
achtet wurde, sowie mehrere Teilnehmer an den De-
monstrationen von den Gerichten strafrechtlich ver-
folgt und verurteilt wurden, und dass andere unter
Druck gesetzt wurden, wie es bei Minderjährigen
der Fall gewesen sein soll.

4. Die Versammlung weist darauf hin, dass in einer De-
mokratie jeder Bürger und jeder gewählte Vertreter
Rechte und Pflichten hat, angefangen von der Ver-
pflichtung, sich an das Gesetz zu halten. Die politi-
sche Opposition besitzt Rechte, sie müssen gefestigt
und geachtet werden. Die Versammlung weist ferner
darauf hin, dass die Gesetze im Einklang mit den Nor-
men und Grundsätzen des Europarates stehen müssen.

5. Die Versammlung ist zutiefst beunruhigt über das
Verschwinden von Vlad Cubreakow, einem Mitglied
der Parlamentarischen Versammlung seit 1996, und
ruft die Behörden Moldaus auf, eine rasche, transpa-
rente und umfassende Ermittlung in diesem Fall
durchzuführen und seine Familie, das Parlament und
den Europarat regelmäßig über die Fortschritte der
Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten.

6. Der Mangel an Fortschritten bei der Ermittlung, die
jetzt seit einem Monat läuft, lässt Zweifel an der er-
klärten Absicht aufkommen, den Fall so bald wie mög-
lich aufzuklären. Die Glaubwürdigkeit der Regierung
und selbst des Präsidenten steht auf dem Spiel.

7. Die Versammlung nimmt das Ausmaß der Protest-
bewegung von Journalisten und Mitarbeitern von
Teleradio Moldau zur Kenntnis und unterstreicht die
Notwendigkeit, Reformen schnell durchzuführen,
um die Meinungsfreiheit zu garantieren und einen
staatlichen Rundfunkdienst zu gewährleisten. Sie
fordert die Behörden nachdrücklich auf, der Praxis
der Zensur der Fernsehprogramme ein Ende zu set-
zen und allen politischen Oppositionsparteien inner-
halb und außerhalb des Parlaments großzügigen Zu-
gang zu Diskussionsprogrammen zu gewähren. Sie
fordert die Regierung und das Parlament Moldaus
auf, unverzüglich Arbeiten zur Umwandlung von
Teleradio Moldau in ein unabhängiges öffentlich-
rechtliches Unternehmen einzuleiten.

* Debatte der Versammlung am 24. April 2002 (12. Sitzung). Siehe
Dok. 9418, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den
Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Ver-
pflichtung (Berichterstatter: Frau Durrieu und Herr Vahtre). Von der
Versammlung verabschiedeter Text am 24. April 2002 (12. Sitzung).

Drucksache 14/9978 – 24 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

8. Sie ist besorgt über die Verschärfung der internen
Lage in Gaugasien und die Verschlechterung der in-
stitutionellen Beziehungen zwischen Comrat und
Chisinau. Sie warnt die Behörden auf beiden Seiten
vor der Gefahr eines neuen Nährbodens für Instabi-
lität in Moldau. Jede Eskalation muss vermieden
werden.

9. Nach der Feststellung des Fehlens eines wirklichen
Dialogs zwischen der regierenden Partei und der po-
litischen Opposition nimmt die Versammlung auch
die starke Opposition vonseiten der Zivilgesell-
schaft zur Kenntnis.

10. Die Versammlung erwartet, dass die politischen
Kräfte Moldaus einen echten konstruktiven Dialog
führen und sich auf einen Kompromiss einigen, der
folgende Bestandteile enthalten sollte:
i. ein Moratorium, das die Einstellung der De-

monstrationen durch die CDPP, damit der poli-
tische Dialog eingeleitet werden kann, und
gleichzeitig die Aufhebung der Strafverfahren
gegen Iurie Rosca und Stefan Secareanu bein-
haltet, wobei sich versteht, dass die Behörden
Moldaus von einer weiteren Aufhebung der
Immunität von Parlamentariern Abstand neh-
men;

ii. Ausweitung des existierenden Moratoriums
über den Unterricht und den Status der russi-
schen Sprache sowie Änderung der Lehrpläne
für den Geschichtsunterricht;

iii. Neuregelung des Gesetzes von 1994 über den
Status der Parlamentsmitglieder hinsichtlich
der Bestimmungen zur Aufhebung der Immu-
nität und zur Amtsenthebung;

iv. Neuregelung der Rundfunk-/Fernsehgesetze
und Änderung des Status von Teleradio
Moldau für seine Umwandlung in ein unab-
hängiges öffentlich-rechtliches Unternehmen:
sofortiger Beginn der Arbeiten durch den maß-
geblichen parlamentarischen Ausschuss; even-
tuelle Wiederaufnahme der Beratung der in
der vorigen Wahlperiode geprüften Gesetzent-
würfe; Unterstützung durch Sachverständige
des Europarates bei der Bestimmung des öf-
fentlich-rechtlichen Status des moldauischen
Rundfunk- und Fernsehunternehmens; Ab-
schluss der Arbeiten bis zum Ende der gegen-
wärtigen Tagung der Parlamentarischen Ver-
sammlung am 31. Juli 2002;

v. Umsetzung des Urteils des Europäischen Ge-
richtshofes für Menschenrechte im Fall Metro-
politankirche Bessarabien: sofortige Eintragung
der Kirche durch den Erlass eines Regierungs-
beschlusses bis zum 24. April 2002; Festlegung
der Vereinbarungen für die Umsetzung unter
Überwachung des Europarates; Frist für den
Abschluss der Umsetzungsmaßnahmen ist der
31. Juli 2002;

vi. Unterstützung des Europarates im Hinblick auf
das Verschwinden von Vlad Cubreakow und
gerichtliche Zusammenarbeit vonseiten der
Mitgliedstaaten und ihren Sonderermittlungs-
organen;

vii. Überarbeitung der Geschäftsordnung zur Aus-
weitung der Rechte der Opposition;

viii. Veranstaltung eines Runden Tisches aller politi-
schen Parteien, nicht nur der im Parlament ver-
tretenen, mit Unterstützung des Europarates;

11. Die Versammlung ruft die Regierung und das Parla-
ment Moldaus auf, die oben genannten Maßnahmen
unverzüglich zu ergreifen.

12. Sie fordert die politischen Kräfte Moldaus ferner
dazu auf, dringend eine Lösung für die gegenwärtige
Krise zu diskutieren und die Lösung gegebenenfalls
einem Referendum zu unterwerfen durch die Nut-
zung der verfassungsmäßigen Befugnisse der Bür-
ger (Artikel 141 der moldauischen Verfassung –
„Volksbegehren“) oder des Präsidenten (Artikel 88
der moldauischen Verfassung – „Plebiszit“).

13. Die Versammlung erkennt an, dass in jüngster Zeit er-
mutigende Anstrengungen zum Beginn eines Dialogs
unternommen wurden, und begrüßt die Verabschie-
dung in erster Lesung eines Gesetzes, das eine Reihe
von Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes für die
parlamentarische Opposition enthält.

14. Die Versammlung ruft die Behörden Moldaus auf,
umfassend mit dem Europarat und seinen Organen
zusammenzuarbeiten sowie insbesondere
i. die Empfehlungen des Kongresses der Gemeinden

und Regionen in Europa für eine Verbesserung der
kommunalen Selbstverwaltung in Moldau zu be-
rücksichtigen und umzusetzen;

ii. den Sachverständigen des Europarates die künf-
tigen Gesetzesentwürfe zur Reform des Rund-
funks und zur Umwandlung des staatlichen Unter-
nehmens Teleradio Moldau in ein unabhängiges
öffentlich-rechtliches Unternehmen zur Beurtei-
lung vorzulegen;

iii. das Gesetz von 1994 über den Status der Parla-
mentsmitglieder neu zu regeln unter Berücksich-
tigung der von den Sachverständigen des Euro-
parates erteilten Empfehlungen;

iv. dem Aktionsplan für die Rechts- und Justizre-
form effektive Priorität einzuräumen;

v. keine Reform des Justizsystems, des Status der
Justiz, des Hohen Justizrates oder des Verfas-
sungsgerichts vorzunehmen, ohne zuvor Emp-
fehlungen von den Sachverständigen des Europa-
rates eingeholt und diese berücksichtigt zu haben.

15. Die Versammlung ruft die Mitgliedstaaten des Euro-
parates auf, Moldau erhöhte Unterstützung zu ge-
währen, insbesondere indem sie

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25 – Drucksache 14/9978

i. einen Beitrag leisten zur wirtschaftlichen Erho-
lung des Landes und zu dem vom Präsidenten
der Republik erklärten Kampf gegen Korruption
und den von Transnistrien ausgehenden Waffen-
handel sowie gegen alle anderen Arten des Han-
dels – des Frauen-, Kinder und Organhandels –,
der von Moldau aus oder via das moldauische
Staatsgebiet betrieben wird. Dieser Handel wird
von mächtigen und immer zahlreicheren Mafia-
netzwerken betrieben, die zerschlagen werden
müssen;

ii. indem sie die unmittelbar von den Problemen
Moldaus betroffenen Länder ersuchen, unter Wah-
rung der Integrität und Souveränität Moldaus zur
Stabilisierung des demokratischen Prozesses in
dem Land beizutragen.

16. Die Versammlung ruft die Mitgliedstaaten des Euro-
parates auf, die wirtschaftliche und soziale Entwick-
lung Moldaus genau zu überwachen und dem Land
dabei zu helfen, das Vertrauen der internationalen
Finanzinstitutionen (Internationaler Währungsfonds
und Weltbank) wiederzugewinnen. Sie fordert die
Letzteren dazu auf, ihre Haltungen erneut zu prüfen
und Moldau die Hilfe zu gewähren, die es zur Kon-
solidierung des wirtschaftlichen Aufschwungs und
zur Verbesserung der sozialen Lage der großen
Mehrheit der moldauischen Bevölkerung benötigt.

Empfehlung 1554 (2002)*
betr.: das Funktionieren der demokratischen

Institutionen in Moldau
(Drucksache: 9418)

1. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung
1280 (2002) betr. das Funktionieren der demokrati-
schen Institutionen in Moldau, in der sie ihre Be-
sorgnis über die anhaltende Verschlechterung und
Radikalisierung des politischen Klimas in Moldau
äußert, die eine Bedrohung für die demokratische
Stabilität des Landes darstellen.

2. Sie empfiehlt dem Ministerkomitee,
i. die Behörden Moldaus aufzufordern, sie über die

Fortschritte der Ermittlungen im Hinblick auf das
Verschwinden von Vlad Cubreakow zu informie-
ren;

ii. die Mitgliedstaaten des Europarates aufzufor-
dern, eine gerichtliche Zusammenarbeit anzubie-
ten, indem sie auf Anfrage Moldaus Sonderer-
mittlungsteams entsenden.

3. Sie ersucht das Ministerkomitee, die Umsetzung des
Urteils des Europäischen Gerichtshofes für Men-

schenrechte im Fall Metropolitankirche Bessarabien
genau zu verfolgen.

4. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,
die Zusammenarbeit mit den Behörden Moldaus in
folgenden Punkten fortzusetzen:
i. Beurteilung des Strafgesetzbuches, der Strafpro-

zessordnung, des bürgerlichen Rechts und des
Zivilprozessrechts durch Sachverständige;

ii. Verfassen genauer ausführlicher Empfehlungen zu
allen Reformen, die die Justizorgane betreffen –
z.B. Reform der Staatsanwaltschaft, des Status
der Justiz, des Hohen Justizrates – im Rahmen
des mit dem moldauischen Justizministerium un-
terzeichneten Aktionsplans oder in einem ande-
ren geeigneten Rahmen;

5. Die Versammlung ersucht das Ministerkomitee eben-
falls, die Zusammenarbeit mit den Behörden Mol-
daus auszuweiten im Hinblick auf
i. eine rasche Beurteilung durch Sachverständige

künftiger Gesetzesentwürfe zur Reform des
Rundfunks und zur Umwandlung des staatlichen
Unternehmens Teleradio Moldau in ein unab-
hängiges öffentlich-rechtliches Unternehmen;

ii. die Umsetzung der Empfehlungen, die der Kon-
gress der Gemeinden und Regionen in Europa in
Kürze zurVerbesserungder kommunalenSelbst-
verwaltung in Moldau vorlegen wird, im Lichte
der gegenwärtig stattfindendenReformen;

iii. die Bereitstellung von Hilfe zur Vorbereitung
der 2003 anstehenden Kommunalwahlen, ins-
besondere im Hinblick auf die Neufassung des
Wahlgesetzes und die Umsetzung der im Jahre
2001 erteilten Empfehlungen des Ad-hoc-Aus-
schusses der Parlamentarischen Versammlung
zur Wahlbeobachtung sowie der Empfehlun-
gen des Büros für Demokratische Institutionen
und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE;

iv. die Bereitstellung von Hilfe für die Vorberei-
tung eines eventuellen Referendums;

v. die Sachverständigenbeurteilung durch die
Venedig-Kommission aller Gesetzesentwürfe,
die den Status des Verfassungsgerichts betref-
fen;

vi. die Klärung des rechtlichen Status von Gauga-
sien durch eine sorgfältige Sachverständigen-
beurteilung der verschiedenen anwendbaren
Gesetze und die Ausarbeitung von Vorschlägen
zur Ausräumung bestehender Widersprüche;
mit dieser Beurteilung könnte die Venedig-
Kommission beauftragt werden;

vii. die Veranstaltung eines Runden Tisches aller
politischer Parteien.

6. Die Versammlung bittet das Ministerkomitee, sie
über die Lage im Hinblick auf die Meinungsfreiheit
in Moldau auf dem Laufenden zu halten und ersucht

* Debatte der Versammlung am 24. April 2002 (12. Sitzung). Siehe
Dok. 9418, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den
Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Ver-
pflichtung (Berichterstatter: Frau Durrieu und Herr Vahtre). Von der
Versammlung verabschiedeter Text am 24. April 2002 (12. Sitzung).

Drucksache 14/9978 – 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

es zu diesem Zweck, ihr das im ersten Quartal des
Jahres 2002 erstellte Sachverständigengutachten
über die Meinungs- und Informationsfreiheit in dem
Land zuzuleiten.

7. Die Versammlung ersucht das Ministerkomitee
ferner, die Mitgliedstaaten nachdrücklich dazu aufzu-
fordern, aktiv und gemeinsam mit Moldau die
Bekämpfung der Korruption und der zahlreichen For-
men abstoßenden Handels – des von Transnistrien
ausgehenden Waffenhandels sowie des Frauen-,
Menschen- und Organhandels –, der von Moldau aus
oder via das moldauische Staatsgebiet betrieben
wird, vorzunehmen. Dieser Handel wird von mäch-
tigen und immer zahlreicheren Mafianetzwerken be-
trieben, die zerschlagen werden müssen. Die Ver-
sammlung verweist in diesem Zusammenhang auf
ihre Empfehlung 1526 (2001) und ihre Empfehlung
1545 (2002).

Tagesordnungspunkt
Ansprache der Chefanklägerin des
Internationalen Strafgerichtshofs
für das ehemalige Jugoslawien,

Carla del Ponte
(Themen: die Reichweite der Verbrechen vor dem Inter-
nationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugosla-
wien als Herausforderung für die internationale Strafge-
richtsbarkeit – das Verfahren gegen den ehemaligen
Präsidenten Milosevic – die Zusammenarbeit des Tribu-
nals mit den betroffenen Staaten – die Einrichtung eines
Internationalen Strafgerichtshofs)

Tagesordnungspunkt
Der Minderheitenschutz in Belgien

(Drucksache 9395 rev.)
Berichterstatterin:

Abg. Lili Nabholz-Haidegger (Schweiz)
Die Versammlung überwies den Bericht zur weiteren Be-

ratung an den Ausschuss.
Tagesordnungspunkt

Das Bild der Frau in den Medien
(Drucksache 9394)
Berichterstatterin:

Abg. Maria José López González (Spanien)
(Themen: das Bild der Frau in den Medien im Unter-
schied zum sozialen Bild der Frau – stereotype Darstel-
lung und die Ausstrahlung sexistischer Programme – die
unzureichende Kontrolle über das Bild der Frau im In-
ternet – die Notwendigkeit von Überwachungsgremien
für die Medien und einem höheren Frauenanteil im Ma-
nagement – die Notwendigkeit positiver Diskriminie-
rung)

Empfehlung 1555 (2002)*
betr.: das Bild der Frau in den Medien

(Drucksache 9394)
1. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung

1018 (1994) über die Gleichberechtigung von Frauen
und Männern, in der sie empfiehlt, Instrumente zu
schaffen, um „die Achtung des Grundsatzes der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu
fördern und zu überwachen“ und die Medien dazu
anhält, „die Gleichstellung zu fördern“.

2. Die Versammlung stellt fest, dass zwar in mehreren
europäischen Staaten sichtbare Fortschritte erzielt
werden konnten, das Bild der Frau in den Medien je-
doch noch allzu oft negativ ist und weiterhin klischee-
hafte und sexistische Züge aufweist. Frauen werden
mit der Privatsphäre, dem Haushalt und dem Famili-
enleben in Verbindung gebracht. Die Medien stellen
Frauen häufig als Sexobjekte dar. Trotz des schnellen
Wandels in der heutigen Welt ist das Bild der Frau in
den Medien weitgehend unverändert geblieben.

3. Die Versammlung begrüßt die Fortschritte einiger
europäischer Regierungen, Frauengruppen und in-
tergouvernementaler Einrichtungen in der Frage der
Darstellung von Frauen in den Medien. Die Benen-
nung einer Ombudsperson für Gleichstellungsfragen
bei der Anwendung einzelstaatlicher und gemein-
schaftlicher Rechtsvorschriften stellt einen Schritt hin
zur Achtung des Gleichstellungsgebots dar.

4. Die Versammlung stellt mit Bedauern fest, dass be-
stimmte europäische Staaten beim Frauenbild in den
Medien eine Rückwärtsentwicklung zeigen. Im An-
schluss an die Weltkonferenz in Peking haben die
Regierungen und die Medien nur wenig getan.

5. In bestimmten osteuropäischen Ländern und in den
GUS-Staaten ist das Bild der Frau in den Medien
recht negativ. Die Medien beschreiben Männer als
Reformer, während Frauen nur eine begrenzte Rolle
zugemessen wird. Das ergibt sich aus dem sozialen
und kulturellen Erbe der betreffenden Staaten. Die-
sen Staaten fehlt es an demokratischer Erfahrung,
und sie stoßen bei ihren Entwicklungsprozessen auf
Schwierigkeiten. Die Bilder von Frauen, wie sie in
den dortigen Medien erscheinen, zeugen von der
dramatischen Lage der Frauenrechte in diesen Staa-
ten. Die wirklichen Probleme der Frauen – wie auch
die Frauenbewegung – werden ignoriert.

6. Einige Staaten haben versucht, Selbstregulierungs-
mechanismen für Medienproduzenten einzuführen,
doch die Regierungen stellen für diese Bemühungen
nicht die erforderlichen Mittel bereit.

* Debatte der Versammlung am 24. April 2002 (13. Sitzung). Siehe
Dok. 9394, Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung von
Frauen und Männern (Berichterstatterin: Frau López González). Von
der Versammlung verabschiedeter Text am 24. April 2002 (13. Sit-
zung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 27 – Drucksache 14/9978

7. Das klischeehafte Bild der Frau ist die Folge der un-
zulänglichen Ausbildung von Journalisten und Me-
dienmanagern und der geringen Zahl von Frauen in
Führungspositionen. Zwar ist die Zahl der Journali-
stinnen in den letzten zehn Jahren deutlich angestie-
gen, doch sitzen immer noch erst wenige Frauen in
den Führungsgremien der Medien, und sie haben
keine Möglichkeit, die von den Medien betriebene
Politik nachhaltig zu beeinflussen.

8. Die Versammlung ist über die zunehmende Kon-
frontation von Kindern mit sexistischen Aussagen
besorgt. Die gesellschaftsfeindlichen Wirkungen,
die die wiederholte Ausstrahlung solcher Botschaf-
ten nach sich zieht, sind in einer Zeit, in der die Ge-
sellschaft sich bemüht, der Gewalt gegen Frauen ein
Ende zu setzen, besonders besorgniserregend.

9. Die Versammlung ruft die Regierungen der Mit-
gliedstaaten des Europarates auf, eine Politik gegen
sexistische und klischeehafte Bilder, Darstellungen
und Beschreibungen von Frauen in den Medien zu
beschließen und umzusetzen. Die Versammlung bit-
tet die Regierungen, weitere Gremien zur Beobach-
tung der Medien und zur Überwachung des Sektors
der elektronischen Medien einzurichten.

10. Die Versammlung bittet die Regierungen der Mit-
gliedstaaten darum um folgende Maßnahmen:
i. AufnahmedesBegriffs des „Sexismus“, der defi-

niert werden sollte als die Negierung der Gleich-
heit der Würde der Menschen aufgrund der Zu-
gehörigkeit zum männlichen oder weiblichen
Geschlecht, in ihre Gesetzgebung und Verurtei-
lung dieses Begriffs genauwie des „Rassismus“;

ii. Verabschiedung eines Gesetzes über Gleich-
stellung von Mann und Frau in den Medien;

iii. Beauftragung der Ombudsperson mit der ver-
antwortlichen Bearbeitung von Gleichstel-
lungsthemen, um direkte Verbindungen zwi-
schen der Dienststelle der Ombudsperson und
der Gesamtbevölkerung herzustellen;

iv. Differenzierung zwischen der Lage in privat-
wirtschaftlich geführten und öffentlich-rechtli-
chen Medien;

v. Einführung eines gerichtlichen Beschwerde-
rechts für Medienverbände bei einer Verlet-
zung der Menschenrechte;

vi. Finanzierung und Inangriffnahme neuer Gleich-
stellungsprojekte in den Medien;

vii. Förderung der Errichtung und Finanzierung
von Zentren zur Überwachung der nationalen
Medien, einschließlich der neuen Informa-
tions- und Kommunikationstechnologie, inner-
halb ihrer nationalen Systeme;

viii. Bestärkung der Werbewirtschaft in ihrem Be-
mühen, die Selbstregulierung im Rahmen ihres
eigenen Systems der beruflichen Ethik auszu-

weiten, soweit das Recht der freien Meinungs-
äußerung dies erlaubt;

ix. Anwendung positiver Diskriminierungsmaß-
nahmen oder von Quotensystemen, um auf jeder
Entscheidungsebene das Gleichgewicht zwi-
schen Frauen und Männern zu gewährleisten;

x. Förderung der Bemühungen von Frauen, sich
in den Medien auf allen Entscheidungsebenen
zu beteiligen und im technischen Bereich so-
wie in öffentlichen Beiräten verantwortliche
Positionen einzunehmen;

xi. Bereitstellung von Mitteln und Durchführung
von Programmen, um den Zugang von Frauen zu
Möglichkeiten und Kenntnissen im Kommuni-
kationsbereich zu verbessern, insbesondere im
Falle der neuen Kommunikationstechnologien;

xii. beträchtliche Anstrengungen zur Freigabe der
erforderlichen Mittel für eine Gleichstellungs-
schulung für Frauen und Männer, unter ande-
rem an Journalistenschulen;

xiii. Finanzierung von Vergleichsuntersuchungen,
um den politischen Entscheidungsträgern eine
bessere Vorstellung von der Gleichstellungs-
problematik zu vermitteln.

11. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
i. die Ausarbeitung internationaler ethischer Stan-

dards auf der Grundlage der Gleichberechti-
gung von Frauen und Männern;

ii. Beiträge zur Förderung der internationalen Zu-
sammenarbeit, um dem Ausbau der Kommuni-
kationsnetzwerke und der Frauenmedien und
dem Grundsatz der Gleichstellung der Ge-
schlechter den Vorrang einzuräumen;

iii. den Aufbau einer Beobachtungsstelle aus Jour-
nalistinnen, die unter der Ägide des Europarates
untersuchen, wie Frauen in den europäischen
Medien dargestellt werden und die geeignete
Maßnahmen vorschlagen.

Tagesordnungspunkt
Die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen

den europäischen Institutionen
Eröffnungsredner:

Abg. François Lachat (Schweiz)
Abg.Wolfgang Behrendt (SPD): Herr Präsident! Die heu-
tigeDebatteüberdieZukunft derZusammenarbeit zwischen
den europäischenOrganisationen erfolgt zu einem entschei-
denden Zeitpunkt. Einerseits tagt seit Ende Februar der Eu-
ropäische Konvent, der sich mit der Ausarbeitung eines
neuen europäischen Vertrags befasst, der Verfassungscha-
rakterannehmenkönnte.Andererseitsbestehtdierealistische
Möglichkeit, dassAnfang 2004 zehn der am weitesten fort-
geschrittenen Beitrittskandidaten ausMittel- undOsteuropa
sowie Zypern undMalta der EU beitreten könnten.

Drucksache 14/9978 – 28 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Meine Damen und Herren, die Erweiterung der EU hat di-
rekte Auswirkungen auf den Europarat. Wir müssen des-
halb deutlich machen: Der Europarat ist alles andere als
nur eine Art Wartezimmer für die Aufnahme in die EU.
Die Versuchung, die Standards und Arbeitsprozeduren des
Straßburger Europarates etwas zu verdrängen, mag sicher-
lich für einige Staaten groß sein, wenn sie erst einmal Ein-
zug in die Räumlichkeiten hinter den glitzernden Fassa-
den der Brüsseler EU-Gremien gehalten haben, etwa nach
dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Aber, Herr
Präsident, unser Trumpf, unser spezifischer Vorzug in der
Arbeitsteilung zwischen den europäischen Organisatio-
nen ist es doch gerade, dass wir auch eine Art rechtlichen
Acquis, eine Art rechtlichen Besitzstand, in Bezug auf die
Menschen- und Minderheitenrechte, auf die demokrati-
sche Funktionsweise und auf die rechtsstaatlichen Min-
destanforderungen entwickelt haben. Ich behaupte, dass
dieser Acquis weiter entwickelt ist als der der EU.
Auch haben wir durch unsere Monitoring-Verfahren in
den vergangenen Jahrzehnten die entscheidenden Voraus-
setzungen dafür geschaffen, dass diese grundlegenden eu-
ropäischen Rechtsprinzipien ihren Glanz nicht nur auf
dem Papier verbreiten, sondern auch praktisch vor Ort
überprüft werden. Als nationale Parlamentarier haben wir
darüber hinaus durch unser Doppelmandat die Möglich-
keit, über unsere Kontrollmechanismen in den nationalen
Parlamenten die Regierungen zu befragen, ob und wie bei-
spielsweise die sie betreffenden Urteile des Europäischen
Gerichtshofes für Menschenrechte umgesetzt werden.
Außerdem können wir in unseren nationalen Parlamenten
die Ergebnisse der jeweiligen Monitoring-Verfahren ein-
bringen und kontrollieren. Über diese Möglichkeit ver-
fügt das Europäische Parlament nicht und so sind wir be-
reits – wir müssen diese Rolle auch in der Zukunft stärken –
eine Art gesamteuropäisches Gewissen oder Wächterrat
der grundlegenden europäischen Werte, wie sie in den
Konventionen des Europarates niedergelegt sind.
Laut Artikel 6 des EU-Vertrags achtet die EU die Europä-
ische Menschenrechtskonvention und sie kann sogar ei-
nen Staat aus der EU ausschließen, der die Menschen-
rechte und Grundfreiheiten verletzt. Was aber der EU
fehlt, ist ein Mechanismus des Monitoring. Diese Lücke
können und sollten wir ausfüllen, denn wir haben die Er-
fahrung, klare Standards und die geeigneten Verfahren.
Dieses Potenzial sollten wir als unseren Beitrag für die
weitere europäische Entwicklung in Europa einbringen,
meine Damen und Herren. – Danke schön.

Tagesordnungspunkt
Religion und Wandel in Mittel- und Osteuropa

(Drucksache 9399)
Berichterstatter:

Abg. Mihai Baciu (Rumänien)
Abg. Benno Zierer (CDU/CSU): Frau Präsidentin!
Meine Damen! Meine Herren! Zum Bericht unseres Kol-
legen Baciu über Religion und den Wandel in Mittel- und

Osteuropa möchte ich eingangs darauf hinweisen, dass
der geographische Rahmen auch Armenien und die Tür-
kei umfasst. Kollege Baciu hat unter anderem vier Punkte
erwähnt, die ich besonders hervorheben und aus meiner
Sicht als Mitglied des Monitoring-Komitees für die Tür-
kei vertiefen möchte.
Der erste Punkt betrifft die Bedeutung der religiösen Ein-
richtungen. Kollege Baciu gebraucht hier leider nicht den
Begriff „Kirche“. Die Empfehlung weist zu Recht auf die
große Bedeutung der Kirche für die geistliche Erziehung
des Einzelnen hin. Um dieser Aufgabe entsprechen zu
können, muss meiner Meinung nach auch die Möglichkeit
gewährleistet sein, christlichen Religionsunterricht zu er-
teilen. In der türkischen Bezirkshauptstadt Mardin zum
Beispiel wurde aber 1997 die Durchführung von Reli-
gionsunterricht verboten. Dadurch wird religiöse Bildung
christlicher Kinder erschwert. Christliche Hochschulen
konnten in der Türkei bis heute nicht wieder eröffnet wer-
den. Außerdem darf die Kirche nur solche Schulen unter-
halten, die bereits 1923 – also vor fast 80 Jahren – exis-
tierten. All dies entspricht nicht der Toleranz gegenüber
Glaubensminderheiten, der wir uns im Europarat ver-
pflichtet haben.
Als zweiten Punkt möchte ich bekräftigen, dass jede Mög-
lichkeit der Einmischung der Regierungen in Fragen des
Dogmas oder in Fragen der Kirchenorganisation und des
Kirchenrechts auszuschließen ist. Das Einmischungsver-
bot braucht aber nicht so weit zu gehen, dass das Recht auf
freie Meinungsäußerung vonseiten der Regierung gegen-
über der Kirche eingeschränkt wird.
Als Drittes möchte ich den Punkt in der Empfehlung er-
wähnen, in dem es heißt, die traditionellen Kirchen der
Region fänden sich jetzt in einem Konflikt mit neu einge-
troffenen ausländischen Missionaren wieder. In der Tür-
kei jedenfalls scheint die Situation genau umgekehrt zu
sein. Dort befinden sich christliche Geistliche gegen ihren
Willen im Konflikt mit den örtlichen islamischen Ge-
meinschaften. So dürfen katholische Geistliche und evan-
gelische Pastoren in der Türkei nicht in ihrer Funktion als
Geistlicher bzw. als Pastor tätig sein. Sie müssen alle drei
Monate das Land verlassen und mit einem Touristen-
visum erneut einreisen. Sie bekommen als christliche
Geistliche keine Aufenthaltsgenehmigung. Dies entspricht
sicher nicht dem Recht der freien Religionsausübung, das
in der türkischen Verfassung niedergelegt ist. Übrigens
sind den etwa 580 in Deutschland lebenden Imamen diese
Hürden nicht auferlegt.
Als Viertes möchte ich auf den Punkt eingehen, in dem es
heißt, allen Kirchen und religiösen Vereinigungen sei der
Status juristischer Personen zu garantieren. Die Einräu-
mung dieser Garantie würde es der christliche Kirche dann
erlauben, Verträge abzuschließen, Grundstücke zu kaufen,
zu mieten und Kirchengebäude zu bauen. All dies ist den
Christen zum Beispiel in der Türkei bis heute verwehrt.
Meine Damen, meine Herren, liebe Kollegen, ich möchte
diese Tatsachen in ihr Bewusstsein rufen. Die Berück-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29 – Drucksache 14/9978

sichtigung dieser Tatsachen ist aus meiner Sicht unab-
dingbar für die Umsetzung der vorliegenden Empfehlung
betreffend Religion und Wandel in Mittel- und Osteuropa.
Vielen Dank dem Kollegen Baciu für seine Vorschläge in
der Empfehlung.

Empfehlung 1556 (2002)*
betr.: Religion und Wandel in Mittel-

und Osteuropa
(Drucksache 9399)

1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates
hatte schon oft Gelegenheit, Fragen wie die der Be-
wahrung und Entwicklung der traditionellen religiö-
sen Kulturen und die Möglichkeiten zu erörtern, die
Bedingungen zu schaffen, die sie für eine erfolgreiche
gemeinsame Interaktion und Entwicklung benötigen.
In der Entschließung 885 (1987) zum jüdischen Bei-
trag zur europäischen Kultur, der Empfehlung 1162
(1991) zum Beitrag der islamischen Zivilisation zur
europäischen Kultur und der Empfehlung 1291
(1996) zur jiddischen Kultur brachte die Versamm-
lung ihre Überzeugung von der Notwendigkeit zum
Ausdruck, das gemeinsame kulturelle Erbe Europas
mit all seinem Reichtum und seiner Vielfalt zu be-
wahren und weiterzuentwickeln.

2. Die Versammlung hat außerdem immer wieder
nachdrücklich deutlich gemacht, dass sie sich der
Notwendigkeit der Gewährleistung oder Wiederher-
stellung harmonischer Beziehungen zwischen den
religiösen Institutionen und den Staaten bewusst ist.
Dabei handelt es sich um einen wesentlichen Be-
standteil der Sicherung grundlegender Menschen-
rechte wie der Gewissens- und Religionsfreiheit, der
religiösen Toleranz und des Schutzes des Einzelnen
und von Bevölkerungsgruppen vor allen Formen
religiöser Verfolgung. Diese Fragen werden speziell
in der Entschließung 916 (1989) über leer stehende
Gotteshäuser, der Empfehlung 1202 (1993) über
religiöse Toleranz in einer demokratischen Gesell-
schaft, der Empfehlung 1222 (1993) über den Kampf
gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intole-
ranz, der Empfehlung 1396 (1999) über Religion und
Demokratie und der Empfehlung 1412 (1999) über
gesetzwidrige Aktivitäten von Sekten behandelt.

3. Der Zusammenbruch des Kommunismus hat den re-
ligiösen Einrichtungen in Mittel- und Osteuropa Ge-
legenheit gegeben, wenn nicht sogar die Verantwor-
tung dafür übertragen, ihr gesellschaftliches Potenzial
zu erneuern und sich auf ihre grundlegenden, histo-
risch gewachsenen Aufgaben zu konzentrieren (z. B.
auf die geistliche Erziehung des Einzelnen, die ethi-

sche Besserung der Gesellschaft sowie karitative,
kulturelle, erzieherische und andere Projekte).

4. Seit einiger Zeit sind die gesellschaftlich-religiösen
Entwicklungen in den postkommunistischen Staaten
von dem Aufkommen fundamentalistischer und ex-
tremistischer Tendenzen, aktiven Versuchen, reli-
giöse Parolen und konfessionelle Organisationen in
den Dienst einer militärischen, politischen und eth-
nischen Mobilmachung für den militanten Nationa-
lismus und Chauvinismus zu stellen sowie schließ-
lich von der Politisierung des religiösen Lebens
gekennzeichnet.

5. Die Entstehung unabhängiger Staaten hat einige na-
tionale orthodoxe Kirchen dazu ermutigt, die eigene
Unabhängigkeit anzustreben oder ihre Kompeten-
zen auszuweiten – Bestrebungen, die in den Zentren
der Orthodoxie, denen diese Kirchen früher unter-
stellt waren, auf heftigen Widerstand stoßen. Das hat
zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen
den Kirchen und in einigen Fällen auch den Regie-
rungen geführt. Es kommt darauf an, jede Möglich-
keit einer Einmischung der Regierungen in Fragen
des Dogmas, der Kirchenorganisation und des Kir-
chenrechts auszuschließen.

6. Die neue religiöse Freiheit und die Aufhebung von
Schranken für die Verbreitung von Ideen und Über-
zeugung, darunter auch die religiöser Glaubens-
vorstellungen, haben die Kirchen in Mittel- und Ost-
europa dazu gezwungen, sich den religiösen
Unterschieden zu stellen. Nachdem sie in der Ver-
gangenheit geschwächt worden waren und in einem
Klima des politischen, kulturellen und religiösen
Pluralismus gearbeitet hatten, finden sich die tradi-
tionellen Kirchen der Region jetzt in einem Konflikt
mit neu eingetroffenen ausländischen Missionaren
und neuen religiösen Bewegungen wieder. Bisher ist
es noch nicht gelungen, ein Gleichgewicht zwischen
den Grundsätzen der Demokratie und der Menschen-
rechte sowie der Gewissens- und Religionsfreiheit
einerseits und der Bewahrung der nationalen kultu-
rellen, ethnischen und religiösen Identität zu finden.

7. Das Verschwinden des „Eisernen Vorhangs“ hat die
religiöse und kulturelle Teilung Europas deutlicher
hervortreten lassen und diese Kluft sogar vertieft.
Die beiden christlichen Kulturen Europas – die
westliche und die östliche – wissen sehr wenig von-
einander, und dieses Unwissen stellt auf dem Weg zu
einem vereinten Europa ein gefährliches Hindernis
dar. Wie Papst Johannes Paul II. wiederholt erklärte,
muss das christliche Europa mit beiden Lungen at-
men, der östlichen wie der westlichen. Ebenso zei-
gen Anhänger der beiden christlichen Traditionen
nur geringes Interesse an der jüdischen Kultur
– zweifellos ein integrierender Bestandteil des euro-
päischen Erbes – oder der islamischen Kultur, die in
Europa eine immer wichtigere Stellung einnimmt.

8. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee dem-
entsprechend, die Regierungen der Mitgliedstaaten, die

* Debatte der Versammlung am 24. April 2002 (13. Sitzung). Siehe
Dok. 9399, Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und
Bildung (Berichterstatter: Herr Baciu). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 24. April 2002 (13. Sitzung).

Drucksache 14/9978 – 30 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Europäische Union sowie die betroffenen Behörden
und Organisationen aufzurufen,

Rechtliche Garantien und deren Einhaltung
i. sich für die Übereinstimmung der einzelstaat-

lichen Gesetzgebung mit der Europäischen
Konvention zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten einzusetzen und dabei Ar-
tikel 9, wonach die religiösen Freiheiten nur
den gesetzlich vorgesehenen und in einer de-
mokratischen Gesellschaft notwendigen Ein-
schränkungen unterworfen werden dürfen sowie
dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (1983) besondere Beachtung zu
schenken, aufgrund dessen Einschränkungen der
Menschenrechte durch ein „zwingendes gesell-
schaftliches Erfordernis“ begründet sein und „im
rechten Verhältnis zu dem verfolgten legitimen
Ziel stehen“ müssen;

ii. allen Kirchen, religiösen Vereinigungen, Zen-
tren und Kongregationen den Status juristi-
scher Personen zu garantieren, soweit ihre
Tätigkeit nicht die Menschenrechte oder das
Völkerrecht verletzt und insbesondere gegen-
über der Regierung der Republik Moldau da-
rauf zu dringen, die Metropolitankirche von
Bessarabien entsprechend dem Urteil des Eu-
ropäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
vom 13. Dezember 2001 zu registrieren;

iii. wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die
Freiheit religiöser Minderheiten insbesondere
in Mittel- und Osteuropa zu gewährleisten und
sie vor allem vor einer Diskriminierung oder
Verfolgung durch religiöse Mehrheiten oder
andere Gruppen, die einen aggressiven Natio-
nalismus und Chauvinismus praktizieren, zu
schützen;

iv. die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen
normalen Verfahren zu aktivieren, wann immer
die Religionsfreiheit nachweislich auf eine
Weise missbraucht wird, die für die Gemein-
schaft oder die Rechte, die Freiheiten und die
Gesundheit Einzelner schädlich ist;

v. religiösen Institutionen, deren Vermögens-
werte in der Vergangenheit verstaatlicht wur-
den, die Rückgabe dieser Vermögenswerte in-
nerhalb eines bestimmten Zeitraums oder, wo
dies nicht möglich ist, eine angemessene Ent-
schädigung zu garantieren, wobei eine Privati-
sierung verstaatlichten Kirchenvermögens sorg-
sam zu verhindern ist;

vi. eine Vermittlung zwischen Konfliktparteien in
Fällen anzubieten, in denen diese damit ein-
verstanden sind, um Streitigkeiten beizulegen
und zugleich sicherzustellen, dass staatliche
Stellen sich nicht in Fragen des Dogmas oder
andere interne religiöse Angelegenheiten ein-
mischen;

vii. den Europäischen Konvent zu bitten, europä-
ische religiöse Traditionen als Fundament der
Menschenwürde und der Menschenrechte so-
wie der ethischen Wurzeln der europäischen
Identität in die Präambel der künftigen Euro-
päischen Verfassung aufzunehmen;

Kultur, Bildung und Austausch
viii. Kommunikationsstrategien zu entwickeln und

die notwendigen Aktivitäten auf dem Gebiet
des Kulturaustauschs zu entfalten, um Men-
schen in verschiedenen Ländern ihre jeweili-
gen kulturellen Leistungen bewusst zu ma-
chen;

ix. mit den kirchlichen Stellen bei der Ermittlung
und gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Auf-
gaben zusammenzuarbeiten, wie z. B. bei der
Erhaltung historischer Gebäude, im Religions-
unterricht und bei der Förderung einer gemein-
samen Aussprache über die wichtigen sozialen,
moralischen, ethischen und kulturellen Fragen,
die sich den modernen Gesellschaften stellen;

x. Informationen über die wichtigsten religiösen
Kulturen und Gebräuche in die Lehrpläne der
Schulen aufzunehmen;

xi. die Tätigkeiten von Nichtregierungsorganisa-
tionen zu unterstützen, die für den Ausbau der
gegenseitigen Verständigung zwischen religiö-
sen Gruppen arbeiten und das religiöse Kul-
turerbe zu schützen;

xii. Maßnahmen zu ergreifen, um Vertretern aller
religiösen Traditionen gleichermaßen Zugang
zu den Medien sowie zu Bildung und Kultur zu
geben;

xiii. die Errichtung besonderer Zentren zur Förde-
rung interkonfessioneller Beziehungen und
den Austausch von Ausstellungen und Messen
mit den Schwerpunkten Kulturerbe, Meister-
werke der sakralen Kunst und religiöse Bücher
zu unterstützen und den Menschen dabei zu
helfen, sich mit den verschiedenen religiösen
Kulturen Europas vertraut zu machen;

xiv. Austauschprogramme zu fördern, damit Stu-
denten, Wissenschaftler und Künstler ein um-
fassendes Bild von den ethischen, moralischen
und kulturellen Werten der Religionen Europas
erhalten;

xv. den Aufbau von Kulturpfaden in Europa und
zwischen Europa und seinen Nachbarländern
zu unterstützen, um alte Visionen und neue
Möglichkeiten der kulturellen Kommunikation
auszudrücken und weiterzuentwickeln,

xvi. öffentlichen Bibliotheken Schriften zur Verfü-
gung zu stellen, die die kulturellen Leistungen
und Überzeugungen der verschiedenen religiö-
sen Traditionen im Einzelnen darstellen;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31 – Drucksache 14/9978

xvii. die wissenschaftliche Forschung zur Freilegung
der gemeinsamen Wurzeln der verschiedenen
europäischen Kulturen und zur Vermittlung ei-
nes besseren Verständnisses ihrer Wechselbezie-
hungen und gegenseitigen Ergänzung zu för-
dern.

Donnerstag, 25. Apri l 2002
Tagesordnungspunkt

Die Lage im Nahen Osten
(Drucksache 9421)
Berichterstatter:

Abg. Mikhail Margelow (Russische Föderation)
Abg. Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues (CDU/CSU): Herr
Präsident! Uns ist ein bemerkenswerter Bericht vorgelegt
worden. Wir werden heute einen wichtigen Beschluss fas-
sen. Danach wird sich uns die Frage stellen, ob das alles
war, was wir angesichts der dramatischen Situation, vor der
wir stehen, haben tun können, auch wenn wir in geogra-
phischer Hinsicht scheinbar recht weit davon entfernt sind.
Ich habe darüber nachgedacht, was man darüber hinaus
tun könnte. Man kann appellieren und Beschlüsse fassen.
Dies werden wir, wie ich bereits ausgeführt habe, auch
tun. Ich möchte die wenigen Minuten meiner Redezeit
nutzen, um mich persönlich an unsere beiden Gäste zu
wenden. Denn was auch immer wir hier ansprechen mö-
gen: Wenn Sie nicht zusammenkommen, nicht zusam-
menfinden und zum Frieden finden, können wir so viele
Beschlüsse fassen, wie wir wollen – sie werden vergeblich
sein.
Sie haben uns Ihre Lage geschildert. Sie, der Sie die
israelische Knesset vertreten, haben heute Morgen ge-
schildert, woher Sie kommen. Sie sind aber auch Mit-
glied der Knesset und unterstützen meines Wissens mit
Ihrer Partei die Regierung Scharon. Meine persönliche
flehentliche Bitte an Sie lautet: Fallen Sie Ihrem Pre-
mierminister in den Arm und hindern Sie ihn daran, seine
Politik fortzusetzen!
Was Sie, der als Minister der Autonomiebehörde heute bei
uns ist, angeht, mag es zwar sein, dass Arafat gegenwär-
tig faktisch machtlos ist, aber bitte tun Sie persönlich et-
was dagegen, dass Ihre jungen Leute, Ihre Kinder mit
Bomben versehen und zu Selbstmordattentätern gemacht
werden. Sie sind nicht dazu geboren worden. Sie sind von
Erwachsenen dazu gemacht worden. Das einzige Sinn-
volle, das ich meine, heute tun zu können, ist einen ganz
persönlichen Appell an Sie beide zu richten, der vielleicht
dazu führen kann, dass Sie heute zusammenfinden und
ohne uns miteinander besprechen, wie Sie jeweils in
Ihrem Land und in Ihrer Heimat Frieden und eine Zukunft
finden können. – Ich danke Ihnen.
Abg. Wolfgang Behrendt (SPD): Aus Hass und Vergel-
tung ist noch nie in der Geschichte Gutes erwachsen.

Auch in Israel und Palästina können sie nur das Leiden
verlängern. Die Schlussfolgerung kann nur sein: Die Ehr-
furcht vor dem Leben und die Achtung der Menschen-
würde müssen wieder hergestellt werden.
Die Eskalation der gewaltsamen Auseinandersetzung im
Nahen Osten bedroht nicht nur den Frieden in der Region,
sondern gefährdet auch die internationale Sicherheit. Auf
beiden Seiten ist eine normale, angstfreie Lebensführung
der betroffenen Menschen nicht mehr möglich. Terror und
Gewalt, die immer noch Opfer fordern, müssen deshalb
sofort beendet werden. Aber nur eine politische Lösung
kann einen Ausweg aus dem Konflikt bieten.
Das Vertrauen beider Seiten zueinander ist zerstört und
muss von Grund auf wieder aufgebaut werden. Das geht
nur, wenn beide sich sicher fühlen, das heißt in gesicher-
ten Grenzen leben.
Das bedeutet: Das Existenzrecht Israels muss unantastbar
sein. Israel hat das Recht auf eine Existenz in Frieden und
sicheren Grenzen.
Gleichzeitig müssen die legitimen Rechte der Palästinen-
ser nach einem eigenen Staat anerkannt werden, einem
Staat, der in Frieden und Freiheit Seite an Seite mit Israel
existiert.
Aber wenn wir uns für einen Palästinenserstaat ausspre-
chen, dann muss dies in der Erwartung geschehen, dass
auch dort endlich demokratische, rechtsstaatliche Verhält-
nisse entstehen.
Sicher ist jeder von uns zutiefst beunruhigt über Berichte,
nach denen der Einsatz unverhältnismäßiger Gewalt eine
bisher unbekannte Anzahl an Todesopfern unter der paläs-
tinensischen Zivilbevölkerung gefordert hat. Deshalb un-
terstützen wir die Resolution 1405 des UN-Sicherheits-
rates, die eine internationale Untersuchung der Vorgänge
in Dschenin und den ungehinderten Zugang für die hu-
manitären Organisationen fordert.
Allerdings sage ich hier auch: Sollte es Übergriffe auf die
Zivilbevölkerung gegeben haben, vertraue ich darauf, dass
Israel darauf mit den Mitteln des Rechtsstaates reagieren
und die Schuldigen zur Verantwortung ziehen wird.
Lassen Sie mich noch eines sagen: Ich glaube, wir alle se-
hen mit Entsetzen und Abscheu ein Wiederaufflammen
des Antisemitismus, insbesondere in Europa.
Trotz aller Empörung über Einzelmaßnahmen der Regie-
rung Scharon dürfen wir dies nicht zulassen und müssen
diesen Erscheinungen mit der ganzen Autorität des Euro-
parates entgegentreten, denn eine solche Diskriminierung
ist ein schwerer Verstoß gegen unsere grundsätzlichen
Prinzipien.
Abg. Benno Zierer (CDU/CSU): Der Nahe Osten brennt.
US-Außenminister Colin Powell musste unverrichteter
Dinge wieder abziehen, weil die beiden hasserfüllten al-
ten Männer Arafat und Scharon nicht vom Morden lassen
wollen. Man stelle sich vor: Die Weltmacht USA, die an-
sonsten mimosenhaft auf jeden Affront reagiert, lässt sich
offen brüskieren!

Drucksache 14/9978 – 32 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dabei wäre es den USA ein Leichtes, Scharon zum Ein-
lenken zu bewegen, wenn sie die Karte der vielfachen Ab-
hängigkeit des Judenstaates von Amerika ziehen würden.
Aber vermutlich fürchten die Amerikaner den politischen
Einfluss der amerikanischen Juden.
Und was tut Europa? Nichts. Europa schweigt. Dabei wäre
es längst an der Zeit, klar Stellung zu beziehen und Israel
durch sanften Druck kompromissbereiter zu machen.
Es ist beinahe unmöglich zu sagen, welche Seite im Nah-
ostkonflikt die größere Schuld trifft. Tatsache ist, dass
Arafat nicht entschieden genug gegen palästinensische
Attentäter und Terroristen vorgeht. Tatsache ist aber auch,
dass die Israelis das palästinensische Volk seit Jahren
demütigen und drangsalieren und nun zum offenen Ver-
nichtungskrieg übergegangen sind, indem sie nicht nur
wahllos töten, sondern auch die letzten Reste der Infra-
struktur in den autonomen Gebieten zerstören und damit
den Palästinensern die ökonomische Basis entziehen.
Wer denkt in Israel eigentlich daran, dass dieses Vorgehen
Tag für Tag neue Selbstmordattentäter produziert? Wer
denkt daran, was nach dem Ende der Kampfhandlungen
aus den dann verwüsteten Palästinensergebieten werden
soll? Werden diese dann wiederum hauptsächlich den Eu-
ropäern zur Last fallen? Wie lange soll der Irrsinn eigent-
lich noch weitergehen, dass eine internationale Staaten-
gemeinschaft, allen voran die Europäer, versucht, die
autonomen Gebiete wirtschaftlich zu entwickeln, und an-
schließend kommen die israelischen Panzer und walzen
alles wieder platt?
Die EU hat bislang den Löwenanteil an palästinensischer
Entwicklungshilfe geleistet. Vorzeigeprojekt war dabei
der Flughafen Gaza. Übrig geblieben nach der israeli-
schen Offensive ist ein Trümmerfeld. Die Europäer haben
es bei einem lauwarmen Protest belassen.
Europa lässt sich vorführen, ohne ein klares Wort zu spre-
chen. Europa zeigt sich erneut als unfähig, politisch geeint
aufzutreten – ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politi-
scher Zwerg. Verstrickt in Interessenpartikularismus und
nationale Eifersüchteleien ist es nicht in der Lage, mit ei-
ner Stimme zu sprechen. Europa diskreditiert sich selbst.
Wie stellen sich die Israelis ihre Zukunft vor? Wollen sie
auf unbestimmte Zeit im dauernden Kriegs- und Ausnah-
mezustand leben? Wollen sie, dass tagtäglich mitten im
Lande, mitten in den Städten, Bomben explodieren und le-
bendige Menschen sich und andere in die Luft sprengen?
Oder wollen sie die Verhältnisse auf eine Katastrophe zu-
treiben lassen, auf einen erneuten Krieg mit den arabi-
schen Nachbarn, in dem sie sich vielleicht nur noch unter
Einsatz der Bombe retten können?
Es muss einmal ganz klar gesagt werden, und zwar von ei-
nem Deutschen: Der Holocaust, das deutsche Verbrechen
am jüdischen Volk, berechtigt die Israelis nicht dazu, sich
ohne Rücksicht auf die Weltmeinung an anderen Völkern
zu vergehen. Im Gegenteil: Ein Volk, das so viel Leid er-
dulden musste, sollte den Leiden anderer Völker gegen-
über eigentlich aufgeschlossener sein. Aus Hass entsteht
immer nur wieder Hass.

Wir appellieren an Arafat und die Palästinenser: Unter-
binden Sie diese wahnsinnigen Selbstmordkommandos!
Stoppen Sie Ihre Kämpfer! Hören Sie auf, Unschuldige
blutig hinzuschlachten! Sie schaden damit nur Ihrem ei-
genen Volk, Ihren eigenen Frauen und Kindern! Liefern
Sie der israelischen Seite nicht weiterhin den Vorwand für
brutales Zurückschlagen!
Wir appellieren an Scharon und die Israelis: Stoppen Sie
Ihre Kriegsmaschine! Hören Sie auf, die Zivilbevölke-
rung zu morden, ihre elenden Hütten niederzureißen und
ihre armselige Habe zu verbrennen! Sie schaffen sich da-
mit nur die Todfeinde von morgen!
Wir Europäer haben die historische Chance, zu einem
Wandel im Nahen Osten beizutragen, wenn wir zusam-
menstehen und unsere Stimme erheben! Lassen Sie uns
diese Chance ergreifen, im Namen der Menschlichkeit,
aber auch im Namen eines vereinten Europa!

Entschl ießung 1281 (2002)*
betr.: die Lage im Nahen Osten

(Drucksache 9421)
1. Die Versammlung ist tief besorgt angesichts der tra-

gischen und gefährlichen Verschlechterung der Lage
in Israel und den Palästinensergebieten. Sie ist be-
stürzt über die täglich wachsende Zahl der Todesop-
fer, die der Konflikt zwischen Israelis und Palästi-
nensern verursacht, teilt den Kummer der Familien
der Opfer auf beiden Seiten und bekundet ihnen ihre
Unterstützung.

2. Sie verurteilt vorbehaltlos alle terroristischen Akte
ungeachtet der Gründe, die zu ihrer Rechtfertigung
vorgetragen werden, insbesondere die Selbstmord-
anschläge palästinensischer Extremisten.

3. Die Achtung des humanitären Völkerrechts ist die
erste Pflicht eines jeden Staates, der danach strebt,
demokratisch zu sein und für sich beansprucht, der
internationalen Gemeinschaft anzugehören. In die-
sem Zusammenhang weist die Versammlung darauf
hin, dass der Beobachterstatus, dessen sich die isra-
elische Knesset bei ihr erfreut, eine Anerkennung
der Verpflichtung Israels ist, die Menschrechte und
Grundfreiheiten zu achten.

4. Obgleich sie das legitime Recht des Staates Israel,
seine eigene Sicherheit und die seiner Bürger zu
schützen, anerkennt und achtet, hält die Versammlung
die von seiner Armee in den Palästinensergebieten
ergriffenen Maßnahmen für unangemessen und ver-
urteilt den willkürlichen und unverhältnismäßigen
Einsatz von Gewalt.

* Debatte der Versammlung am 25. April 2002 (14. Sitzung). Siehe
Dok. 9422, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Herr Margelow) und Dok. 9422, Stellungnahme des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte (Berichterstatter: Herr McNamara). Von
der Versammlung verabschiedeter Text am 25. April 2002 (14. Sit-
zung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33 – Drucksache 14/9978

5. Die Versammlung verurteilt die systematische Zer-
störung der palästinensischen Infrastrukturen durch
die israelischen Streitkräfte und ist der Auffassung,
dass Maßnahmen dieser Art es den palästinensi-
schen Behörden unmöglich machen, Macht auszu-
üben, und dass sie den Hass gegen Israel schüren.
Sie widersetzt sich entschieden der unter dem Vor-
wand der Terrorismusbekämpfung betriebenen Zer-
schlagung der Palästinenserbehörde, dem internatio-
nal anerkannten Partner Israels im politischen
Prozess.

6. Sie ist zutiefst beunruhigt aufgrund von Berichten
über Verletzungen des humanitären Völkerrechts
durch die israelische Armee unter der Leitung von
Premierminister Ariel Sharon bei ihren Operationen
in den Palästinensergebieten, insbesondere im Flücht-
lingslager Dschenin. Sie unterstützt den Beschluss
des Sicherheitsrates, einen internationalen Untersu-
chungsausschuss zur Bestimmung der Fakten und zur
Festlegung der Verantwortung einzusetzen.

7. Die Versammlung beklagt die Verletzung einer der
heiligsten Stätten der Christenheit, der Geburtskir-
che in Bethlehem, in der palästinensische Terroris-
ten Zuflucht gesucht haben sollen und die zurzeit
von israelischen Truppen belagert wird.

8. Sie ist ebenfalls beunruhigt aufgrund von Berichten
über Fälle von Lynchjustiz, die an mutmaßlichen
palästinensischen Kollaborateuren begangen wur-
den.

9. Die Praxis der israelischen Behörden, mutmaßliche
Terroristen ohne Prozess zu beseitigen, sowie die Er-
mordungen israelischer Beamter oder angeblicher
palästinensischer „Kollaborateure“ durch Palästi-
nenser ist nachdrücklich zu verurteilen. Kein Rechts-
staat kann es sich erlauben, Widersacher zur Strecke
zu bringen und zu beseitigen und politische Morde
zu begehen.

10. Eine umfassende Lösung im Nahen Osten sollte den
Rückzug aus den besetzten arabischen Gebieten, die
Schaffung eines palästinensischen Staates sowie Ga-
rantien für die Sicherheit Israels und die aller Staa-
ten und Völker in der Region einschließen.

11. Die Versammlung betont die Bedeutung von Reso-
lution 1397 (2002) des Sicherheitsrates der Verein-
ten Nationen und teilt seine „Vision einer Region, in
der zwei Staaten, Israel und Palästina, Seite an Seite
innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen leben“.
Es sollte Garantien für die Sicherheit beider Staaten
geben, und die Zusammenarbeit zwischen ihnen
sollte von der internationalen Gemeinschaft geför-
dert und unterstützt werden.

12. Die Versammlung bedauert die zögerliche Haltung
von Herrn Jassir Arafat im Hinblick auf die Verur-
teilung terroristischer Akte, einschließlich Selbst-
mordattentaten. Sie akzeptiert dennoch seine Rolle
als anerkannter Palästinenserführer und Vorsitzen-
der der Palästinenserbehörde, und hält es für unzu-

mutbar, dass er in seinem Wohnsitz von israelischen
Streitkräften isoliert und der Mittel und Möglichkei-
ten zur Ausübung seiner Pflichten beraubt wird.

13. Sie ruft die internationale Gemeinschaft auf, der
Palästinenserbehörde humanitäre Nothilfe zur Ver-
fügung zu stellen und ihr als dringende Angelegen-
heit beim Wiederaufbau ihrer Infrastruktur und bei
der Wiederherstellung ihrer Regierungsfähigkeit be-
hilflich zu sein. Sie ruft die Geberländer und die in-
ternationalen Leistungsträger nachdrücklich dazu
auf, ihr Engagement gegenüber der Palästinenser-
behörde zu erneuern, dabei jedoch sicherzustellen,
dass diese Mittel ausschließlich zu friedlichen Zwe-
cken verwendet werden.

14. Die Versammlung ist der Ansicht, dass die fortdau-
ernde Existenz von 59 palästinensischen Flüchtlings-
lagern, in denen 1 ¼ Millionen Flüchtlinge unter
nicht hinnehmbaren Bedingungen leben, weiterhin
ein beträchtliches Hindernis auf dem Weg zu lang-
fristigem Frieden und Sicherheit im Nahen Osten
darstellt. Sie sind lange Zeit auch eine Quelle für ter-
roristische Aktivitäten gewesen, was zu der gegen-
wärtigen Lage beiträgt. Sie ist der Auffassung, dass
es jetzt im Interesse einer Wiederherstellung des
Friedens liegen würde, wenn die internationale Ge-
meinschaft einen klaren Plan zur Ermöglichung der
Schließung dieser Lager unterstützen würde. Dies
lässt sich nur dadurch erreichen, dass den Flüchtlin-
gen eine ständige Unterbringung mit Entschädi-
gungszahlungen und Staatsangehörigkeit geboten
wird. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf ihre Ent-
schließung 1156 (1998), die einen solchen Plan vor-
schlägt.

15. Die Versammlung hält es für wichtig, über Formen
der internationalen Präsenz in den Palästinenserge-
bieten nachzudenken, die von beiden Seiten akzep-
tiert werden können. Sie begrüßt in diesem Zusam-
menhang die jüngste Initiative des Generalsekretärs
der Vereinten Nationen und ruft die Israelis auf, sie
zu akzeptieren.

16. Die Versammlung richtet die dringende Aufforde-
rung an die israelische und die palästinensische
Seite,
a. unverzüglich einen Waffenstillstand zu erklären

und die Resolutionen 1397, 1402 und 1403 des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen voll-
ständig umzusetzen;

b. den Tenet-Plan und den Mitchell-Bericht unver-
züglich und vollständig umzusetzen, wobei sich
versteht, dass eine Wiederaufnahme des politi-
schen Prozesses verbunden mit einem Waffen-
stillstand und koordinierten Sicherheitsmaßnah-
men die einzige Hoffnung auf einen Durchbruch
in der gegenwärtigen Krise darstellt;

c. rückhaltlos mit den internationalen Vermittlern
und ihren Sondergesandten zusammenzuarbei-
ten;

Drucksache 14/9978 – 34 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

d. den Konfrontationen in der Nähe der Geburtskir-
che in Bethlehem ein Ende zu setzen. Sie ruft
dazu auf, die Heiligen Stätten für alle Glaubens-
gemeinschaften zu schützen sowie diese Bestim-
mung in eine endgültige Lösung aufzunehmen.

17. Die Versammlung ruft die Regierung Israels auf,
a. der Entstehung von Siedlungen ein Ende zu set-

zen und alle bestehenden Siedlungen zu entfer-
nen, da sie ein Hindernis für einen konstruktiven
politischen Dialog darstellen;

b. die Militäroperationen unverzüglich einzustellen
und ihre Truppen aus den Palästinensergebieten
abzuziehen;

c. die Blockade des Wohnsitzes von Jassir Arafat
unverzüglich aufzuheben und es ihm erneut zu
ermöglichen, allen seinen Verpflichtungen unge-
hindert nachzukommen, einschließlich derer im
Zusammenhang mit Antiterror-Maßnahmen;

d. alle Normen des humanitären Völkerrechts voll-
ständig einzuhalten, alles in ihrer Macht Ste-
hende zum Schutz der Zivilbevölkerung zu tun
und humanitären Organisationen, insbesondere
dem IKRK und seinen nationalen Gesellschaften
sowie den internationalen Medien freien und so-
fortigen Zugang zu den Palästinensergebieten zu
gewähren, wie in Resolution 1405 des UN-
Sicherheitsrates gefordert;

e. ohne weitere Verzögerung die von der UNO ein-
gerichtete Untersuchungskommission zu akzep-
tieren.

18. Die Versammlung ruft Präsident Arafat und andere
Führer der Palästinenserbehörde auf,
a. alle Angriffe auf israelische Bürger unverzüglich

einzustellen;
b. geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um für Ter-

rorakte verantwortliche Personen zu verhaften
und vor Gericht zu bringen und all denen, die an-
geklagt und verhaftet werden, das Recht auf ei-
nen fairen Prozess zu gewähren;

c. alle ihnen zur Verfügung stehenden Maßnahmen
zu ergreifen, um die terroristische Infrastruktur
zu zerschlagen, einschließlich der Netze zur Fi-
nanzierung des Terrorismus und der ideologi-
schen Unterstützung in der palästinensischen Be-
völkerung, insbesondere durch Bildung für
Minderjährige, dass Selbstmord kein persönliches
Tor zum Paradies öffnet;

d. jeglicher Art von Anstiftung zur Gewalt gegen
das israelische Volk ein Ende zu bereiten;

e. die Palästinenservertreter anzuweisen, die Zu-
sammenarbeit mit den israelischen Behörden im
Hinblick auf die Sicherheit wieder aufzunehmen;

f. die Souveränität und Unabhängigkeit des Staates
Israel anzuerkennen und zu akzeptieren.

19. Die Versammlung würde ein aktiveres Engagement
vonseiten der Vereinigten Staaten zur Lösung des
Nahost-Konflikts begrüßen. Sie ist der Auffassung,
dass einseitige Initiativen im Nahen Osten keinen
Erfolg haben können, und bringt ihre Unterstützung
für die koordinierten Bemühungen der Vereinigten
Staaten, der Russischen Föderation, der Europäischen
Union und der Vereinten Nationen zum Ausdruck.

20. Die Versammlung nimmt die vor kurzem vom Euro-
päischen Parlament verabschiedete Entschließung
zum Nahen Osten zur Kenntnis.

21. Die Versammlung hält die Ergebnisse der Sitzung
des „Quartetts“ der internationalen Vermittler vom
10. April 2002 in Madrid für ermutigend und äußert
ihre Zufriedenheit darüber, dass sie die Notwendig-
keit einer Koordinierung zwischen den wichtigsten
Protagonisten bestätigt, eine gemeinsame politische
Plattform entwickelt sowie den Grundsatz paralleler
Aktionen für Sicherheitsmaßnahmen und für den
politischen Prozess aufgestellt haben.

22. Die Versammlung erachtet die Rolle des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen als besonders
wichtig und ist der Auffassung, dass die VN über den
am besten geeigneten Mechanismus zur Überwin-
dung des Konflikts verfügen.

23. Die auf dem Gipfel von Beirut auf der Grundlage des
ursprünglichen Plans von Kronprinz Abdullah von
Saudi-Arabien ausgearbeitete politische Haltung der
arabischen Länder stellt einen wichtigen Schritt zur
Festlegung einer fairen und umfassenden Lösung für
die Region dar. Die Versammlung legt allen Mit-
gliedsländer der Arabischen Liga nahe, ihre Unter-
stützung für diese Haltung beizubehalten.

24. Die Versammlung ist weiterhin überzeugt da-
von, dass, obgleich internationale Vermittlungs-
bemühungen von großer Bedeutung sind, Israel und
die Palästinenserbehörde die Hauptverantwortung
für eine Sicherung der endgültigen Lösung tragen,
und den direkten Dialog ohne Vorbedingungen wieder
aufnehmen sollten. Kontakte auf parlamentarischer
Ebene könnten hierbei eine entscheidende Rolle
spielen.

25. Die Versammlung ruft die Knesset und den Palästi-
nensischen Legislativrat auf, ihre politische Autorität
dafür einzusetzen, um sicherzustellen, dass Men-
schenrechte und Völkerrecht respektiert werden und
um zu gewährleisten, dass alle angeblichen Men-
schenrechtsverletzungen gewissenhaft untersucht
und gegebenenfalls bestraft werden.

26. Die Versammlung beschließt, ihre offiziellen Kon-
takte zu Israel auf Fragen im Hinblick auf die Wie-
deraufnahme des politischen Dialogs zwischen den
Konfliktparteien sowie auf die Wahrung der Men-
schenrechte und des humanitären Völkerrechts zu
konzentrieren. Sie ist der Auffassung, dass Aus-
schusssitzungen in Israel, mit Ausnahme derjenigen,
die unmittelbar zum politischen Prozess oder zur

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35 – Drucksache 14/9978

Wahrung der Menschenrechte und des humanitären
Völkerrechts beitragen, zurzeit nicht angebracht
sind und daher verschoben werden müssen, bis sich
die Lage wieder normalisiert hat.

27. Die Versammlung hält die Verlegung des israelisch-
palästinensischen Konflikts nach Europa für völlig
inakzeptabel. Sie verurteilt auf das Schärfste dieje-
nigen Individuen, die entsetzliche Akte begehen, in-
dem sie gemeinschaftliche oder religiöse Institutio-
nen in Frankreich, Belgien oder anderswo angreifen.

28. Die Versammlung bekräftigt ihren Beschluss, Ver-
treter des Palästinensischen Legislativrates dazu
einzuladen, an ihren Beratungen teilzunehmen,
wann immer der Nahe Osten auf der Tagesordnung
steht, und beschließt, die Möglichkeiten zu erkun-
den, um dem Palästinensischen Legislativrat eine
größere Beteiligung an den Aktivitäten der Ver-
sammlung zu gestatten, sofern nicht befunden wird,
dass der Palästinensische Legislativrat eklatant ge-
gen die grundlegenden Ideale des Europarates ver-
stoßen hat. Zu diesem Zweck fordert die Versamm-
lung die Palästinenserbehörde nachdrücklich dazu
auf, die Anwendung der Todesstrafe in den Gebieten
unter seiner Rechtsprechung aufzuheben.

29. Die Versammlung bringt ihre Solidarität mit den jü-
dischen Gemeinschaften zum Ausdruck, die Opfer
von antisemitischen Angriffen gewesen sind.

30. Die Versammlung bringt ihre volle Solidarität mit
den Reservisten der israelischen Armee zum Aus-
druck, die sich weigern, in den besetzten Gebieten
Dienst zu leisten.

31. Die Versammlung ist der Ansicht, dass eine Erkun-
dungsmission so bald wie möglich in den Nahen
Osten fahren und unter anderem Gespräche mit in-
ternationalen zivilen Beobachtern (United Civilians
for Peace) führen sollte.

32. Die Versammlung unterstützt nachdrücklich die
Einsetzung einer UN-Schutztruppe im Nahen Osten,
deren Aufgabe es wäre, den Waffenstillstand zu
wahren, die Spannungen zu entschärfen und die Zi-
vilbevölkerung zu schützen.

33. Die Versammlung bittet die Europäische Union,
i. ein Embargo für Exporte von in der EU herge-

stellten Waffen nach Israel einzuführen;
ii. das Assoziationsabkommen mit Israel aufzuhe-

ben;
iii. die gesamte militärische Zusammenarbeit zwi-

schen den EU-Mitgliedstaaten und Israel einzu-
stellen.

34. Die Versammlung ist der Auffassung, dass der Be-
obachterstatus, dessen sich die israelische Knesset
erfreut, erneut sorgfältig geprüft werden muss.

35. Die Versammlung ist der Ansicht, dass die huma-
nitäre Lage in der Region geprüft werden sollte.

Tagesordnungspunkt
Die rechtliche Lage der Roma in Europa

(Drucksache 9397)
Berichterstatter:

Abg. Csaba Tabajdi (Ungarn)
Abg. Marlene Rupprecht (SPD)*: Sehr geehrter Herr
Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon
gehört: Der Europarat hat sich seit vielen Jahren mit dem
Schutz von Minderheiten beschäftigt. Seit einigen Jahren
rückt nun immer mehr die Situation der Roma in den Vor-
dergrund. Mit dazu beigetragen hat der ausgezeichnete
Bericht des Kollegen Tabajdi, und dafür möchte ich mich
ganz ausdrücklich bedanken.
Wir sehen: Es ist kein vernachlässigbares Thema. Es ist
ein Thema, das im Mittelpunkt stehen muss; denn Fach-
leute schätzen, dass von der gesamten Bevölkerung Euro-
pas etwa 12 Millionen Roma sind. Das sind mehr Men-
schen, als viele unserer Mitgliedstaaten an Einwohnern
nachweisen können. Deshalb wird es Zeit, dass wir uns
mit ihnen intensiv beschäftigen.
In dem Bericht von Herrn Tabajdi wird sehr deutlich,
dass Politik in diesem Bereich nur dann von Erfolg ge-
krönt sein wird, wenn wir zwei der wichtigsten Elemente
beachten. Das eine ist die Beteiligung, die Partizipation
der Roma-Gemeinschaften. Zweitens müssen wir die
Ursache für Diskriminierung, den Antiziganismus, of-
fensiv bekämpfen. Dass der vorhanden ist, kann man aus
Umfragen ablesen: Im Jahre 1994 haben 68 Prozent der
Befragten antiziganische Ressentiments offen gelegt.
Aus diesen Ressentiments, aus diesen Vorurteilen gehen
Gewalt und Ausgrenzung hervor, und das lässt sich an
festgestellten Gewalttaten auch ganz eindeutig nachwei-
sen: Zwischen 1990 und 1998 gab es 4 500 Übergriffe in
Osteuropa und 5 800 gewaltsame Übergriffe in Westeu-
ropa.
Weiter ablesen lässt sich dies an der Möglichkeit der
Roma-Bevölkerung, sich gesellschaftlicher Grundversor-
gung zu bedienen. Zum Beispiel fehlt es im Gesundheits-
bereich wirklich an Grundversorgung. Wir können feststel-
len, dass die Roma im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung
eine geringere Lebenserwartung und eine hohe Säug-
lingssterblichkeit haben. Es fehlen Versicherungen, und
es fehlt in der Bevölkerung auch die Akzeptanz, die Ein-
richtungen der Gesundheitsversorgung anzunehmen.
Weitere Zeichen für Diskriminierung sind auch im Be-
reich der Bildung ablesbar. In vielen Ländern Europas ha-
ben noch nicht einmal die Hälfte der Roma die Grund-
schule absolviert, und nur ein geringer Prozentsatz hat
eine Berufsausbildung hinter sich gebracht. Deshalb sind
auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr gering, und
entsprechend hoch ist der Anteil der Arbeitslosen; es sind
zum Teil bis zu 90 Prozent.

* Im Auftrag des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und
Familie.

Drucksache 14/9978 – 36 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir müssen also handeln. Wenn wir nicht handeln, werden
wir – so sagen es Fachleute – hier in Europa ein zweites
Palästina haben. Lassen Sie uns nicht mehr über Roma,
sondern mit ihnen reden. Packen wir es an! – Danke schön.
Abg. Marlene Rupprecht (SPD)*: Vielen Dank, Herr
Präsident. – Ich möchte noch einmal hervorheben, dass es
nicht darum geht, die Roma-Minderheiten in Europa zu
assimilieren, sondern es geht darum, Menschen zu inte-
grieren. Ich bin der Meinung, alle Versuche zuvor schei-
terten deshalb, weil man versuchte, sie der Mehrheitsbe-
völkerung so anzupassen, dass sie ihre Identität verloren.
Sie unterscheiden sich von anderen Minderheiten da-
durch, dass diese eigene Nationen haben, denen sie zuge-
ordnet werden können. Die Roma aber haben keine eigene
Nation. Deshalb sind sie im Prinzip doppelt diskriminiert
bzw. doppelt schwer zu integrieren. Es gibt keinen Staat,
der für sie bilaterale Verhandlungen führt, um ihre Situa-
tion in den einzelnen Staaten zu verbessern. Deshalb müs-
sen wir als Parlamentarische Versammlung des Europara-
tes eine Vorreiterrolle spielen und für diese Minderheit
– die meiner Ansicht nach eine große Minderheit darstellt;
sie ist größer als mancher Staat – aktiv werden, um die In-
tegration tatsächlich zu erreichen. Damit wollen wir sie
nicht aus anderen Minderheiten oder aus der Mehrheits-
bevölkerung herausheben, sondern wir wollen sie inte-
grieren und gleichstellen. Das ist eine wichtige Aufgabe
für dieses Jahrhundert. – Danke schön.

Empfehlung 1557 (2002)**
betr.: die rechtliche Lage der Roma in Europa

(Drucksache 9397)
1. Vor nahezu zehn Jahren unterstrich die Parlamenta-

rische Versammlung in ihrer Empfehlung 1203
(1993) betreffend Zigeuner (Roma) in Europa, dass
ein besonderer Schutz für die Zigeuner (Roma) not-
wendig ist und verurteilte die verschiedenen Formen
von Diskriminierung, unter denen sie in den Mit-
gliedstaaten des Europarates zu leiden haben. Obwohl
internationale Organisationen, nationale Regierun-
gen, kommunale Behörden und Nicht-Regierungsor-
ganisationen große Anstrengungen unternommen
haben, wurden die in dieser Empfehlung gesetzten
Ziele nur in begrenztem Ausmaß verwirklicht.

2. Die Versammlung verweist auf die Europäische
Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
Grundfreiheiten aus dem Jahre 1950, das Europä-
ische Übereinkommen zur Verhütung der Folter und

unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Strafe aus dem Jahre 1987, die Europäische
Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
aus dem Jahre 1992, das Rahmenübereinkommen
zum Schutz nationaler Minderheiten aus dem Jahre
1995 und die geänderte Europäische Sozialcharta
aus dem Jahre 1996.

3. Auch heute unterliegen die Roma noch Diskriminie-
rung, Marginalisierung und Ausgrenzung. Die Dis-
kriminierung ist in jedem Bereich des öffentlichen
und persönlichen Lebens, auch beim Zugang zu öf-
fentlichen Plätzen, zu Bildung, Beschäftigung, Ge-
sundheitsdiensten und Unterkunft sowie beim Grenz-
übertritt und beim Zugang zu Asylverfahren weit
verbreitet. Die Marginalisierung und die wirtschaft-
liche und soziale Ausgrenzung der Roma werden zu
einer ethnischen Diskriminierung, welche in der Re-
gel die sozial schwächsten Gruppen trifft.

4. Die Roma bilden insofern eine besondere Minder-
heitengruppe, als sie einen doppelten Minderheiten-
status haben. Sie sind eine ethnische Gemeinschaft,
und die meisten von ihnen gehören zu sozial be-
nachteiligten Gesellschaftsgruppen.

5. Die meisten Roma sehen sich derzeit in den meisten
Mitgliedstaaten des Europarates mit ziemlich
schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen konfron-
tiert. Trotz Anstrengungen im sozialen Bereich hat
die Marktwirtschaft – insbesondere ihre neoliberale
Spielart – sozial benachteiligte Gruppen, einschließ-
lich der Roma, selbst in den am höchsten entwickel-
ten europäischen Ländern an den Rand gedrängt. In
Mittel- und Osteuropa hat der wirtschaftliche und
politische Übergang ihre sozial benachteiligte Lage
noch verschlechtert.

6. Aus rechtlicher Sicht wird die Gemeinschaft der
Roma noch immer nicht in allen Mitgliedstaaten als
ethnische oder nationale Minderheitengruppe be-
trachtet, und damit kommt sie nicht in den Genuss
der Rechte, die in allen betroffenen Ländern mit die-
sem Status verbunden sind. Die Roma müssen in
jedem Mitgliedstaat als ethnische oder nationale
Minderheitengruppe behandelt werden, und ihre
Minderheitenrechte müssen garantiert werden. Das
Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
Minderheiten und die Europäische Charta der Re-
gional- oder Minderheitensprachen stehen zur Ver-
fügung und müssen angewandt werden.

7. Art und Richtung der Migration der Roma haben
sich in jüngster Zeit verändert, denn der illegale
Aspekt hat beträchtlich an Bedeutung gewonnen
und selbst ehemalige Übergangsstaaten sind zu end-
gültigen Zielorten geworden. Ethnische Konflikte
und Bürgerkriege haben das Phänomen der Migra-
tion der Roma in den vergangenen zehn Jahren in ei-
nigen Teilen Europas verstärkt. Diese Migration ist
zwar nicht höher als der durchschnittliche Migra-
tionstrend aus Mittel- und Osteuropa, doch er weckt
aufgrund seiner speziellen Art stärkeres öffentliches

* Im Auftrag des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und
Familie.

** Debatte der Versammlung am 25. April 2002 (15. Sitzung). Siehe
Dok. 9397, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte
(Berichterstatter: Herr Tabajdi); Dok. 9417, Stellungnahme des Aus-
schusses Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
(Berichterstatter: Herr Cilevics) und Dok. 9424, Stellungnahme des
Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und Bildung (Berichterstatte-
rin: Frau Rupprecht). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
25. April 2002 (15. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 37 – Drucksache 14/9978

Interesse, da er in der Regel kein individuelles, ein-
zelnes Vorgehen darstellt, sondern eine Familienan-
gelegenheit kleinerer oder größerer Romafamilien ist.

8. Es ist notwendig, eine Reihe von vertrauensbilden-
den und beratenden Maßnahmen mit dem Ziel zu
verabschieden, den Romamigranten aus Mittel- und
Osteuropa, die bereits in westeuropäischen Staaten
leben, zu helfen und ihre weitere Marginalisierung
zu verhindern. Ebenso ist es erforderlich, wirksame
Unterstützung für die Wiedereingliederung jener
Romamigranten zur Verfügung zu stellen, die in ihr
Heimatland zurückkehren.

9. Die Roma haben als gleichberechtigte Bürger des
Landes, in dem sie wohnen, die gleichen Rechte und
Pflichten wie andere Bürger. Das Recht der Roma,
von einem Ort zum anderen zu ziehen, muss aner-
kannt werden. Die Mehrheitsbevölkerung und die
Roma teilen sich angesichts ihrer Fähigkeiten und
ihrer wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und
sozialen Ressourcen die Verantwortung in der Ge-
sellschaft in einem ungleichen Maß. Die Mehrheits-
bevölkerung muss die Roma gesellschaftlich akzep-
tieren, ohne sie zu assimilieren und muss sie als
benachteiligte soziale Gruppe unterstützen. Die
Roma müssen die gesellschaftlichen Regeln als sol-
che akzeptieren, und es kann von ihnen erwartet
werden, dass sie bei der Bewältigung ihrer eigener
Probleme aktiver werden, was allerdings in Verbin-
dung mit angemessenen Voraussetzungen, Förde-
rungsmaßnahmen und Anreizen durch den Staat er-
folgen muss.

10. Die Mitgliedstaaten des Europarates sollten die
Roma ermutigen, ihre eigenen Organisationen zu
gründen und sich als Wähler, Kandidaten oder Mit-
glieder in den nationalen Parlamenten am politi-
schen System zu beteiligen. Die großen politischen
Parteien sollten dazu angehalten werden, für zu be-
setzende Wahlämter auch Roma auf ihre Wahllisten
zu setzen. Die Staaten werden dazu aufgefordert, po-
litische Maßnahmen auszuarbeiten und umzusetzen,
die die volle Teilnahme von Roma am öffentlichen
Leben und auf allen Verwaltungsebenen sowie die
Stärkung demokratischer Romawahlkreise anstreben.
Romagemeinschaften, -organisationen und -parteien
sollten die umfassende Möglichkeit erhalten, sich
am Prozess der Ausarbeitung, Umsetzung und Über-
wachung von Programmen und Maßnahmen mit
dem Ziel der Verbesserung ihrer derzeitigen Lage zu
beteiligen.

11. Die Lage der Romafrauen muss verbessert werden,
weil sie eine entscheidende Rolle bei der Verbesse-
rung der Lebensbedingungen der Romafamilien
spielen. Romafrauen leiden oft unter einer dreifachen
Diskriminierung – als Roma, als Frau und schließlich
als Angehörige einer sozial benachteiligten Gruppe.

12. Die Versammlung tritt für eine Sensibilisierung der
Medienvertreter ein, die eine besondere Verantwor-
tung für die Anbahnung eines Dialogs zwischen den
Roma und der Mehrheitsbevölkerung tragen, ferner

für die Bekämpfung gesellschaftlicher Diskriminie-
rung, für eine umfassendere Information der Mehr-
heitsbevölkerung über die Kultur der Roma und von
diesen unternommene Anstrengungen zur Verbesse-
rung ihrer Situation sowie für die Berichterstattung
über positive Beispiele der gesellschaftlichen Inte-
gration von Roma.

13. Die Versammlung erkennt die bestehende Notwen-
digkeit an, die Arbeit folgender Einrichtungen zu
stärken, zu klären und zu harmonisieren:
a. multilateraler europäischer Organisationen wie

dem Europarat, der Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa und der Europä-
ischen Union bei ihren Roma betreffenden Akti-
vitäten;

b. mehrerer Gremien des Europarates, die sich mit
der Ausarbeitung und Überwachung von Initiati-
ven, Berichten, Empfehlungen und Programmen
in Bezug auf die Lage der Roma in Europa be-
fassen.

14. Der Konvent, der eine gemeinsame zukünftige „Ver-
fassung“ für die Europäische Union ausarbeiten soll,
hat die Zivilgesellschaft aufgefordert, Stellungnah-
men und Vorschläge vorzulegen. Die Romagemein-
schaften und -organisationen sollten nicht die Gele-
genheit versäumen, ihre Vorstellungen zum Ausdruck
zu bringen.

15. Der Europarat kann und muss eine wichtige Rolle
bei der Verbesserung der Rechtsstellung, des Gleich-
stellungsgrades und der Lebensbedingungen der
Roma übernehmen. Die Versammlung fordert die
Mitgliedstaaten auf, die sechs generellen Vorausset-
zungen, die für die Verbesserung der Lage der Roma
in Europa erforderlich sind, endgültig zu regeln:
a. die Rechtsstellung der Roma zu klären:

i. die Roma als Mitglieder einer ethnischen
oder nationalen Minderheitengruppe anzuer-
kennen;

ii. den Status der Romagemeinschaften als Min-
derheitengruppe anzuerkennen;

iii. die individuellen und kollektiven Minderhei-
tenrechte der Roma zu garantieren;

iv. den Roma, die sich in dem Land, in dem sie
leben, legal aufhalten, die uneingeschränkte
Möglichkeit zu geben, in den Ländern, in de-
nen es einen Personalausweis gibt, einen sol-
chen zu erhalten;

v. das Rahmenübereinkommen zum Schutz der
nationalen Minderheiten und die Europä-
ische Charta der Regional- oder Minderhei-
tensprachen zu unterzeichnen, zu ratifizieren
und uneingeschränkt umzusetzen;

vi. den Roma die sozialen Rechte zukommen zu
lassen, die durch die geänderte Europäische
Sozialcharta geschützt werden;

Drucksache 14/9978 – 38 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

b. gezielte Programme zur Verbesserung der Ein-
gliederung der Roma als Einzelne und der Roma-
gemeinschaften als Minderheitengrupppe in die
Gesellschaft zu erarbeiten und umzusetzen und
die Beteiligung der Roma am Entscheidungspro-
zess auf kommunaler, regionaler, nationaler und
europäischer Ebene zu gewährleisten;
i. Maßnahmen mit dem Ziel, sich mit den Pro-

blemen der Roma zu befassen, welche um-
fassend sind und sich auf wirtschaftliche, so-
ziale und kulturelle Faktoren beziehen,
auszuarbeiten und umzusetzen;

ii. den Dialog zwischen Roma als Einzelperso-
nen, Romagemeinschaften und anderen
Gruppen der Gesellschaft zu verstärken;

iii. Vertreter der Roma auf allen Ebenen des Ent-
scheidungsprozesses bei der Ausarbeitung,
Umsetzung und Evaluierung von Program-
men zu beteiligen, die darauf abzielen, die
Verhältnisse von Roma als Einzelpersonen
und als Gemeinschaft zu verbessern. Diese
Beteiligung sollte sich nicht auf eine Konsul-
tation beschränken, sondern die Form einer
wirklichen Partnerschaft annehmen;

iv. die Vertretung von Mitgliedern der Roma in
nationalen Parlamenten zu fördern und sich
für die Beteiligung gewählter Romavertreter
an der regionalen und kommunalen Gesetz-
gebung und in Gremien der Exekutive einzu-
setzen;

v. die interregionale Zusammenarbeit zu för-
dern, um die Probleme der Roma unter deren
aktiver Mitwirkung zu bewältigen;

vi. den systematischen und regulären Überwa-
chungsprozess bei der Umsetzung von Emp-
fehlungen und besonderen Programmen aus-
zubauen, um so die Rechtsstellung und die
Lebensbedingungen der Roma als Einzelne
und als Gemeinschaft zu verbessern;

c. die Gleichbehandlung der Romaminderheit als
ethnische oder nationale Minderheitengruppe in
den Bereichen Bildung, Beschäftigung, Woh-
nung, Gesundheit und öffentliche Einrichtungen
zu garantieren. Die Mitgliedstaaten sollten fol-
genden Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit
schenken:
i. der Förderung der Chancengleichheit für

Roma auf dem Arbeitsmarkt;
ii. der Möglichkeit für junge Roma, alle beste-

henden Bildungsangebote vom Kindergarten
bis zur Universität in Anspruch zu nehmen;

iii. der Erarbeitung positiver Maßnahmen zur
Einstellung von Roma für öffentliche Ein-
richtungen, die für die Romagemeinschaften
unmittelbare Relevanz besitzen, wie z. B.
Grundschulen und weiterführende Schulen,

Sozialstationen, lokale Zentren der medizini-
schen Primärversorgung und örtliche Ver-
waltungsstellen;

iv. der Beseitigung jeder Form der getrennten Un-
terrichtung von Romakindern, insbesondere
der Praxis, Romakinder in Schulen oder Klas-
sen für geistig Behinderte unterzubringen;

d. in den Bereichen Bildung, Beschäftigung und
Wohnen positive Maßnahmen und eine bevor-
zugte Behandlung sozial benachteiligter Schich-
ten – unter Einschluss der Roma als sozial be-
nachteiligter Gemeinschaft – auszuarbeiten und
umzusetzen:
i. eine langfristige finanzielle Unterstützung

des Aufbaus von Einkommen schaffenden
Programmen für sozial benachteiligte Grup-
pen einschließlich der Roma sicherzustellen;

ii. sicherzustellen, dass die von den Regierun-
gen angekündigten Wohnungsprogramme
für sozial benachteiligte Familien auch Ro-
mafamilien zur Verfügung stehen;

iii. die Bereitstellung von Haushaltsmitteln si-
cherzustellen, und die Romagemeinschaften
im Hinblick auf die bauliche Verbesserung der
bestehenden Siedlungen fachlich zu schulen;

iv. die Entwicklungsbank des Europarates zur
Finanzierung von in Partnerschaft mit den
betroffenen Romagemeinschaften erarbeite-
ten integrierten Projekten zu nutzen, über die
ihre Lebensbedingungen verbessert und ihre
wirtschaftliche Selbstständigkeit gesteigert
werden sollen;

e. zum Schutz der Sprache der Roma, ihrer Kultur,
Traditionen und Identität gezielte Maßnahmen
zu ergreifen und spezielle Institutionen einzu-
richten:
i. die Regierungen der Mitgliedstaaten aufzu-

fordern, die Unterrichtung der Romasprache
zu unterstützen und zu fördern;

ii. Romaeltern zu ermutigen, ihre Kinder in
Volksschulen, auf weiterführende Schulen
und Fachhochschulen oder Universitäten zu
schicken und ihnen angemessene Informatio-
nen über die Notwendigkeit einer Ausbildung
zu geben;

iii. die Mehrheitsbevölkerung mit der Kultur der
Roma vertrauter zu machen;

iv. sicherzustellen, dass Schulbücher auch Ma-
terial über die Geschichte und Kultur der
Roma enthalten;

v. gerade auch in Gebieten mit einer großen
Romabevölkerung Roma als Lehrkräfte ein-
zustellen;

f. auf kommunaler, regionaler und internationaler
Ebene Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und In-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39 – Drucksache 14/9978

toleranz zu bekämpfen und eine nichtdiskrimi-
nierende Behandlung der Roma sicherzustellen:
i. umfassende Gesetze zur Bekämpfung der

Diskriminierung von Roma in den Mitglied-
staaten zu verabschieden und durchzusetzen;

ii. vorrangig, wenn dies nicht schon geschehen
ist, das Protokoll Nr. 12 der Europäischen
Menschenrechtskonvention zu ratifizieren;

iii. auf regionaler und kommunaler Ebene Kon-
fliktverhütungs- und -bewältigungsgremien
einzurichten;

iv. in den Mitgliedstaaten eine umfassende
Antidiskriminierungsgesetzgebung zu ver-
abschieden und durchzusetzen, die der
Richtlinie 2000/43/EWG des Rates „zur An-
wendung des Gleichbehandlungsgrundsat-
zes ohne Unterschied der Rasse oder der
ethnischen Herkunft“, der für alle europä-
ischen Staaten maßgebenden Leitlinie für
das Antidiskriminierungsrecht, entspricht;

v. Nichtregierungsorganisationen, die indivi-
duelle und kollektive Minderheitenrechte
der Roma schützen, ein hohes Maß an Un-
terstützung zukommen zu lassen;

vi. dem Phänomen der Diskriminierung von
Roma, insbesondere in den Bereichen Bil-
dung und Beschäftigung, besondere Auf-
merksamkeit zu schenken;

vii. auf der Grundlage verlässlicher statistischer
Daten Rassendiskriminierung zu bekämp-
fen und die Roma vor missbräuchlicher und
unfreiwilliger Datenerhebung zu schützen;

viii. das Überwachungssystem in Bezug auf die
Diskriminierung von Roma auf kommuna-
ler, regionaler, nationaler und internationa-
ler Ebene zu verstärken;

ix. sicherzustellen, dass die in der Europä-
ischen Menschenrechtskonvention und der
Genfer Konvention über die Rechtsstellung
der Flüchtlinge von 1951 und ihrem Proto-
koll von 1967 vorgesehenen Rechte in
vollem Umfang und ohne Diskriminierung
auf die Roma angewandt werden;

x. den von Roma beim Erwerb oder Verlust der
Staatsbürgerschaft sowie aufgrund von Ent-
scheidungen und Maßnahmen beim Grenz-
übertritt erlebten Problemen besondere Auf-
merksamkeit zu schenken;

xi. sicherzustellen, dass die auf dem Gebiet der
Zuwanderungssteuerung angewandten Re-
geln und ergriffenen Maßnahmen Romami-
granten nicht diskriminieren.

16. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,
i. die Initiative zur Schaffung eines gesamteu-

ropäischen konsultativen Roma-Forums, wel-

ches auf demokratische Weise eingerichtet
wird, zu unterstützen, damit dieses die Be-
lange der Roma als Einzelne und als Ge-
meinschaft zum Ausdruck bringen und ihnen
Gehör verschaffen und als ein beratendes
Gremium des Ministerkomitees, der Parla-
mentarischen Versammlung des Europarates
und der Institutionen der Europäischen
Union dienen kann;

ii. einen Europäischen Roma-Ombudsmann ein-
zusetzen, der sich mit der Verletzung der
Minderheitenrechte der Roma als Einzelne
und als Gemeinschaft befasst;

iii. ein Europäisches Roma-Studien- und -Aus-
bildungszentrum einzurichten, das an das Eu-
ropäische Jugendzentrum des Europarates
angegliedert und mit einer kleinen Zahl von
Mitarbeitern ausgestattet wird, um einen
wirksamen Austausch positiver Erfahrungen
in Bezug auf die Integration der Roma auf
kommunaler, regionaler und nationaler
Ebene in den Mitgliedstaaten zu ermöglichen
und die Koordinierung der Ausbildung von
Fachleuten aus den Reihen der Roma und der
Mehrheitsbevölkerung zu fördern;

iv. die Einstellung von Romamitarbeitern im Se-
kretariat der Organisation zu erwägen;

v. einen Europäischen Solidaritätsfonds für
Roma zu schaffen, der sich aus freiwilligen
Beiträgen der Mitgliedstaaten des Europara-
tes und anderer multilateraler internationaler
Organisationen finanziert;

vi. ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Men-
schenrechtskonvention über Minderheiten-
rechte auszuarbeiten;

vii.die Überwachungsmechanismen auszubauen
und die Umsetzung der in bestehenden inter-
nationalen Dokumenten aufgeführten Initia-
tiven und Empfehlungen verstärkt zu unter-
stützen.

Tagesordnungspunkt
Forstwirtschaft in Kanada und
Zusammenarbeit mit Europa

(Drucksache 9289)
Berichterstatter:

Abg. Guillermo Martínez-Casañ (Spanien)
in verbundener Debatte mit

Fischerei in halbumschlossenen Meeren
(Drucksache 9373)
Berichterstatter:

Abg. Wolfgang Behrendt (Bundesrepublik Deutschland)
und

Drucksache 14/9978 – 40 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Erhaltung und Bewirtschaftung von
Fischbeständen
(Drucksache 9383)
Berichterstatter:

Abg. Francis Agius (Malta)
Abg. Wolfgang Behrendt (SPD)*: Vielen Dank. – Herr
Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Die Meeresöko-
systeme Europas drohen aus dem Gleichgewicht zu gera-
ten. Insbesondere die Fischbestände sind bedroht. In den
Gewässern der Europäischen Union sinken sie seit Jahren.
Eine Umkehr dieses Trends ist nicht abzusehen. Im Ge-
genteil: Nach Angaben der Welternährungsorganisation,
FAO, ist fast ein Viertel der Fischgründe im Meer über-
fischt. Die am stärksten bedrohte Art ist der Dorsch. Im-
mer modernere Fangtechniken, zum Beispiel mithilfe von
Aufklärungsflugzeugen oder Satellitenkommunikations-
systemen, fördern den hemmungslosen Raubbau auf See.
Die EU-Flotte ist anerkanntermaßen zu groß. Trotzdem
ist die Tonnage in den vergangenen beiden Jahrzehnten
um 150 Prozent gestiegen. Sie umfasst derzeit rund
100 000 Schiffe mit einer Kapazität von mehr als 2 Milli-
onen Tonnen. Seit Jahren drängen Wissenschaftler und
Fachleute darauf, diese um 30 bis 40 Prozent zu verringern.
Die Warnungen und Empfehlungen werden aber nur wenig
ernst genommen.
Ich habe in meinem Bericht zwei Probleme des Fische-
reiwesens in den Vordergrund gestellt: die Überfischung
und die Meeresverschmutzung. Dabei geben die Umwelt-
situation und der Fischbestand in allen drei im Bericht be-
handelten Meeren – Ostsee, Mittelmeer und Schwarzes
Meer – Anlass zu ernsthaften Bedenken.
Lassen Sie mich kurz auf die einzelnen Meere eingehen,
zunächst auf die Ostsee. – Die Ostsee mit ihren zahlrei-
chen Anrainerstaaten macht deutlich, dass die Aufgaben
des Meeresumweltschutzes nur international und nur ge-
meinsam gelöst werden können. In ihrem Einzugsgebiet
leben mehr als 70 Millionen Menschen in hoch industria-
lisierten, aber auch Landwirtschaft betreibenden Staaten.
Die vielfältige anthropogene Belastung und Überfischung
führen dazu, dass auf der Hälfte des Meeresgrunds der zen-
tralen Ostsee, das heißt insgesamt auf einer Fläche von
circa 100000 Quadratkilometern, die Bodenfauna prak-
tisch vernichtet ist. Daraus folgt: Der Zustand des Ökosys-
tems der Ostsee muss von Grund auf verbessert werden.
Dazu gehören auch die Anpassung der Flottenkapazität an
den tatsächlichen Fischbestand sowie die Einhaltung und
Überwachung der Fangquoten; denn ein regelmäßiges
Nachwachsen der Bestände muss ermöglicht werden.
Jetzt zum Mittelmeer. – Das Mittelmeer umfasst zwar nur
0,7 Prozent der globalen Meeresfläche, aber 35 Prozent
des weltweiten Öltransfers werden hier abgewickelt. Je-
des Jahr durchfahren rund 200 000 Schiffe das Mittel-
meer, darunter 250 bis 300 Öltanker. Diese Schiffe lassen
jährlich illegal circa 650 000 Tonnen ölverseuchte Bal-
laststoffe ab. Neben diesen Schadstoffbelastungen wer-

den circa 85 Prozent der Abwässer der Küstenregionen
ungeklärt in das Mittelmeer geleitet. Positiv zu vermerken
ist, dass in vielen Anrainerstaaten ein zunehmender Trend
zum Bau von Abwassersammelstellen und Kläranlagen zu
verzeichnen ist. Zukünftige Anstrengungen müssen noch
stärker darauf gerichtet sein, mehr Kläranlagen zu bauen,
Industrieabwässer sorgfältig zu prüfen und die Verwen-
dung chemischer Substanzen in der Landwirtschaft zu re-
duzieren. Eine stärkere multinationale Kooperation zum
Schutz des Mittelmeers ist notwendig, wenn dieses Meer
auch in Zukunft als Biotop und im Übrigen auch als größ-
tes Erholungsgebiet Europas erhalten bleiben soll.
Schließlich zum Schwarzen Meer. – Der ökologische Zu-
stand des Schwarzen Meeres ist äußerst bedenklich. In
den letzten 30 bis 35 Jahren hat sich die Lage aufgrund
von Euthrophierung, Verunreinigung durch Schwer-
metalle und Überfischung stark verschlechtert. Donau,
Dnjepr, Dnjestr und der Südliche Bug tragen entscheidend
zur Verschmutzung des Schwarzen Meeres bei. Sie
fließen durch 17 Staaten mit 160 Millionen Einwohnern
und tragen Unmengen anthropogener umweltschädlicher
Stoffe ins Schwarze Meer. Allein die Donau ist für 80 Pro-
zent der Verschmutzung durch Phosphate, Nitrate und an-
dere chemische und toxische Substanzen verantwortlich.
Die wirtschaftliche Situation der Anrainer Bulgarien,
Rumänien, Ukraine, Russland, Georgien und Türkei er-
schwert eine ausreichende Forschungstätigkeit und Be-
standsbewirtschaftung. Die Schwarzmeerkooperation,
BSEC, hat die Europäische Union aufgefordert, im Hin-
blick auf eine Verbesserung der Meeresumweltsituation
die Zusammenarbeit mit ihr zu verstärken. Die Anrainer-
staaten wünschen vor allem eine Zusammenarbeit im Be-
reich der umweltverträglichen Entwicklung auf regionaler
und kommunaler Ebene. Diesem Kooperationsersuchen
sollte so bald und so umfassend wie möglich nachgekom-
men werden, denn die Aufgaben für den Meeresumwelt-
schutz können nur international und gemeinsam erfüllt
werden. Und: Wir müssen unsere Umwelt und unsere Na-
turschätze in Ansehung der Interessen der zukünftigen
Generationen nutzen. Wir können uns nicht darauf ver-
lassen, dass die Umwelt und die Meere sich ohne unser
Zutun regenerieren bzw. erneuern.
Meine Damen und Herren, angesichts der vielfältigen Be-
drohungen der Meere sind klare Zielformulierungen und
Strategien zur Erhaltung der Meeresumwelt nötig. Kon-
kret bedeutet das Folgendes:
Der Erhalt der marinen Artenvielfalt und die Auswirkun-
gen der Fischerei auf Meerestiere und Lebensräume müs-
sen stärker als bisher berücksichtigt werden.
Die Zusammenarbeit mit Berufsverbänden und Umwelt-
organisationen sollte verstärkt werden, denn deren Politik
gestaltende Rolle wird immer wichtiger.
Die verschiedenen Übereinkommen und Institutionen
müssen besser koordiniert werden.
Es müssen verbindliche Übereinkommen über die nach-
haltige Nutzung bzw. Bewirtschaftung lebender Mee-
resressourcen geschaffen werden.* Im Auftrag des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41 – Drucksache 14/9978

Es muss Kontrollmechanismen zur Reduzierung des Bei-
fangs geben, und die einschlägigen einzelstaatlichen
Maßnahmen müssen besser koordiniert, Sanktionen und
die Verfolgung von Verstößen stärker vereinheitlicht und
die jeweiligen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten klarer
definiert werden.
Darüber hinaus müssen die Rechtsfolgen aus vorhandenen
Rechtsinstrumenten wirksamer, das heißt abschreckender
sein.
Schließlich muss die Produkttransparenz verstärkt wer-
den, damit der Verbraucher erkennen kann, ob er ökolo-
gisch unbedenklichen Fisch kauft.
Die übergeordneten Ziele dieser Maßnahmen sind die Re-
duzierung der Schadstoffeinträge, ein Ende der Über-
fischung, der Beifänge und der Industriefischerei. Der
Übergang zu einer ökologisch verantwortungsvollen, um-
weltschonenden Fischerei ist dringend erforderlich.
Kolleginnen und Kollegen, nach internationalem See-
recht ist es nicht möglich, verbindliche Verbote und Sank-
tionen durchzusetzen. Daher müssen so viele Staaten wie
möglich dafür gewonnen werden, multilateralen Verein-
barungen beizutreten und internationale Maßnahmen zur
Bestandsbewirtschaftung und zum Schutz der Meeresum-
welt zu ergreifen. Hier ist der Europarat mit seinen nun-
mehr 44 Mitgliedstaaten aufgefordert, insbesondere auf
die Fischfangnationen in seiner Mitte in diesem Sinne ein-
zuwirken. Ich hoffe, dass der vorliegende Bericht dazu ei-
nen Beitrag leisten kann oder zumindest eine Diskus-
sionsgrundlage dafür bilden wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Entschl ießung 1282 (2002)*
betr.: Forstwirtschaft in Kanada und

Zusammenarbeit mit Europa
(Drucksache 9289)

1. Die weltweite Waldfläche wird auf etwa 4 Milliar-
den Hektar geschätzt, womit die Wälder etwa ein
Drittel der Landmasse des Planeten bedecken. In der
Vergangenheit wurden sie in erster Linie geschätzt
wegen des Holzes und der Nichtholzprodukte, aber
mittlerweile werden sie als eine natürliche Res-
source gesehen, die neben anderen Dingen eine ent-
scheidende ökologische Funktion besitzt. Es ist da-
her ganz wichtig, diese Bestände insgesamt zu
erhalten und sicherzustellen, dass ihre wichtige wirt-
schaftliche und soziale Rolle nicht geschwächt wird.
Eine vernünftige Bewirtschaftung unserer Wälder
ist eine der größten Herausforderungen, denen sich
unsere Gesellschaften gegenübersieht.

2. Mit 410 Millionen Hektar Wald, die die Hälfte sei-
nes Landes bedecken, besitzt Kanada 10% des welt-

weiten Waldbestandes. Europa dagegen besitzt ein
Drittel der weltweiten Waldfläche, wovon sich (etwa
80%) in Russland befindet. Russland allein hat 23%
des weltweiten Waldbestandes.

3. Im Jahre 1992 haben Kanada und die Mitgliedstaa-
ten des Europarates und der Europäischen Union auf
der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt
und Entwicklung die Erklärung von Rio und die
Agenda 21 verabschiedet und das Übereinkommen
über die biologische Vielfalt und das Rahmenüber-
einkommen über Klimaänderungen unterzeichnet
und sich damit zu einer Erklärung über Waldprinzi-
pien bekannt und die Notwendigkeit anerkannt, eine
nachhaltige Forstwirtschaft sicherzustellen.

4. Die Parlamentarische Versammlung weist darauf
hin, dass eine nachhaltige Forstwirtschaft bedeutet,
die biologische Vielfalt der Wälder und ihre Pro-
duktivität zu erhalten sowie ihre Fähigkeit, ihre ver-
schiedenen Funktionen auszuüben, ohne andere
Ökosysteme zu stören.

5. Es ist ebenfalls wichtig, mögliche Auswirkungen der
Klimaänderungen auf die Ökosysteme der Wälder
zu berücksichtigen und die Rolle, die Letztere bei
der Umsetzung von Politiken in diesem Bereich
spielen können.

6. Die Versammlung ist erfreut darüber, dass infolge
der Einladung und Gastfreundschaft der kanadi-
schen Regierung und des Empfangs durch das Bun-
desparlament und die Behörden der Provinzen Bri-
tish Columbia, Ontario und Quebec eine Delegation
des Ausschusses für Umwelt, Raumordnung und
Kommunalfragen1 im September 1999 Kanada be-
suchen konnte, um sich vor Ort über die Situation zu
informieren und die verschiedenen an der kanadi-
schen Forstwirtschaftspolitik beteiligten Seiten tref-
fen zu können.

7. Die Delegation der Versammlung war in der Lage,
sich ein Bild zu verschaffen über die Rolle, welche
die Nutzung der Wälder in der kanadischen Wirt-
schaft spielt und welchen Stellenwert sie für die In-
dustrie, die Bürgergesellschaft und andere beteiligte
Parteien hat.

8. Die Versammlung begrüßt es, dass nach 1992 alle
betroffenen Seiten (Regierungen, Industrie, örtliche
Dorfgemeinschaften, Gemeinden, Bürgergesellschaf-
ten usw.) bei zwei verschiedenen Anlässen das ka-
nadische Forstgesetz unterzeichnet haben, in dem
sie sich darauf verständigten, dazu beizutragen, die
nationale Forststrategie umzusetzen. Diese Strate-
gie, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren er-
streckt, spiegelt Kanadas Bekenntnis für eine nach-
haltige Bewirtschaftung seiner Wälder wider ebenso
wie seinen Wunsch, Zusammenarbeit und Dialog
mit sowohl den Partnern auf Regierungs- als auch
auf Nichtregierungsseite herbeizuführen.

* Debatte der Versammlung am 25. April 2002 (15. Sitzung). Siehe
Dok. 9289, Bericht des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft
(Berichterstatter: Herr Martinez Casañ). Von der Versammlung ver-
abschiedeter Text am 25. April 2002 (15. Sitzung). 1 Jetzt der Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft.

Drucksache 14/9978 – 42 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

9. Die Versammlung ist auch besonders besorgt über
die Lage der indigenen Völker in Kanada und ist sich
der Bedeutung bewusst, welche Vertreter der Urein-
wohner auf den Wald legen, welcher oft eine Schlüs-
selrolle in ihrem gesellschaftlichen, kulturellen und
wirtschaftlichen Leben spielt.

10. Daher begrüßt sie das zunehmende Engagement und
die Entschlossenheit der kanadischen Behörden
– sowohl auf Bundes- als auch auf Provinzebene –
die indigenen Völker enger in die Bewirtschaftung
der natürlichen Ressourcen mit einzubeziehen,
wofür ihnen mittlerweile eine gewisse Zuständigkeit
übertragen wurde. Sie begrüßt insbesondere die Ent-
scheidung, Fortbildungskurse für diese Völker ein-
zurichten, die das Ziel verfolgen, sie in die Lage zu
versetzen, sich mit jedem Aspekt der Forstwirtschaft
auseinander zu setzen.

11. Die Versammlung stellt ferner das wachsende Inte-
resse fest, welches die Bürgergesellschaft generell
und Umweltgruppen insbesondere an der Forstwirt-
schaft haben. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit
informiert und – soweit möglich – an der Bewirt-
schaftung der natürlichen Ressourcen beteiligt wird.
Daher begrüßt sie die in diese Richtung gehenden
Schritte durch die Bundesregierung und einige Pro-
vinzen.

12. Ferner hat sich Kanada in der Auffassung, dass die
Zukunft der Wälder und der von ihnen abhängigen
Gemeinden in einer zunehmenden internationalen
Zusammenarbeit liegt, entschlossen, eine aktive
Rolle bei der Gestaltung internationaler die Wälder
betreffender Übereinkommen zu übernehmen, wie
z.B. die Rahmenkonvention über Klimaänderungen
und das Übereinkommen über die biologische Viel-
falt.

13. Schon auf der Konferenz in Rio im Jahre 1992 hat
Kanada auf die Notwendigkeit hingewiesen, Nor-
men und Indikatoren festzulegen, die es ermög-
lichen, zu einer gemeinsamen Definition einer nach-
haltigen Forstwirtschaft zu gelangen und die
Umsetzung nachhaltiger Bewirtschaftungspolitiken
zu beurteilen. Seitdem hat Kanada eine aktive Rolle
beim Prozess von Montreal übernommen, der Ver-
treter verschiedener nichteuropäischer Staaten zu-
sammenbringt, die in dieser Frage zusammenarbei-
ten wollen.

14. Die Versammlung begrüßt dies, denn sie ist über-
zeugt, dass jede erfolgreiche Forstwirtschaftspolitik
auf der Grundlage von Kriterien erarbeitet werden
muss, die sich aus verlässlichen und umfassenden
Daten ableiten. Sie ist ebenfalls der Auffassung, dass
die bereits auf verschiedenen Ebenen in Europa ein-
geleiteten Diskussionen besonders wertvoll sind und
dass diese Arbeit möglicherweise Ausgangspunkt
für ein Rechtsinstrument sein kann, welches das Ziel
verfolgen würde, eine Reihe von Bedingungen fest-
zulegen, die erforderlich sind, um eine nachhaltige
Forstwirtschaft sicherzustellen.

15. Die Versammlung ist ebenfalls erfreut darüber, das
sich Kanada an der internationalen Zusammenarbeit
über technologische Forschung und Entwicklung in
diesem Bereich beteiligt. Fortschritte in der For-
schung, Information und Kommunikation sind ein
wesentlicher Faktor für die Verbesserung einer nach-
haltigen Ressourcenbewirtschaftung und Verfahren
zur Bekämpfung von Gefahren für die Wälder, wie
Feuer, Krankheit, Schädlinge oder in der Tat unsach-
gemäße Praktiken.

16. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Kanada
und die Mitgliedstaaten des Europarates zusammen-
genommen etwa 40% der weltweiten Waldbestände
besitzen und dass es viele Ähnlichkeiten zwischen
der Lage der kanadischen und der russischen Wälder
gibt, insbesondere hinsichtlich ihrer Struktur, ihrer
Art und Zusammensetzung, hält die Versammlung
es für wichtig, die Zusammenarbeit – insbesondere
auf parlamentarischer Ebene – in diesem Bereich
über Fragen von speziellem Interesse für die ver-
schiedenen beteiligten Parteien zu fördern.

17. Im Lichte der vorgenannten Tatsachen:
i. ermutigt die Versammlung Kanada, seine An-

strengungen zur Festlegung einer nachhaltigen
Forstwirtschaftspolitik, die zu einem umfas-
senden Dialog mit allen beteiligten Gruppen
führt, fortzuführen und gleichzeitig positiv auf
alle Forderungen nach einem verstärkten Dia-
log mit den Ortsgemeinden, der Bürgergesell-
schaft und den Nichtregierungsorganisationen
einzugehen;

ii. fordert die Versammlung daher, dass Kanada
die von der Öffentlichkeit zum Ausdruck ge-
brachten Besorgnisse hinsichtlich forstwirt-
schaftlicher Verfahren in bestimmten Regionen
berücksichtigt und sich mit der Möglichkeit
auseinander setzt, die Zahl der geschützten Ge-
biete zu erhöhen, um ein unwiederbringliches
Erbe zu erhalten;

iii. betont die Versammlung, dass Kanada einer-
seits verpflichtet ist, die wirtschaftliche Rolle
seiner Wälder sicherzustellen, jedoch anderer-
seits auch von allen forstwirtschaftlichen Ver-
fahren Abstand nehmen muss, die das Überle-
ben sensibler Umweltbereiche oder den
Fortbestand von Wäldern, die ein wichtiges
kulturelles und ökologisches Erbe darstellen,
bedrohen könnten;

iv. fordert die Versammlung Kanada auf, seine ent-
scheidende Rolle bei der internationalen Zusam-
menarbeit in diesem Bereich weiter wahrzuneh-
men und weiter auszubauen, indem es weiterhin
seinen Sachverstand und seine Erkenntnisse an-
deren Ländern zur Verfügung stellt;

v. vertritt die Versammlung die Auffassung, dass
es besonders wertvoll wäre, Kooperationspro-
jekte zwischen Kanada und den Mitgliedstaa-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 43 – Drucksache 14/9978

ten des Europarates, die wie Russland ein ähn-
liches Walderbe besitzen, zu entwickeln;

vi. weist die Versammlung darauf hin, dass es be-
sonders wichtig ist, die Forschung zu verstär-
ken und Kenntnisse und Erfahrungen hinsicht-
lich wesentlicher Probleme wie Waldbrände,
Krankheiten und Schädlinge zu teilen;

vii. fordert die Versammlung Kanada und die Mit-
gliedstaaten des Europarates auf, sich hinsicht-
lich der Festlegung von Normen und Indikato-
ren untereinander abzusprechen und weiterhin
die von Kanada seit 1992 und von der Europä-
ischen Union vertretene Haltung zu unterstüt-
zen, die sich für ein internationales Überein-
kommen über die Wälder einsetzen, in welchem
gemeinsame Forstwirtschaftsprinzipien festge-
legt werden, aber auch die Vielfalt der Wälder
gewahrt wird;

viii. fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten des
Europarates auf sicherzustellen, dass ihre natio-
nalen oder subnationalen Forstprogramme mit
den auf der Konferenz in Rio im Jahre 1992 ver-
abschiedeten forstwirtschaftlichen Prinzipien im
Einklang stehen. Diese Programme sind wesent-
liche Instrumente für die Umsetzung von Be-
schlüssen, die von den Mitgliedstaaten im Rah-
men internationaler Übereinkommen ergriffen
wurden, z.B. über Klimaänderung, biologische
Vielfalt und Wüstenbildung;

ix. fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten
des Europarates auf, die erforderlichen steuer-
lichen Maßnahmen einzuleiten, um in diesem
Bereich Anreize zu geben für neue Investoren,
von welchen – damit sie berücksichtigt werden
können – gefordert würde, Verpflichtungen
einzugehen hinsichtlich einer nachhaltigen Be-
wirtschaftung;

x. im gleichen Geiste ermutigt die Versammlung
die Mitgliedstaaten, den Forstsektor weiterzu-
entwickeln, insbesondere die Nutzung von
Forstprodukten für Energiezwecke, durch Ver-
abschiedung von Maßnahmen wie eine vo-
rübergehende Befreiung von Beiträgen zur
Sozialversicherung für Jungunternehmer oder
– soweit angebracht – die Erhebung einer ver-
ringerten MWSt für Produkte aus diesem Sek-
tor, die für Energiezwecke bestimmt sind;

xi. empfiehlt die Versammlung den Mitgliedstaa-
ten des Europarates den Papierverbrauch ihrer
Verwaltungs- und Regierungsstellen im Auge
zu behalten und dabei den verschwenderischen
Umgang mit Holzprodukten zu vermeiden;

xii. weist die Versammlung darauf hin, dass inner-
halb der Europäischen Union die Forstwirtschaft
zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten
fällt, jedoch viele der als Teil bestehender ge-
meinsamer Maßnahmen durchgeführte Akti-
vitäten wichtige Auswirkungen auf die Wälder

haben. Die Europäische Union kann daher ei-
nen wesentlichen Beitrag in dieser Hinsicht
leisten, insbesondere bei der Festlegung von
Normen und Indikatoren für eine nachhaltige
Bewirtschaftung der europäischen Wälder und
bei der Ausarbeitung eines Rechtsinstrumentes
zu diesem Thema;

xiii. ermutigt die Versammlung die Mitgliedstaaten
des Europarates, die dies noch nicht getan ha-
ben, sich dem forstlichen Zertifizierungssystem
des Pan-Europäischen Forstzertifizierungsrates
(PEFC) anzuschließen;

xiv. möchte die Versammlung zur parlamentarischen
Zusammenarbeit in diesem Bereich beitragen,
indem sie Treffen über spezielle Themen mit den
betroffenen nationalen Parlamenten organisiert.

Empfehlung 1558 (2002)*
betr.: Fischerei in halbumschlossenen Meeren

(Drucksache 9373)
1. Die Versammlung ist besorgt angesichts der Gefahr

der Zerstörung des äußerst fragilen Ökosystems halb-
umschlossener Meere wie Ostsee, Mittelmeer und
Schwarzes Meer sowie angesichts der Gefahr einer
Überfischung und einer marinen Verschmutzung für
die Fischbestände und somit für den gesamten Fi-
schereisektor.

2. Die Versammlung verweist auf folgende einschlä-
gige Rechtsinstrumente:
– Übereinkommen zur Verhütung der Meeresver-

schmutzung durch das Einbringen von Abfällen
durch Schiffe (Oslo-Übereinkommen);

– Übereinkommen über die Meeresverschmut-
zung durch das Einbringen von Abfällen und an-
deren Stoffen (London-Übereinkommen);

– Übereinkommen über den Schutz der Mee-
resumwelt der Ostsee (Helsinki-Übereinkom-
men);

– Übereinkommen zur Verhütung der Meeresver-
schmutzung vom Lande aus (Paris-Übereinkom-
men);

– Seerechtsübereinkommen der Vereinten Natio-
nen;

– Übereinkommen über den internationalen Han-
del mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und
Pflanzen (Washingtoner Übereinkommen);

– Übereinkommen zum Schutz des Mittelmeers vor
Verschmutzung (Barcelona-Übereinkommen).

* Debatte der Versammlung am 25. April 2002 (15. Sitzung). Siehe
Dok. 9373, Bericht des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft
(Berichterstatter: Herr Behrendt). Von der Versammlung verabschie-
deter Text am 25. April 2002 (15. Sitzung).

Drucksache 14/9978 – 44 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Die europäische Fischereiflotte umfasst heute mehr
als 100 000 Fahrzeuge. Mehr als 200 000 Menschen
sind direkt in der Fischerei beschäftigt. Die intensive
Fischerei hat zur Überfischung geführt und das Ver-
hältnis der Arten untereinander drastisch verändert.
Die Auseinandersetzungen um Fischereiquoten in
der EU sind warnende Beispiele für die in Zukunft
zu erwartenden Verteilungskämpfe um die immer
weiter schrumpfenden Fischbestände.

4. Die Fischereitätigkeit und der Zustand der marinen
Ökosysteme sind sehr eng miteinander verknüpft.
Eine zu starke oder nicht angemessene Befischung
kann diese Ökosysteme ernsthaft beschädigen und
das biologische Gleichgewicht nachhaltig beein-
trächtigen. Zur Erhaltung der marinen Artenvielfalt
ist es daher erforderlich, die Auswirkungen der Fi-
scherei auf Meerestiere und marine Lebensräume
stärker zu berücksichtigen.

5. Angesichts der Bevölkerungszunahme in den Küs-
tengebieten, des Wachstums industrieller Produktion
und der steigenden regionalen Umweltbelastung in
den Einzugsgebieten ist mit weit reichenden und teil-
weise irreversiblen Schädigungen zu rechnen, sollten
nicht umgehend Maßnahmen zum Schutz der Meere
auf internationaler Ebene ergriffen werden.

6. Vor diesem Hintergrund fordert die Versammlung
eine verstärkte Zusammenarbeit, vor allem zwi-
schen den politischen Entscheidungsträgern und den
Wirtschaftsbeteiligten, und eine entsprechende Ko-
ordinierung der Maßnahmen in diesem Bereich mit
dem Ziel, sowohl die Fischbestände als auch die ma-
rine Umwelt nachhaltig zu schützen.

7. Daher empfiehlt die Versammlung dem Ministerko-
mitee, die Mitgliedstaaten dazu aufzufordern,
i. sich aktiv für eine Koordinierung der verschie-

denen nationalen Forschungsprogramme ein-
zusetzen mit dem Ziel, die unterschiedlichen
Methoden der Meeresforschung zu harmo-
nisieren, um eine Vergleichbarkeit der empi-
rischen Ergebnisse und eine entsprechende
kompatible Ursachenforschung weltweit zu
gewährleisten;

ii. dafür Sorge zu tragen, dass Regelungen zu zeit-
lichen und örtlichen Begrenzungen der Fische-
reitätigkeit getroffen werden, um bestimmte
Fischarten zu schützen (Einrichtung von
Schutzzonen);

iii. Maßnahmen zu ergreifen für eine Reduzierung
der Beifänge in der Schleppnetzfischerei sowie
eine Festlegung der Mindestanlandegröße, um
sicherzustellen, dass eine ausreichende Anzahl
von Elternfischen heranwächst und um die
Größe und die Gesundheit der Bestände nicht
zu gefährden;

iv. sich für ein Verbot des Fischfangs ausschließ-
lich zum Zwecke der Verarbeitung zu Fisch-
mehl oder Fischöl einzusetzen;

v. ihre Flottenkapazitäten an die Fangmöglich-
keiten anzupassen und so einen Beitrag zu leis-
ten zum Wiederaufbau eines Teils der Bestände
und einer Nutzung auf hohem Niveau;

vi. die Entwicklung wirtschaftlicher Aktivitäten in
den Gebieten zu fördern, die im Besonderen
von den Auswirkungen der Probleme der Fi-
scherei betroffen sind, insbesondere auf dem
Wege über Strategien für eine nachhaltige Nut-
zung der lebenden Meeresressourcen unter
Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse
und Interessen der kleingewerblichen hand-
werklichen Fischerei und örtlichen Gemein-
schaften;

vii. die Rechtsfolgen der Beeinträchtigung der
Meeresumwelt durch Seetransport, Entsor-
gung von Schadstoffen über die Luft oder
durch Flüsse und die Verbringung von Abfällen
auf hoher See (Dumping) im Einklang mit den
Bestimmungen der Seerechtskonvention der
Vereinten Nationen zu verschärfen und eine
Halterhaftung einzuführen;

viii. diese Maßnahmen in nachhaltig wirksame
Schritte zur Verbesserung des marinen Um-
weltschutzes einzubetten, z. B. durch die Be-
rechnung der maximal möglichen Entnahme-
mengen (Total Allowable Catch, TAC’s) für
genutzte Fischbestände und ihre laufende An-
passung an biologische Gegebenheiten;

ix. Maßnahmen zu ergreifen mit dem Ziel, das Be-
wusstsein der Verbraucher für die Gefährdung
der Verfügbarkeit von Fisch als Lebensmittel
zu schärfen, z. B. durch Kenntlichmachung des
Fanggebiets und der Fangmethode bei ver-
packter Ware;

x. den Verhaltenskodex für eine verantwortungs-
volle Fischerei (FAO 1995) umzusetzen, ins-
besondere das Vorsorgeprinzip für die Fische-
reipolitik, die damit verbundenen Aktionspläne
sowie das Übereinkommen zur Förderung der
Einhaltung internationaler Erhaltungs- und Be-
wirtschaftungsmaßnahmen durch Fischerei-
fahrzeuge auf Hoher See;

xi. Strategien festzulegen, Maßnahmen zu ergrei-
fen, Daten zu sammeln und Techniken zu ent-
wickeln, die der Verringerung von Beifängen
und Rückwürfen dienen. Diese Zielsetzungen
sollten insbesondere im Rahmen einschlägiger
internationaler, regionaler und subregionaler
Organisationen, vor allem der Europäischen
Union oder der FAO, oder multilateraler Über-
einkommen verfolgt werden;

xii. sich aktiv für die Überwachung der vorge-
nannten Maßnahmen einzusetzen, z. B. über
die Verhängung von Moratorien für den Fang
gefährdeter und stark dezimierter Fischbe-
stände.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 45 – Drucksache 14/9978

Entschl ießung 1283 (2002)*
betr.: Erhaltung und Bewirtschaftung von

Fischbeständen
(Drucksache 9383)

1. Die Fischressourcen nehmen ab, und die Bestände
von immer mehr Arten haben sich alarmierend ver-
ringert. Es sind dringend einschneidende Maßnah-
men erforderlich, um die Fangmengen zu beschrän-
ken und die Fischereitätigkeit zu verringern, damit
die Ressourcen geschützt werden, die Bestände sich
erholen können und die Zukunft des Fischereisek-
tors gesichert werden kann.

2. Deshalb muss mit allen möglichen Mitteln versucht
werden, sowohl der Überfischung als auch den
Überkapazitäten in der Fischereiwirtschaft ein Ende
zu setzen. Die Fangmengen müssen verringert, die
Fangzonen oder Fangzeiten begrenzt, die techni-
schen Vorschriften für die Fischereifahrzeuge und
die Fangmethoden verschärft, Beifänge und Rück-
würfe vermieden, die Aquakulturaktivitäten ausge-
baut, die Kontroll- und Strafmaßnahmen ausgewei-
tet und die Fischer dazu angehalten werden, sich
(um)schulen zu lassen.

3. Sozioökonomische, technologische und institutio-
nelle Veränderungen führen zu stärkerem Wettbe-
werb mit der Gefahr zunehmender Überfischung.
Bei Lageanalysen ist im Umweltbereich wie auch
bei sozialen und wirtschaftlichen Fragen dem Kon-
zept der nachhaltigen Entwicklung Rechnung zu
tragen. Bei einer Betrachtung der Zukunft der Fische-
reiwirtschaft sind die biologische Dimension (Regu-
lierung übermäßiger Fangtätigkeit), institutionelle
Fragen (Festlegung der Zugangs- und Fischerei-
rechte) und wirtschaftliche Angelegenheiten (Flot-
tenspezialisierung und Handelsliberalisierung) zu
berücksichtigen.

4. Einige wichtige Tatsachen dürfen nicht außer Acht
gelassen werden. Zwei Drittel der Weltbevölkerung
leben nicht weiter als 60 Kilometer von einer Küste
entfernt. 80 Prozent der biologischen Ressourcen
des Meeres konzentrieren sich auf den Festland-
sockel. Arbeitsplätze und Einkommen von 30 Milli-
onen Menschen hängen vom Fischfang ab. Fisch
deckt 17 Prozent des menschlichen Eiweißkonsums,
während gleichzeitig sowohl die Weltbevölkerung
als auch der Nahrungsmittelbedarf zunehmen und
das Nutzungspotenzial der Fischbestände mittler-
weile (mit 80 Millionen Tonnen pro Jahr) ausge-
schöpft ist.

5. Die Versammlung verweist außerdem auf das See-
rechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das

bisher von 30 Mitgliedstaaten des Europarates rati-
fiziert wurde und nach dem „der Schutz und die Be-
wahrung der Meeresumwelt“ und „die Erhaltung ih-
rer lebenden Ressourcen“ Verpflichtungen darstellen
sowie ferner auf das mit diesem verbundene Über-
einkommen über die Erhaltung und Bewirtschaftung
gebietsübergreifender Fischbestände und weit wan-
dernder Fischbestände.

6. Die zuständigen internationalen Organisationen ha-
ben bekannt gegeben, dass sie für eine verbesserte
Bewirtschaftung und bessere Überwachung der Fi-
schereitätigkeit eintreten, wobei die OECD an Fra-
gen des nachhaltigen und verantwortungsvollen
Fischfangs arbeitet, die FAO einen Verhaltenskodex
für verantwortungsvolle Fischerei und damit zusam-
menhängende internationale Aktionspläne sowie
das Übereinkommen zur Förderung der Einhaltung
internationaler Erhaltungs- und Bewirtschaftungs-
maßnahmen durch Fischereifahrzeuge auf Hoher
See erstellt, die Europäische Union über ihre Ge-
meinsame Fischereipolitik verfügt usw.

7. Die Versammlung begrüßt den mit der Einführung
der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) verbunde-
nen Fortschritt, merkt jedoch an, dass einige bedeut-
same Probleme nicht gelöst worden sind, so z. B. die
Erhaltung und optimale Bewirtschaftung der Res-
sourcen. Sie unterstützt außerdem die Analysen und
Vorschläge in dem Grünbuch über die Zukunft der
Gemeinsamen Fischereipolitik, die nach breit ange-
legten Konsultationen zu einer Reform der GFP
führen sollen.

8. Die Versammlung selbst hat ihre Ansichten zu diesen
Fragen bereits in den Entschließungen 1091 (1996)
zur Fischereibewirtschaftungspolitik, 1170 (1998)
über die nachhaltige Nutzung lebender Meeresres-
sourcen und 1208 (1999) über die Herausforderun-
gen, die Vorteile und die Entwicklung der extensiven
Aquakultur vorgetragen.

9. Die Versammlung unterstützt die Schlussfolgerun-
gen der FAO-Konferenz über verantwortungsvolle
Fischerei im marinen Ökosystem (1. bis 4. Oktober
2001 in Reykjavik). Sie erkennt außerdem die
Wechselwirkung zwischen den marinen Ökosyste-
men und der Fischerei an, die ein integriertes Vorge-
hen erforderlich macht, um zu einer nachhaltigen
Ressourcenbewirtschaftung zu gelangen. Ebenso er-
kennt sie die Notwendigkeit an, bei der Erhaltung,
Bewirtschaftung und Nutzung der lebenden Gewäs-
serressourcen nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln.

10. Die Versammlung bittet die Mitgliedstaaten deshalb
um folgende Maßnahmen:
i. Unterzeichnung und/oder Ratifizierung des

Seerechtsübereinkommens der Vereinten Na-
tionen (1982) und des Übereinkommens über
die Erhaltung und Bewirtschaftung gebiets-
übergreifender Fischbestände und weit wan-
dernder Fischbestände (1995);

* Debatte der Versammlung am 25. April 2002 (15. Sitzung). Siehe
Dok. 9383, Bericht des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft
(Berichterstatter: Herr Agius). Von der Versammlung verabschiede-
ter Text am 25. April 2002 (15. Sitzung).

Drucksache 14/9978 – 46 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ii. Anwendung des Verhaltenskodexes für verant-
wortungsvolle Fischerei (FAO, 1995) und der
damit verbundenen internationalen Aktions-
pläne und Beitritt zu dem Übereinkommen zur
Förderung der Einhaltung internationaler Erhal-
tungs- und Bewirtschaftungsmaßnahmen durch
Fischereifahrzeuge auf Hoher See (FAO, 1993);

iii. Umsetzung der Schlusserklärung der FAO-
Konferenz über verantwortungsvolle Fischerei
im marinen Ökosystem (1. bis 4. Oktober 2001
in Reykjavik) und insbesondere Treffen von
Entscheidungen zur Förderung der „verant-
wortungsvollen Fischerei und nachhaltigen
Nutzung mariner Ökosysteme“;

iv. Ausbau der internationalen Zusammenarbeit
zwischen den Staaten undmit regionalen Fische-
reiorganisationen, um auf diese Weise das Fi-
schereimanagement zu verbessern und die Res-
sourcen sowie dieMeeresumwelt zu bewahren;

v. Minimierung der Beifänge und Rückwürfe und
Ergreifen von Maßnahmen, um sicherzustel-
len, dass diese Fangmengen angelandet und er-
fasst werden, sodass diese Ressourcen genutzt
werden und bessere Daten über die tatsächli-
chen Fischereiaktivitäten vorliegen;

vi. Erstellung wissenschaftlicher Studien und Sta-
tistiken, vor allem über die gefährdeten Meere
oder Arten, damit Daten zur Verfügung stehen,
auf deren Grundlage eine angemessene und ef-
fektive Bewirtschaftungspolitik beschlossen
werden kann;

vii. Erarbeitung von Indikatoren der nachhaltigen
Entwicklung der Fischerei, aus denen alle ökolo-
gischen Prozesse, die Grenzen des Ökosystems,
die Ressourcen und Aktivitäten der Fischerei-
wirtschaft usw. hervorgehen, und zwar auf der
Grundlage der zu erreichenden Ziele (Bezugs-
punkte: Ziele) oder der nicht zu überschreitenden
Obergrenzen (Bezugspunkte: Obergrenzen);

viii. Erstellung neuer Wachstums- und Entwick-
lungsmodelle für die Fischerei, die den Kon-
zepten der nachhaltigen Entwicklung, des
verantwortungsvollen Fischfangs und des Vor-
sorgeprinzips entsprechen;

ix. Anordnung strenger Grenzen für den Fang
überfischter Arten oder sogar einer Aussetzung
der Fangtätigkeit und Verhängung eines Fang-
verbots für Jungfische, damit die Bestände sich
wieder erholen können und die Fischereitätig-
keit langfristig aufrechterhalten werden kann;

x. Verkleinerung der Flotten und Begrenzung der
Fangzonen der Fahrzeuge, der Fangperioden
oder der Fangzeiten, um zu einer Einschrän-
kung der Fischereitätigkeit beizutragen;

xi. Verschärfung der technischen Anforderungen
an die Fahrzeuge (Einschränkung der Leistung,

Tonnage und Größe) und Förderung selektiver
Fangmethoden und Fanggeräte;

xii. Entwicklung der Aquakultur, um die Nutzung
der natürlichen Ressourcen zu ergänzen und
die gestiegene Nachfrage zu decken;

xiii. Erhöhung der Zahl der Kontrollen und Über-
wachungsmittel und Verschärfung der zu ver-
hängenden Strafen, um deren Abschreckungs-
wirkung zu steigern und die Fischer und ihre
Berufsverbände zu verantwortungsvollerem
Handeln zu veranlassen;

xiv. Verbot der mit dem Ziel der Umgehung einzel-
staatlicher oder europäischer Bestimmungen
vorgenommen Verlagerung der Fischereitätig-
keit oder Verlegung von Fangflotten in Dritt-
staaten;

xv. Regulierung der Zugangs- und Fischereirechte
und Aushandelung von Fischereiabkommen
auf der Grundlage der Prinzipien der Verant-
wortlichkeit und der Nachhaltigkeit der ent-
sprechenden Fischgründe unter vorrangiger
Berücksichtigung des Zustands der Bestände
statt von Marktkriterien;

xvi. Förderung der (Um)Schulung von Fischern,
unter anderem zur Nutzung ihrer Kenntnisse
für die Erfassung statistischer Daten oder die
Überwachung des Fischfangs;

xvii. Erhöhung der Stilllegungsprämien für Fische-
reifahrzeuge und der Rentenzahlungen an
Fischer, bis ein Gleichgewicht zwischen der
Fischereitätigkeit und den vorhandenen Be-
ständen erreicht ist;

xviii.Verbesserung der internationalen Zusammenar-
beit, insbesondere zur Bestrafung des illegalen
Fischfangs und gesetzwidriger Fangmethoden,
einschließlich der Verwendung von Billigflag-
gen, unter anderem durch Anwendung des In-
ternationalen Aktionsplans zur Verhütung, Ab-
schreckung und Unterbindung des illegalen,
nicht angemeldeten und unregulierten Fisch-
fangs (FAO, 2001);

xix. Stärkung der Rolle regionaler Fischereiorgani-
sationen und Annahme eines regionalen Ansat-
zes für das Fischereimanagement;

xx. Sicherstellung der Vereinbarkeit der zur Erhal-
tung der Fischbestände und zum Schutz der ma-
rinen Ökosysteme ergriffenen Maßnahmen mit
der den Fischereisektor betreffenden Raumord-
nungs-, Wirtschafts- oder Sozialpolitik;

xxi. Einbeziehung der Berufsverbände der Fischer,
der Fischereiwirtschaft und der Forschung in die
Ausarbeitung fischereipolitischer Maßnahmen.

11. Die Versammlung bittet die Europäische Kommis-
sion,
i. diese Vorschläge in die neuen gemeinschaftli-

chen Bestimmungen und die Reformen der

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47 – Drucksache 14/9978

GFP sowie in die entsprechenden Finanzin-
strumente einzubeziehen, darunter auch das Fi-
nanzinstrument für die Ausrichtung der Fi-
scherei (FIAF);

ii. die soziale, wirtschaftliche und ökologische
Dimension der Gemeinsamen Fischereipolitik
zu stärken, um zu einer nachhaltigen Entwick-
lung der Ökosysteme, der Fischbestände und
des Fischereisektors zu gelangen;

iii. den Grundsätzen der Lebensmittelsicherheit
und der Verbraucherinformation im Hinblick
auf Fischereiprodukte Beachtung zu schenken,
dazu Normen und Qualitätskontrollen festzule-
gen und ferner alle nützlichen Informationen
über die Herkunft der Fische und die verwen-
deten Fang- oder Verpackungsmethoden zu ge-
währleisten;

iv. die neue GFP insbesondere durch Einbeziehung
der Umwelt-, Nahrungsmittel-, Raumord-
nungs-, Wirtschafts- und Sozialaspekte auf die
Grundsätze des Grünbuchs über die Zukunft
der Gemeinsamen Fischereipolitik zu stützen
und ihre Fähigkeiten auf den Gebieten Überwa-
chung und Bestrafung ohne Vernachlässigung
der internationalen Dimension zu steigern;

v. der Lage im Mittelmeer besondere Beachtung
zu schenken und dieses verstärkt in die GFP
einzubeziehen, die Rolle der Allgemeinen Fi-
schereikommission für das Mittelmeer zu stär-
ken und wissenschaftliche Untersuchungen
über die Bestandssituation zu fördern.

12. Sie unterstützt den Vorschlag der Europäischen
Kommission, Treibnetze international zu verbieten,
wenn es um weit wandernde Arten geht.

13. Die Versammlung fordert die FAO auf, ihre Arbeiten
an der Umsetzung des Verhaltenskodexes für verant-
wortungsvolle Fischerei fortzusetzen und vor allem
den Entwurf ihres Internationalen Aktionsplans zur
Verbesserung der Informationen über den Stand und
die Trends der Fangfischerei zu verabschieden.

Frei tag, 26. Apri l 2002
Tagesordnungspunkt

Die Schulung von Arbeitnehmern in der
Verwendung neuer Technologien

(Drucksache 9402)
Berichterstatter:

Abg. Claude Birraux (Frankreich)
(Themen: Disparitäten zwischen der Nutzung von neuen
Technologien innerhalb der europäischen Staaten bzw.
zwischen Europa und den USA – die Notwendigkeit eines
verbesserten Internetzugangs für Bewohner von ländli-
chen Gebieten – die Notwendigkeit der Verbesserung von
Schulungsmöglichkeiten für Frauen, Arbeitslose und

Arme – das Recht des Einzelnen auf Schulung als Teil des
lebenslangen Lernens)

Empfehlung 1559 (2002)*
betr.: die Schulung von Arbeitnehmern in der

Nutzung neuer Technologien
(Drucksache 9402)

1. Die sich schnell entwickelnden neuen Informations-
und Kommunikationstechnologien (NIKT) setzen
sich heute in zunehmendem Maße nicht nur im Pri-
vatleben, sondern auch im Berufsleben in allen Be-
reichen der europäischen Wirtschaft, ganz gleich, ob
es sich um Landwirtschaft, Bergbau, Herstellung
oder Dienstleistungen handelt, durch. Wie die Ver-
sammlung in ihrer Entschließung 1233 (2000) betr.
die Auswirkungen neuer Technologien auf die Ar-
beitsgesetze dargelegt hat, haben die NIKTArbeitsor-
ganisation, -systeme und -methoden sowie Arbeitsbe-
dingungen und Arbeitsbeziehungen verändert.

2. Es wird geschätzt, dass 50 Prozent aller Beschäftig-
ten bei ihrer Arbeit einen Computer benutzen. Die
Sachkenntnis bei der Verwendung der neuen Infor-
mations- und Kommunikationstechnologien ist da-
her eine notwendige Voraussetzung für Produktivität
und Wettbewerbsfähigkeit.

3. Wie die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) in
ihrem Weltbeschäftigungsbericht 2001 betonte, dro-
hen die Unterschiede bei der Verteilung und Nut-
zung der neuen Informations- und Kommunika-
tionstechnologien die „digitale Kluft“ zu verschärfen,
d. h. die Kluft zwischen denjenigen, die Zugang zu
den NIKT haben und sie effektiv verwenden kön-
nen, und denen, die es nicht können, und verstärken
somit die bestehenden Muster der sozialen Ausgren-
zung.

4. Der Zugang zu Schulungen in den neuen Informa-
tions- und Kommunikationstechnologien scheint un-
gleich zu sein, abhängig von Faktoren wie berufliche
Situation, Alter, Geschlecht und Bildungsniveau. Es
bestehen auch erhebliche Ungleichheiten zwischen
Ländern und Regionen. Im Kontext der Globalisie-
rung könnte dies zur Verlagerung von Unternehmen
in Länder oder Regionen führen, in denen bereits
qualifizierte Arbeitskräfte vorhanden sind, wodurch
Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt weiter
gefährdet würden.

5. Bei einer hohen Arbeitslosigkeit in zahlreichen Staa-
ten des Europarates existiert jedoch ein Mangel an
hoch qualifizierten Arbeitskräften im Bereich der
neuen Informations- und Kommunikationstechno-
logien. Derartige Arbeitsmarktungleichgewichte
könnten zum Teil durch verstärkte Investitionen in

* Debatte der Versammlung am 26. April 2002 (16. Sitzung). Siehe
Dok. 9402, Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit
und Familie (Berichterstatter: Herr Birraux). Von der Versammlung
verabschiedeter Text am 26. April 2002 (16. Sitzung).

Drucksache 14/9978 – 48 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

höhere Bildung und durch Schulung in den NIKT
korrigiert werden. Hoch qualifizierte Arbeitskräfte
könnten auch von relativ wenig anspruchsvollen Ar-
beiten entlastet werden, die auf weniger qualifizierte
Arbeitnehmer übertragen werden können, die eine
notwendige Schulung erhalten haben.

6. Die Schulung in den neuen Informations- und Kom-
munikationstechnologien sollte vor allem zum sozia-
len Zusammenhalt sowie zur Integration und Be-
schäftigung der Arbeitskräfte ohne die erforderlichen
Fähigkeiten oder Kompetenzen beitragen. Sie sollte
sich insbesondere auf junge Arbeitslose, infolge von
Umstrukturierung entlassene Arbeitnehmer und Lang-
zeitarbeitslose konzentrieren.

7. Während die Grundlage für Sachkenntnis in der
Nutzung der neuen Informations- und Kommunika-
tionstechnologien und für ständige Weiterbildung
auf allen Ebenen der offiziellen Aus- und Weiterbil-
dungssysteme geschaffen werden muss, muss man
sich der Tatsache bewusst sein, dass nach Angaben
der Union der Europäischen Industrie- und Arbeit-
geberverbände (UNICE) 80 Prozent der 2005 ge-
nutzten Technologien weniger als zehn Jahre alt sein
werden, während 80 Prozent der erhaltenen Aus-
und Weiterbildung länger als zehn Jahre zurückliegt.
Daher muss ein zunehmender Schwerpunkt auf die
berufliche Weiterbildung in der Nutzung neuer Tech-
nologien gelegt werden, ganz gleich, ob sie intern, in
speziellen Einrichtungen oder in beiden erteilt wird.
Diese Weiterbildung muss sich auf das gesamte Per-
sonal erstrecken.

8. Die Schulung von Arbeitnehmern in der Nutzung der
neuen Informations- und Kommunikationstechnolo-
gien muss sich auf eine Partnerschaft zwischen
Arbeitnehmern, Gewerkschaften und Regierungen
stützen. Unternehmen müssen die Verantwortung
übernehmen, in Weiterbildung zu investieren, selbst
wenn der Ertrag nicht offenkundig ist oder sich nicht
sofort einstellt. Die Regierungen sollten Anreize bie-
ten, um sicherzustellen, dass Unternehmen auch jener
Kategorie von Arbeitnehmern, bei denen es eine hohe
Fluktuation gibt, Weiterbildung anbieten, auch wenn
die auf diese Weise erworbenen Kenntnisse an ande-
rer Stelle eingesetzt werden können. Die Gewerk-
schaften sollten dem Weiterbildungsangebot Vorrang
einräumen und sich dabei insbesondere auf den Zu-
gang und auf Anreize für die Weiterbildung, die Se-
minarinhalte und die Festlegung von Zeitplänen kon-
zentrieren.

9. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
daher,
i. in sein Arbeitsprogramm Tätigkeiten aufzuneh-

men, die darauf ausgerichtet sind, in Absprache
mit anderen in diesem Bereich tätigen Einrich-
tungen Erfahrungen zu vergleichen und be-
währte Praktiken im Hinblick auf die Weiterbil-
dung von Arbeitnehmern in der Nutzung neuer
Technologien sowie den Beitrag, den diese zum
sozialen Zusammenhalt und zur Verringerung der
„digitalen Kluft“ leisten können, festzulegen;

ii. sie ruft die Regierungen der Mitgliedstaaten und
der Europäischen Union auf,
a. ihre Anstrengungen zur Unterstützung und

Förderung der Aus- und Weiterbildung von
Arbeitnehmern in der Nutzung neuer Tech-
nologien auszuweiten;

b. die Investitionen in grundlegende und wei-
terführende Aus- und Weiterbildung in den
neuen Informations- und Kommunikations-
technologien zu erhöhen;

c. Anreize zu bieten, um zu gewährleisten, dass
Unternehmen auch jener Kategorie von Ar-
beitnehmern, bei denen es eine hohe Fluktua-
tion gibt, Weiterbildung anbieten, auch wenn
die auf diese Weise erworbenen Kenntnisse
an anderer Stelle eingesetzt werden können;

d. die Gewerkschaften umfassend an der Ge-
staltung und Umsetzung derartiger Weiterbil-
dungsprogramme zu beteiligen, die sich ins-
besondere auf den Zugang und auf Anreize
für die Weiterbildung, die Seminarinhalte
und die Festlegung von Zeitplänen konzen-
trieren sollten;

e. sich darum zu bemühen, den Anteil von Pro-
grammen, die außerhalb der offiziellen Aus-
und Weiterbildungssysteme durchgeführt wer-
den, zu erhöhen.

Tagesordnungspunkt
Abgestimmte Bemühungen um die

Behandlung und Heilung von
Rückenmarksverletzungen

(Drucksache 9401)
Berichterstatter:

Abg. Miroslav Ouzky (Tschechien)
(Themen: medizinische Fortschritte bei der Behandlung
und Heilung von Rückenmarksverletzungen – die Kosten
dieser Entwicklung – die Bedeutung von präventiven
Maßnahmen gegenüber therapeutischer Medizin – Fort-
schritte in der Gentechnologie und die Heilung von
Rückenmarksverletzungen)

Empfehlung 1560 (2002)*
betr.: abgestimmte Bemühungen um die

Behandlung und Heilung von
Rückenmarksverletzungen

(Drucksache 9401)
1. Die Parlamentarische Versammlung stellt besorgt fest,

dass in den Mitgliedstaaten des Europarates schät-

* Debatte der Versammlung am 26. April 2002 (16. Sitzung). Siehe
Dok. 9401, Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit
und Familie (Berichterstatter: Herr Ouzký). Von der Versammlung
verabschiedeter Text am 26. April 2002 (16. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 49 – Drucksache 14/9978

zungsweise mindestens 330 000 Menschen mit einer
Rückenmarksverletzung (Paraplegie und Tetraplegie)
leben und jährlich rund 11000 neue Fälle hinzukom-
men. An die 40 bis 50 Prozent dieser Traumen sind die
Folge von Verkehrsunfällen – zumeist im Jugendalter.

2. Die Versammlung betont, dass die Politik gegenüber
Behinderten den Grundsätzen der Menschenrechte,
wie sie aus den einschlägigen Rechtsinstrumenten
des Europarates hervorgehen, entsprechen und die
Förderung der Würde, der Selbstständigkeit, der
Chancengleichheit, der aktiven Beteiligung, der un-
eingeschränkten Bürgerrechte und der Lebensqualität
zum Ziel haben sollte. Hierzu können unter anderem
Fortschritte bei der Suche nach Heilungsmöglichkei-
ten bei Rückenmarksverletzungen beitragen.

3. Die Versammlung betont, das Fortschritte in der Ge-
sundheitsversorgung und der Notfallmedizin dazu
geführt haben, dass immer mehr Menschen mit
Rückenmarkstraumen überleben und mit ihrer Be-
hinderung – oft im Rollstuhl und während einer na-
hezu normalen Lebensdauer – relativ erfolgreich in
der Gemeinschaft ihrer Mitmenschen leben.

4. Da keine Heilung im Sinne einer neurologischen
Wiederherstellung mit Wiedererlangung der geschä-
digten Funktionen zur Verfügung steht, liegt der
Schwerpunkt bei Menschen mit einem Rücken-
markstrauma bisher auf der Rehabilitation mit dem
Ziel der Funktionsverbesserung und Symptomlinde-
rung. Trotz großer Hoffnungen, dass die aktuellen
Forschungen zu einer Heilung führen werden, ist die
interdisziplinäre Rehabilitation nach dem derzeiti-
gen Stand die einzig mögliche wirksame Therapie.

5. Dennoch haben die letzten zehn Jahre in der wissen-
schaftlichen Forschung über Rückenmarkstraumen
bemerkenswerte Entwicklungen möglich gemacht.
So gilt die Regenerierung des Zentralnervensystems
nicht mehr als unmöglich. Durch Transplantation
embryonaler Neuronen bei erwachsenen Ratten un-
terhalb einer völligen Rückenmarksdurchtrennung
konnte die reflektorische Fortbewegung bei diesen
querschnittsgelähmten Tieren in vollem Umfang
wiederhergestellt werden. Das ist bisher der über-
zeugendste Beleg für signifikante Fortschritte auf
diesem Gebiet.

6. Die Versammlung ist der Ansicht, dass im Rahmen
einer umfassenden Behindertenpolitik intensivere
Anstrengungen erforderlich sind, um bei auf die
Heilung von Rückenmarksverletzungen abzielenden
Studien weitere Fortschritte zu erzielen und zugleich
die Möglichkeiten der Rehabilitation zu verbessern
und so für Rückenmarksverletzte ein möglichst lan-
ges aktives Leben zu erreichen. Dienstleistungen im
Reha-Bereich sollten nicht vernachlässigt und in
ebenso effektiver wie angemessener Form bereitge-
stellt werden, wobei es besonders darauf ankommt,
die am stärksten benachteiligten Betroffenen – auch
in Entwicklungsländern – zu versorgen und ihnen
den Zugang zu einer Behandlung zu ermöglichen.

7. Die Versammlung ist sich der hohen direkten und in-
direkten wirtschaftlichen Kosten aufgrund von
Rückenmarksverletzungen bewusst. In den Vereinig-
ten Staaten werden die Gesamtkosten von Rücken-
markstraumen auf 9,73 Mrd. US-Dollar pro Jahr ge-
schätzt, und die Kosten bei einem Tetraplegiker
betragen über sein gesamtes Leben hinweg eine Mil-
lion Dollar. Diese Zahlen, die in Gesamteuropa mit
Sicherheit höher liegen, verdeutlichen, wie wichtig es
ist, die Prävention und die finanzielle Unterstützung
der Rückenmarksforschung zu fördern. Die Mitglied-
staaten des Europarates sollten mehr abgestimmte
Bemühungen unternehmen, um Forschungen auf die-
sem Gebiet zu unterstützen und zu finanzieren. Dies
könnte zu beträchtlichen Kosteneinsparungen führen.

8. Die Versammlung empfiehlt darum dem Minister-
komitee,
i. die Mitgliedstaaten nachdrücklich zu folgenden

Maßnahmen aufzufordern:
a. Aufstockung der einzelstaatlichen Finanzmit-

tel für Forschungen mit dem Ziel, Lähmungen
aufgrund von Rückenmarksverletzungen zu
behandeln und eine Heilung für sie zu finden
und Untersuchung der Möglichkeit, zusätzli-
che Mittel aus Bußgeldern für Verkehrsdelikte,
Einnahmen aus dem Verkauf alkoholischer
Getränke und der Besteuerung von Kranken-
versicherungsbeiträgen zu beschaffen;

b. gemeinsames Eintreten für die Errichtung ei-
nes Kooperationszentrums der Weltgesund-
heitsorganisation (WHO) zur Koordinierung
der Forschung und Entwicklung in Bezug auf
Rückenmarksverletzungen, das mit allen ver-
fügbaren Mitteln – aus öffentlichen wie pri-
vaten Quellen – zu finanzieren ist, um durch
gemeinsame Anstrengungen Kosten zu sparen;

c. Förderung des Aufbaus einer Forschungsda-
tenbank – mit der WHO und in abgestimmter
Form – über die Therapie und Heilung von
Rückenmarksverletzungen. Mit dieser Da-
tenbank würden alle vorhandenen und künf-
tigen medizinischen und wissenschaftlichen
Materialien über Rückenmarkstraumen zu-
sammengetragen und die Grundlage für eine
effektive Zusammenarbeit zwischen Ärzten
und Forschern aus der ganzen Welt gelegt,
um so zur Entwicklung internationaler Mo-
delle für die Versorgung von Rückenmarks-
traumen zu gelangen.

d. gemeinsam mit der WHO Förderung der sys-
tematischen Erfassung und des Vergleichs
von Statistiken und der Harmonisierung der
medizinischen Terminologie in Bezug auf
Rückenmarkstraumen;

e. Einleitung oder Intensivierung von Werbe-
kampagnen zur Verminderung von Verkehrs-
unfällen, Stürzen, Gewalttaten, Drogen- und

Drucksache 14/9978 – 50 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Alkoholkonsum, die saisonbezogen gegebe-
nenfalls auf Zeiträume gelegt werden, in de-
nen vermehrt mit Rückenmarksverletzungen
zu rechnen ist, wie zum Beispiel in den Som-
mer- oder Winterferien;

f. bei Bedarf Einrichtung spezialisierter Abtei-
lungen für Rückenmarkstraumen in Unfall-
und Notaufnahmezentren, um Personen, die
eine Behandlung oder Rehabilitation benöti-
gen, den Zugang zu diesen Zentren auch in
dünn besiedelten Gebieten zu ermöglichen.

g. Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen
Ärzten und Wissenschaftlern aus Industrie-
staaten und Entwicklungsländern, damit alle
Menschen mit Rückenmarksverletzungen in
geeigneter Form medizinisch versorgt wer-
den;

h. hierbei Einhaltung der Grundsätze des Da-
tenschutzes und der Patientenrechte gemäß
den entsprechenden Rechtsinstrumenten des
Europarates (Übereinkommen Nr. 108, Emp-
fehlungen R (86) 1, R (97) 5, R (97) 18 und
R (2000) 5);

ii. die geeigneten intergouvernementalen Ausschüsse
anzuweisen, Maßnahmen und Strategien auszuar-
beiten, die als besonderer Beitrag zum Europä-
ischen Jahr der Behinderten 2003 die Forschung
und Prävention in Bezug auf Rückenmarksverlet-
zungen fördern.

9. Abschließend bittet die Versammlung, diese Emp-
fehlung an die entsprechenden Stellen aller Mit-
gliedstaaten sowie an die Weltgesundheitsorganisa-
tion und die Institutionen der Europäischen Union
weiterzuleiten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 51 – Drucksache 14/9978

Anlage
Mitgliedsländer der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (44)

Albanien
Andorra
Armenien
Aserbaidschan
Belgien
Bosnien und Herzegowina
Bulgarien
Dänemark
Deutschland
Estland
Finnland
Frankreich
Georgien
Griechenland
Irland
Island
Italien
Kroatien
Lettland
Liechtenstein
Litauen
Luxemburg

„ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“
Malta
Moldau
Niederlande
Norwegen
Österreich
Polen
Portugal
Rumänien
Russland
San Marino
Schweden
Schweiz
Slowakische Republik
Slowenien
Spanien
Tschechische Republik
Türkei
Ukraine
Ungarn
Vereinigtes Königreich
Zypern

Länder mit Sondergaststatus (1)
– zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt
Belarus*
Bundesrepublik Jugoslawien

Beobachter (3)
Israel
Kanada
Mexiko

* Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.

Drucksache 14/9978 – 52 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Anhang

Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
Präsident Peter Schieder (Österreich – SOC)
Vizepräsidenten 19, darunter Wolfgang Behrendt (Bundesrepublik Deutschland – SPD/SOC)
Generalsekretär Bruno Haller (Frankreich)

Politischer Ausschuss
Vorsitzender Roman Jaki� (Slowenien – LDR)
Stv. Vorsitzende Jacques Baumel (Frankreich – EDG)

Mirjana Feric Vac� (Kroatien – SOC)
Michael Spindelegger (Österreich – EVP)

Ausschuss fürWirtschaft und Entwicklung
Vorsitzende Rosmarie Zapfl-Helbling (Schweiz – EVP)
Stv. Vorsitzende Vlasta Stepová (Tschechische Republik – SOC)

Evgeni Kirilov (Bulgarien – SOC)
Jan Dirk Blaauw (Niederlande – LDR)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie
Vorsitzende Lára Margrét Ragnarsdóttir (Island – EDG)
Stv. Vorsitzende Gyula Hegyi (Ungarn – SOC)

Edeltraud Gatterer (Österreich – EVP)
Doros Christodoulides (Zypern – UEL)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte
Vorsitzender Eduard Lintner (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU / EVP)
Stv. Vorsitzende Göran Magnusson (Schweden – SOC)

Tayyibe Gülek (Türkei – SOC)
Dick Marty (Schweiz – LDR)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung
Vorsitzender Lluís Maria de Puig (Spanien – SOC)
Stv. Vorsitzende Mehmet Sag�lam (Türkei – EVP)

Baroness Hooper (Vereinigtes Königreich – EDG)
Ghiorghi Prisa�caru (Rumänien – SOC)

Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft
Vorsitzender Guillermo Martínez Casañ (Spanien – EVP)
Stv. Vorsitzende Wolfgang Behrendt (Bundesrepublik Deutschland – SPD/SOC)

Siegfried Hornung (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU / EVP)
Vaclov Stankevi� (Litauen – LDR)



Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 53 – Drucksache 14/9978

Ausschuss fürWanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Vorsitzender Tadeusz Iwínski (Polen – SOC)
Stv. Vorsitzende Mats Einarsson (Schweden – UEL)

Ruth-Gaby Vermot-Mangold (Schweiz – SOC)
Zdravka Bušic (Kroatien – EVP)

Geschäftsordnungsausschuss
Vorsitzender Serhiy Holovaty (Ukraine – LDR)
Stv. Vorsitzende Rudolf Vis (Vereinigtes Königreich – SOC)

Béla Pokol (Ungarn – EVP)
Ionel Olteanu (Rumänien – SOC)

Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und
Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss)
Vorsitzender András Bársony (Ungarn – SOC)
Stv. Vorsitzende Azis Pollozhani („ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“ – EDG)

Hanne Severinsen (Dänemark – LDR)
György Frunda (Rumänien – EVP)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Vorsitzende Lydie Err (Luxemburg – SOC)
Stv. Vorsitzende Manuela Aguiar (Portugal – EVP)

Olga Keltošová (Slowakei – EDG)
Danguté Mikutiené (Litauen – LDR)

SOC Sozialistische Gruppe
EVP Gruppe der Europäischen Volkspartei
EDG Gruppe der Europäischen Demokraten
LDR Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken

Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
esellschaft mbH, Postfach 13 20, 53003 Bonn, Telefon: 02 28 / 3 82 08 40, Telefax: 02 28 / 3 82 08 44
Unterrichtung
Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des Ständigen Ausschusses der Versammlung
Bericht des Ministerkomitees
vorgelegt vom amtierenden Vorsitzenden, dem Außenminister von Litauen, Antanas Valionis
Frage des Abg. Wolfgang Behrendt
Frage des Abg. Rudolf Bindig

Politische Fragen
Ansprache von Großherzog Henri von Luxemburg
Ansprache des Präsidenten von Rumänien, Ion Iliescu
Ansprache des Präsidenten von Bosnien und Herzegowina, Beriz Belkic
Ansprache des Präsidenten der Russischen Föderation, Sergej Mironow
Die Zukunft der Zusammenarbeit zwischen den europäischen Institutionen
Abg.Wolfgang Behrendt

Die Lage im Nahen Osten
Abg. Prof. Dr. Karl-Heinz Hornhues
Abg. Wolfgang Behrendt
Abg. Benno Zierer
Entschließung 1281 (2002)*
Rechts- und Menschenrechtsfragen
Das russische Religionsgesetz
Entschließung 1278 (2002)*
Ansprache der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Carla del Ponte

Der Minderheitenschutz in Belgien
Die rechtliche Lage der Roma in Europa
Abg. Marlene Rupprecht
Empfehlung 1557 (2002)**
Wirtschafts- und Entwicklungsfragen
Der Haushalt des Europarates für das Haushaltsjahr 2003
Die Ausgaben der Versammlung für das Haushaltsjahr 2003
Die „New Economy“ und Europa
Entschließung 1279 (2002)*
Umwelt- und Landwirtschaftsfragen
Forstwirtschaft in Kanada und Zusammenarbeit mit Europa
Entschließung 1282 (2002)*

Fischerei in halbumschlossenen Meeren
Abg. Wolfgang Behrendt
Empfehlung 1558 (2002)*

Erhaltung und Bewirtschaftung von Fischbeständen
Entschließung 1283 (2002)*
Soziale, Gesundheits- und Familienfragen
Die Schulung von Arbeitnehmern in der Verwendung neuer Technologien
Empfehlung 1559 (2002)*

Abgestimmte Bemühungen um die Behandlung und Heilung von Rückenmarksverletzungen
Empfehlung 1560 (2002)*
Wanderungs-, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Aktivitäten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK)
Entschließung 1276 (2002)*

Ansprache des Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz,

Kultur-, Wissenschafts- und Bildungsfragen
Religion und Wandel in Mittel- und Osteuropa
Abg. Benno Zierer
Empfehlung 1556 (2002)*
Fragen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau
Das Bild der Frau in den Medien
Empfehlung 1555 (2002)*
Fragen betreffend die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
Die Einhaltung der von der Russischen Föderation eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
Abg. Rudolf Bindig
Abg. Karl-Heinz Hornhues
Abg. Jelena Hoffmann
Entschließung 1277 (2002)*
Empfehlung 1553 (2002)*

Das Funktionieren der demokratischen Institutionen in Moldau
Entschließung 1280 (2002)*
Empfehlung 1554 (2002)*

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