BT-Drucksache 14/9969

Verbot des Ausländervereins Al-Agasa e. V. durch das Bundesministerium unter Anwendung des neu gefassten §14 Vereinsgesetz

Vom 11. September 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9969
14. Wahlperiode 11. 09. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Verbot des Ausländervereins Al-Aqsa e. V. durch das Bundesministerium
des Innern unter Anwendung des neu gefassten § 14 Vereinsgesetz

Anfang August 2002 hat das Bundesministerium des Innern (BMI) eine Ver-
botsverfügung gegen den in Aachen ansässigen Ausländerverein Al-Aqsa e. V.
ausgesprochen. Damit kommt der im Rahmen des Terrorismusbekämpfungsge-
setzes neu gefasste § 14 Vereinsgesetz (VereinsG) zur Anwendung. Im Zusam-
menhang mit dem Verbot gibt es Merkwürdigkeiten und Widersprüche.
In einem Kommentar der „tageszeitung“ (taz) wurde einen Tag nach Vollzug
des Verbots unter der Überschrift „Dürftige Interpretation“ berichtet, „nur israe-
lische Sicherheitsdienste“ würden behaupten, „dass von Aachen aus über
Saudi-Arabien Geld an den militärischen Arm der Hamas geflossen sei“ (taz,
6. September 2002). Damit wurde abweichend von den offiziellen Erklärungen
des BMI das Verbot des Vereins erstmals in Verbindung mit Informationen
israelischer Sicherheitsdienste gebracht. In der Verbotsverfügung selbst werden
diese Vorwürfe oder Informationen nicht erwähnt.
Weiter heißt es in dem Artikel: „Innenminister Schily teilte hingegen nur mit,
den Angehörigen von ‚Märtyrern‘ seien durch Al-Aqsa Zahlungen zugesagt
worden. Nach Interpretation des Innenministeriums sind damit Familien von
Selbstmordattentätern gemeint … Doch noch ist unklar, ob Al-Aqsa unter dem
Begriff Märtyrer nicht etwa, wie die meisten Palästinenser es tun, alle palästi-
nensischen Opfer der Intifada insgesamt gefasst hat.“
In der Verbotsverfügung wird als Begründung für den Vorwurf, der Verein be-
fürworte und unterstütze Gewaltanwendung, nur die Tatsache genannt, dass der
Verein im Oktober 2000 in einem Spendenaufruf angekündigt haben soll, der
Familie eines „Märtyrers“ eine Zahlung von 1 000 Dollar und der eines Ver-
wundeten 500 Dollar überwiesen zu haben.
Sodann wird dem Verein vorgeworfen, er handele „auf dem Boden der Muslim-
bruderschaft (MB) und insbesondere im Kontext von Hamas“ (Seite 5 der Ver-
botsverfügung). Als Beleg dafür heißt es auf Seite 11, der Vorsitzende des Ver-
eins M. A. „ist in die Strukturen der islamischen ,Muslimbruderschaft‘ (MB) in
Deutschland eingebunden; er nahm und nimmt an Veranstaltungen des ‚Islami-
schen Bund Palästina‘ (IBP) und der ‚Islamischen Gemeinschaft Deutschland
e. V.‘ (IGD) teil. … In früheren Jahren identifizierte sich M. A. auch öffentlich
mit Ideen und Zielen dieser Organisation.“ Als Beleg dafür wird dann genannt:
„Auf mehreren Veranstaltungen der IGD und des IBP Ende der 90er Jahre war
Al-Aqsa e. V. mit einem eigenen Stand, an dem M. A. bisweilen auch selbst
Schriften verkaufte, vertreten.“ Welche Veranstaltungen das genau waren, wird
in der Verbotsverfügung nicht erwähnt.

Drucksache 14/9969 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Weiter heißt es: „Während M. A. noch Anfang der 90er Jahre offen Flugblätter
für HAMAS verteilte, versuchen er und sein Verein heute – offensichtlich um
Nachfragen und Kritik hinsichtlich der Verwendung der Spendengelder zu ver-
meiden – jede Nähe zu HAMAS von sich zu weisen.“
Ob Verkaufs- oder Informationsstände bei Veranstaltungen anderer Organisati-
onen oder ein gelegentliches, mehr als zehn Jahre zurückliegendes Verteilen
von Flugblättern durch den Vorsitzenden eines Vereins ausreichen, um eine
feste „Einbindung“ dieses Vereins in andere Organisationszusammenhänge zu
belegen, dürfte rechtlich zumindest sehr fragwürdig sein.
Schließlich wird dem Verein noch vorgeworfen, er unterstütze die „Intifada“
der palästinensischen Bevölkerung gegen Israel (Seite 12) – ein vor dem Hin-
tergrund der vielen kritischen UN-Beschlüsse zur israelischen Politik in den pa-
lästinensischen Gebieten erstaunlicher Vorwurf.
Der Vorsitzende des verbotenen Vereins hat in einer Stellungnahme nach Vollzug
des Verbots angekündigt, „gerichtlich gegen das Vorgehen des BMI vorzugehen“.
Er sei zuversichtlich, „dass die Verfügung für rechtswidrig erklärt und aufgeho-
ben wird“. Der Verein habe „niemals die Gewaltanwendung alsMittel zur Durch-
setzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet
oder hervorgerufen“. Er habe auch niemals solche Vereinigungen im In- oder
Ausland unterstützt. Al-Aqsa unterstütze „auch nicht die Hamas oder sonstige
vergleichbare Organisationen“. Der Verein kooperiere nur mit „in Israel, Jorda-
nien, Libanon oder Palästina offiziell eingetragenen und anerkannten NGOs“.
Da die Vorwürfe des BMI schon länger im Raum gestanden hätten, habe sein
Verein das BMI und andere Stellen in Deutschland wiederholt zu Gesprächen
eingeladen „und sogar Einsicht in alle unsere Akten offeriert. Leider hat es nie
eine Reaktion auf unser Angebot gegeben.“
Die Verbotsverfügung hat über die Wirkung für den betroffenen Verein hinaus
eine erhebliche Bedeutung für die Anwendung des mit dem Terrorismusbe-
kämpfungsgesetz neu gefassten § 14 VereinsG. Es steht zu befürchten, dass hier
unter Ausnutzung der Angst vor islamistischen Gruppierungen mit einer frag-
würdig begründeten Verbotsverfügung ein Präzedenzfall geschaffen werden
soll, der es den Behörden erleichtert, missliebige Ausländervereine zu verbieten
und damit das politische Engagement von Ausländerinnen und Ausländern in
Deutschland massiv zu behindern.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Treffen die oben zitierten Presseberichte zu, wonach Informationen israeli-

scher Sicherheitsdienste zu der Verbotsverfügung gegen Al-Aqsa beigetra-
gen haben?
Wenn ja, was genau besagen diese Informationen und warum werden sie in
der Verbotsverfügung nicht genannt?

2. Auf welchen Veranstaltungen genau hat der Verein Al-Aqsa e. V. nach Er-
kenntnissen der Bundesregierung mit Ständen teilgenommen?

3. An welchen Veranstaltungen der Muslimbruderschaft und/oder des „Islami-
schen Bund Palästina“ hat der Vorsitzende des Vereins Al-Aqsa nach Kennt-
nis der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren teilgenommen?

4. Warum werden diese Veranstaltungen in der Verbotsverfügung nicht ge-
nannt?

5. Welche anderen Beweise für die Zugehörigkeit des verbotenen Vereins Al-
Aqsa zu Hamas etc. außer der Verwendung des Begriffs „Märtyrer“ in Spen-
denaufrufen, der Teilnahme mit Ständen an Veranstaltungen anderer Organi-
sationen und etwa zehn Jahre zurückliegenden Flugblattverteilungen durch
den Vereinsvorsitzenden hat die Bundesregierung noch?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9969

6. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung die Aussagen des Vereins zu,
dass er seine Hilfszahlungen nur an in Israel, Jordanien, Palästina und Liba-
non amtlich anerkannte und zugelassene Einrichtungen bzw. NGOs weiter-
leitet?
Wenn nein, welche anderen Erkenntnisse hat die Bundesregierung?

7. Falls sich unter diesen amtlich zugelassenen Einrichtungen bzw. NGOs
auch solche befinden, die der Hamas zugerechnet werden, erfüllen Spen-
densammlungen für solche z. B. der Hamas zugerechnete Krankenhäuser
nach Ansicht der Bundesregierung den Tatbestand der Unterstützung bzw.
Befürwortung von Gewaltanwendung oder richten sich solche Sammlun-
gen gegen den Gedanken der Völkerverständigung?

8. Treffen nach Ansicht der Bundesregierung Presseberichte zu, wonach der
Begriff des „Märtyrers“ in den palästinensischen Gebieten für alle Opfer
der Intifada und nicht nur für Selbstmordattentäter verwendet wird?
Wenn ja, warum wird dann in der Verbotsverfügung dieser Begriff als Be-
weis für die Zugehörigkeit des verbotenen Vereins bzw. seine Unterstüt-
zung für Organisationen wie Hamas und deren Selbstmordattentate ge-
nannt?

9. Bestätigt die Bundesregierung, dass der Verein Al-Aqsa e. V. Vertreter der
Bundesregierung oder anderer Behörden des Bundes oder der Länder in der
Vergangenheit wegen gegen ihn erhobener Vorwürfe zu Gesprächen einge-
laden und Einsicht in alle seine Akten angeboten hat?
Wenn ja, wann wurden welche Behörden eingeladen?

10. Ist das BMI oder eine andere Behörde solchen Einladungen und Angeboten
zur Einsichtnahme in alle Akten des Vereins nachgekommen?
Wenn ja, wann?
Wenn nein, warum nicht?

11. Hat der Vorsitzende des verbotenen Vereins oder eine andere Person nach
Kenntnis der Bundesregierung inzwischen Rechtsmittel gegen die Verhän-
gung und den Vollzug des Verbots eingelegt?

12. Hat es in den letzten drei Jahren irgendwelche Ermittlungsverfahren gegen
Mitglieder oder Vorstandsmitglieder des verbotenen Vereins gegeben?
Wenn ja, mit welchen Vorwürfen und mit welchem Ergebnis?

13. Hat es im Zusammenhang mit dem Vollzug des Verbots Verhaftungen von
Mitgliedern des verbotenen Vereins gegeben?
Wenn ja, wie viele Personen wurden mit welchen Vorwürfen verhaftet?
Sind diese Personen weiter in Haft, oder sind sie inzwischen wieder freige-
lassen worden?

14. Hat es im Zusammenhang mit dem Vollzug des Verbots Durchsuchungen
und Beschlagnahmungen in privaten Wohnungen oder von privatem Ver-
mögen gegeben?
Wenn ja, welche privaten Wohnungen wurden auf welcher Rechtsgrund-
lage durchsucht und welche privaten Gegenstände auf welcher Rechts-
grundlage beschlagnahmt?

Berlin, den 9. September 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.