BT-Drucksache 14/9948

Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik wiederherstellen

Vom 12. September 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9948
14. Wahlperiode 12. 09. 2002

Antrag
der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ina Albowitz, Paul K. Friedhoff,
Hans-Michael Goldmann, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik wiederherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Ein Jahr nach den Anschlägen von New York und Washington ist die Gemein-
schaft zivilisierter Staaten noch weit von ihrem Ziel der Überwindung des glo-
balen Terrorismus entfernt. Es ist daher unerlässlich, dieser massiven Bedro-
hung unserer Freiheit und unserer Werteordnung auch weiterhin entschlossen
entgegenzutreten. Gerade wir Deutschen sind vor dem Hintergrund unserer Ge-
schichte besonders gefordert, aktiv daran mitzuwirken, die Menschheit von der
Terrorgeisel zu befreien. Es geht um die Zukunftsfähigkeit der freien Welt. Da-
bei gilt insbesondere für die Androhung und Durchführung von militärischen
Zwangsmaßnahmen das Primat des Völkerrechts und das Gewaltmonopol der
Vereinten Nationen.
Saddam Hussein hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er nicht davor zurück-
schreckt, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen sogar gegen
seine eigenen Landsleute anzuwenden. Mit seiner Ankündigung, sie auch ge-
gen Israel einsetzen zu wollen, bedroht er die Lebensfähigkeit des israelischen
Volkes. Er ist damit eine ernste Gefahr für den Weltfrieden, der entschlossen
entgegentreten werden muss. Nicht jedoch nationale Alleingänge, sondern nur
abgestimmte, multilaterale Maßnahmen im Rahmen der Vereinten Nationen
sind geeignete Mittel der internationalen Konfliktlösung. Eine Lehre des 11.
September 2001 ist, dass sich die Staatengemeinschaft den neuen Gefahren für
Frieden und Sicherheit gemeinsam stellen muss. Dass die Vereinten Nationen
und der Sicherheitsrat bereit und in der Lage sind, die neuen Herausforderun-
gen anzunehmen, haben sie unter Beweis gestellt. Die Vereinten Nationen sind
heute als zentrales weltinnenpolitisches Instrument alternativlos. Sie dürfen
weder durch amerikanische Alleingänge noch durch deutsche Sonderwege ge-
schwächt werden. Der deutsche Weg muss immer auch der europäische, der
transatlantische und der Weg der Völkergemeinschaft sein.
Durch die kategorische Ablehnung von Zwangsmaßnahmen gegen das Regime
von Saddam Hussein und ihre öffentliche Ankündigung, diesbezügliche UNO-
Beschlüsse nicht mittragen zu wollen, schadet die Bundesregierung nicht nur

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den Vereinten Nationen, den transatlantischen Beziehungen und dem Zusam-
menhalt der EU. Sie wird auch zum Kronzeugen derjenigen Stimmen in der is-
lamischen Welt, die dem Westen Aggressivität unterstellen. Sie beeinträchtigt
somit massiv die außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands und scha-
det deutschen Interessen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,
1. die Handlungsfähigkeit der deutschen Außenpolitik wiederherzustellen und

in der Irak-Frage die Politik des deutschen Weges unverzüglich durch eine
Politik bi- und multilateraler Konsultationen mit dem Ziel zu ersetzen, die
internationale Solidarität im Kampf gegen den Terrorismus aufrechtzuerhal-
ten;

2. in diesem Rahmen eine Initiative zur Einberufung einer Gipfelkonferenz al-
ler an der Operation „Enduring Freedom“ beteiligten Staaten der internatio-
nalen Koalition gegen den Terrorismus einschließlich der fünf ständigen
Mitglieder des Weltsicherheitsrates mit dem Ziel zu ergreifen, entstandene
Missverständnisse und Irritationen auszuräumen und ein gemeinsames Kon-
zept zur Eindämmung des globalen Terrorismus sowie der vom Irak ausge-
henden Bedrohung zu erarbeiten. Dabei wird es vorrangige Aufgabe der
Konferenz sein, die Regierung der Vereinigten Staaten in den multilateralen
Konsens einzubinden und so die Handlungsfähigkeit der Koalition aufrecht-
zuerhalten. Kern des Irak-Konzeptes sollte eine gemeinsame Position für ein
vom Weltsicherheitsrat zu erlassendes Mandat zur Fortsetzung der UNO-
Waffeninspektionen sein;

3. in diesem Zusammenhang sicherzustellen, dass das Primat des Völkerrechts
und das Gewaltmonopol der Vereinten Nationen gewährleistet bleibt;

4. im Verbund mit den europäischen Partnern gegenüber der zurzeit in New
York tagenden Generalversammlung der Vereinten Nationen die Initiative
zur Verabschiedung einer Resolution der Generalversammlung zu ergreifen,
mit der der Irak unter Androhung des Ausschlusses aus der Völkergemein-
schaft nach Artikel 6 der UNO-Charta aufgefordert wird, seinen sich aus der
Charta ergebenden Verpflichtungen nachzukommen und den vom Sicher-
heitsrat angeordneten Maßnahmen Folge zu leisten;

5. im Zusammenhang mit der bevorstehenden Übernahme eines nicht ständi-
gen Sitzes im Sicherheitsrat eine Initiative zur beschleunigten Beschlussfas-
sung einer umfassenden VN-Antiterrorkonvention in Anlehnung an das von
Indien auf der 57. Generalversammlung vorgelegte Modell zu ergreifen.

Berlin, den 11. September 2002
Dr. Helmut Haussmann
Ina Albowitz
Paul K. Friedhoff
Hans-Michael Goldmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin

Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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