BT-Drucksache 14/9851

Defizite der gesetzlichen Krankenkassen

Vom 2. August 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9851
14. Wahlperiode 02. 08. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Horst Seehofer, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Wolf
Bauer, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Dr. Hans Georg Faust, Ulf Fink, Hubert Hüppe,
Dr. Harald Kahl, Eva-Maria Kors, Hans-Peter Repnik, Annette Widmann-Mauz,
Aribert Wolf, Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

Defizite der gesetzlichen Krankenkassen

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „FOCUS“ vom 17. Juni 2002
sind „bisher kerngesunde Krankenversicherungen binnen kurzem tief in die roten
Zahlen gerutscht“. Im Jahr 2001 wies die gesetzliche Krankenversicherung ein
Defizit von 2,8 Mrd. Euro aus. Die Bundesministerin für Gesundheit, Ulla
Schmidt, erwartet dennoch stabile Beiträge in diesem Jahr.
Am 29. Juli 2002 meldet das Magazin „FOCUS“, immer mehr Betriebskassen
könnten ihre Beitragssätze nicht mehr halten und müssten erhöhen, so z. B. die
BKK Bavaria von 13,5 % auf 14,2 % und die BKK Sauerland von 13,8 % auf
14,3 %. Pressemeldungen zufolge haben in den ersten sieben Monaten dieses
Jahres bereits 125 Krankenkassen ihre Beitragssätze erhöht. Informationen aus
Kreisen von Privatbanken zufolge haben Kassen schon Kredite in Höhe von
mehreren Milliarden Euro bei privaten Kreditinstituten zur Finanzierung ihrer
laufenden Ausgaben aufgenommen. Hinter vorgehaltener Hand schließen Ver-
treter von Kassen weitere Beitragsatzanhebungen zu Beginn des nächsten Jah-
res nicht aus.
Nach kasseninternen Informationen werben einige „Virtuelle Betriebskranken-
kassen“ mit Beitragssätzen, die bei objektiver Betrachtungsweise nicht kosten-
deckend sind. So wirbt die der Bundesaufsicht unterstehende BKK „Mobil Oil“
mit einem Beitragssatz von 11,2 Beitragsatzpunkten. In Kassenkreisen wird
davon ausgegangen, dass diese geöffnete Kasse mit diesem Beitragssatz Mit-
glieder anwirbt, um diese dann im Falle einer Fusion mit einer weiteren Kran-
kenkasse mit einem höheren Beitragssatz zu konfrontieren.
In der Fragestunde vom 20. März 2002 hat die Parlamentarische Staatssekretä-
rin beim Bundesminister der Finanzen, Dr. Barbara Hendricks, auf Fragen des
Abgeordneten Aribert Wolf eingeräumt, dass das für die Einhaltung der
Maastricht-Kriterien relevante Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung
im Jahr 2001 2,2 Mrd. Euro betrug und damit höher ist als das Defizit der
Gemeinden, das im Vergleichszeitraum bei 1,5 Mrd. Euro lag (Plenarprotokoll
14/226, S. 22430 C).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche und wie viele Krankenkassen haben zum 1. Januar 2002 ihre Bei-

tragssätze angehoben?

Drucksache 14/9851 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. Wo lag der allgemeine durchschnittliche Beitragssatz am Ende des ersten
Quartals 2002?

3. Welche und wie viele Krankenkassen haben bzw. werden im Verlauf des
Jahres 2002 ihren Beitragssatz anheben?

4. Wo lag der allgemeine durchschnittliche Beitragssatz zum 1. Mai 2002,
zum 1. Juni 2002 und zum 1. Juli 2002 bundesweit, in den alten Ländern
und in den neuen Ländern?

5. Welchen Beitragssatz erwartet die Bundesregierung zum 1. August 2002
bundesweit, jeweils in den alten und in den neuen Ländern?

6. Rechnet die Bundesregierung auch dann noch mit einem durchschnittlichen
Beitragssatz von unter 14 %, wenn aus allen Monatswerten bis einschließ-
lich Juni 2002 gewichtet mit den Mitgliederzahlen die Rechnungsergeb-
nisse für das zweite Halbjahr 2002 ermittelt werden?
Wenn ja, worauf gründet die Bundesregierung ihre optimistische Bewer-
tung?

7. Sind die im Magazin „FOCUS“ am 17. Juni 2002 in der Zeit vom 1. Januar
bis März 2002 gemeldeten Defizite der AOK Baden-Württemberg von
256 Mio. Euro, der AOK Bayern von 438 Mio. Euro, der AOK Berlin von
29 Mio. Euro, der AOK NRW von 328 Mio. Euro, der Barmer Ersatzkasse
von 835 Mio. Euro, der Deutschen Angestelltenkrankenkasse von 1 071
Mio. Euro und der Techniker Krankenkasse von 578 Mio. Euro zutreffend?
Wenn ja, worauf führt die Bundesregierung die Defizite zurück?

8. Trifft es zu, dass die im Magazin „Focus“ (am 17. Juni 2002, Seite 193)
veröffentlichte Tabelle vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG)
stammt?
Wenn ja, ist die Wiedergabe der Tabelle vollständig?
Wenn nein, welche weiteren Kassen haben Defizite und in welcher Höhe?

9. Warum hat das BMG eine Übersicht über Defizite einzelner Kassen erst ins
Internet gestellt und dann wieder herausgenommen?

10. Wie hoch sind gegenwärtig Betriebsmittel und Rücklagen der GKV?
11. Wie hoch sind die Betriebsmittelkredite zum Stand 1. Juli 2002 bei den

der Bundesaufsicht unterstehenden Kassen (Orts-, Innungs- und Betriebs-
krankenkassen)?

12. Wie ist nach Auffassung der Bundesregierung die Kreditaufnahme der ge-
setzlichen Krankenkassen mit dem entsprechenden gesetzlichen Verbot
vereinbar?

13. Hat das BMG das Bundesversicherungsamt aufgefordert, diese Kredit-
aufnahme zu unterbinden?
Wenn nein, warum nicht?

14. Welche Krankenkassen sind bereits jetzt nicht mehr in der Lage, die gesetz-
lich vorgesehene Mindestrücklage zu bilden?

15. Hält das BMG z. B. den Beitragssatz von 11,2 % der BKK „Mobil Oil“
für kostendeckend?
Wenn nein, warum wurde der Beitragssatz nicht beanstandet?

16. Was unternimmt die Bundesregierung, um zu unterbinden, dass die geöff-
nete BKK „Mobil Oil“ mit einem niedrigen Beitragssatz von 11,2 % Mit-
glieder anwirbt, um diese dann im Falle der Fusion mit einer weiteren
Krankenkasse mit einem höheren Beitragssatz zu konfrontieren?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9851

17. Welche Kassenarten und Kassen werden zum Jahresende ihre Beitragssätze
anheben müssen, weil die Betriebsmittel und Rücklagen nicht mehr aus-
reichend sind?

18. Hat das BMG die jeweils zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder an-
gesichts der Defizite einzelner Kassen um Auskunft über die finanzielle
Situation der Kassen, insbesondere um Mitteilung über Betriebsmittel und
Rücklagen gebeten?

19. Hat das BMG unter Hinweis auf die Defizite einzelner Kassen die zuständi-
gen Aufsichtsbehörden der Länder ersucht, auf Einhaltung der gesetzlich
vorgesehenen Mindestrücklagen und Betriebsmittel zu achten?
Wenn nein, warum nicht?

20. Was will die Bundesregierung tun, um zu verhindern, dass das Defizit der
gesetzlichen Krankenkassen einen wesentlichen Anlass für einen „Blauen
Brief“ aus Brüssel in diesem oder im nächsten Jahr bietet?

Berlin, den 2. August 2002
Horst Seehofer
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Dr. Wolf Bauer
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Hubert Hüppe
Dr. Harald Kahl
Eva-Maria Kors
Hans-Peter Repnik
Annette Widmann-Mauz
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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