BT-Drucksache 14/9729

Globaler Handel, Ernährungssicherheit und Lebensmittelsicherheit

Vom 2. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9729
14. Wahlperiode 02. 07. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Helmut Heiderich, Heinrich-Wilhelm
Ronsöhr, Klaus-Jürgen Hedrich, Marlies Pretzlaff, Peter Bleser, Klaus Brähmig,
Peter Harry Carstensen (Nordstrand), Albert Deß, Gottfried Haschke
(Großhennersdorf), Siegfried Helias, Siegfried Hornung, Helmut Lamp, Vera
Lengsfeld, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Meinolf Michels, Franz Obermeier,
Hans-Peter Repnik, Dr. Klaus Rose, Volker Rühe, Norbert Schindler, Wolfgang
Steiger und der Fraktion der CDU/CSU

Globaler Handel, Ernährungssicherung und Lebensmittelsicherheit

Die Globalisierung im Agrarsektor kommt vor allem in der Einbindung in welt-
weite Handelsnetze zum Ausdruck. So importierte Deutschland Güter der
Land- und Ernährungswirtschaft aus Drittländern im Zeitraum von Januar bis
September 2001 im Wert von 10,5 Mrd. Euro, während der Export in Drittlän-
der nur im Wert von 5,5 Mrd. Euro erfolgte. Insgesamt liegt der Anteil der EU
am weltweiten Im- und Export mit je über 42 % derzeit an der Spitze.
Der FAO-Gipfel in Rom (Food and Agriculture Organisation of the United
Nations) vom 10. bis 13. Juni 2002 hat gezeigt, dass Welthandel, Ernährungs-
und Entwicklungspolitik in deutlichem Zusammenhang stehen.
So ist auf dem FAO-Gipfel eine Erklärung verabschiedet worden, nach der die
FAO in zwei Jahren Leitlinien zur Durchsetzung des Rechts auf Nahrung ent-
wickeln soll.
Aus entwicklungspolitischer Sicht wird betont, dass der Hunger in der Welt nur
reduziert werden kann, wenn die Entwicklungsländer ihre Agrarprodukte ver-
stärkt auf den Weltmärkten anbieten können. Die Industrieländer dürfen danach
nicht die Exportchancen der Entwicklungsländer durch die Abschottung ihrer
Agrarmärkte und die Subventionierung ihrer Agrarprodukte schmälern. Dem
hat sich das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft (BMVEL) mit der Forderung nach Korrekturen im Welthandel ange-
schlossen.
Mit der FAO hat die Bundesregierung im Mai 2002 eine Rahmenvereinbarung
unterzeichnet, nach der ein Treuhandfonds errichtet werden soll, aus dem Pro-
jekte der FAO zur Ernährungssicherung und der Stärkung des ländlichen Rau-
mes in Entwicklungsländern finanziert werden sollen. Für das Jahr 2002 stehen
hierfür 8,5 Mio. Euro zur Verfügung.
Mit verstärkten Agrarexporten aus Entwicklungsländern sind Auswirkungen
auf die Lebensmittelsicherheit in der Europäischen Union und in Deutschland
verbunden.
Schon beim bisherigen Ausmaß des Welthandels mit Agrarprodukten ist die
Lebensmittelsicherheit nicht gewährleistet:
l Im Januar 2002 führte die Entdeckung der Einfuhr von mit Chloramphenicol

verseuchten Shrimps aus China zu einem Skandal.

Drucksache 14/9729 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

l Im Juni 2002 folgte die Einfuhr von mit Nitrofuran verseuchtem Geflügel-
fleisch aus Brasilien, Thailand und Indonesien.

Auf diese Probleme war die Bundesregierung nicht vorbereitet. Das BMVEL
handelte reaktiv. Das BMVEL hat zwar immer die gläserne Produktion für die
Lebensmittelproduktion gefordert, aber beispielsweise wird Fleisch aus Län-
dern wie Argentinien nicht auf BSE-Freiheit überprüft und wichtige EU-Rege-
lungen zur Gentechnik und Biotechnologie sind noch immer nicht rechtswirk-
sam umgesetzt.

Wir fragen die Bundesregierung:
I. Sicherheit und Unbedenklichkeit von Nahrungsmitteln
1. Wie wird die Bundesregierung das Recht der Verbraucher in Deutschland

und in der EU auf sichere, gesundheitsunbedenkliche Nahrung sicherstellen,
wenn durch veränderte Strategien in der Entwicklungspolitik und dem Welt-
handel vermehrt Importe von unverarbeiteten und verarbeiteten Produkten
aus Drittländern in die EU zu erwarten sind?

2. Welche Grenzen könnte das Ziel der möglichst umfassenden Lebensmittel-
sicherheit in Europa der Forderung nach einer Verbesserung des Marktzu-
gangs für Agrarprodukte aus Entwicklungsländern setzen?

3. Im Hinblick auf welche Erzeugnisse und Produkte und in welcher Weise will
die Bundesregierung zum Schutz der Wahlfreiheit der Verbraucher auf ein
absehbar erhöhtes Importaufkommen aus Drittländern mit Änderungen im
Kennzeichnungsrecht z. B. zu Herkunftsangaben reagieren angesichts der
Tatsache, dass bisher die Herkunft von behandeltem Geflügelfleisch im Ge-
gensatz zu frischem Geflügelfleisch bei dem Import aus Drittländern nicht
gekennzeichnet werden muss?

4. Wie stellt die Bundesregierung angesichts unterschiedlicher hygienischer
Anforderungen für die Be- und Verarbeitung von Lebensmitteln in Drittlän-
dern und in der EU sicher, dass die deutschen Verbraucher nicht negativ be-
troffen werden, und wie wird die Einhaltung der Standards kontrolliert?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die Rückstandsgrenzen
für Importe aus Drittländern, wie z. B. Honig aus Argentinien, deutlich über
den festgelegten Werten der EU liegen, und welche Maßnahmen hat sie da-
her zum Schutz der deutschen Verbraucher ergriffen?

6. In welcher Form unterstützt die Bundesregierung agrarexportierende
Entwicklungsländer dabei, sich die notwendige Technologie und die not-
wendigen Kenntnisse zur Erfüllung der von den Industrieländern gesetzten
Standards der Lebensmittelproduktion anzueignen?

II. Treuhandfonds
7. Ist die Forderung der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung

und Landwirtschaft, Renate Künast, dass Empfängerstaaten nach Festlegung
der Leitlinien zur Durchsetzung des Rechts auf Nahrung die Erarbeitung von
Programmen zur Hungerbekämpfung, zum Zugang zu Saatgut oder Land
nachweisen müssen, um Entwicklungshilfe zu erhalten (Nachrichtenagentur
epd vom 10. und 13. Juni 2002 sowie DER TAGESSPIEGEL vom 12. Juni
2002, S. 6), mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit und Entwicklung (BMZ) abgestimmt, und läuft sie darauf hinaus, ein
zusätzliches Kriterium für die Vergabe deutscher Entwicklungshilfegelder
aufzustellen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9729

8. Aus welchem Grund hat die Bundesministerin für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, den Treuhandfonds als „bi-
lateral“ bezeichnet (Pressemitteilung des BMVEL Nr. 155 vom 22. Mai
2002 und Informationen des BMVEL Nr. 21/22 vom 31. Mai 2002)?
Gibt es noch andere Beitragszahler als die Bundesrepublik Deutschland?

9. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorwurf, dass die Zuständigkeit für
den entwicklungspolitisch orientierten Treuhandfonds nicht beim BMZ,
sondern beim BMVEL angesiedelt ist, und dass dadurch das Risiko unnöti-
ger Doppelarbeit und der Bedarf an zusätzlicher Koordinierungsarbeit in-
nerhalb der Bundesregierung ohne triftigen Grund erhöht wurde?

10. Welche Aufgaben hat der Treuhandfonds im Einzelnen?
11. Wer verwaltet den Fonds, nach welchen Maßgaben wird er verwaltet und

inwiefern sind das BMVEL und das BMZ darin eingebunden?
12. Welche Bedingungen sind nach den Rahmenvereinbarungen des Treuhand-

fonds an die Vergabe von finanziellen Mitteln geknüpft?
III. Einsatz von Gentechnik
13. Welche Rolle soll nach Auffassung der Bundesregierung im Kampf gegen

Hunger der Einsatz von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen spielen
und welchen Beitrag will die Bundesregierung leisten?

14. Unterstützt die Bundesregierung die Auffassung der FAO, dass der Einsatz
von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen die Nahrungsmittelproduktion
steigern kann und daher dem Kampf gegen Hunger dient, und wenn ja, mit
welchen Mitteln unterstützt sie diesbezüglich die FAO?

15. Welche Bedeutung soll nach Auffassung der Bundesregierung die Gentech-
nik bei der Aufstellung der Pläne und Aktionsprogramme haben, die mög-
liche Empfängerländer nach der Idee der auf dem FAO-Gipfel vereinbarten
freiwilligen Leitlinien vorlegen müssen?

16. Welches Ausmaß hat der Import von Erzeugnissen und Produkten aus gen-
technisch veränderten Pflanzen in die EU im Jahr 2002 im Vergleich zu
1998 erreicht, und wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung?

17. Welche Entwicklung erwartet die Bundesregierung für die Steigerung des
Ökolandbaus nach dem selbstgesteckten Ziel auf 20 % innerhalb von zehn
Jahren durch den zu erwartenden vermehrten Import von Nahrungsmitteln
aus Drittländern?

18. Wie soll die Wahlfreiheit der Verbraucher in Bezug auf das Vorhandensein
gentechnisch veränderter Pflanzen gemäß der von der Bundesministerin für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, propa-
gierten „gläsernen Produktion“ gewährleistet werden (Regierungserklärung
vom 8. Februar 2001)?

Berlin, den 2. Juli 2002
Annette Widmann-Mauz
Helmut Heiderich
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Klaus-Jürgen Hedrich
Marlies Pretzlaff
Peter Bleser
Klaus Brähmig
Peter Harry Carstensen
(Nordstrand)

Albert Deß
Gottfried Haschke
(Großhennersdorf)

Siegfried Helias
Siegfried Hornung
Helmut Lamp
Vera Lengsfeld
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Meinolf Michels

Franz Obermeier
Hans-Peter Repnik
Dr. Klaus Rose
Volker Rühe
Norbert Schindler
Wolfgang Steiger
FriedrichMerz,MichaelGlos
und Fraktion

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