BT-Drucksache 14/9705

zu dem Antrag der Abg. Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, Dr. Irmgard Schaetzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -14/9049- Sucht wirksam bekämpfen - Prävention, Therapie und Lebenshilfe stärken

Vom 3. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9705
14. Wahlperiode 03. 07. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, Dr. Irmgard
Schwaetzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 14/9049 –

Sucht wirksam bekämpfen – Prävention, Therapie und Lebenshilfe stärken

A. Problem
Sucht ist eine ernst zu nehmende, chronisch rezidivierende Krankheit, wie ein
Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1968 bestätigt. In Deutschland
konsumieren täglich mehr als 5 Millionen Menschen 20 Zigaretten und mehr.
In der Gruppe der 12- bis 25-Jährigen rauchen derzeit 38 %. Alkohol ist in
Deutschland das am stärksten verbreitete Suchtmittel. Bei 3,1 % der 18- bis
59-Jährigen liegt eine aktuelle Medikamentenabhängigkeit vor. Der Kokain-
konsum nimmt sowohl in Europa als auch in Deutschland seit den 90er Jahren
deutlich zu. Die so genannte Partydroge Ecstasy ist in der Techno-Szene sehr
verbreitet und die bestehenden klassischen Suchthilfeangebote greifen hier nur
unzulänglich. Auch hat der Amphetamin-Konsum und der Konsum der so ge-
nannten biogenen oder Naturdrogen zugenommen. Die häufigste Tätigkeits-
sucht ist das pathologische Glücksspiel. Außerdem sind von 27 Millionen deut-
schen Internetnutzern rund drei bis vier Prozent von einer krankhaften Sucht
„Online zu sein“ betroffen. Die bisherige Drogenpolitik hat nicht verhindert,
dass es jährlich weit über tausend Drogentote zu beklagen gibt. Beschaffungs-
kriminalität und die spezifischen Begleiterscheinungen der Drogensucht gehö-
ren nach wie vor zum Alltag.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den eingeschlagenen
Weg der stärkeren Ausrichtung auf die Vorbeugung durch eine langfristige, um-
fassende Präventionsstrategie konsequent auszubauen, indem die Rahmenbe-
dingungen für Drogenberatung, Aufklärung und Hilfe nachhaltig verbessert
werden. Zudem muss eine nationale Kampagne zum Tabakmissbrauch gestartet
werden, die insbesondere Kinder und Jugendliche anspricht. Es müssen neue
Konzepte entwickelt werden, um den Alkoholkonsum zu senken. Im Bereich
Jugend- und Drogenhilfe müssen die großen Defizite in der Kooperation besei-
tigt werden. Kinder und Jugendliche müssen durch Freizeitangebote gezielt
angesprochen werden, um ihnen Alternativen zum Computer zu eröffnen. Die
Kommunen sollen motiviert werden, Drogenkonsumräume an den Treffpunk-
ten der Süchtigen zur Verfügung zu stellen. Die Bundesregierung wird aufge-
fordert, dafür zu sorgen, dass eine ausreichende Zahl von Therapieplätzen flä-
chendeckend angeboten wird. Die Ärzte sind zum vorsichtigeren Umgang mit

Drucksache 14/9705 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Psychopharmaka und anderen Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzialen
aufzurufen. Zudem ist eine einheitliche Handhabung der Straffreiheit des Besit-
zes geringer Mengen weicher Drogen zum Eigenkonsum bei den Ländern anzu-
streben.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei
Stimmenthaltung der Fraktionen der CDU/CSU und PDS

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9705

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 14/9049 abzulehnen.

Berlin, den 3. Juli 2002

Der Ausschuss für Gesundheit
Klaus Kirschner
Vorsitzender

Hubert Hüppe
Berichterstatter

Drucksache 14/9705 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Hubert Hüppe

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 236. Sitzung am
16. Mai 2002 den Antrag auf Drucksache 14/9049 in 1. Le-
sung beraten und dem Ausschuss für Gesundheit zur Bera-
tung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Vor dem Hintergrund, dass Sucht eine ernst zu nehmende,
chronisch rezidivierende Krankheit ist, fordert die Fraktion
der FDP, dass neben der Vermeidung von Sucht das primäre
Ziel die Wiederherstellung der Freiheit von Sucht ist. Ent-
zug und Rehabilitation müssen diesbezüglich einen hohen
Stellenwert erhalten, so dass dem Suchtkranken die Mög-
lichkeit gegeben wird, sein Leben selbstverantwortet zu ge-
stalten. Daher wird die Bundesregierung aufgefordert, dafür
Sorge zu tragen, dass die Aufklärung über Suchtgefähr-
dungspotenziale in allen Drogenbereichen vorangetrieben
wird, ausreichende Therapiemöglichkeiten zur Verfügung
gestellt, Kampagnen gegen Tabak- und Alkoholmissbrauch
gestartet und die Rahmenbedingungen für umfassende Prä-
ventionsstrategien – vor allem auch finanzieller Art – ge-
schaffen werden. Des Weiteren müssen das Angebot der
Drogenhilfe auch auf Bereiche wie die stark drogengefähr-
dete Techno-Party-Szene ausgedehnt, die Aufklärungsarbeit
über das Suchtgefährdungspotenzial, das mit dem Internet
verbunden ist, forciert und die gezielte Ansprache der Kin-
der und Jugendlichen intensiviert werden. Die Kommunen
sollen motiviert werden, Drogenkonsumräume an den Treff-
punkten der Süchtigen zur Verfügung zu stellen, um medizi-
nische, hygienische und psychische Hilfen und Kontakte zu
Ausstiegsprogrammen anbieten zu können. Zudem bedarf
es dringend einer einheitlichen Handhabung der Straffrei-
heit des Besitzes geringer Mengen weicher Drogen zum
Eigenkonsum bei den Ländern. Die Forschung im Zusam-
menhang mit der Zulassung von Cannabiswirkstoffen als
Arzneitmittel ist auszubauen und zu verbessern.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
III. im Ausschuss
Der Ausschuss für Gesundheit hat die Beratung in seiner
147. Sitzung am 12. Juni 2002 aufgenommen sowie in sei-
ner 154. Sitzung am 3. Juli 2002 fortgesetzt; in der 154. Sit-

zung am 3. Juli 2002 erfolgte auch der Abschluss der
Beratung.
Die Mitglieder der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN hoben hervor, dass der Antrag der Fraktion
der FDP in seinen weitreichenden Forderungen zu unpräzise
sei. Es fehle beispielsweise eine Bezugnahme auf eingetre-
tene Erfolge im Bereich der Bekämpfung legaler Suchtmit-
tel, die weiterhin vorangetrieben werden müssten. Wichtig
sei, dass in Zukunft die Hilfe für Suchtabhängige gestärkt
werde – z. B. auch durch eine weitergehende Einschränkung
der Strafverfolgung hinsichtlich des Gebrauchs weicher
Drogen. Die Suchtproblematik müsse auch auf internationa-
ler Ebene mehr an Bedeutung gewinnen.
Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU stellten klar,
dass in den letzten Jahren in der Drogenpolitik kaum Neue-
rungen vorgenommen worden seien, sie teilweise sogar
rückläufig sei – die Mittelbereitstellung sei zurückgegangen
und Modellvorhaben seien eingestellt worden. In vielen Tei-
len müsse der vorliegende Antrag demzufolge unterstützt
werden. Allerdings halte die Fraktion der CDU/CSU die
Forderung, die Kommunen zu motivieren, an den einschlä-
gigen Drogentreffpunkten Drogenkonsumräume einzurich-
ten, für problematisch. Daher könne sich die Fraktion bei
der Abstimmung nur enthalten.
Die Mitglieder der Fraktion der FDP wiesen darauf hin,
dass der Antrag ein Gesamtkonzept beinhalte, das einen um-
fassenden Ansatz für die Politik der Zukunft biete. Die der-
zeitige Drogenpolitik konzentriere sich sehr stark auf die
konventionellen Programme wie beispielsweise das Metha-
donprogramm, jedoch bedürften die darüber hinausgehen-
den, in vorliegendem Antrag angesprochenen Problemberei-
che mehr Aufmerksamkeit.
Die Mitglieder der Fraktion der PDS begrüßten das ange-
sprochene breite Spektrum der Drogenproblematik sowie
insbesondere auch die Forderung nach der Einrichtung von
Drogenkonsumräumen in den Gemeinden. Jedoch vermisse
man den Begriff der Entkriminalisierung des Drogenkon-
sums.
Als Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss für Ge-
sundheit den Antrag auf Drucksache 14/9049 mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktionen der CDU/CSU und PDS abgelehnt.

Berlin, den 3. Juli 2002
Hubert Hüppe
Berichterstatter

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