BT-Drucksache 14/9675

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Reiche, Heiderich, Dr. Friedrich (Erlangen), weiterer Abg. und der Fraktion der CDU/CSU -14/9102- Weiterentwicklung einer Biotechnoligiestrategie für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort BRD 2. Zu der Unterrichtung druch die BReg -14/8832 Nr. 2.17- Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europ. Parla. den Wirtsch- und Sozialaussch. und den Auss. der Regionen Biowissenschaften udn Biotech: Eine Strategie für Europa KOM (2002)27 end.; Ratsdock 06415/02

Vom 3. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9675
14. Wahlperiode 03. 07. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(19. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Helmut Heiderich,
Dr. Gerhard Friedrich (Erlangen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
– Drucksache 14/9102 –

Weiterentwicklung einer Biotechnologiestrategie für den Forschungs-
und Wirtschaftsstandort Deutschland

2. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/8832 Nr. 2.17 –

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament,
den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen
Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa
KOM (2002) 27 endg.; Ratsdok. 06415/02

A. Problem
1. Die Bundesregierung soll einen Beitrag zur Weiterentwicklung der nationa-

len Biotechnologiestrategie leisten, um den Wirtschaftsstandort Deutschland
zu stärken.

2. Die Europäische Kommission möchte aktiv zur Förderung einer Europäi-
schen Strategie in den Biowissenschaften und der Biotechnologie beitragen.

B. Lösung
1. Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD,

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS gegen die Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU

2. In Kenntnis der Unterrichtung Annahme einer Entschließung mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS
gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP

Drucksache 14/9675 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags und Ablehnung der Entschließung.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9675

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Antrag – Drucksache 14/9102 – abzulehnen;
2. in Kenntnis der Unterrichtung durch die Bundesregierung – Drucksache 14/

8832 Nr. 2. 17 – folgende Entschließung anzunehmen:
I. Der Deutsche Bundestag begrüßt
die Initiative der Kommission, eine Strategie im Bereich der Lebenswissen-
schaften und Biotechnologie zu entwickeln, mit der durch eine kohärente Ge-
meinschaftspolitik die Wettbewerbsfähigkeit Europas gefördert werden soll.
Gemeinsame Ziele, gemeinsame Standards und eine wirksame Koordinierung
sind von großer Bedeutung.
Das Strategiepapier enthält einen umfassenden Aktionsplan mit bereits laufen-
den bzw. neuen Aktivitäten, der sich sowohl an die Gemeinschaftsinstitutionen,
die Mitgliedsstaaten, lokale Behörden als auch an die Wissenschaft, Wirtschaft
und die Öffentlichkeit richtet.
Bei der Entwicklung im Bereich der Biotechnologie soll dafür Sorge getragen
werden, dass die verantwortbaren Potenziale der Bio- und Gentechnologie sys-
tematisch weiterentwickelt werden, die Gesundheit und Sicherheit der Verbrau-
cher und der Schutz der Umwelt gewährleistet sind sowie die gemeinsamen
Grundwerte und ethischen Grundsätze eingehalten werden. Die Wichtigkeit ei-
nes europäischen Dialoges über ethische Werte ist z. B. bei der breiten gesell-
schaftlichen Diskussion um die Stammzellenforschung deutlich geworden.
Erklärter Wille der Kommission ist es auch, die Wahlfreiheit der Verbraucher
und der Wirtschaftsakteure, ob sie GVO-Produkte (GVO: genetisch veränderte
Organismen) erwerben oder benutzen wollen, sicherzustellen.
II. Der Deutsche Bundestag stellt fest,
dass angesichts der breiten öffentlichen Debatte der Biowissenschaften, Bio-
und Gentechnologie und der hohen Sensibilität der Gesellschaft in diesem Be-
reich mögliche ökologische oder gesundheitliche Risiken der Biowissenschaf-
ten und Biotechnologie in angemessener und ausgewogener Weise im Sinne
des Vorsorgeprinzips berücksichtigt werden müssen.
Der umfangreiche Maßnahmenkatalog bedarf – auch vor dem Hintergrund des
Subsidiaritätsprinzips – einer eingehenden Prüfung und Konkretisierung in den
zuständigen Gremien.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
sich auf EU-Ebene einzusetzen für
– eine eindeutige Definition und einheitliche Verwendung der Begriffe Bio-

wissenschaften, Biotechnologie und Gentechnologie;
– eine ausgewogene Darstellung des Potenzials der Biowissenschaften auch in

Hinsicht auf mögliche ökologische, gesundheitliche und ökonomische
Risiken;

– die durchgängige Einhaltung des auf EU-Ebene gesetzlich verankerten
Vorsorgeprinzips und dementsprechend grundsätzlich keine Zulassung von
Produkten, bei denen erforderliche Daten fehlen oder wissenschaftlich unzu-
verlässig sind;

Drucksache 14/9675 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– die Aufnahme einer Aktion zur Unterstützung der Überwachungsbehörden
durch die Gemeinschaft, damit diese in den einzelnen Mitgliedstaaten und in
den Beitrittsländern, aber auch in einem europäischen Netzwerk in die Lage
versetzt werden, den steigenden Ansprüchen an die Überwachung der Gen-
technik gerecht zu werden;

– die Überprüfung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechno-
logischer Erfindungen (EG/98/44) – entsprechend Kabinettsbeschluss am
18. Oktober 2000 – mit dem Ziel, Verbesserungen, Präzisierungen und
Weiterentwicklungen zu ermöglichen sowie ein gemeinsames Verständnis
des Bio-Patents in Europa herbeizuführen;

– Regelungen, die beim Handel mit Nicht-Mitgliedstaaten oder bei techni-
scher Unterstützung von Gentechnologie in Nicht-Mitgliedstaaten sicher-
stellen, dass die hierfür geltenden Normen nicht hinter die in der Europäi-
schen Union geltenden zurückfallen.

Berlin, den 26. Juni 2002

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ulrike Flach
Vorsitzende/Berichterstatterin

René Röspel
Berichterstatter

Thomas Rachel
Berichterstatter

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Wolfgang Bierstedt
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9675

Bericht der Abgeordneten René Röspel, Thomas Rachel, Hans-Josef Fell,
Ulrike Flach und Wolfgang Bierstedt

I. Überweisung
1. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache

14/9102 – wurde vom 14. Deutschen Bundestag in sei-
ner 242. Sitzung am 13. Juni 2002 zur federführenden
Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung sowie zur Mitberatung an
den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss, den Haus-
haltsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie, den Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft, den Ausschuss für Gesundheit
und den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung überwiesen.

2. Die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäi-
sche Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss
und den Ausschuss der Regionen – Ratsdok. 06415/02 –
wurde vom 14. Deutschen Bundestag in seiner 231. Sit-
zung am 19. April 2002 zur federführenden Beratung an
den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung sowie zur Mitberatung an den Aus-
schuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-
schaft, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den
Rechtsausschuss, den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
1. Die Biowissenschaften bieten die Chance eines Bei-

trages zur Lösung zahlreicher globaler Probleme im
Zusammenhang mit Gesundheit, Alter, Ernährung und
Umwelt sowie nachhaltiger Entwicklung. Die Bio- und
Gentechnologie ist eine zukünftige Leittechnologie mit
sehr breiten Anwendungsmöglichkeiten in der Pharma-
zie und Medizin, in der Landwirtschaft und im Umwelt-
schutz. Für ihre Entwicklung sind erstklassige For-
schung, Förderung durch die öffentliche und private
Hand, Forschungsvernetzung, strenge Sicherheitsregeln,
Rechtssicherheit, gesellschaftliche Akzeptanz durch
Transparenz und Wahlfreiheit sowie Nachwuchsförde-
rung notwendig.
Die Biotechnologiepolitik der rot-grünen Bundesregie-
rung hat deutliche Schwächen; die grüne Gentechnik
wird aus ideologischen Gründen ausgebremst. Die aktu-
elle Lage ist gekennzeichnet durch fehlende Planungs-
sicherheit in der Forschungsförderung, zu geringe finan-
zielle Mittel für die Genomforschung, ein fehlendes
wirtschaftliches Rahmenkonzept für Biotechnologieun-
ternehmen und den Fachkräftemangel. Der Umgang mit
den wachsenden Anwendungsmöglichkeiten der Gen-
diagnostik im Versicherungswesen und Arbeitsleben ist
nicht geregelt.
Im Ergebnis müssen die nationalen Biotechnologiestra-
tegien weiter entwickelt werden, um den Forschungs-
und Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung
auf, die dazu notwendigen Maßnahmen in den Bereichen
Bildungs- und Forschungspolitik, grüne, rote und graue
Gentechnik, Bioinformatik, Gesundheitspolitik und Pa-
tentschutz durchzuführen sowie zur Akzeptanz der Bio-
technologie in der Öffentlichkeit beizutragen und die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Biotechnolo-
gieunternehmen zu verbessern. Schließlich wird die
Bundesregierung aufgefordert, einen Beitrag zur Verbes-
serung eindeutiger rechtlicher nationaler und internatio-
naler Rahmenbedingungen zu leisten.

2. Die Europäische Kommission möchte aktiv zur Förde-
rung einer Europäischen Strategie in den Biowissen-
schaften und der Biotechnologie beitragen. Mit Hilfe
dieser Strategie soll es Europa ermöglicht werden, das
positive Potenzial in den Biowissenschaften und der
Biotechnologie zu nutzen, einen angemessenen ord-
nungspolitischen Rahmen zu schaffen und der globalen
Verantwortung Europas gerecht zu werden.
Zur Umsetzung der Strategie schlägt die Kommission ei-
nen Aktionsplan vor, der konkrete Maßnahmen der
Kommission und der Gemeinschaft beschreibt sowie
Empfehlungen ausspricht für andere öffentliche und pri-
vate Akteure unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
1. Der Rechtsausschuss hat den Antrag in seiner Sitzung

am 26. Juni 2002 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS ge-
gen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung des An-
trags empfohlen.
Der Finanzausschuss hat den Antrag in seiner Sitzung
am 26. Juni 2002 beraten und mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS ge-
gen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP die Ablehnung des An-
trags empfohlen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat
den Antrag in seiner Sitzung am 26. Juni 2002 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP die Ablehnung des
Antrags empfohlen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft hat den Antrag in seiner Sitzung
am 26. Juni 2002 beraten und dem federführenden Aus-
schuss mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Abwesenheit der
Fraktion der PDS die Ablehnung des Antrags empfoh-
len.
Der Ausschuss für Gesundheit hat den Antrag in seiner
Sitzung am 26. Juni 2002 beraten und mit den Stimmen

Drucksache 14/9675 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und
PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei
Abwesenheit der Fraktion der FDP empfohlen, den An-
trag abzulehnen.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung hat den Antrag in seiner Sitzung am
26. Juni 2002 beraten und mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP und Abwesenheit der
Fraktion der PDS die Ablehnung des Antrags empfoh-
len.
Der Haushaltsausschuss hat den Antrag in seiner Sit-
zung am 26. Juni 2002 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
gen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
bei Stimmenthaltung der Fraktion der PDS dem feder-
führenden Ausschuss empfohlen, den Antrag abzuleh-
nen.

2. Der Rechtsausschuss hat die Mitteilung der Kommis-
sion in seiner Sitzung am 12. Juni 2002 zur Kenntnis ge-
nommen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Mitteilung der Kommission in seiner Sitzung am
26. Juni 2002 zur Kenntnis genommen. Der Ausschuss
hat zum Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit den Stimmen der an-
tragstellenden Fraktionen gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktion der PDS die Annahme empfohlen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft hat die Mitteilung der Kommission
in seiner Sitzung am 26. Juni 2002 zur Kenntnis genom-
men unter Berücksichtigung des Entschließungsantrags
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Der Ausschuss für Gesundheit hat die Mitteilung der
Kommission in seiner Sitzung am 26. Juni 2002 zur

Kenntnis genommen. Zum Entschließungsantrag der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat
der Ausschuss mit den Stimmen der antragstellenden
Fraktionen und der PDS sowie der großen Mehrheit der
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU gegen die Stimmen
der Fraktion der FDP und gegen eine Stimme aus den
Reihen der Fraktion der CDU/CSU die Annahme emp-
fohlen.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit hat die Mitteilung der Kommission in sei-
ner Sitzung am 12. Juni 2002 zur Kenntnis genommen.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung hat die Mitteilung der Kommission in
seiner Sitzung am 15. Mai 2002 zur Kenntnis genom-
men.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse
IV. im federführenden Ausschuss
Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Mitteilung der Kommission in sei-
ner Sitzung am 26. Juni 2002 beraten und anschließend die
vorgenannte Beschlussempfehlung verabschiedet.
1. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU – Drucksache

14/9102 – wurde mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU abgelehnt.

2. Die Mitteilung der Kommission – Ratsdok. 06415/02 –
wurde einvernehmlich zur Kenntnis genommen. Der
dazu von den Regierungsfraktionen eingebrachte Ent-
schließungsantrag wurde mit den Stimmen der Fraktio-
nen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen
die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP an-
genommen.
Bezüglich des Beratungsverlaufs im Ausschuss wird auf
das Protokoll der Ausschusssitzung verwiesen.

Berlin, den 26. Juni 2002
Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
René Röspel
Berichterstatter

Thomas Rachel
Berichterstatter

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Ulrike Flach
Berichterstatterin

Wolfgang Bierstedt
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9675

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

Brüssel, den 23.1.2002
KOM(2002) 27 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE
PARLAMENT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN

AUSSCHUSS DER REGIONEN

Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

Drucksache 14/9675 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2

INHALTSVERZEICHNIS

Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

Teil I: Eine Strategie für Europa

1. Die strategischen Herausforderungen.......................................................................3

1.1. Technologische Revolution und Antwort der Politik ...................................................3

1.2. Eine europäische Strategie ............................................................................................4

2. Das Potential von Biowissenschaften und Biotechnologie.......................................6

3. Das Potenzial ausschöpfen .........................................................................................7

3.1. Die Wissensbasis ..........................................................................................................8

3.2. Die Fähigkeit Europas, wissenschaftliche und technologische Lösungen zu
liefern ..........................................................................................................................10

4. Schlüsselelement für eine verantwortungsvolle Politik: Ein
ordnungspolitischer Rahmen für Biowissenschaften und Biotechnologie...........13

4.1. Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog......................................................................13

4.2. Entwicklung von Biowissenschaften und Biotechnologie in
Übereinstimmung mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Zielen.....................14

4.3. Bedarfsorientierte Anwendungen aufgrund fundierter Entscheidungen.....................16

4.4. Vertrauen in wissenschaftlich untermauerte staatliche Kontrolle...............................17

4.5. Ordnungspolitische Grundsätze ..................................................................................18

5. Europa in der Welt – auf die globalen Herausforderungen reagieren ................20

5.1. Eine europäische Agenda für die internationale Zusammenarbeit .............................20

5.2. Die Verantwortung Europas gegenüber der Dritten Welt...........................................21

6. Praktische Umsetzung und Kohärenz für alle Politikbereiche, Sektoren
und Akteure ...............................................................................................................23

7. Ein Rahmen für Dialog und Aktion ........................................................................24

Teil II: Aktionsplan

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/9675

3

1. DIE STRATEGISCHEN HERAUSFORDERUNGEN

Nach der Informationstechnologie bilden Biowissenschaften und Biotechnologie
nach allgemeiner Einschätzung die nächste Phase der wissensbasierten Wirtschaft,
sie werden neue Möglichkeiten für Gesellschaften und Volkswirtschaften eröffnen.

Sie werfen aber auch wichtige politische und gesellschaftliche Fragen auf und haben
eine breite öffentliche Debatte ausgelöst, dies wurde auch anlässlich der
umfassenden öffentlichen Konsultation deutlich, die die Kommission im Herbst 2001
durchführte1. Diesen Fragen müssen wir uns mit großer Aufmerksamkeit und
Sensibilität nähern. In Europa verteilt sich hier allerdings die Zuständigkeit auf
zahlreiche Politikbereiche und Akteure. Ohne gemeinsame Vision der Sache selbst
und ohne gemeinsame Ziele und eine wirksame Koordinierung konnte sich Europa
bislang nur langsam und mühsam den Herausforderungen und Möglichkeiten dieser
neuen Technologien stellen.

Unsere demokratischen Gesellschaften sollten die notwendigen Sicherungen und
Dialogkanäle schaffen, damit die Entwicklung und Nutzung der Biowissenschaften
und Biotechnologie unter Wahrung der Grundwerte ablaufen kann, die die EU in der
Grundrechtecharta anerkannt hat.

Europa steht vor einer wichtigen politischen Entscheidung: entweder eine passive
und reagierende Rolle zu spielen und diese Technologien so zu akzeptieren, wie sie
von anderen gestaltet werden, oder selbst politische Konzepte zu ihrer
verantwortungsbewussten Nutzung zu entwickeln, die mit europäischen Werten und
Normen in Einklang stehen. Je länger Europa zögert, um so weniger erscheint die
zweite Option realistisch.

In wichtigen politischen Fragen ist die Gemeinschaft – und im Besonderen die
Kommission – gefordert, zur Suche nach neuen Wegen beizutragen. Diese Initiative
soll den Rahmen hierfür abstecken.

1.1. Technologische Revolution und Antwort der Politik

Biowissenschaften und Biotechnologie erleben derzeit eine Revolution, die neue
Anwendungsmöglichkeiten in Gesundheitswesen, Landwirtschaft,
Nahrungsmittelproduktion und Umweltschutz eröffnet und neue wissenschaftliche
Entdeckungen mit sich bringt. Diese Entwicklung ist weltweit festzustellen. Die
gemeinsame Basis an Wissen über lebende Organismen und Ökosysteme bringt neue
Wissenschaftssparten wie Genomik und Bioinformatik und neue
Einsatzmöglichkeiten wie Gentests und Regeneration von menschlichen Organen
und Geweben hervor. Diese wiederum lassen Anwendungen erwarten, die
1 Mitteilung der Kommission „Zu einer strategischen Vision vom Biowissenschaften und

Biotechnologie: Konsultationspapier“ , KOM(2001) 454 vom 4.9.2001. Die Mitteilungen,
Kommentare der Öffentlichkeit via Internet und Ergebnisse der von der Kommission
veranstalteten Konferenz der Interessenvertreter vom 27./28. September 2001 sind zu finden
unter http://europa.eu.int/comm/biotechnology .

Umfassende
und
tiefgreifende
Auswirkun-
gen, die eine
politische
Reaktion
erfordern

Drucksache 14/9675 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

4

tiefgreifende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben werden, weit
hinausgehend etwa über die Nutzung genetisch veränderter Kulturpflanzen.

Die Ausweitung der Wissensbasis geht einher mit einer beispiellosen Schnelligkeit
bei der Umsetzung neuester wissenschaftlicher Erfindungen in praktische
Anwendungen und Produkte, sie bietet damit auch ein Potenzial für die Schaffung
neuen Wohlstandes: alte Industriezweige werden wiederbelebt, neuartige
Unternehmen entstehen, die genau die Art von qualifizierten Arbeitsplätzen bieten,
die als Grundlage für die wissensbasierte Wirtschaft benötigt werden.
Biowissenschaften und Biotechnologie können als vielleicht vielversprechendste
Spitzentechnologien einen wesentlichen Beitrag zu dem Ziel der Europäischen
Gemeinschaft leisten, zum führenden wissensbasierten Wirtschaftsraum zu werden,
so wie es der Europäische Rat von Lissabon formuliert hat. Der Europäische Rat von
Stockholm vom März 2001 hat dies bestätigt und die Kommission aufgefordert,
gemeinsam mit dem Rat Maßnahmen zu prüfen, um das Potenzial der Biotechnologie
umfassend zu nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen
Biotechnologiesektors zu stärken und so mit den führenden Konkurrenten
mitzuhalten, gleichzeitig aber dafür Sorge zu tragen, dass diese Entwicklungen so
ablaufen, dass Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher und der Schutz der
Umwelt gewährleistet sind und die gemeinsamen Grundwerte und ethischen
Grundsätze eingehalten werden.

Der aktuelle Leistungsstand Europas in den Biowissenschaften und der
Biotechnologie macht es nicht einfach, dieses Ziel zu erreichen.

In Europa hat sich wie anderswo auch eine intensive öffentliche Debatte entwickelt.
Auch wenn diese Debatte zu Bewusstseinsbildung und konkreten Verbesserungen in
wichtigen Aspekten beitragen konnte, hat sie sich doch zu einseitig auf genetisch
veränderte Organismen und spezifische ethische Fragen konzentriert, in denen die
öffentliche Meinung polarisiert ist. In der Gemeinschaft wie in anderen Regionen
und Ländern wirft der wissenschaftliche und technologische Fortschritt in diesen
Bereichen komplexe Grundsatzfragen auf und stellt uns vor ordnungspolitische
Herausforderungen. Unsicherheit hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz lenkt
in Europa von den Faktoren ab, die unsere Fähigkeit zu Innovation, technologischer
Entwicklung und Umsetzung bestimmen. Dies schwächt unsere Wettbewerbsposition
und unsere Forschungskapazitäten und schränkt langfristig auch unsere politischen
Optionen ein.

Europa steht an einem Scheideweg: wir müssen aktiv eine verantwortungsbewusste
Politik entwickeln, zukunftsorientiert und global denken, oder wir werden mit einem
politischen Rahmen konfrontiert werden, der von anderen – in Europa und weltweit –
gestaltet wurde. Die Technologie und ihre Einsatzmöglichkeiten entwickeln sich
rasch; nach Auffassung der Kommission steht Europa somit nicht vor der
Entscheidung, ob es die Herausforderung dieses neuen Wissens und seiner Nutzung
annimmt, sondern wie es sich dieser Herausforderung stellen kann.

1.2. Eine europäische Strategie

Die Europäische Kommission möchte aktiv zum Nachdenken über diese Fragen und
zur Bewältigung der Herausforderung beitragen. Im September 2001 leitete sie eine

Europa
scheint noch
zu zögern

Verteilte
Zuständigkeit
– aber die
Kommission
kann einen
Beitrag
leisten

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/9675

5

umfassende öffentliche Konsultation zu einer großen Bandbreite relevanter Aspekte
ein2. Nur bei einem Teil dieser Fragen kann die Gemeinschaft unmittelbar handeln –
die meisten sind von einer Vielzahl öffentlicher und privater Akteure abhängig. In
einigen Bereichen wie Produktzulassung, Schutz des Binnenmarktes, Agrar- und
Handelspolitik verfügt die Gemeinschaft über die ausschließliche Zuständigkeit. Auf
anderen Gebieten ist sie nicht oder nur gemeinsam mit den Mitgliedstaaten
zuständig. Letztendlich ruht also die Verantwortung für Erfolg oder Scheitern auf
vielen Schultern.

Die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sollte die Europäer jedoch nicht davon
abhalten, gemeinsame Ziele auch gemeinsam zu verfolgen. Innerhalb einer von allen
geteilten Vision langfristiger und globaler Chancen und Herausforderungen können
wir klare strategische Ziele und kohärente, ganzheitliche Konzepte ausarbeiten und
dabei auf neue Formen der Zusammenarbeit und Überwachung zurückgreifen,
insbesondere auf die offene Koordination und das Benchmarking, die Stützpfeiler der
Strategie von Lissabon.

Mit dieser Initiative regt die Europäische Kommission eine Strategie für Europa an,
um nachhaltige und verantwortungsbewusste politische Konzepte für folgende drei
Fragenkomplexe zu entwickeln:

� Biowissenschaften und Biotechnologie bieten die Chance, zahlreiche globale
Probleme im Zusammenhang mit Gesundheit, Alter, Ernährung und Umwelt
sowie nachhaltiger Entwicklung in den Griff zu bekommen. Wie kann Europa die
notwendigen Humanressourcen, Industriekapazitäten und Finanzen anziehen, um
diese Technologien optimal zu gestalten und zu nutzen, den Bedürfnissen der
Gesellschaft gerecht zu werden und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern?

� Breiter Rückhalt in der Öffentlichkeit ist entscheidend, und die ethischen und
gesellschaftlichen Aspekte und Bedenken müssen ernst genommen werden. Wie
kann Europa wirksame, glaubwürdige und verantwortliche Politikkonzepte
hervorbringen, die das Vertrauen und die Unterstützung der Bürger finden?

� Wissenschaftliche und technologische Revolution sind eine globale Realität, die
neue Chancen und Herausforderungen für alle Länder der Welt – ob reich oder
arm – schafft. Wie kann Europa am besten auf die globalen Herausforderungen
reagieren, seine politischen Konzepte mit einer klaren internationalen Perspektive
entwickeln und global handeln, um seine Interessen wahrzunehmen?

Die Kommission schlägt eine politische Strategie vor, die verantwortliche,
wissenschaftlich fundierte und am Menschen orientierte Konzepte auf ethischer
Grundlage beinhaltet. Diese Strategie soll es Europa ermöglichen, das positive
Potenzial von Biowissenschaften und Biotechnologie (Abschnitte 2 und 3) zu nutzen,
einen angemessenen ordnungspolitischen Rahmen („Governance“ , Abschnitt 4) zu
schaffen und der globalen Verantwortung Europas (Abschnitt 5) gerecht zu werden.
Es ist dies ein Vorschlag für eine integrierte Strategie – die verschiedenen Elemente
bedingen und verstärken sich gegenseitig.
2 KOM(2001) 454, 4.9.2001.

Die
strategischen
Prioritäten

Eine Strategie
und ein
Aktionsplan

Drucksache 14/9675 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

6

Die Umsetzung dieser Strategie erfordert eine offene und kontinuierliche
Zusammenarbeit, die auf kohärente und glaubwürdige politische Konzepte abzielt
(Abschnitt 6). Die Kommission schlägt weiter einen Aktionsplan vor, der konkrete
Maßnahmen der Kommission und der Gemeinschaft beschreibt sowie Empfehlungen
ausspricht für andere öffentliche und private Akteure – stets unter Wahrung des
Subsidiaritätsprinzips.

2. DAS POTENTIAL VON BIOWISSENSCHAFTEN UND BIOTECHNOLOGIE

Biowissenschaften und Biotechnologie gelten allgemein als einer der Bereiche mit
den weitreichendsten Perspektiven für die nächsten Jahrzehnte. Biowissenschaften
und Biotechnologie sind Grundlagentechnologien – wie die Informationstechnologie
lassen sie sich in einer Vielzahl von Bereichen einsetzen, zum Nutzen des Einzelnen
wie der Allgemeinheit. Dank wissenschaftlicher Erfolge in den letzten Jahren wird
das explosionsartige Wachstum unseres Wissens über lebende Systeme zwangsläufig
einen kontinuierlichen Strom neuer Anwendungen hervorbringen.

In der Gesundheitsfürsorge besteht weltweit ein enormer Bedarf an innovativen
Konzepten, die den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung und der armen Länder
gerecht werden. Noch immer gibt es für die Hälfte aller Krankheiten in der Welt
keine Heilung, und selbst bekannte Behandlungsmethoden wie Antibiotika verlieren
aufgrund zunehmender Resistenz der Erreger an Wirkung. Die Biotechnologie
erlaubt bereits heute eine billigere, sicherere und ethisch eher vertretbare
Entwicklung von immer mehr traditionellen wie auch neuartigen Medikamenten und
medizinischen Diensten (etwa Wachstumshormone für den Menschen, die nicht das
Risiko einer Creutzfeldt-Jacobs-Erkrankung mit sich bringen, Behandlung von
Blutern mit einem unbegrenzten Angebot an AIDS- und Hepatitis-C-freien
Koagulationsfaktoren, Humaninsulin und Impfstoffe gegen Hepatitis B und gegen
Tollwut). Biotechnologie steht hinter dem Paradigmenwechsel im Umgang mit
Krankheit, hin zu einer auf die Person ausgerichteten und präventiven Medizin, die
sich auf die Feststellung genetischer Veranlagung, gezielte Untersuchungen und
Diagnosen sowie Behandlung mit innovativen Medikamenten stützt. Die
Pharmakogenomik, die Informationen über das Humangenom für die Entwicklung
neuer Medikamente einsetzt, wird diesen radikalen Wandel weiter fördern.
Stammzellenforschung und Xenotransplantation bieten die Aussicht auf
Ersatzgewebe und –organe zur Behandlung degenerativer Krankheiten und der
Folgen von Schlaganfällen, Alzheimer und Parkinson, Verbrennungen und
Rückenmarksverletzungen.

In der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung hat die Biotechnologie das
Potenzial, für eine verbesserte Lebensmittelqualität und ökologische Vorteile durch
agronomisch verbesserte Nutzpflanzen zu sorgen. Seit 1998 hat sich die Anbaufläche
für genetisch veränderte Kulturpflanzen weltweit nahezu verdoppelt und erreichte
2001 rund 50 Millionen Hektar (im Vergleich dazu etwa 12 000 Hektar in Europa).
Die Qualität von Lebens- und Futtermitteln lässt sich auch im Zusammenhang mit
Krankheitsvorsorge und der Verringerung von Gesundheitsrisiken sehen.
Lebensmittel mit verbesserten Eigenschaften („funktionelle Lebensmittel“ ) dürften
unter den Aspekten „Lifestyle“ und Nährwert zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Die Genomanalyse bei Pflanzen, unterstützt durch ein FAIR-Forschungsprojekt, hat

Neue Lösungen
für reale
Probleme

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/9675

7

bereits zur genetischen Verbesserung einer traditionellen europäischen
Getreidepflanze (Dinkel) mit gesteigertem Proteingehalt (18 %) geführt, die als
alternativer Proteinlieferant für Tierfutter dienen kann3. Bei Pflanzen mit veränderter
Resistenz konnte eine erhebliche Verringerung des Pestizidbedarfs verzeichnet
werden. Die Steigerung der natürlichen Widerstandsfähigkeit von Pflanzen und
Tieren gegen Krankheiten und andere Belastungen kann zu einem verringerten
Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Dünger und Medikamenten sowie zu
verstärkter Boden erhaltender Bewirtschaftung führen – und damit zu einer
nachhaltigeren Landwirtschaft, die die Bodenerosion verringert und die Umwelt
schützt, unter anderem durch die Erhaltung der biologischen Vielfalt.
Biowissenschaften und Biotechnologie dürften eines der wichtigsten Instrumente im
Kampf gegen Hunger und Mangelernährung sein und zur Ernährung einer stetig
wachsenden Weltbevölkerung bei gleichbleibender Nutzfläche und verringerten
Umweltauswirkungen beitragen.

Die Biotechnologie bietet auch die Möglichkeit, den Einsatz von Kulturpflanzen
für andere Zwecke als Lebensmittel zu verbessern, so etwa als Rohstoffe für die
Industrie oder als neue Werkstoffe wie biologisch abbaubare Kunststoffe. Pflanzliche
Rohstoffe können molekulare Bausteine und komplexe Moleküle für die
verarbeitende Industrie, den Energiesektor und die pharmazeutische Industrie liefern.
Derzeit in der Entwicklung sind modifizierte Kohlehydrate, Öle, Fette, Proteine und
Faserstoffe sowie neuartige Polymere. Unter den entsprechenden wirtschaftlichen
und steuerlichen Bedingungen könnte Biomasse zur alternativen Energieerzeugung
beitragen, mit festen und flüssigen biologischen Brennstoffen wie Biodiesel und
Bioethanol sowie durch Prozesse wie die Bioentschwefelung. Die Pflanzengenomik
trägt durch marker-gestützte Züchtung auch zu konventionellen Verbesserungen bei.

Biotechnologie bietet auch neue Wege zum Schutz und zur Verbesserung der
Umwelt, beispielsweise durch die Biosanierung von Luft, Boden, Wasser und
Abfällen sowie die Entwicklung sauberer Industrieprodukte und -prozesse,
beispielsweise mit Hilfe von Enzymen (Biokatalyse).

3. DAS POTENZIAL AUSSCHÖPFEN

Das Potenzial der Biowissenschaften und Biotechnologie wird immer intensiver
genutzt, und es wird einen neuen Wirtschaftszweig hervorbringen, der mehr
Wohlstand und qualifizierte Arbeitsplätze schafft. Unsicher sind jedoch der zeitliche
Ablauf und die Richtung dieser Entwicklung und die Frage, ob Europa dabei
umfassend beteiligt ist.

Einigen Schätzungen zufolge könnte der europäische Markt für Biotechnologie bis
zum Jahr 2005 einen Wert von über 100 Milliarden Euro erreichen. Bis zum Ende
des Jahrzehnts könnten die weltweiten Märkte – einschließlich der
Wirtschaftszweige, in denen Biowissenschaften und Biotechnologie den Hauptteil
der eingesetzten neuen Technologien ausmachen – auf über 2000 Milliarden Euro
kommen.
3 http://europa.eu.int/comm/research/agro/fair/en/be1569.html

Die
wirtschaftliche
Dimension

Drucksache 14/9675 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

8

Mittelbares und unmittelbares Marktpotenzial von Biowissenschaften
und Biotechnologie1

Industrie weltweit 1500 Mrd. in nachhaltiger Industrietechnik und
Umweltschutz im Jahre 2010 (nur teilweise Biotechnologie),
wobei der Anteil der Umwelttechnologien auf 90-120 Mrd.
geschätzt wird2

Arzneimittel weltweit 506 Mrd. im Jahr 2004 (bei gleichbleibender
Steigerungsrate 818 Mrd. im Jahre 2010)3

Landwirtschaft Obwohl eine stetige Steigerung der Anbauflächen mit genetisch
verändertem Saatgut zu verzeichnen ist, lässt sich der zukünftige
Marktumfang schwer vorhersagen, da er auch von der
möglichen Entwicklung eines Futtermittelmarktes ohne GVO
abhängig ist. Millionen Hektar weltweit4:

1998 1999 2000 2001
28 40 44 53

Unter Berücksichtigung der Unsicherheit von Schätzungen verschiedener Quellen
lässt sich aufgrund der vorstehenden Zahlen für 2010 ein Gesamtweltmarkt (ohne
Landwirtschaft) von über 2000 Milliarden Euro in Sektoren erwarten, in denen ein
großer Teil der neuen Technologien und ein wesentlicher Teil der technologischen
Elemente überhaupt von Biotechnologie-Firmen stammt.

1 Abgesehen von den vorgelegten Zahlen sind Vergleichsdaten über die internationale Wettbewerbsfähigkeit in
der Biotechnologie schwer zu finden: der wichtigste Wertfaktor ist die Wissensgrundlage, und die üblichen
statistischen Daten über Umsatz, Verkaufszahlen, Exporte geben keinen Aufschluss darüber, wo ein
Mehrwert in Form geistigen Eigentums geschaffen wurde.

2 Daten der britischen Regierung: aus dem Programm Bio-Wise des Industrie- und Handelsministeriums,
begonnen 1999; OECD: POST Report 136, April 2000.

3 IMS Health (www.imshealth.com)

4 ISAAA: International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications.

Die Europäer dürften auch wesentlich von Lösungen profitieren, die
Biowissenschaften und Biotechnologie bieten – in Form von Produkten und
Dienstleistungen für Verbraucher und Öffentlichkeit sowie durch Verbesserungen
der Produktionssysteme. Um aber diese Entwicklung steuern zu können, Optionen
offen zu halten, unsere Werte und politischen Entscheidungen auch international
umzusetzen und Nutzen aus einer neuen Wirtschaftsordnung ziehen zu können, muss
Europa auch die Wissensgrundlage und ihre Umsetzung in neue Produkte, Prozesse
und Dienstleistungen beherrschen.

3.1. Die Wissensbasis

Motor der Revolution in den Biowissenschaften war und ist die Forschung.
Öffentliche Forschungslabors und Hochschuleinrichtungen bilden den Kern der
wissenschaftlichen Basis, sie interagieren jedoch auch mit der Forschung in
Unternehmen und anderen privaten Einrichtungen.

Die
Wissensbasis
beherrschen
durch …

E

E

E

E

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/9675

9

Der Erfolg einer wissensbasierten Wirtschaft beruht auf Schaffung, Verbreitung und
Anwendung neuer Kenntnisse. Investitionen in Forschung und Entwicklung,
allgemeine und berufliche Bildung und neue Managementkonzepte sind daher von
entscheidender Bedeutung, will man den Herausforderungen von Biowissenschaften
und Biotechnologie gewachsen sein.

Eine der Hauptstärken Europas ist sein wissenschaftliches Fundament; Zentren
wissenschaftlichen Fachwissens in bestimmten Technologiebereichen bilden den
Kern für regionale „Cluster“ der Biotechnologieentwicklung. Die
Gesamtinvestitionen der Europäer in Forschung und Entwicklung liegen jedoch
hinter denen der USA zurück. Zudem leidet Europa unter einer Fragmentierung der
öffentlichen Forschungsförderung und unter dem niedrigen Niveau überregionaler
Kooperation bei Forschung und Entwicklung, sowohl zwischen Unternehmen als
auch zwischen Einrichtungen aus verschiedenen Regionen oder Staaten.

Die Kommission strebt an, Europa wieder eine führende Rolle bei der Forschung in
Biowissenschaften und Biotechnologie zu verschaffen. Das 6. Rahmenprogramm der
Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2002-
2006) präsentiert diesen Bereich als erste Priorität und wird eine solide Plattform für
den Aufbau eines Europäischen Forschungsraums – in Zusammenarbeit mit den
Mitgliedstaaten – bieten. Dies sollte die F&E-Kapazitäten stärken und mithelfen, die
bestehende Fragmentierung der Forschungspolitik und der Forschung selbst zu
überwinden. Wenn wir Europäer zusammenarbeiten, die Kooperation optimieren und
Doppelarbeit auf ein Minimum reduzieren, werden wir die großen
Herausforderungen wie etwa das stetig wachsende Volumen an Daten und
Informationen besser in den Griff bekommen und eine umfassende Beteiligung an
weltweiten wissenschaftlichen Initiativen sichern können.

Die europäische Forschung sollte sich auch auf die neuen Perspektiven
konzentrieren, die die interdisziplinäre Forschung eröffnet. Entdeckungen stellen sich
meist dann ein, wenn die biologische Forschung mit anderen Wissenschaftszweigen
und Disziplinen wie etwa Informationstechnologie, Chemie oder Verfahrenstechnik
kombiniert wird. So wird etwa die Humangenomanalyse bei der so genannten
„Glutenallergie“ möglicherweise zur Entwicklung von Getreidesorten mit geringerer
Allergenität führen. Ein erstes umfassend integriertes Gemeinschaftsprojekt, das
kürzlich angelaufen ist, soll die Führungsrolle an der Schnittstelle zwischen Genomik
und Medizin sichern, wo die Biotechnologie innovative Konzepte für die
Behandlung von Krankheiten bei Mensch und Tier liefert.

Die europäische Forschungsagenda für Biowissenschaften sollte sich an den
Bedürfnissen der Bürger orientieren und auf unsere besondere Situation
zugeschnitten sein. Dies erfordert einen Ansatz, der die Bedürfnisse und
Möglichkeiten der europäischen Gesellschaften aktiv ermittelt und durch innovative
Forschung abzudecken sucht. Wir müssen die Verbindungen zwischen der Forschung
und anderen Politikbereichen der Gemeinschaft weiter verstärken, unter anderem
auch die wissenschaftliche Untermauerung von Vorschriften im Bereich Sicherheit
und Gesundheitsschutz. Entsprechend ist es auch von entscheidender Bedeutung,
Wissenschaftler und Forscher so eng wie möglich in die gesellschaftliche
Konsensbildung einzubeziehen. Auch sollten neue Forschungspartnerschaften
zwischen Industrie- und Entwicklungsländern angeregt werden, um

- wirksame und
innovative
Forschung

- Forschung,
die den
Bedürfnissen
der
Gesellschaft
entspricht

Drucksache 14/9675 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

10

vielversprechende Technologien und das Potenzial der biologischen Vielfalt
umfassend nutzen zu können, die die Grundlage für künftigen Fortschritt bilden.

3.2. Die Fähigkeit Europas, wissenschaftliche und technologische Lösungen zu
liefern

Die Nutzung von Biowissenschaften und Biotechnologie bietet das Potenzial, eine
Quelle wachsenden Wohlstandes in der Zukunft zu sein, mit neuen – und zum großen
Teil hoch qualifizierten – Arbeitsplätzen und neuen Möglichkeiten zur Investition in
weitere Forschung.

Wenn Europa davon profitieren soll, reicht eine hervorragende wissenschaftliche
Basis nicht aus: es kommt entscheidend auf die Fähigkeit an, Wissen in Produkte,
Prozesse und Dienstleistungen umzusetzen, die ihrerseits wieder der Gesellschaft zu
Gute kommen und qualifizierte Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Der Aufbau
neuer Kapazitäten bedingt auch die Umgestaltung des gesamten Forschungs- und
Innovationsprozesses im Hinblick auf die Anziehung und Ausbildung von Forschern,
das Anlocken von Investitionen und Ressourcen und die Schaffung einer
ausgewogenen, verantwortsbewussten juristischen, ordnungspolitischen und
allgemeinpolitischen Grundlage.

In den achtziger Jahren entwickelte sich die Biotechnologie in Europa hauptsächlich
in Großunternehmen, während – anders als in den USA – kleine Unternehmen kaum
eine Rolle spielten. Während die großen Unternehmen der Pharma-Industrie und des
Chemiesektors auch weiterhin die Technologien nutzen, um innovative Produkte zu
entwickeln, konnten wir auf der anderen Seite in der jüngsten Vergangenheit eine
rasche Zunahme der Zahl der Kleinunternehmen in Europa erleben. Heute gibt es in
Europa mehr spezialisierte Biotechnologiefirmen (1570) als in den USA (1273). Dies
ist eine ermutigender Beweis für das unternehmerische Potenzial in Europa.

B io tech n o lo g y In d u stry in E u ro p e co m p ared to th e U S

0

200

400

600

800

1000

1200

1400

1600

1800

19 97 19 98 1999 2000 2001

C
o

m
p

a
n

ie
s

0

5

10

15

20

25

30

B
il

li
o

n
E

u
ro

# C om pan ies U S A

# C om pan ies Eu rope

R evenue U S A

R evenue E urope

R evenue E urope (ad j)

Anmerkung: die Daten für Europa für 2000 und 2001 sind bereinigt durch Aufnahme der Schweizer
Biotechnologiefirma Serono.

Von der
Forschung zur
Anwendung

Europas
fragiler
Biotechno-
logie-Sektor

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/9675

11

Die europäischen KMU sind allerdings relativ kleine Firmen, die biotechnologische
Industrie in den USA hat früher begonnen, kann einen mehr als dreimal so hohen
Umsatz vorweisen wie ihr europäisches Gegenstück, beschäftigt sehr viel mehr
Menschen (162 000 gegenüber 61 000), verfügt über eine höhere Kapitalausstattung
und hat vor allem sehr viel mehr Produkte in der Entwicklung.

Der Bericht der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit 2001 (Kapitel V)
analysiert detailliert, warum die kommerzielle Entwicklung der EU-Industrie im
Biotechnologiesektor derzeit hinter in den USA zurückliegt. Die Frage des geistigen
Eigentums wurde dabei als ein relevanter Faktor ermittelt, den es zu berücksichtigen
gilt.

Strukturell sind KMU in der Biotechnologie sehr kapitalintensiv, Investitionen haben
eine lange Amortisierungsdauer. Zunehmend steht auch Risikokapitalfinanzierung
zur Verfügung, diese scheint jedoch nicht in allen Phasen des langen
Entwicklungsprozesses eines Unternehmens auszureichen. Der Mangel an
qualifizierten Arbeitskräften kann sich zu einem Haupthindernis für die Entwicklung
des Industriezweiges ausweiten.

Comparison of Employment

0

20000

40000

60000

80000

100000

120000

140000

160000

180000

200000

1997 1998 1999 2000 2001

# Employees USA

# Employees Europe

# Employees Europe (adj)

Die Beseitigung solcher Engpässe ist für die Schaffung der notwendigen Dynamik
genauso wichtig wie die Förderung eines unternehmensorientierten Europas mit
ausreichenden Anreizen für Innovation und wirtschaftliche Risikobereitschaft. Die
Wettbewerbsfähigkeit Europas sollte in drei Schwerpunktbereichen gefördert
werden: Ressourcen, Vernetzung und aktive Rolle öffentlicher Stellen.

� Die Stärkung der Ressourcen ist von zentraler Bedeutung für diesen
wissensbasierten Industriezweig; dies erfordert zuallererst verstärkte
Bildungsanstrengungen im Bereich Biowissenschaften (lebenslanges Lernen für
Wissenschaftler, Sensibilisierung der Öffentlichkeit). Auch brauchen wir

Aktionen für
Europas
Biotechnologie-
Sektor

Drucksache 14/9675 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

12

Ausbildung über Fachgebiets- und Spezialisierungsgrenzen hinweg, unter
anderem zur Integration der Informations- und Kommunikationstechnologien in
der Biotechnologie; neue Ideen reifen oft dort, wo sich Spezialisierungen
begegnen. Für den Erfolg eines Unternehmens müssen wissenschaftliche und
technische Expertise Hand in Hand gehen mit unternehmerischen Fähigkeiten.
Dieser Handlungsschwerpunkt fügt sich unmittelbar ein in die Ziele Europas in
den Bereichen Bildung4 und Beschäftigung5. Umfassende, aktuelle und
öffentliche, frei zugängliche Daten der Bioinformatik bilden die Grundlage für
Fortschritte in der Biotechnologie. Wirtschaftlicher Erfolg setzt für die
Unternehmen den Zugang zu hochwertigen öffentlichen wie privaten
Datenbanken und anderen Hilfsmitteln voraus. Neben einer starken öffentlichen
Forschung sollten öffentliche Unterstützung und der Schutz des geistigen
Eigentums auch die Zusammenarbeit insbesondere zwischen dem öffentlichen und
dem privaten Sektor fördern, was Ressourcen mobilisiert und die Innovation
vorantreibt. Im Grenzbereich zwischen Forschung und Anwendung sind die
Bedingungen für die Umsetzung von Kenntnissen, und dabei vor allem ein solides
Risikokapitalmanagement sowie europaweit geltende Regeln für das geistige
Eigentum, alles entscheidend. Die vollständige Umsetzung der Richtlinie 98/44
über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen wird die
Rechtssicherheit für die Industrie entscheidend verbessern. Die Klärung des
Rechtsrahmens innerhalb der EG wird innovativen Firmen in den verschiedenen
Industriezweigen, die Biotechnologie nutzen, einen Anreiz bieten, weiter oder
sogar verstärkt in die Forschung zu investieren. Die Einführung des
Gemeinschaftspatents würde darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit der
Unternehmen in der EG noch weiter fördern.

� Wir müssen die verschiedenen Gruppen im Biotechnologiesektor in Europa
vernetzen, um ihnen den Zugang zu Kenntnissen, Qualifikationen und bewährten
Verfahren zu erleichtern und eine große Gemeinschaft von Akteuren und
Einrichtungen der Biotechnologie zu schaffen. Der europaweite Schutz des
geistigen Eigentums muss vervollständigt werden, um so eine wirtschaftlich
tragfähige Grundlage für Technologietransfer und Kooperation zu schaffen. Die
Verbindungen zwischen Hochschulwelt und Industrie sind zu stärken.
Forschungszusammenarbeit und Technologietransfer zwischen Regionen und
Mitgliedstaaten müssen ausgebaut werden. Wir müssen verschiedene Formen der
Vernetzung und Verbindung fördern, um der aktuellen Fragmentierung
entgegenzuwirken. Das Benchmarking erlaubt die Verbreitung bewährter
Verfahren (etwa in Bezug auf Unternehmens-„Cluster“ und „-Inkubatoren“ ). Ein
intelligentes Management der Vielfalt könnte die Vorzüge einer Vernetzung
regionaler „cluster“ ausspielen, die sich auf bestimmte Technologien spezialisiert
haben.

� Die rasche Entwicklung der Biotechnologie und die große Bandbreite möglicher
Einsatzzwecke machen eine aktive Rolle öffentlicher Stellen erforderlich, die
4 10-Jahres-Ziele für Bildung und lebenslanges Lernen.
5 Beschäftigungspolitische Leitlinien für 2002: Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit;

Entwicklung von Unternehmertum und Arbeitsplatzschaffung; Förderung der
Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Beschäftigten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/9675

13

den Einfluss des bestehenden politischen Rahmens auf die Wettbewerbsfähigkeit
prüfen, sich abzeichnende Fragen frühzeitig erkennen und politische Konzepte
vorausschauend anpassen müssen. Deshalb muss das den Verantwortlichen in der
Politik zur Verfügung stehende Wissen durch Informationsaustausch und
Vernetzung zusammengeführt werden.

4. SCHLÜSSELELEMENT FÜR EINE VERANTWORTUNGSVOLLE POLITIK: EIN
ORDNUNGSPOLITISCHER RAHMEN FÜR BIOWISSENSCHAFTEN UND
BIOTECHNOLOGIE

Die öffentliche Debatte über Biowissenschaften und Biotechnologie und die
betroffenen Grundwerte macht die Notwendigkeit deutlich, diese sich rasch
entwickelnden Technologiebereiche mit einer verantwortlichen und kohärenten
Politik zu steuern. Alle wichtigen Interessengruppen betonen die Bedeutung der
„Governance“ , also der Art und Weise, wie öffentliche Stellen politische Konzepte
vorbereiten, beschließen, umsetzen und erläutern.

Die Kommission schlägt vor, ein höchstmögliches Niveau des ordnungspolitischen
Rahmens bei Biowissenschaften und Biotechnologie zu verwirklichen, mit fünf
Aktionsschwerpunkten:

� Die Entwicklung von Biowissenschaften und Biotechnologie sollte von
gesellschaftlichem Dialog und Kontrolle begleitet und gelenkt werden.

� Biowissenschaften und Biotechnologie sollten auf verantwortliche Weise in
Übereinstimmung mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Zielen entwickelt
werden.

� Überlegte Entscheidungen sollten bedarfsorientierte Anwendungen erleichtern.

� Wissenschaftlich untermauerte ordnungspolitische Kontrolle sollte das Vertrauen
der Öffentlichkeit stärken.

� Ordnungspolitische Grundsätze und rechtliche Verpflichtungen sind einzuhalten,
um den gemeinschaftlichen Binnenmarkt zu sichern und die Einhaltung
internationaler Verpflichtungen zu gewährleisten.

4.1. Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog

Biowissenschaften und Biotechnologie haben in der Öffentlichkeit verstärkte
Aufmerksamkeit erregt und eine intensive Debatte ausgelöst. Die Kommission
begrüßt diese öffentliche Debatte als Zeichen der Verantwortung und Beteiligung der
Bürger. Biowissenschaften und Biotechnologie sollten auch weiterhin vom
gesellschaftlichen Dialog begleitet und gelenkt werden.

Der Dialog in unseren demokratischen Gesellschaften sollte integrativ, umfassend,
fundiert und strukturiert ablaufen. Ein konstruktiver Dialog erfordert
gegenseitigen Respekt zwischen den Teilnehmern, innovative Konzepte und Zeit. Er
sollte in Abstimmung mit den Interessenvertretern so strukturiert werden, dass
Fortschritte beispielsweise durch bessere Information und gegenseitiges Verständnis

- ein
integrativer,
informierter
und
strukturierter
Dialog

Die technische
Revolution
erfordert eine
verantwortliche
Politik...

Dialog

Drucksache 14/9675 – 20 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

14

möglich sind. Die Erfahrung zeigt auch, wie wichtig es ist, dass der Dialog auf
lokaler und nationaler Ebene wie auch international stattfindet, und die Kommission
ersucht die Mitgliedstaaten und lokale Akteure, entsprechend aktiv zu werden.

Der Dialog sollte für alle Interessenvertreter offen sein. Öffentliche Stellen sollten
darauf achten, auch die Beteiligung von Gruppen mit begrenzten Ressourcen
sicherzustellen. Akteure in Wirtschaft, Industrie und Nutzerkreisen, die
wirtschaftliche Interessen vertreten, aber auch die Wissenschaft, tragen eine
besondere Verantwortung für eine aktive Beteiligung. Die Kommission fordert diese
Gruppen insbesondere auf, auf Bedenken der Öffentlichkeit zu reagieren,
beispielsweise durch transparente Darstellung ihrer Sichtweise, ihrer Konzepte und
ethischen Normen.

Einschlägige, öffentlich bereitgestellte Information ist wesentlich für einen
aussagekräftigen Dialog. Die Bereitstellung solcher Informationen erfordert gezielte
und vorausschauende Bemühungen. Besonders wichtig ist es dabei, dass der
Informationsbedarf der Öffentlichkeit ernst genommen und befriedigt wird. Wir
müssen uns auch um einen ausgewogenen und rationalen Ansatz bemühen und
zwischen realen Fragen, die ein Handeln erfordern, und irrelevanten Aussagen
unterscheiden.

4.2. Entwicklung von Biowissenschaften und Biotechnologie in
Übereinstimmung mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Zielen

Ohne breite öffentliche Akzeptanz und Unterstützung wird die Entwicklung und
Nutzung von Biowissenschaften und Biotechnologie in Europa kontrovers sein,
Nutzen wird sich nur mit Verzögerung einstellen und die Wettbewerbsfähigkeit
dürfte leiden.

Die Debatte und die von der Kommission eingeleitete öffentliche Konsultation6

lassen erkennen, dass die europäische Öffentlichkeit durchaus bereit und fähig ist,
eine komplexe Abwägung von Vor- und Nachteilen vorzunehmen, geleitet durch ihre
Grundwerte. Trotz einer gelegentlichen Polarisierung bilden sich in der öffentlichen
Debatte zahlreiche Punkte heraus, in denen die Standpunkte sich treffen.

Die öffentliche Meinung wird entscheidend bestimmt durch die Wahrnehmung der
Vorteile, die Biowissenschaften und Biotechnologie mit sich bringen.
Eurobarometer-Erhebungen zeigen, dass die Erwartungen der Öffentlichkeit an die
Biotechnologie – abgesehen von Fortschritten in der Medizin – bescheiden sind. Und
es gibt erhebliche Unsicherheit in der Öffentlichkeit im Hinblick auf bestimmte
Anwendungen, sowie eine negative Sicht der Verteilungsaspekte und Risiken.

Für zahlreiche Leitwerte und Ziele gibt es breite Unterstützung. Einige davon, wie
etwa die Freiheit der Forschung, der Eigenwert neuer Erkenntnisse und die
moralische Verpflichtung, Krankheit und Hunger lindern zu helfen, begünstigen eine
positive Einstellung zu Entwicklung und Anwendung dieser neuen Technologien.
Andere helfen dabei, die Kriterien und Bedingungen für die Entwicklung und
Anwendung von Biowissenschaften und Biotechnologie zu klären, wie etwa die
6 Die Kommission beabsichtigt, diese Kommentare im Internet zu veröffentlichen.

- Abwägen von
Vor- und
Nachteilen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 21 – Drucksache 14/9675

15

Notwendigkeit, ethische und gesellschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, und die
Bedeutung von Transparenz und Rechenschaftspflicht bei Entscheidungen,
Risikominimierung und Wahlfreiheit.

Es ist daher wesentlich, Information und Dialog zu fördern, um der Öffentlichkeit
und den Interessenvertretern zu helfen, diese komplexen Fragen besser verstehen und
würdigen zu können; außerdem gilt es, Verfahren und Kriterien für die Abwägung
von Nutzen und Nachteilen bzw. Risiken zu erarbeiten, unter anderem auch in Bezug
auf die Verteilung der Folgen auf die verschiedenen Segmente der Gesellschaft.

Unsere demokratischen Gesellschaften sollten die notwendigen Sicherungen
schaffen, damit die Entwicklung und Nutzung der Biowissenschaften und
Biotechnologie unter Wahrung der Grundwerte ablaufen kann, die die EU in der
Grundrechtecharta anerkannt hat, unter anderem durch Bekräftigung der Achtung
vor dem menschlichen Leben und der Menschenwürde. Die Gemeinschaft hat auch
die Finanzierung für Forschungen zum Zwecke des reproduktiven Klonens von
Menschen verboten. Die französisch-deutsche – an die UNO gerichtete – Initiative
für ein weltweites Übereinkommen zum Verbot des Klonens von Menschen zu
Reproduktionszwecken verdient Unterstützung. Andere Fragen wie
Stammzellenforschung bedürfen sicherlich weiterer Aufmerksamkeit und
Diskussion. Europa hat auch deutlich Position bezogen hinsichtlich der Bedeutung
der Wahlfreiheit für den Verbraucher und für die Wirtschaftsakteure in Bezug auf
GV-Lebensmittel, und wir haben einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die
Notwendigkeit erreicht, die traditionelle Landwirtschaft Europas zu bewahren.

Aber wissenschaftlicher und technischer Fortschritt werden uns auch künftig vor
neue ethische und gesellschaftliche Herausforderungen stellen. Die Kommission ist
der Ansicht, dass diese Fragen aktiv und offen angegangen werden sollten, wobei
auch die moralische Verpflichtung gegenüber den Menschen heute wie auch
künftigen Generationen und dem Rest der Welt nicht vergessen werden darf. Wir
sollten uns nicht damit zufrieden geben, nur dann – defensiv – zu handeln, wenn
unsere Grundwerte in Gefahr sind.

Diese Fragen lassen sich innerhalb des engen Rahmens administrativer
Produktzulassungen nicht angemessen behandeln, sie erfordern einen flexibleren und
vorausschauenden Ansatz. Europa braucht einen aktiven und fortlaufenden
öffentlichen Dialog, begleitet von einer gezielten Prüfung der Vor- und Nachteile,
damit die Öffentlichkeit sich an dem komplexen Prozess der Prioritätenfestsetzung
beteiligen kann. Im Rahmen ihrer Initiative Wissenschaft und Gesellschaft7 hat die
Kommission bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der ethischen
Dimension in Wissenschaft und Technik vorgeschlagen.

Um an vorderster Front mitwirken zu können, muss Europa über die Fähigkeit zur
vorausschauenden Analyse und über das nötige Fachwissen verfügen, um die oft sehr
komplexen Fragen für Politik und Öffentlichkeit verständlich zu formulieren und in
ihrem wissenschaftlichen und sozioökonomischen Kontext darzustellen. Die
Kommission begrüßt die Schlüsselrolle, die die Europäische Gruppe für Ethik der
Naturwissenschaften und der Neuen Technologien seit ihrer Einsetzung Anfang der
7 KOM(2001) 714, 4.12.2001.

Drucksache 14/9675 – 22 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

16

90er Jahre gespielt hat, und schlägt im Rahmen der vorliegenden Strategie vor, die
Aufgabe der Gruppe zu erweitern und die Vernetzung mit und zwischen den
nationalen Ethikgremien auszubauen. Zu diesem Zweck ist eine weitere, gezielte
Konsultation der anderen Gemeinschaftsorgane vorgesehen.

Und Transparenz, Rechenschaftspflicht und partizipative Konzepte im öffentlichen
Entscheidungsprozess müssen verstärkt werden. Diese Ziele stimmen überein mit
denen des Weißbuchs „Europäisches Regieren“ 8 der Kommission und werden über
die darin beschriebenen Aktionen umgesetzt.

4.3. Bedarfsorientierte Anwendungen aufgrund fundierter Entscheidungen

Die ordnungspolitische Kontrolle der Entwicklung und Nutzung von
Biowissenschaften und Biotechnologie ist Ausdruck gesellschaftlicher
Entscheidungen. Ordnungspolitische und andere politische Maßnahmen legen die
Regeln und Bedingungen fest, unter denen Biowissenschaften und Biotechnologie
entwickelt und angewendet werden dürfen. Die Ordnungspolitik sollte
dementsprechend zuallererst darauf achten, dass die Marktmechanismen
ordnungsgemäß funktionieren können, um das erklärte Ziel erreichen zu können.
Dieses Ziel verfolgt die europäische Politik der obligatorischen Kennzeichnung, mit
der gewährleistet werden soll, dass die Präferenzen der Verbraucher in Anreize für
die Produzenten umgesetzt werden, ihr Angebot entsprechend anzupassen.

Bereits 1990 entschied sich die Gemeinschaft nach langen Diskussionen für ein
wissenschaftlich untermauertes Regulierungskonzept, dass jede kommerzielle
Nutzung genetisch veränderter Organismen auf Einzelfallbasis einer öffentlichen
Prüfung und Sicherheitszulassung unterzieht, bevor Anwendung, Freisetzung oder
Vermarktung genehmigt werden. Im Ergebnis wurde ein überarbeiteter
Rechtsrahmen für GVO verabschiedet, der im Oktober 2002 in Kraft treten wird. Die
neuen Rechtsvorschriften bilden eine solide Grundlage, um den derzeitigen Stillstand
bei der Zulassung neuer Produkte zu überwinden.

� Nach dem Regulierungskonzept der Gemeinschaft in Sektoren, in denen eine
Zulassung vor dem Inverkehrbringen erforderlich ist, wird diese Zulassung nach
einer wissenschaftlichen Bewertung der Risiken erteilt, die das Produkt für die
Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt darstellen kann, wobei
auch andere legitime Aspekte berücksichtigt werden. Nach der Logik dieses
Konzepts entscheiden die Märkte darüber, ob ein Produkt überlebt. Es kommt
jedoch wesentlich darauf an, sicherzustellen, dass die Marktmechanismen effizient
funktionieren, so dass der Verbraucher seine Wahlmöglichkeit nutzen und
damit dem Hersteller ein deutliches Signal senden kann. In den letzten fünf Jahren
hat Europa als Pionier Lösungen entwickelt, die eine überlegte Entscheidung des
Verbrauchers mit Hilfe von Kennzeichnungen ermöglichen – diese müssen
dringend vervollständigt und in die Praxis umgesetzt werden.

� Um den Grundsatz der Wahlfreiheit für Wirtschaftsakteure umfassend
anzuwenden und die Nachhaltigkeit und Vielfalt der Landwirtschaft in Europa zu
gewährleisten, müssen staatliche Stellen in Partnerschaft mit Landwirten und
8 KOM(2001) 428 endg., 25.7.2001.

- Verbrauchern
und
Wirtschafts-
akteuren eine
fundierte
Entscheidung
ermöglichenermöglichen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 23 – Drucksache 14/9675

17

anderen privaten Akteuren agronomische und andere Maßnahmen entwickeln, die
die Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Verfahren erleichtern, ohne
dabei GV-Kulturpflanzen auszuschließen.

4.4. Vertrauen in wissenschaftlich untermauerte staatliche Kontrolle

Wo Sicherheitsaspekte berührt sind, ist das Gemeinschaftsrecht wissenschaftlich
untermauert, und seine Anwendung auf konkrete Fälle beruht auf dem
Vorsorgeprinzip9. Die Europäische Agentur für die Bewertung von Arzneimitteln ist
ein erfolgreiches Beispiel für die Schaffung eines hohen Niveaus wissenschaftlicher
Expertise und effizienter Risikokommunikation. Mit der Schaffung des Europäischen
Amts für Lebensmittelsicherheit wird das bereits hohe Niveau der Unabhängigkeit,
der höchsten Fachkompetenz und der Transparenz bei der wissenschaftlichen
Beratung in diesem Bereich noch weiter gestärkt, ein neuer Schwerpunkt ist die
Risikokommunikation. Das Amt wird zuständig sein für die wissenschaftliche
Bewertung der Auswirkungen von GVO und GV-Lebens- und –Futtermitteln auf die
Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier und wird auch vorausschauend
neue Risiken identifizieren, einschließlich solcher, die sich aus der Nutzung der
Biotechnologie in der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung ergeben können.
Dies sind wesentliche Elemente, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die
wissenschaftliche Grundlage der ordnungspolitischen Kontrolle über die Sicherheit
bestehender Lebensmittel und Medikamente sowie neuer Anwendungen stärken.
Vertrauensbildung und Schaffung von Verständnis sind eine Aufgabe auf Dauer.

� Es besteht die allgemeine Notwendigkeit, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die
Rolle der Wissenschaft in unseren Gesellschaften zu stärken. Die Kommission
hat einen Aktionsplan „Wissenschaft und Gesellschaft“ zur Förderung einer
Wissenschaftskultur vorgeschlagen, mit der die Bedürfnisse der Öffentlichkeit bei
der Festlegung der wissenschaftlichen Agenda besser berücksichtigt werden und
die Wissenschaft ins Zentrum der Politik in Europa rückt. Öffentliche Stellen,
Wirtschaftsakteure und Wissenschaftler sollten sich aktiv darum bemühen,
relevante Fakten darzustellen und das Verständnis von Schlüsselaspekten zu
erleichtern, insbesondere auch deutlich zu machen, dass der wissenschaftliche
Kenntnisstand sich stetig weiterentwickelt und damit zunehmend mehr
Bezugspunkte für unsere Entscheidungen schafft. Darüber hinaus gehört es zum
Prozess der Förderung des Verständnisses in der Öffentlichkeit und der
Formulierung politischer Konzepte, die Risiken der Untätigkeit zu bewerten, etwa
angesichts der Entstehung neuer, behandlungsresistenter Krankheiten oder in
Gebieten, wo heutige landwirtschaftliche Methoden nicht mehr tragbar sind.

� Erfindungen in der Biotechnologie bedingen hohe Investitionen, lange
Entwicklungszeiten und umfassende ordnungspolitische Zulassungsverfahren. Ein
wirksamer Patentschutz ist ein entscheidender Anreiz für F&E und Innovation
und ein wesentliches Instrument, um auch eine entsprechende Rendite zu sichern.
Zudem war und ist die Offenlegung von Informationen in
Patentveröffentlichungen ein wichtiger Beitrag zur Gesamtentwicklung der
Biotechnologie. Angesichts des raschen wissenschaftlichen Fortschritts müssen
9 Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM(2000) 1

endg. vom 2.2.2000, sowie die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Nizza.

- Stärkung des
Vertrauens der
Öffentlichkeit
in
Wissenschaft
und Politik

Drucksache 14/9675 – 24 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

18

die Rechtsvorschriften zum geistigen Eigentum aufmerksam beobachtet werden.
Eine regelmäßige Bewertung muss Auskunft darüber geben, ob die
Patentregelungen den Bedürfnissen von Forschern und Unternehmen genügen.
Hier sollten die EG und ihre Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Auslegung der
wichtigen Kriterien Neuheitswert, Originalität und Nützlichkeit im Bereich
Biowissenschaften nicht nur den Gerichten und Patentämtern überlassen bleibt.
Im internationalen Rahmen besteht die Notwendigkeit, für den Patentschutz in den
Industrieländern gleichwertige Bedingungen zu schaffen. Es gilt auch, sich um die
Förderung des internationalen Dialogs zu dieser Frage zu bemühen.

� Die Grundlage für die Regulierung dieser neuen Technologien durch die
Gemeinschaft sollte transparenter sein und besser vermittelt werden. So sollten
wir klarer formulieren, wie ordnungspolitisch mit Risiken umzugehen ist – mit
potenziellen Risiken, wissenschaftlicher Unsicherheit (beispielsweise wenn ein
Risiko nicht völlig ausgeschlossen werden kann, die Anwendung des so
genannten Vorsorgeprinzips), vergleichende Abwägung von Risiken, Rolle der
verschiedenen Phasen einer Risikoanalyse, Rolle von Maßnahmen des
Risikomanagements, wie etwa Überwachung und Vorsorge, und ihrer
Angemessenheit angesichts des Risikos. Und auch wenn wir die Bedeutung von
Rechtssicherheit und Vorhersagbarkeit anerkennen, müssen wir doch auf der
anderen Seite die Notwendigkeit betonen, politische Entscheidungen
zurücknehmen zu können, wenn dies gerechtfertigt ist, und im Übrigen auf die
aktuelle Arbeit zur internationalen Konvergenz der Methoden der Risikoanalyse
und die Entwicklung antizipatorischer Risikoanalysemethoden hinweisen.
Öffentlich finanzierte Forschung im Dienste der politischen Kontrolle ist von
besonderer Bedeutung für die Vertrauensbildung.

� Spezifische Initiativen, die im Weißbuch „Europäisches Regieren“ der
Kommission vorgeschlagen werden, sind von besonderer Bedeutung für die
Schaffung öffentlichen Vertrauens, insbesondere die vorgesehenen
Verbesserungen hinsichtlich Offenheit und Rechenschaftspflicht bei
Risikomanagement und Nutzung von Expertenwissen.

� Das Vertrauen in die ordnungspolitische Kontrolle liegt in der Verantwortung
öffentlicher Stellen, es erfordert aber auch die verantwortliche Beteiligung
anderer Interessengruppen wie etwa der Biotechnologieindustrie und anderer
Wirtschaftsakteure, der Wissenschaft, der NRO und der Medien.

4.5. Ordnungspolitische Grundsätze

Die Gemeinschaftsvorschriften decken derzeit so unterschiedliche Aspekte ab wie
Patentierung biotechnologischer Erfindungen, Zulassung pharmazeutischer Produkte,
Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen,
sowie Freisetzung und Inverkehrbringen von Produkten, die GVO enthalten oder
daraus hergestellt sind, einschließlich Lebensmittel, Futtermittel und Saatgut. Dieser
ordnungspolitische Rahmen hat sich über die letzten 25 Jahre schrittweise entwickelt,
wobei die letzten Jahre die bedeutendsten Entwicklungen erlebt haben.

- Vereinbarung
politischer
Ziele bei der
Regulierung
der Biowissen-
schaften

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25 – Drucksache 14/9675

19

Um die Kohärenz, Transparenz und Effizienz der Gemeinschaftsvorschriften zu
stärken, schlägt die Kommission vor, bei der Rechtsetzungstätigkeit der
Gemeinschaft folgende Grundsätze zu beachten:

� Risikobeherrschung und Produktzulassung: Produkte der Biotechnologie
sollten, gemäß geltenden ordnungspolitischen Grundsätzen und
Rahmenbedingungen, nur zugelassen werden, wenn sie eine umfassende
wissenschaftliche Risikobewertung durchlaufen haben und als sicher für Leben
und Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze sowie für die Umwelt erachtet
werden. In Fällen, in denen die wissenschaftlichen Daten unzureichend, nicht
schlüssig oder unzuverlässig sind und wo mögliche Risiken als unannehmbar
eingeschätzt werden, muss das Risikomanagement nach dem Vorsorgeprinzip
arbeiten. Das Risikomanagement sollte die Ergebnisse von Risikobewertungen
und andere in bezug auf die zu prüfende Frage legitime Aspekte berücksichtigen,
damit das angestrebte Schutzniveau auch tatsächlich erreicht wird. .
Zulassungsverfahren sollten transparent sein, die Risikobewertungen sollten im
Rahmen des Zulassungsverfahrens veröffentlicht und der Öffentlichkeit zur
Stellungnahme vorgelegt werden. Kommunikation muss ein integraler Bestandteil
der Risikobewertung und des Risikomanagements sein.

� Sicherung des Binnenmarktes: Um die Funktion des Binnenmarktes und die
Rechtssicherheit zu gewährleisten, müssen die Gemeinschaftsvorschriften so
abgefasst und regelmäßig überprüft werden, dass Kohärenz und Effizienz
gewährleistet sind, und dies auch im Hinblick auf ihre praktische Anwendbarkeit
und Durchsetzbarkeit. Umsetzung und Einhaltung des Gemeinschaftsrechts
sollten sorgfältig überwacht werden, Probleme bei der Einhaltung sollten
zwischen den Beteiligten gemäß den bestehenden Verfahren in transparenter und
vorhersehbarer Weise geregelt werden.

� Proportionalität und Wahlmöglichkeit für den Verbraucher: Der
Regelungsbedarf der Gemeinschaft sollte dem Grad des festgestellten Risikos
angemessen sein und den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft
entsprechen. Wie von der Kommission vorgeschlagen, sollten die
Rechtsvorschriften der Gemeinschaft dem Verbraucher die Ausübung seiner
Wahlfreiheit erleichtern, indem sie gewährleisten, dass Verbraucher/Nutzer in
allen Fällen informiert werden, in denen es sich um ein genetisch verändertes oder
aus GVO hergestelltes Lebens- oder Futtermittel bzw. Saatgut handelt.

� Vorhersagbarkeit, Modernisierung und Folgenabschätzung: Die Kommission
sollte regelmäßig ein fortlaufendes ordnungspolitisches Arbeitsprogramm (siehe
untenstehende Ziffer 6) veröffentlichen, um Vorhersagbarkeit, Transparenz und
Qualität der Regulierungsmaßnahmen zu verbessern. Die Rechtsvorschriften
sollten auch weiterhin regelmäßig überprüft werden im Hinblick auf ihre
Übereinstimmung mit dem Stand von Wissenschaft und Technik, auf ihre Folgen
und auf die Übereinstimmung mit geltenden Grundsätzen.

Drucksache 14/9675 – 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

20

5. EUROPA IN DER WELT – AUF DIE GLOBALEN HERAUSFORDERUNGEN
REAGIEREN

Die Revolution in Biowissenschaften und Biotechnologie ist eine globale
Erscheinung. Forschung ist im wesentlichen international – Wissen und
Wissenschaftler bewegen sich rund um den Globus. In immer mehr Ländern wird die
Biotechnologie aktiv vorangetrieben, die daraus hervorgehenden Produkte und
Dienstleistungen werden zunehmend auf den globalen Märkten gehandelt, der
Gewinner ist derjenige, der Neuerungen als Erster auf den Markt bringt.

Es zeigt sich auch deutlich, das zwischen den Ländern und Regionen große
Unterschiede bestehen im Hinblick auf ihre Fähigkeit, diese neuen Produkte und
Dienstleistungen zu entwickeln, ordnungspolitisch zu kontrollieren und anzuwenden.
Eine noch größere Diskrepanz könnte sich in Bezug auf die Prioritäten und
gesellschaftlichen Werte entwickeln, die die Konzepte und Entscheidungen bei der
Entwicklung und Nutzung dieser neuen Technologien bestimmen.

Die politischen Konzepte in Europa sollten nicht isoliert entwickelt werden. Wir
müssen den größeren internationalen Kontext sehen, der Herausforderungen wie
Chancen für Europa bestimmt, und wir müssen mit verantwortungsvollen und
aktiven politischen Entscheidungen auf globaler Ebene antworten. Vorrangiges Ziel
muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber den großen
Industrieländern wie den USA und Japan zu erhalten. Und welche politischen
Entscheidungen Europa in Bezug auf Biowissenschaften und Biotechnologie auch
treffen mag, sie werden erhebliche internationale Auswirkungen haben, insbesondere
für die Entwicklungsländer. Die Interessen dieser Länder müssen ebenfalls
berücksichtigt werden. Wir müssen die internationale Dimension in alle
einschlägigen Politikbereiche einbeziehen, und wir müssen eine internationale
Agenda aufstellen, die auf unseren Grundwerten und langfristigen Zielen basiert, um
so global und aktiv eine ausgewogene und verantwortliche Politik insbesondere
gegenüber der Dritten Welt zu fördern.

5.1. Eine europäische Agenda für die internationale Zusammenarbeit

Internationale Zusammenarbeit ist erforderlich, um die neuen Fragen anzugehen, die
Biowissenschaften und Biotechnologie aufwerfen, und mit der Vielfalt an
Fähigkeiten und politischen Konzepten in den verschiedenen Ländern und Regionen
im Hinblick auf ihre Anwendung umzugehen.

Der Handel mit Gütern und Dienstleistungen wird bereits durch die unterschiedlichen
Geschwindigkeiten bei der Produktzulassung berührt. Der internationale Handel
kann auch gestört werden, wenn Länder und Regionen unterschiedliche
ordnungspolitische Rahmenbedingungen setzen. Erforderlich ist ein internationaler
Dialog über ordnungspolitische Fragen, um eine Einigung auf Grundsätze und
Grundwerte für die ordnungspolitische Entwicklung in den verschiedenen Ländern
zu erzielen.

Die Gemeinschaft engagiert sich für offene, multilaterale und auf Regeln basierende
Handelssysteme. Wir sollten daher die Einhaltung und Umsetzung bestehender
internationaler Vereinbarungen fördern. Im Hinblick auf die besonderen Aspekte von

Eine globale
Realität

… die sich in
unserer Politik
und den
Prioritäten
widerspiegeln
muss

Umgang mit
internationalen
Unterschieden

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 27 – Drucksache 14/9675

21

Biowissenschaften und Biotechnologie sollte die Gemeinschaft Lösungsansätze und
Dialog auf internationaler Ebene anstreben, die:

� die gegenseitige Unterstützung zwischen einschlägigen internationalen
Vereinbarungen fördern, insbesondere zwischen den WTO-Abkommen und dem
Protokoll über die biologische Sicherheit;

� in allen internationalen Foren (einschließlich FAO, UNEP, CBD, WTO, WHO
und UNCTAD10) ein kohärentes, umfassendes, wirksames, transparentes und
integratives Konzept für die Biotechnologie unterstützen, um Überschneidungen
zu vermeiden und die jeweiligen Fachkenntnisse optimal zu nutzen; Europa sollte
auch weiterhin eine prominente Rolle spielen, insbesondere in der OECD und
beim Codex Alimentarius – und hier in erster Linie in der „Ad Hoc
Intergovernmental Task Force on Foods Derived from Biotechnology“ –, um
innerhalb dieser Organisationen die Entwicklung und periodische Überarbeitung
harmonisierter Leitlinien für Risikoanalyse, Kennzeichnung und
Rückverfolgbarkeit von Produkten der modernen Biotechnologie zu fördern. Die
Rolle und Wirksamkeit der EU-Mitarbeit in internationalen Diskussionen sollte
gestärkt werden, vor allem auch bei Diskussionen mit Industrie- und
Entwicklungsländern. Der Dialog sollte das gegenseitige Verständnis der Sorgen
und Ziele der verschiedenen Länder und Regionen fördern, ein Beispiel ist das
EU-US Biotechnology Consultative Forum, das im Dezember 2000 seinen
Schlussbericht vorlegte11. Ein frühzeitiger politischer Dialog über
Gesetzgebungsvorhaben kann helfen, internationale Reibungen zu verhindern.

5.2. Die Verantwortung Europas gegenüber der Dritten Welt

Biowissenschaften und Biotechnologie bieten die Aussicht, einige der grundlegenden
Bedürfnisse der Dritten Welt in Bezug auf Nahrung und Gesundheit befriedigen zu
können. Die UNDP betont in ihrem Human Development Report 2001 das Potenzial
der Biotechnologie für die Dritte Welt12. Einiger Schwellenländer wie China, Indien
und Mexiko haben bereits ehrgeizige nationale Entwicklungsprogramme in die Wege
geleitet.

Biowissenschaften und Biotechnologie sind kein Allheilmittel und können nicht die
Verteilungsprobleme der Dritten Welt lösen – aber sie werden ein wichtiges
Instrument sein. Die Neuerungen sollten den Entwicklungsländern helfen,
Ertragssteigerungen mit einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen,
wirtschaftlicher Effizienz und Sozialverträglichkeit zu vereinbaren. Potenzielle
Anwendungen müssen angemessen untersucht und bewertet werden, wobei sowohl
Aspekte der Umweltsicherheit als auch das Bedürfnis der betroffenen Menschen
nach Verringerung der Armut und Stärkung der Versorgungssicherheit und der
Nahrungsmittelqualität berücksichtigt werden müssen.
10 Food and Agricultural Organisation, United Nations Environmental Programme, Convention

on Biological Diversity, World Trade Organisation, World Health Organisation, United
Nations Convention on Trade and Development.

11 http://europa.eu.int/comm/external_relations/us/biotech/biotech.htm
12 http://www.undp.org/hdr2001/

Potenzial, den
dringenden
Bedürfnisse der
Entwicklungs-
länder gerecht
zu werden

Drucksache 14/9675 – 28 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

22

Als einer der großen Akteure im Bereich Biowissenschaften und Biotechnologie hat
Europa eine besondere Verantwortung, den Entwicklungsländern dabei zu helfen,
mit den Risiken, Herausforderungen und Chancen umzugehen, und gleichzeitig die
sichere und geordnete Entwicklung dieser Technologien auf globaler Ebene zu
erleichtern. Europa hat eine einflussreiche Position in den internationalen
Diskussionen über Biowissenschaften und Biotechnologie. Diese müssen wir mit
einer verantwortungsbewussten Politik nutzen, um unsere strategischen Ziele zu
erreichen und die sichere und wirksame Nutzung von Biowissenschaften und
Biotechnologie in den Entwicklungsländern zu ermöglichen.

� Europa sollte auch weiterhin den Schutz der biologischen Vielfalt und die
Umsetzung des Protokolls über die biologische Sicherheit beim internationalen
Handel mit lebenden gentechnisch veränderten Organismen fördern. Auch sollte
Europa weiterhin die ausgehandelten internationalen Rahmenwerke wie etwa
das Übereinkommen über die biologische Vielfalt und die Internationale
Verpflichtung über pflanzengenetische Ressourcen im Rahmen der FAO
unterstützen. Diese internationalen Instrumente regeln den Zugang zu genetischen
Ressourcen und die gemeinsame Nutzung und sichern den Ursprungszentren und
Besitzern überlieferten Wissens, das in biotechnologischen Erfindungen genutzt
wird, einen Ausgleich. Die EG sollte dazu beitragen sicherzustellen, dass der
Nutzen aus biotechnologischen Erfindungen, einschließlich der Einnahmen aus
geistigem Eigentum, gerecht mit denjenigen geteilt wird, von denen genetische
Ressourcen oder traditionelles Wissen stammen.

� Europa sollte zu technischer Hilfe, Aufbau von Kapazitäten und
Technologietransfer beitragen, um die Entwicklungsländer in die Lage zu
versetzen, an der Aushandlung und Umsetzung internationaler Übereinkommen
und Normen insbesondere zum Risikomanagement teilzuhaben und diese neuen
Technologien sicher zu entwickeln und anzuwenden, wenn sie dies wünschen.
Europa sollte lokale Initiativen für den Dialog über Biotechnologie zwischen
öffentlichen und privaten Interessenvertretern und der Zivilgesellschaft in den
Partnerländern fördern.

� Europa sollte ausgewogene und gerechte Nord-Süd-Partnerschaften und die
öffentliche Forschung im Hinblick auf nachfrageorientierte Anwendungen von
Biowissenschaften und Biotechnologie fördern.

� Politische Maßnahmen innerhalb Europas im Hinblick auf Biowissenschaften
und Biotechnologie werden zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf die
Entwicklungsländer haben. Während wir einerseits die EU-Politik hinsichtlich
Lebensmittelsicherheit und Verbraucherinformationen nicht in Frage stellen
dürfen, sollten wir andererseits doch den Entwicklungsländern technische Hilfe
und Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten leisten, damit unsere
Maßnahmen die angestrebten Vorteile für die Entwicklungsländer nicht ungewollt
zunichte machen. Besonders sollten wir uns vor ordnungspolitischen Vorschriften
hüten, die nur in der Industriewelt eingehalten werden können, in den
Entwicklungsländern jedoch unerreichbar sind und damit entweder den
bestehenden Handel empfindlich stören oder die Entwicklungsländer im Ergebnis
daran hindern, Biowissenschaften und Biotechnologie nach ihren eigenen
Bedürfnissen und Möglichkeiten zu entwickeln.

Europas
Kapazitäten
den
Entwicklungs-
ländern
zugänglich
machen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 29 – Drucksache 14/9675

23

6. PRAKTISCHE UMSETZUNG UND KOHÄRENZ FÜR ALLE POLITIKBEREICHE,
SEKTOREN UND AKTEURE

Europa hat keine einheitliche Politik in Bezug auf Biowissenschaften und
Biotechnologie, sondern einen Flickenteppich von Einzelvorschriften, überlagert von
sektorbezogenen und horizontalen politischen Konzepten auf internationaler,
gemeinschaftlicher, nationaler und lokaler Ebene. Wenn Europa bei der Vielzahl
beteiligter Akteure und Politikbereiche die Biowissenschaften und Biotechnologie
erfolgreich handhaben und ihre Vorteile für die Gesellschaft nutzen will, müssen wir
auf Basis einer gemeinsamen Vision für ein kooperatives Konzept vorgehen, mit
wirksamen Umsetzungsmechanismen, um das Fehlen einer umfassenden
Zuständigkeit und Kontrolle auszugleichen. Ohne solche Mechanismen laufen wir
Gefahr, Biowissenschaften und Biotechnologie weiterhin durch Unentschlossenheit,
Kurzsichtigkeit und lokale Lösungen zu behindern.

Die Kommission schlägt vor, die Umsetzung der vorliegenden Strategie strukturiert
zu fördern und den beiliegenden Aktionsplan mit folgenden Maßnahmen zu
unterstützen:

� Zur Überwachung des Fortschritts in der politischen Entwicklung und in der
Sache und zur Vorwegnahme sich abzeichnender Fragen in diesem sich rasant
entwickelnden Bereich wird die Kommission von 2002 bis 2010 regelmäßig einen
Bericht über Biowissenschaften und Biotechnologie sowie ein fortlaufendes
ordnungspolitisches Arbeitsprogramm vorlegen.

� Wir müssen die Kohärenz in allen Rechtsvorschriften und Politikbereichen
der Gemeinschaft sicherstellen, die die Entwicklung und Anwendung von
Biowissenschaften und Biotechnologie unmittelbar regeln oder mittelbar
beeinflussen. Die Kommission wird im Rahmen ihrer Berichte über
Biowissenschaften und Biotechnologie die Kohärenz der Gemeinschaftspolitik
und der Rechtsvorschriften in allen Bereichen prüfen, die Auswirkungen auf
Biowissenschaften und Biotechnologie haben, und erforderlichenfalls
entsprechende Initiativen und Vorschläge erarbeiten. Besonders wird dabei darauf
geachtet, dass Rechtsvorschriften zu Biowissenschaften und Biotechnologie
unsere internationalen Ziele angemessen berücksichtigen und Innovation und
internationale Wettbewerbsfähigkeit erleichtern, dass die Gemeinschaftsforschung
konsistent und wirksam zu den Gemeinschaftszielen beiträgt und dass andere
Politikbereiche und Ziele der Gemeinschaft (beispielsweise Umweltschutz,
Gesundheitsschutz und Verbraucherschutz, Bildung, Beschäftigung,
Landwirtschaft, Handel und Entwicklung) die langfristige und globale Bedeutung
der Biowissenschaften und Biotechnologie angemessen widerspiegeln. Die
Kommission wird prüfen, ob bestehende internationale Foren und bilaterale
Dialoge wirksam genug sind und einen angemessenen Informationsfluss
gewährleisten und ob die eigenen Koordinierungsmechanismen
verbesserungsfähig sind.

� So weit unterschiedliche Ebenen der Zuständigkeit betroffen sind, sollte ein
Bezugsrahmen für die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren
(Gemeinschaft, Mitgliedstaaten, lokale Behörden, Wirtschaftsakteure,
Wissenschaft usw.) angestrebt werden. Im Rahmen der Strategie von Lissabon

Überwindung
der Kompetenz-
überschneidung
en durch
Zusammen-
arbeit

Umsetzung
durch …

- Überwachung

- Kohärenz der
Politik der EU

-
Koordinierung
und
Benchmarking

Drucksache 14/9675 – 30 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

24

sollten kohärente Maßnahmen in Bezug auf Biowissenschaften und
Biotechnologie mit Hilfe der bewährten Verfahren der Koordination und des
Benchmarking verfolgt werden. Daneben sollten neue Formen der
Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen Interessenvertretern angeregt
werden. Zusammen mit den Mitgliedstaaten wird die Kommission auch prüfen, ob
sich die strategischen Ziele mit den aktuellen Zuständigkeitsverteilungen und
Kooperationsmechanismen effektiv erreichen lassen; unter anderem wird sie
erneut prüfen, ob die Notwendigkeit einer Stärkung der Kompetenzen der
Gemeinschaft in Übereinstimmung mit dem Vertrag besteht.

� Die Kommission fordert alle Institutionen und öffentlichen Akteure auf, sich bei
ihren Maßnahmen um mehr Kohärenz zu bemühen. Die Kommission wird sich
ihrerseits mit Wachsamkeit und politischen Impulsen bemühen, die Dynamik
bei der Umsetzung dieser Strategie aufrechtzuerhalten, zum einen durch eigene
Maßnahmen, zum anderen durch Empfehlungen und Aufforderungen an andere.
Die Kommission wird regelmäßiger Orientierungsdebatten veranstalten, parallel
zur Annahme der vorgenannten Kommissionsberichte über Biowissenschaften
und Biotechnologie.

� Um bei der Weiterentwicklung und Umsetzung der vorgeschlagenen Strategie für
Biowissenschaften und Biotechnologie Transparenz und strukturierten Dialog zu
erleichtern, wird die Kommission ein breit angelegtes Forum der
Interessenvertreter organisieren, an dem auch Vertreter der Beitrittsländer sowie
von Drittländern beteiligt werden.

7. EIN RAHMEN FÜR DIALOG UND AKTION

Es ist an der Zeit, die strategischen Chancen und Herausforderungen, denen Europa
gegenübersteht, deutlich zu formulieren. Biowissenschaften und Biotechnologie sind
eine globale Realität und wesentlich im Hinblick auf das Ziel, dynamische und
innovative, wissensbasierte Volkswirtschaften zu schaffen. Wir müssen uns den
schwierigen Fragen stellen und unsere strategischen Ziele festlegen, um der Gefahr
zu entgehen, kurzfristige Lösungen für langfristige Herausforderungen und lokale
Lösungen für globale Herausforderungen zu suchen.

In der Erkenntnis, dass Biowissenschaften und Biotechnologie spezielle
Herausforderungen mit sich bringen, hat sich die Kommission das Ziel gesetzt, eine
Strategie und konkrete Aktionen vorzuschlagen. Sie legt hiermit diese Initiative für
ein kohärentes, kollaboratives und nachhaltiges Vorgehen vor.

Diese Initiative stützt sich auf eine gründliche Analyse13 der Stärken und Schwächen
der europäischen Biotechnologie und eine umfassende öffentliche Debatte und die
spezielle öffentliche Konsultation, die die Kommission im September 2001

13
Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit Europas 2001, Luxemburg 2001; "Innovation and
competitiveness in European biotechnology", Enterprise Papers - N° 7, 2002, Europäische Kommission.

- besondere
Anstrengungen
politischer
Akteure

Ein Rahmen für
Maßnahmen
jetzt und für die
Ausarbeitung
weiterer
Aktionen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 31 – Drucksache 14/9675

25

eingeleitet hat. Die Initiative sollte ihrerseits einen weiteren Dialog anregen. Der
beigefügte Aktionsplan sieht ein breites Spektrum von Maßnahmen vor,
entsprechend den in den Kapiteln 3 bis 6 dieser Mitteilung dargelegten Leitlinien. Er
bildet einen Rahmen; einige der darin vorgesehenen Maßnahmen können kurzfristig
eingeleitet werden, andere, eher mittel- und langfristig angelegte Maßnahmen sind
als Anregungen zu verstehen, die in Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten und
Interessenvertretern weiterentwickelt werden müssen.

Die Kommission fordert hiermit die Institutionen und Organe der Gemeinschaft, die
Mitgliedstaaten, Interessenvertreter und die Öffentlichkeit auf, durch die Definition
detaillierter kurz- und mittelfristiger Maßnahmen und eines Zeitplans für die
Durchführung zur Vervollständigung und Umsetzung der vorgeschlagenen Strategie
beizutragen, und dies als erster entschlossener Schritt in Richtung auf eine effektive
und kohärente europäische Politik für die Biotechnologie.

* *

Drucksache 14/9675 – 32 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

TEIL II: AKTIONSPLAN

1. DIE NUTZUNG DES POTENZIALS

DIE R ESSOURCENBASIS

Investitionen in Menschen

Aktion 1

Die Kommission wird, gemeinsam mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten14, den
Bildungsbedarf im Bereich Biowissenschaften im Rahmen der 10-Jahres-Ziele für Lernen in
der Wissensgesellschaft15 analysieren und:

a) umfassende Maßnahmen zur Bildung und zur Förderung des Verständnisses im
Bereich Biowissenschaften unternehmen;

b) den Aufbau und die Ausbildung eines qualifizierten Arbeitskräftepotenzials für
Biowissenschaften vorantreiben;

hierzu wird sie Empfehlungen für Lehrpläne und Lehrerschulung vorlegen. Die Unterstützung
der Gemeinschaft kann im Rahmen der Programme Comenius und Erasmus geleistet werden.

c) Wie in der Mitteilung über den Europäischen Raum des lebenslangen Lernens16

dargelegt, wird die Kommission gemeinsam mit Mitgliedstaaten, Industrie,
Hochschulwelt und anderen Stellen Maßnahmen zur Förderung der Weiterbildung
und Auffrischung der bestehenden Qualifikationen der wissenschaftlichen
Arbeitskräfte festlegen. Die Unterstützung der Gemeinschaft kann im Rahmen des
Programms Leonardo da Vinci geleistet werden.

d) Kommission und Mitgliedstaaten sollten Diskussionsforen für Wissenschaftler mit
unterschiedlicher Spezialisierung fördern, um einen Austausch über Fachgrenzen
hinweg anzuregen. Entscheidende Entdeckungen kommen oft an den Schnittpunkten
der Disziplinen zustande. Die Unterstützung der Gemeinschaft kann im Rahmen des
Programms Erasmus geleistet werden.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission, Privatsektor
Zeitrahmen: 2003-2010
14 Soweit in diesem Aktionsplan auf die Mitgliedstaaten Bezug genommen wird, wird die Kommission
mit den interessierten Beitrittsländern die Frage ihrer Beteiligung prüfen.

15 Bericht des Rates „Bildung“ an den Europäischen Rat, 5980/01.
16 KOM(2001) 678.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33 – Drucksache 14/9675

Aktion 2

Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten prüfen:

a) wie wirksame Methoden zur Abstimmung von Qualifikationen und
Qualifikationsbedarf aussehen können, wobei es um die effiziente Bekanntmachung
offener Stellen, die Zusammenarbeit mit bestehenden Unternehmen und ein
Arbeitskräftepotenzial geht, das über das Stellenangebot gut informiert ist.

b) Maßnahmen, um Wissenschaftler anzuwerben und zu halten und die Abwanderung
wissenschaftlicher Ressourcen zu verhindern. Dabei wird insbesondere Bezug
genommen auf die Initiativen im Rahmen der Mitteilung „Eine Mobilitätsstrategie für
den Forschungsraum“ 17, die die Gesamtsituation für Forscher und ihre Familien
innerhalb der EU verbessern sollen. Entsprechend berücksichtigt werden auch die
ausgeweiteten Mobilitätsmöglichkeiten durch das anlaufende Sechste
Rahmenprogramm (2002-2006) und insbesondere die Maßnahmen zur Anwerbung
ausländischer Forscher und zur Unterstützung der Rückkehr von aus der EU
stammenden Forschern, die anderswo in der Welt tätig sind.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission
Zeitrahmen: ab 2003
17 KOM(2001) 331 endg. vom 20. Juni 2001, ergänzt durch die Entschließung des Rates vom

20. Dezember 2001 über „Die Stärkung der Mobilitätsstrategie innerhalb des Europäischen
Forschungsraums“ .

Drucksache 14/9675 – 34 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Schaffung und Nutzung von Wissen

Forschung

Aktion 3

Die Kommission wird ihre Unterstützung für Forschung, technologische Entwicklung,
Demonstration und Ausbildung im Bereich Biowissenschaften und Biotechnologie
innerhalb des nächsten Rahmenprogramms 2002-2006 verstärken, das auf die Schaffung des
Europäischen Forschungsraums abzielt.

Die biotechnologische Forschung wird u. a. mit folgenden Schwerpunkten gefördert:

1: Genomik und Biotechnologie im Bereich Gesundheit

3: Nanotechnologie

5: Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit

6: Nachhaltige Entwicklung

7: Bürger und Governance

Spezifische Maßnahmen sollen KMU zur Beteiligung ermutigen und internationale
Zusammenarbeit, Mobilität und Ausbildung von Forschern anregen.

Die neuen Instrumente der “Networks of Excellence” und Integrierten Projekte werden es
erleichtern, die Ziele einer europaweiten Zusammenarbeit, des Erreichens einer kritischen
Masse und der administrativen Vereinfachung zu verwirklichen.

Kommission und Mitgliedstaaten sollten zudem in Zusammenarbeit mit dem EIF eine
wettbewerbsfähige Infrastruktur für Bioinformatik entwickeln, um die biotechnologische
Forschung zu unterstützen und die Forschungsförderung in DV-gestützter Biologie und
biomedizinischer Informatik zu bündeln.

Durchführung: Mitgliedstaaten, EIF, Kommission
Zeitrahmen: 2002-2006

Management und juristische Dienste

Aktion 4

Steigerung des Angebots an spezifischen Management- und juristischen Qualifikationen:

a) Mitgliedstaaten und nationale Biotechnologie-Verbände sollten die Möglichkeit
prüfen, auf nationaler Ebene eigenständige Netze von Managern in
Biotechnologieunternehmen zu schaffen.

b) Mitgliedstaaten und Kommission sollten die Zusammenarbeit zwischen
Ausbildungsstätten für Juristen, Anwaltsfirmen und Unternehmen bei der
Entwicklung der spezifischen juristischen Kompetenzen fördern, die von den
Biotechnologieunternehmen benötigt werden.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Hochschulwelt, Berufsverbände, Kommission
Zeitrahmen: ab 2003

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 35 – Drucksache 14/9675

Nutzung des geistigen Eigentums

Aktion 5

Ein solides, harmonisiertes und wirtschaftlich vertretbares europäisches System zum
Schutz des geistigen Eigentums, das einen Anreiz für F&E und Innovation bietet, wird
vervollständigt durch:

a) die dringliche Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz
biotechnologischer Erfindungen (EG/98/44) in nationales Recht;

b) die Verabschiedung der Patentverordnung der Gemeinschaft durch den Rat;

c) eine klarere Formulierung – durch Mitgliedstaaten und Kommission – der Regeln für
das Recht am geistigen Eigentum aufgrund öffentlicher Forschung, und die
Überwachung der Auswirkungen der Durchführung der Patentbestimmungen auf
Forschung und Innovation;

d) die Förderung der Sensibilisierung für die strategische Nutzung des Rechts auf
geistiges Eigentum während des gesamten Forschungs- und Innovationsprozesses und
der Sensibilisierung der Wissenschaftler für das kommerzielle Potenzial ihrer
Forschung, die Förderung des Unternehmergeistes und der Freizügigkeit zwischen
akademischer Welt und Unternehmen;

e) Maßnahmen zur Förderung von internationalem Dialog und Zusammenarbeit im
Hinblick auf die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in den Industrieländern in
Bezug auf den Patentschutz für biotechnologische Erfindungen, um einen wirksamen
Schutz für Innovationen in diesem Bereich zu gewährleisten.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Rat, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Kapitalbasis

Aktion 6

Die Kommission sollte, gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank, die Kapitalbasis
für die Biotechnologieindustrie stärken durch:

a) Stimulierung von Investitionen in Forschung und technologische Innovation über
ergänzende Finanzierung auf der Grundlage der Kooperationsvereinbarung, die
Kommission und EIB-Gruppe im Juni 2001 unterzeichnet haben;

b) Bemühungen um die Stimulierung von Investitionen in Unternehmens-„Inkubatoren“
über die „Start-Up Facility“ des EIF;

c) Prüfung von Maßnahmen zur Förderung von Technologietransfermechanismen, wie
Finanzierung von „Patentpools“ oder anderen Methoden zur Patentnutzung;

d) Prüfung von Maßnahmen zur Anregung kommerzieller Finanzierungsanstrengungen
für Unternehmen auf der Basis einer mittelfristigen Investitionsperspektive.

Durchführung: EIB-Gruppe, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Drucksache 14/9675 – 36 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Aktion 7

Die Kommission wird die Arbeit des Forums Biotechnologie und Finanzierung durch die
Einbeziehung wichtiger Interessenvertreter als Berater bei der Erarbeitung politischer
Konzepte für die Kapitalbereitstellung stärken.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: 2002

VERNETZUNG VON A KTEUREN IM B EREICH B IOTECHNOLOGIE IN E UROPA

Netze in Europa

Aktion 8

Die Kommission wird:

a) die Schaffung eines kommerziellen Webportals für Biotechnologie in Europa
unterstützen, das freien Zugang zu Informationen bieten und die bestehenden Websites
vernetzen soll. Die Inhalte eines solchen Portals sind nach den Kriterien der
wirtschaftlichen Machbarkeit und einer kontinuierlichen Nachfrage zu definieren;

b) ihre eigene neue Website weiterentwickeln, um eine umfassende Einstiegsplattform
zur Arbeit der Kommission im Bereich Biotechnologie zu bieten.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: 2002-2003

Aktion 9

Mitgliedstaaten, Regionen, Kommission und EIB sollten Unterstützung leisten für:

a) eine stärkere interregionale Kooperation, etwa durch Vernetzung von
Biotechnologie-Regionen. Grenzüberschreitende und interregionale Kooperation kann
mit Mitteln aus den Interreg-Programmen (insbesondere Interreg IIIB und IIIC)
finanziert werden;

b) die Vernetzung von Biotechnologie-„Clustern“ . Zusätzlich wird die Kommission
einen europäischen Wettbewerb für Innovations-„Cluster“ in der Biotechnologie
organisieren, um deren Fähigkeit zu demonstrieren, einen „Cluster“ mit einem
Wissensschwerpunkt in einem spezifischen Wissenschaftsbereich zu schaffen.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Regionen, EIB, Kommission
Zeitrahmen: 2003-2006

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 37 – Drucksache 14/9675

EINE AKTIVE R OLLE FÜR ÖFFENTLICHE S TELLEN

Aktion 10

Die Kommission wird schaffen:

a) eine Funktion zur Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit und ein Kontakt-
Netzwerk der Ministerien in den Mitgliedstaaten, die für die
Wettbewerbsfähigkeit in der Biotechnologie zuständig sind. Die
Überwachungsaufgabe sollte auch die Auswirkungen gesetzgeberischer und
politischer Maßnahmen auf die Wettbewerbsfähigkeit in Europa einbeziehen.

b) eine Beratende Gruppe für Wettbewerbsfähigkeit in der Biotechnologie mit
Vertretern aus Industrie und Hochschulwelt, die feststellen soll, welche Aspekte die
Wettbewerbsfähigkeit Europas beeinflussen. Die Gruppe wird einen Beitrag zu den
regelmäßigen Berichten der Kommission über Biowissenschaften und Biotechnologie
liefern.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission
Zeitrahmen: 2002

Aktion 11

Transparenz im Verwaltungsprozess:

a) Kommission und Mitgliedstaaten sollten als Regulierungsbehörden Antragsteller
unterstützen, insbesondere Unternehmensgründer und KMU, die im Rahmen der
Regulierung eine Zulassung beantragen.

b) Die Kommission wird einen Leitfaden zum ordnungspolitischen Rahmen der
Gemeinschaft für Nutzer und Unternehmer veröffentlichen, die über wenig Personal
und Fachkenntnis in den Bereichen Ordnungspolitik und Recht verfügen. Ein solcher
Leitfaden könnte auch Bewerbern außerhalb der EU (etwa in den
Entwicklungsländern) sowie der Öffentlichkeit zugute kommen.

Durchführung: a) Mitgliedstaaten, Kommission; b) Kommission
Zeitrahmen: ab 2003

Aktion 12

In Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren wird die Kommission bewährte Verfahren
bei der Schaffung von Biotechnologie-„Clustern“ und bei der Arbeit von
Unternehmens-„Inkubatoren“ bewerten und die Ergebnisse verbreiten. Die Kommission
wird weiterhin gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ein Programm zur Bewertung
(Benchmarking) relevanter Elemente der politischen Maßnahmen in Bezug auf die
Biotechnologie einrichten, zusätzlich zu den bestehenden Benchmarking-Strukturen.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: ab 2003

Drucksache 14/9675 – 38 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. SCHLÜSSELELEMENT FÜR EINE VERANTWORTUNGSVOLLE POLITIK: EIN
ORDNUNGSPOLITISCHER RAHMEN FÜR BIOWISSENSCHAFTEN UND
BIOTECHNOLOGIE

GESELLSCHAFTLICHE K ONTROLLE UND D IALOG

Aktion 13

Kommission, Mitgliedstaaten, Organisationen, Institutionen und andere Akteure sollten sich
an einem strukturierten Dialog auf verschiedenen Ebenen beteiligen, dessen Ziel eine
Verständigung und der Informationsaustausch über Biowissenschaften und
Biotechnologie ist. Die Kommission wird insbesondere dazu beitragen, alle Schlüsselakteure
in der öffentlichen Debatte zu mobilisieren und die Beteiligung von Interessenvertretern mit
begrenzten Ressourcen zu erleichtern.

Insbesondere:

a) Die Kommission wird einen Rahmen für einen Prozess des Dialogs und der
Weiterarbeit mit den Interessenvertretern im Rahmen der europäischen Strategie
für Biowissenschaften und Biotechnologie vorschlagen. Dieser Rahmen soll unter
anderem ein breit angelegtes Forum der Interessenvertreter umfassen. In diesem
Prozess wird die Kommission sich bemühen, das ordnungspolitische Konzept der
Union besser zu erläutern (einschließlich Anwendung des Vorsorgeprinzips, Rolle des
Risikomanagements, Überwachung, Sicherheitsvorkehrungen und Umkehrbarkeit
ordnungspolitischer Entscheidungen).

b) Die Kommission wird Initiativen zu folgenden Aspekten vorlegen und die
Wissenschaftswelt sowie andere Interessenvertreter zur Mitarbeit dabei auffordern:
Sensibilisierung für wissenschaftliche Schlüsselparadigmen, die der
ordnungspolitischen Kontrolle zugrunde liegen, wie wissenschaftliche
Unsicherheit, Unmöglichkeit, Risiken völlig auszuschließen, vergleichbare
Risiken, die ständige Weiterentwicklung der Wissenschaft, die unseren
Bezugsrahmen und die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen der Risikoanalyse
verbessert. Innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche werden die Europäische Behörde
für Lebensmittelsicherheit und die Europäische Agentur für die Bewertung von
Arzneimitteln eine wichtige Rolle bei der allgemeinen Risikokommunikation – auch in
Bezug auf wissenschaftliche Grundlagen für ihre Schlussfolgerungen bei
Risikobewertungen – spielen.

c) Über diese zwei spezifischen Initiativen hinaus wird die Kommission auch die
öffentliche Debatte über die Biotechnologie zwischen Wissenschaftlern, Industrie
und Zivilgesellschaft anregen, und zwar unter Beteiligung spezifischer
Interessengruppen wie Patientenvereinigungen, Landwirten und Verbrauchern, mit
Schwerpunkten bei spezifischen technologischen Entwicklungen, um so das
öffentliche Interesse an diesen Entwicklungen zu fördern und frühzeitige
Informationen zu potenziellen Nutzen und Risiken zu bieten. Entwickler in
Wissenschaft und Industrie haben eine besondere Verantwortung dafür, Hintergründe
und Nutzen ihrer Produkte aktiv zu erklären.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Industrie, Hochschulwelt, Zivilgesellschaft, EFSA,
EMEA, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 39 – Drucksache 14/9675

ENTWICKLUNG VON B IOWISSENSCHAFTEN UND B IOTECHNOLOGIE IN
ÜBEREINSTIMMUNG MIT ETHISCHEN W ERTEN UND GESELLSCHAFTLICHEN
ZIELEN

Aktion 14

Die Kommission wird die Unterstützung der Gemeinschaft für die Erforschung der
sozioökonomischen und ethischen Aspekte verstärken und konzentrieren, ebenso die
Verbreitung der Ergebnisse; dabei geht es auch um die Kriterien für die Beurteilung des
Nutzens der Biotechnologie in der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung, um die
Erleichterung künftiger Berichterstattung und um eine solide Basis für gesellschaftliche
Entscheidungen über den Einsatz von Biowissenschaften und Biotechnologie. Die
Kommission wird die Forschungsförderung auf eine systematischere Untersuchung von
Vorteilen und Nachteilen/Risiken ausrichten, einschließlich einer starken Komponente für
Informationsverbreitung und Debatte.

Die Kommission wird sicherstellen, dass ethische, rechtliche und soziale Aspekte in einem
möglichst frühen Stadium der gemeinschaftsfinanzierten Forschung berücksichtigt
werden, indem bioethische Forschung finanziert und eine ethische Prüfung der
eingehenden Forschungsprojekte vorgenommen wird.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: 2002-2006

Aktion 15

Die Kommission schlägt vor, die Rolle der Europäischen Ethik-Gruppe zu stärken. Ergänzend
wird die Kommission eine separate Konsultation mit den anderen
Gemeinschaftsinstitutionen über möglichen strukturelle und prozedurale
Verbesserungen einleiten. Die Kommission wird auch die Zusammenarbeit zwischen
Gemeinschaft, nationaler und lokaler Ebene fördern, und zwar durch die
Unterstützung der Vernetzung nationaler und lokaler Ethik-Gremien und gewählter
Volksvertreter. Die Kommission wird ein Netz akademischer und professioneller
Sachverständiger für Ad-hoc-Beratung zu spezifischen sozioökonomischen Aspekten
organisieren.

Durchführung: Ethik-Gremien, gesetzgebende Gremien, Kommission

Zeitrahmen: 2002

Drucksache 14/9675 – 40 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Aktion 16

Die Kommission wird, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, Maßnahmen zur
Information über die Analyse ethischer Fragen auf EU-Ebene erarbeiten.

Unter Wahrung der kulturellen Vielfalt wird die Kommission in Zusammenarbeit mit
öffentlichen und privaten Partnern Bereiche ermitteln, in denen sich ein Konsens über
ethische Leitlinien/Normen oder bewährte Verfahren erarbeiten lässt. Dazu könnten
gehören die Stammzellenforschung, Biobanken, Xenotransplantation, Gentests und die
Verwendung von Tieren in der Forschung. Solche Leitlinien könnten, sofern dies geeignet
erscheint, in Form von Selbstregulierungsinitiativen in Wissenschaftswelt und Industrie
vorgelegt werden.

Durchführung: Europäisches Parlament, Mitgliedstaaten, Regionen, Industrie,
Institutionen, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

BEDARFSORIENTIERTE A NWENDUNGEN AUFGRUND FUNDIERTER E NTSCHEIDUNGEN

Aktion 17

Die Kommission wird sich bemühen, in Partnerschaft mit Mitgliedstaaten, Landwirten und
anderen privaten Akteuren, Forschungs- und Pilotprojekte zu erarbeiten, die die
Notwendigkeit – und mögliche Optionen – agronomischer und anderer Maßnahmen zur
Gewährleistung der Lebensfähigkeit konventioneller und ökologischer Landwirtschaft
und ihrer dauerhaften Koexistenz mit dem Anbau von genetisch veränderten Kulturpflanzen
klären sollen. Die Kommission sieht auch die Notwendigkeit, die bestehenden genetischen
Ressourcen in der Landwirtschaft zu erhalten. Sie wird ein neues Aktionsprogramm zur
Bewahrung, Bestimmung, Erfassung und Nutzung der genetischen Ressourcen in der
Landwirtschaft in der Gemeinschaft starten.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Berufsverbände, andere Akteure, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 41 – Drucksache 14/9675

VERTRAUEN IN WISSENSCHAFTLICH UNTERMAUERTE STAATLICHE K ONTROLLE

Rechtsvorschriften für die Pharmaindustrie

Aktion 18

Parlament und Rat werden ersucht, die drei Vorschläge für Rechtsvorschriften zur Änderung
des Gemeinschaftsrechts im Pharmabereich beschleunigt zu verabschieden, die Maßnahmen
enthalten für:

a) Entwicklung und Ausbau des Systems wissenschaftlicher Beratung und
Verbesserung des Zugangs der wissenschaftlichen Ausschüsse der Europäischen
Agentur zur Bewertung von Arzneimitteln (EMEA) zu hochrangigem Fachwissen,
durch Schaffung von Expertengruppen und ständigen Arbeitsgruppen. Das höhere
Niveau des Fachwissens wird auch bei der Überarbeitung bzw. Erarbeitung
europäischer Leitlinien für Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsaspekte
biotechnologischer Medizinprodukte hilfreich sein.

b) die Einführung eines beschleunigten Verfahrens für Produkte von besonderem
Interesse für den Gesundheitsschutz, um die Fristen für Bewertung und Zulassung
von Medizinprodukten verkürzen zu können.

c) Einführung eines Verfahrens für eine bedingte Zulassung, die für ein Jahr gültig
ist, aber verlängert werden kann. Dies erlaubt es bei Produkten von besonderem
Interesse für den Gesundheitsschutz, bei denen aber die Untersuchungen noch nicht
vollständig abgeschlossen sind, während der Schlussphase der Studien bereits einen
bedingten Marktzugang zuzulassen.

Durchführung: Europäisches Parlament, Rat
Zeitrahmen: 2002

Rechtsvorschriften in Bezug auf genetisch veränderte Organismen (GVO)

Ordnungspolitische Maßnahmen für die unmittelbare Zukunft

Aktion 19

Parlament und Rat werden ersucht, die Verabschiedung der zwei nachstehenden Vorschläge
zu beschleunigen:

a) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung genetisch veränderter Organismen und
zur Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen
gewonnenen Lebensmitteln und Futtermitteln

b) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über
genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel

Durchführung: Europäisches Parlament, Rat
Zeitrahmen: 2002

Drucksache 14/9675 – 42 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Aktion 20

Die Kommission wird ihre Arbeit fortsetzen und die bereits angekündigten Rechtsvorschläge
fertig stellen, so etwa die Initiativen zu GV-Vermehrungsgut, Umwelthaftung und Umsetzung
des Protokolls über die biologische Sicherheit.

Durchführung: Europäisches Parlament, Rat, Kommission
Zeitrahmen: 2002-2003

Umsetzung und Durchsetzung

Aktion 21

Die Kommission wird dafür Sorge tragen, dass die Rechtsvorschriften in der ganzen
Gemeinschaft einheitlich und wirksam durchgesetzt werden, und sie wird die geeigneten
Durchführungsmaßnahmen für die einschlägigen Rechtsvorschriften erlassen,
einschließlich der notwendigen Leitlinien für Erfassungs- und Probenahmeverfahren.
Die Kommission wird zudem ein Molekularregister einrichten, das der Öffentlichkeit
zugänglich sein und Informationen über genetische Veränderungen enthalten soll.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: 2002-2003

Spezifische langfristige ordnungspolitische Maßnahmen

Aktion 22

Die Kommission wird Bericht erstatten über die Realisierbarkeit von Optionen zur weiteren
Verbesserung der Konsistenz und Effizienz des ordnungspolitischen Rahmens für die
Zulassung von GVO für die absichtliche Freisetzung in die Umwelt, einschließlich eines
zentralisierten Verfahrens zur Gemeinschaftszulassung.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: 2003

Aktion 23

Die Kommission wird die Entwicklung von Methodiken zur Überwachung potentieller
ökologischer Langzeitfolgen von GVO im Vergleich mit konventionellen Kulturpflanzen
sowie Methodiken zur Überwachung der Auswirkungen von genetisch veränderten
Lebens- und –Futtermitteln im Vergleich mit konventionellen Lebens- und
Futtermitteln unterstützen. Mit der Einrichtung der Europäischen Behörde für
Lebensmittelsicherheit werden die Bemühungen um eine frühzeitige Erkennung sich
abzeichnender Risiken verstärkt.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 43 – Drucksache 14/9675

3. EUROPA IN DER WELT – AUF DIE GLOBALEN HERAUSFORDERUNGEN
REAGIEREN

EINE EUROPÄISCHE A GENDA FÜR DIE INTERNATIONALE Z USAMMENARBEIT

Aktion 24

Die Kommission sollte auch weiterhin eine führende Rolle bei der Entwicklung
internationaler Leitlinien, Normen und Empfehlungen in relevanten Sektoren auf
der Grundlage eines internationalen wissenschaftlichen Konsens spielen und
insbesondere auf die Entwicklung eines konsistenten, wissenschaftlich fundierten,
fokussierten, transparenten, integrativen internationalen Systems zum Umgang mit
Fragen der Lebensmittelsicherheit hinarbeiten.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

DIE V ERANTWORTUNG E UROPAS GEGENÜBER DER D RITTEN W ELT

Landwirtschaft

Aktion 25

Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Unterstützung leisten für:

a) die Neuorientierung der nationalen Forschung hin auf eine ausgewogene Mischung
traditioneller und innovativer Techniken, auf der Grundlage der mit Landwirten vor
Ort entwickelten Prioritäten.

b) die Schaffung effizienter Forschungspartnerschaften zwischen öffentlichen und
privaten Forschungseinrichtungen in Entwicklungsländern und der EU, Schaffung
entsprechender Kapazitäten und Infrastruktur für Entwicklungsländer, damit
diese sich an solchen Partnerschaften beteiligen können, entsprechend den
internationalen Verpflichtungen aufgrund der Übereinkommen.

c) subregionale, regionale und internationale Organisationen, insbesondere die
Internationalen Agrarforschungszentren.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Drucksache 14/9675 – 44 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Genetische Ressourcen

Aktion 26

Kommission und Mitgliedstaaten werden die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der
genetischen Ressourcen in den Entwicklungsländern und die gerechte Teilung ihrer Vorteile
unterstützen durch:

a) Förderung der Entwicklung und Durchsetzung wirksamer Maßnahmen zur
Bewahrung, nachhaltigen Nutzung von und Sicherung des Zugangs zu
genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen und zur gerechten und
ausgewogenen Teilung ihrer Vorteile, einschließlich der Einnahmen aus dem Schutz
des geistigen Eigentums. Die Unterstützung der Menschen vor Ort ist wesentlich für
die Bewahrung einheimischen Wissens und genetischer Ressourcen.

b) Förderung der Beteiligung von Delegierten aus Entwicklungsländern bei den
Verhandlungen über einschlägige internationale Übereinkommen.

c) Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung stärkerer regionaler Koordination
bei Rechtsvorschriften zur Minimierung von Diskrepanzen bei Zugang, Nutzung und
Handel mit Produkten, die aus genetischen Ressourcen hergestellt wurden, in
Übereinstimmung mit internationalen Verpflichtungen.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Gesundheit

Aktion 27

Kommission und Mitgliedstaaten sollten in Zusammenarbeit mit der internationalen
Gemeinschaft die Forschungsverpflichtungen beim Kampf gegen HIV/AIDS, Malaria,
TB und andere große Armutskrankheiten konkretisieren und wirksame Maßnahmen zur
Unterstützung der Entwicklungsländer beim Aufbau der notwendigen Strukturen für eine
Gesundheitspolitik ermitteln.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 45 – Drucksache 14/9675

Verantwortliche und umsichtige Nutzung

Aktion 28

Die Kommission sollte fördern:

a) die sichere und effiziente Nutzung moderner Biotechnologien in den
Entwicklungsländern, gestützt auf deren souveräne Entscheidung und ihre nationale
Entwicklungsstrategie.

b) Maßnahmen zur Stärkung der Fähigkeit der Entwicklungsländer zur
Bewertung und Beherrschung der Risiken für Mensch und Umwelt unter den im
jeweiligen Land herrschenden Bedingungen.

c) die Entwicklung geeigneter administrativer, legislativer und ordnungspolitischer
Maßnahmen in den Entwicklungsländern für die ordnungsgemäße Umsetzung des
Protokolls von Cartagena.

d) die wirksame Anpassung der internationalen Forschung zu den sozialen,
wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen im Hinblick auf die
Berücksichtigung der Bedingungen in den Entwicklungsländern und auf die
Rückmeldung der Ergebnisse in einer geeigneten Form.

e) dass die internationalen rechtlichen Erfordernisse für Entwicklungsländer erfüllbar
bleiben, um nicht ihre Perspektiven für Handel und Produktion zu behindern.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Drucksache 14/9675 – 46 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

4. PRAKTISCHE UMSETZUNG UND KOHÄRENZ FÜR ALLE POLITIKBEREICHE,
SEKTOREN UND AKTEURE

Aktion 29

Die Kommission wird ausbauen:

a) die allgemeine Vorausschau-Funktion in allen Kommissionsdienststellen, und
insbesondere ihre Rolle bei der technologischen Vorausschau mit Hilfe des Institute
for Prospective Technological Studies (IPTS), und dies im Hinblick auf die
frühzeitige Erkennung sich abzeichnender neuer Fragen und die Ermittlung der
Elemente einer politischen Antwort;

b) ihre Überwachungs- und Überprüfungsfunktion zur Bewertung

- der Relevanz, Kohärenz und Wirksamkeit von Rechtsvorschriften und
Politik;

- des Ausmaßes, in dem politische Ziele erreicht und die
Rechtsvorschriften durchgesetzt werden;

- der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von
Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen.

Im Hinblick auf diese Ziele und zur weiteren Stärkung der politischen Kohärenz wird die
Kommission

c) die ständige Koordinierung zwischen ihren Dienststellen verstärken, und sie ersucht
die Mitgliedstaaten, ebenfalls erweiterte Vorausschau-/Überprüfungsfunktionen sowie
eine koordinierte Schnittstelle für einen Dialog über diese Fragen zu schaffen.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission
Zeitrahmen: ab 2002

Aktion 30

Die Kommission wird einen regelmäßigen Bericht über Biowissenschaften und
Biotechnologie vorlegen, mit dem sie die Fortschritte überwacht und gegebenenfalls
spezifische Vorschläge zur Sicherung der politischen und legislativen Kohärenz präsentieren
kann. Dem Bericht werden die Schlussfolgerungen der Aktionen 10 und 29 zugrunde liegen.

Durchführung: Kommission
Zeitrahmen: ab 2003

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