BT-Drucksache 14/9670

Strom kennzeichnen - Umwelt- und Verbraucherschutz im Strommarkt stärken

Vom 2. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9670
14. Wahlperiode 02. 07. 2002

Antrag
der Abgeordneten Volker Jung (Düsseldorf), Dr. Hans-Peter Bartels, Dr. Axel Berg,
Petra Bierwirth, Rainer Brinkmann (Detmold), Dr. Michael Bürsch, Christel
Deichmann, Monika Ganseforth, Anke Hartnagel, Hubertus Heil, Rolf
Hempelmann, Reinhold Hiller (Lübeck), Jelena Hoffmann (Chemnitz), Dr. Uwe
Jens, Ulrich Kelber, Horst Kubatschka, Werner Labsch, Christian Lange
(Backnang), Christoph Matschie, Ulrike Mehl, Jutta Müller (Völklingen), Christian
Müller (Zittau), Manfred Opel, Dr. Carola Reimann, René Röspel, Gudrun Roos,
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Birgit Roth (Speyer), Marlene Rupprecht, Thomas
Sauer, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, Dr. Cornelie
Sonntag-Wolgast, Antje-Marie Steen, Reinhold Strobl (Amberg), Franz Thönnes,
Wolfgang Weiermann, Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Dr. Rainer Wend, Lydia
Westrich, Dr. Margrit Wetzel, Dr. Norbert Wieczorek, Jürgen Wieczorek (Böhlen),
Klaus Wiesehügel, Engelbert Wistuba, Dr. Wolfgang Wodarg, Heidemarie Wright,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Michaele Hustedt, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken,
Dr. Reinhard Loske, Winfried Hermann, Steffi Lemke, Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Strom kennzeichnen – Umwelt- und Verbraucherschutz im Strommarkt stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Auf europäischer Ebene wird zurzeit über die Einführung einer Stromkenn-
zeichnung beraten, um im liberalisierten Binnenmarkt für die Verbraucher
Transparenz über die von ihnen bezahlte Ware Strom herzustellen. Am
13. März 2002 hat das Europäische Parlament – aufbauend auf einem Entwurf
der Europäischen Kommission – vorgeschlagen, eine Pflicht zur Stromkenn-
zeichnung in der Europäischen Union einzuführen. Dieser Vorschlag beinhaltet
folgende Eckpunkte:
l verpflichtende Einführung einer Stromkennzeichnung für alle Unternehmen,

die Endkunden mit Elektrizität versorgen,
l verpflichtende Angabe des prozentualen Anteils der einzelnen Primärener-

gieträger,
l verpflichtende Angabe zu der mit den eingesetzten Energieträgern verbunde-

nen Umweltbelastung (Emission von Treibhausgasen, Schwefeldioxyd und
Stickoxyden, Atommüll),

l Pflicht zur Kennzeichnung auch für Stromimporte aus Nicht-EU-Ländern,
l Angabe des Strommixes und der Umweltindikatoren auf der jährlichen

Stromrechnung sowie auf dem Werbematerial der Anbieter.

Drucksache 14/9670 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Eine solche europaweit einheitliche Stromkennzeichnung verbessert einerseits
die Rechte der Verbraucher. Zudem nimmt sie die Unternehmen stärker in die
Produktverantwortung und eröffnet ihnen neue Chancen zur Produktvermark-
tung. Nur wenn Unterschiede in der Stromerzeugung nachweisbar belegt und
transparent sind, kann im Strommarkt eine glaubwürdige Produktbildung be-
züglich unterschiedlicher Erzeugungsqualitäten und unterschiedlicher Umwelt-
belastungen erfolgen.
Die Stromproduktion durch z. B. Atomenergie, Kohle, Gas oder erneuerbaren
Energien ist mit unterschiedlichen Umweltbelastungen verbunden. Bei den
großen Verbundunternehmen ist die Aufschlüsselung der Stromerzeugung auf
einzelne Energieträger seit Jahren rückläufig. Wurde vor zehn Jahren noch fast
die gesamte Stromerzeugung aufgeschlüsselt, so wird heute nur bei etwa der
Hälfte die Herkunft angegeben.
Gleichzeitig besteht bei Stromimporten aus dem Ausland die Gefahr, dass die-
ser Strom in Kraftwerken erzeugt wird, die den EU-Umwelt- und Sicherheits-
standards nicht entsprechen.
Für den Verbraucher gestalten die Stromversorger die Herkunft des Stroms zu-
nehmend undurchsichtiger. Um in einem liberalisierten Markt eine verantwort-
licheKaufentscheidung treffen zu können,muss für dieKunden dieHerkunft und
Qualität des Produktes transparent sein. Neben dem Preis und den Vertragskon-
ditionen, sind Herkunft des Stroms und Erzeugungsart ein wichtiges Entschei-
dungskriterium für dieVerbraucher. Dies belegen dieKunden-Proteste gegen den
Import von Strom aus dem umstrittenen tschechischen Atomreaktor Temelin.
Nur wenn für die Kunden die notwendigen Informationen für die angebotenen
Produkte übersichtlich bereitgestellt werden, kann sich für den Verbraucher
transparenter Wettbewerb entwickeln. Um dies sicher zu stellen, ist die Einfüh-
rung einer Kennzeichnungspflicht daher dringend geboten.
Eine europaweit einheitliche Stromkennzeichnung erleichtert zudem die Um-
setzung einer Ökosteuer-Befreiung für Strom aus erneuerbaren Energien.
Durch eine solche Steuerbefreiung würden die Umweltvorteile der erneuer-
baren Energien zur Geltung kommen und sich die preisliche Wettbewerbsfähig-
keit des Handels mit erneuerbaren Energien verbessern.
Stromkennzeichnung ist bereits in 21 Bundesstaaten der USA und in Österreich
übliche Praxis. Auch in der Schweiz und in den Niederlanden wird die Ein-
führung einer Kennzeichnungspflicht diskutiert.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
1. sich bei den Verhandlungen im EU-Ministerrat zur Novelle der Richtlinie

über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und den
Erdgasbinnenmarkt für eine Stromkennzeichnung auf Basis des Vorschlages
des EU-Parlaments vom 13. März 2002 einzusetzen;

2. darauf hinzuwirken, dass die Europäische Gemeinschaft im Rahmen der
EU-Beitrittsverhandlungen geeignete Maßnahmen ergreift, um sicherzustel-
len, dass die Stromerzeugung in Kraftwerken erfolgt, die den EU-Umwelt-
und Sicherheitsstandards entsprechen;

3. mit einer nationalen Gesetzesinitiative Transparenz für die Stromkunden
sicherzustellen, sollte eine europaweit verpflichtende Stromkennzeichnung
scheitern.

Berlin, den 2. Juli 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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