BT-Drucksache 14/9661

a) zu dem Antrag der Abg. Meckel, Barthel (Berlin), Schmidt (Salzgitter), weiterer Abg. und SPD sowie der Abg. Dr. Vollmer, Lippelt, Müller (Köln), weiterer Abg. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/9033- Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibunen b) A der Abg. Lammert, Neumann (Bremen), Dr. Lammert, Brähmig, weiterer Abg. und der Fraktion der CDU/CSU -14/8954 Zentrum gegen Vertreibung c) A der Abg. Otto (Frank.) Schmidt-Jorzig, Dr. Kinkel, weiterer abg. und FDP -14/9068- Für ein europäisches

Vom 2. Juli 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9661
14. Wahlperiode 02. 07. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien (23. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Meckel, Eckhardt Barthel (Berlin),
Wilhelm Schmidt (Salzgitter), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Dr. Helmut Lippelt, Kerstin Müller
(Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/9033 –

Für ein europäisch ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Norbert Lammert, Bernd Neumann
(Bremen), Klaus Brähmig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
– Drucksache 14/8594 (neu) –

Zentrum gegen Vertreibungen

c) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Klaus Kinkel, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP
– Drucksache 14/9068 –

Für ein europäisches Zentrum gegen Vertreibungen

A. Problem
a) Nach dem Antrag auf Drucksache 14/9033 soll sich der Deutsche Bundestag

dafür aussprechen, einen europäischen Dialog über die Errichtung eines
europäischen Zentrums gegen Vertreibungen zu beginnen. Ein solches Zen-
trum soll – als Dokumentations- und Begegnungszentrum mit Forschungs-
stätte – die Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts in ihren verschie-
denen Ursachen, Kontexten und Folgen, darunter die Vertreibung der Deut-
schen, dokumentieren.

Drucksache 14/9661 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

b) Mit dem Antrag auf Drucksache 14/8594 (neu) soll die Bundesregierung
u. a. aufgefordert werden, die konzeptionellen Vorraussetzungen, die zur
Realisierung eines Zentrums gegen Vertreibungen notwendig sind, auch im
Zusammenhang mit bestehenden Gedenkstätten besonders in Berlin zu
schaffen und für ein solches Zentrum ein geeignetes Gebäude als öffentlich
zugänglichen Ort der Forschung, Dokumentation und Ausstellung bereitzu-
stellen.

c) Nach dem Antrag auf Drucksache 14/9068 soll sich der Deutsche Bundestag
für die Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibung, das sich als Dokumen-
tations-, Forschungs- und Begegnungsstätte sowie als Mahnmal versteht,
aussprechen. Dabei soll die Beteiligung europäischer Partner angestrebt
werden. Der Deutsche Bundestag soll einen Grundstock der erforderlichen
finanziellen Mittel für die Errichtung und die Grundausstattung des Zen-
trums bereitstellen.

B. Lösung
a) Annahme des Antrags auf Drucksache 14/9033 in der aus der Be-

schlussempfehlung ersichtlichen geänderten Fassung mit den Stimmen
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und PDS

b) Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/8594 (neu) mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Frak-
tion der FDP

c) Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/9068 mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stim-
men der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der
CDU/CSU

C. Alternativen
a) Ablehnung des Antrags.
b) Annahme des Antrags.
c) Annahme des Antrags.

D. Kosten
Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9661

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
a) den Antrag auf Drucksache 14/9033 mit folgender Maßgabe anzunehmen:

1. Ziffer 1, vierter Satz wird wie folgt gefasst:
So wird ein solches Projekt ein Ort historisch-wissenschaftlicher Auf-
arbeitung sein und zugleich daran erinnern, dass wir als Deutsche und
Europäer alles dafür tun müssen, um solches Leid in Zukunft zu verhin-
dern.

2. Ziffer 2 wird wie folgt gefasst:
Ein solches Projekt ist eine europäische Aufgabe und braucht zu seiner
Verwirklichung europäische Partner, die auch in die Trägerschaft einbe-
zogen werden. An der Ausarbeitung sollten Persönlichkeiten aus europä-
ischen Ländern, die in ihrer Geschichte von Vertreibungen betroffen wa-
ren oder sind, beteiligt werden. Über Konzept und Ort einer solchen Ein-
richtung muss in europäischer Zusammenarbeit beraten und entschieden
werden.

b) den Antrag auf Drucksache 14/8594 (neu) abzulehnen und
c) den Antrag auf Drucksache 14/9068 abzulehnen.

Berlin, den 2. Juli 2002

Der Ausschuss für Kultur und Medien
Monika Griefahn
Vorsitzende

Eckhardt Barthel (Berlin)
Berichterstatter

Dr. Norbert Lammert
Berichterstatter

Dr. Antje Vollmer
Berichterstatterin

Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Berichterstatter

Dr. Heinrich Fink
Berichterstatter

Drucksache 14/9661 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Eckhardt Barthel (Berlin), Dr. Norbert Lammert,
Dr. Antje Vollmer, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Heinrich Fink

I. Beratungsverlauf
1. Überweisungen
Der Antrag auf Drucksache 14/9033 ist in der 236. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 16. Mai 2002 an den
Ausschuss für Kultur und Medien zur federführenden Bera-
tung sowie an den Auswärtigen Ausschuss, den Innenaus-
schuss, den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe und den Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union überwiesen worden.
Der Antrag auf Drucksache 14/8594 (neu) ist ebenfalls in
der 236. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Mai
2002 an den Ausschuss für Kultur und Medien zur federfüh-
renden Beratung sowie an den Auswärtigen Ausschuss, den
Innenausschuss, den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe und den Ausschuss für die Angelegenhei-
ten der Europäischen Union überwiesen worden.
Der Antrag auf Drucksache 14/9068 ist in der 236. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 16. Mai 2002 an den
Ausschuss für Kultur und Medien zur federführenden Bera-
tung sowie an den Auswärtigen Ausschuss, den Innenaus-
schuss, den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe, den Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union und den Haushaltsausschuss überwiesen
worden.

2. Voten mitberatender Ausschüsse
a) Antrag auf Drucksache 14/9033
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner Sitzung am
26. Juni 2002 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der Fraktion der PDS gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
und bei zwei Enthaltungen aus der Fraktion der CDU/CSU
empfohlen, den Antrag in der Fassung des im federführen-
den Ausschuss vorliegenden Änderungsantrags anzuneh-
men.
Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 26. Juni 2002
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen eine
Stimme aus der Fraktion der PDS bei Stimmenthaltung der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie einer Enthaltung
aus der Fraktion der PDS empfohlen, den Antrag anzuneh-
men.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner Sitzung am 26. Juni 2002 mit den Stim-
men der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und PDS bei Enthaltung der Fraktion der CDU/CSU und bei
Abwesenheit der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag
anzunehmen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat in seiner Sitzung am 25. Juni 2002 mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und FDP bei Abwesenheit der
Fraktion der PDS empfohlen, den Antrag anzunehmen.

b) Antrag auf Drucksache 14/8594 (neu)
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner Sitzung am
26. Juni 2002 mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den An-
trag abzulehnen.
Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 26. Juni 2002
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion
der PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei
Stimmenthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den An-
trag abzulehnen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner Sitzung am 26. Juni 2002 mit den Stim-
men der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU
und bei Abwesenheit der Fraktion der FDP empfohlen, den
Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat in seiner Sitzung am 25. Juni 2002 mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU bei Abwesenheit der Fraktion der PDS die
Ablehnung des Antrags empfohlen.

c) Antrag auf Drucksache 14/9068
Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner Sitzung am
26. Juni 2002 mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/
CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der FDP bei jeweils zwei Enthaltun-
gen aus den Fraktionen der SPD und CDU/CSU empfohlen,
den Antrag abzulehnen.
Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 26. Juni 2002
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion
der PDS gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei
Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU empfohlen,
den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner Sitzung am 26. Juni 2002 mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Enthaltung der Fraktionen der CDU/CSU und PDS und
bei Abwesenheit der Fraktion der FDP empfohlen, den An-
trag abzulehnen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat in seiner Sitzung am 25. Juni 2002 mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP
bei Abwesenheit der Fraktion der PDS die Ablehnung des
Antrags empfohlen.
Der Haushaltsausschuss hat in seiner Sitzung am 26. Juni
2002 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
Fraktion der PDS gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9661

3. Beratungsverlauf im federführenden Ausschuss
Der federführende Ausschuss für Kultur und Medien hat
die Anträge auf den Drucksachen 14/9033, 14/8594 (neu)
und 14/9068 in seiner 79. Sitzung am 26. Juni 2002 erstmalig
beraten und seine Beratungen in dieser Sitzung auch abge-
schlossen. Im Zuge der Beratungen haben die Koalitions-
fraktionen auf Ausschussdrucksache 310 einen Änderungs-
antrag zu ihrem Antrag auf Drucksache 14/9033 vorgelegt,
der mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und PDS gegen eine Stimme aus der Frak-
tion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP angenommen worden ist. Der Aus-
schuss hat mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen der CDU/CSU, FDP und PDS beschlossen, den
Antrag auf Drucksache 14/9033 in der aus der Beschluss-
empfehlung ersichtlichen Fassung des Änderungsantrags auf
Ausschussdrucksache 310 anzunehmen. Außerdem hat der
Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion
der FDP beschlossen, den Antrag auf Drucksache 14/8594
(neu) abzulehnen. Des Weiteren hat er mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS ge-
gen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung
der Fraktion der CDU/CSU beschlossen, den Antrag auf
Drucksache 14/9068 abzulehnen

II. Wesentlicher Inhalt der Anträge
Nach dem Antrag auf Drucksache 14/9033 soll sich der
Deutsche Bundestag dafür aussprechen, einen europäischen
Dialog über die Errichtung eines europäischen Zentrums
gegen Vertreibungen zu beginnen. Ein solches Zentrum soll
– als Dokumentations- und Begegnungszentrum mit For-
schungsstätte – die Vertreibungen im Europa des 20. Jahr-
hunderts in ihren verschiedenen Ursachen, Kontexten und
Folgen, darunter die Vertreibung der Deutschen, dokumen-
tieren.
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/8594 (neu) soll die
Bundesregierung u. a. aufgefordert werden, die konzep-
tionellen Vorraussetzungen, die zur Realisierung eines
Zentrums gegen Vertreibungen notwendig sind, auch im
Zusammenhang mit bestehenden Gedenkstätten besonders
in Berlin zu schaffen und für ein solches Zentrum ein geeig-
netes Gebäude als öffentlich zugänglichen Ort der For-
schung, Dokumentation und Ausstellung bereitzustellen.
Nach dem Antrag auf Drucksache 14/9068 soll sich der
Deutsche Bundestag für die Errichtung eines Zentrums ge-
gen Vertreibung, das sich als Dokumentations-, Forschungs-
und Begegnungsstätte sowie als Mahnmal versteht, ausspre-
chen. Dabei soll die Beteiligung europäischer Partner ange-
strebt werden. Der Deutsche Bundestag soll einen Grund-
stock der erforderlichen finanziellen Mittel für die Errich-
tung und die Grundausstattung des Zentrums bereitstellen.

III. Ausschussberatungen
Die Fraktion der SPD betonte, dass es neben der grund-
sätzlichen Übereinstimmung, dass ein Zentrum gegen Ver-
treibungen notwendig sei, in den drei vorliegenden Anträ-

gen auch Unterschiede gebe. Während die Fraktion der
CDU/CSU ein solches Zentrum eher als nationales Projekt
sehe, verstehe sie dies als eine europäische Aufgabe. Aus-
gangspunkt sei dabei, im europäischen Kontext einen Dia-
log über die Errichtung eines europäischen Zentrums gegen
Vertreibungen zu beginnen, für den es keine Vorgaben gebe.
Gestaltung und Ort seien deshalb im Antrag der Koalitions-
fraktionen auch offen geblieben. In den Dialog müssten ins-
besondere auch Partner aus anderen europäischen Ländern
mit Vertreibungserfahrungen einbezogen werden, da Ver-
treibung keine nationale Frage sei. Der Antrag sei aber so
formuliert, dass sich auch die deutschen Vertriebenen darin
wiedererkennen könnten. Ein ganz wesentlicher Aspekt
liege außerdem in der wissenschaftlichen Aufarbeitung, die
von einem Zentrum gegen Vertreibungen geleistet werden
sollte. Der Antrag der Koalitionsfraktionen sei sicherlich in
der Umsetzung nicht einfach, weil er eine europäische Di-
mension habe und die Einbeziehung europäischer Partner
vorsehe. Das Thema Vertreibungen dürfe aber nicht nur na-
tional betrachtet werden, sondern es erfordere eine europäi-
sche Antwort.
Die Fraktion der CDU/CSU stellte fest, dass es in den An-
trägen neben zahlreichen Übereinstimmungen auch unter-
schiedliche Akzente gebe. Vor diesem Hintergrund sei es
durchaus verständlich, dass mit Blick auf die vorliegenden
Anträge letztlich kein Kompromiss gefunden worden sei. In
der Frage der europäischen Orientierung gebe es keine
Meinungsverschiedenheiten. Auch für die Fraktion der
CDU/CSU gebe es keinen Zweifel an der Notwendigkeit,
dieses Zentrum europäisch anzulegen. Wichtig sei für die
Fraktion der CDU/CSU aber auch die Bezugnahme auf die
überparteiliche Initiative der gemeinnützigen Stiftung „Zen-
trum gegen Vertreibungen“, die auch den europäischen
Kontext betone. Zentrale Voraussetzung für die Arbeit des
Zentrums sei der Respekt gegenüber den Vertriebenen. Nur
so könne das Zentrum den Beitrag leisten, den es leisten
solle. Die Standortfrage sei zweitrangig, sie müsse aller-
dings in den Kontext der weiteren Planungen einbezogen
werden. Berlin sei in jedem Fall ein geeigneter Standort für
das Zentrum. Die Fraktion der CDU/CSU werde sich bei
der Abstimmung über die Anträge der Koalitionsfraktionen
und der Fraktion der FDP enthalten, um deutlich zu machen,
dass es im Kern des Anliegens keine Meinungsverschieden-
heiten gebe.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wies darauf
hin, dass der von den Koalitionsfraktionen zu ihrem eigenen
Antrag vorgelegte Änderungsantrag auf Ausschussdrucksa-
che 310 eine weitere Präzisierung des europäischen Charak-
ters enthalte. Danach sollten die europäischen Partner auch
in die Trägerschaft eines europäischen Zentrums gegen Ver-
treibungen einbezogen werden. Angesichts der aktuellen
Debatten in Polen und Tschechien sowie der dort bestehen-
den erheblichen Ängste stellte sich für die Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN die Frage, ob der Zeitpunkt für die
derzeitige Debatte über ein Zentrum gegen Vertreibungen
überhaupt geeignet sei. Die Debatte müsse in jedem Fall so
geführt werden, dass man im Ergebnis nicht Gefahr laufe,
nur Verbitterung zu erzeugen. Deshalb sei der Aspekt des
Dialogs von ganz entscheidender Bedeutung. Bei der Frage
des Ortes mache es einen erheblichen Unterschied, ob man
das Zentrum in Berlin oder anderswo ansiedeln wolle. Mit
Blick auf die Zukunft Europas müsse es ein europäischer

Drucksache 14/9661 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ort sein, zumal es Vertreibung in vielen europäischen Län-
dern gegeben habe. Mit der Wahl des Ortes dürfe nicht der
Eindruck erweckt werden, dass ein Land bzw. Ort mehr ge-
gen die übrigen Länder vorbringen könne als andere. Des-
halb sei die Offenheit in Bezug auf den Ort sehr wichtig.
Die Fraktion der FDP unterstrich, dass es ein europäisch
ausgerichtetes Zentrum gegen Vertreibungen geben sollte.
Zentraler Aspekt sei für sie, dass durch Vertreibungen das
Menschenrecht auf Heimat verletzt worden sei und immer
noch verletzt werde. Dieses Menschenrecht sei eine
Größenordnung, die nicht abhängig von nationalen Befind-
lichkeiten nach hinten oder nach vorne verschoben werden
dürfte. Wenn Einigkeit hinsichtlich dieser Menschenrechts-
verletzungen bestehe, müsse es auch möglich sein, diese
im Sinne einer konsistenten Menschenrechtspolitik als sol-
che zu bezeichnen, unabhängig davon, was in Polen oder
Tschechien dazu gesagt werde: Die Vertriebenen seien die
Opfer, nicht die Täter. Die Befindlichkeiten in Polen oder
Tschechien als Maßstab zu nehmen, sei falsch. Für die
Fraktion der FDP sei es auch wichtig, den Bund bei der
Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen in die
finanzielle Verantwortung zu nehmen. Da die Übereinstim-
mungen in den vorliegenden Anträgen überwiegen wür-

den, enthalte sich die Fraktion der FDP bei der Abstim-
mung über die Anträge der Koalitionsfraktionen und der
Fraktion der CDU/CSU.
Die Fraktion der PDS verwies zunächst darauf, dass aus
ihrer Sicht in den Anträgen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP nicht erkennbar sei, dass die Vertreibungen letzt-
lich auf die Niederlage der Deutschen zurückzuführen
seien. Vertreibung sei immer aus Deutschland von Deut-
schen und nicht von anderen Nationen verursacht worden.
Das deutsche Schicksal sollte nicht im Mittelpunkt stehen,
vielmehr müsse auch die Schuldfrage behandelt werden.
Die deutschen Erfahrungen dürften nicht der alleinige Aus-
gangspunkt für die weiteren Überlegungen sein. Das Zen-
trum gegen Vertreibungen müsse in erster Linie eine Mah-
nung gegen den Krieg sein. Das Zentrum müsse nicht nur
europäisch ausgerichtet sein, sondern auch Israel einbezie-
hen, da viele der aus Deutschland vertriebenen Menschen in
Israel lebten. Außerdem dürften die Wunden, die langsam
verheilten, nicht wieder aufgerissen werden. In Polen und
Tschechien stelle man sich die Frage, was Deutschland mit
einem Zentrum gegen Vertreibungen bezwecken wolle.
Deshalb müsse über ein solches Zentrum sehr behutsam
nachgedacht werden.

Berlin, den 2. Juli 2002

Eckhardt Barthel (Berlin)
Berichterstatter

Dr. Norbert Lammert
Berichterstatter

Dr. Antje Vollmer
Berichterstatterin

Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Berichterstatter

Dr. Heinrich Fink
Berichterstatter

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