BT-Drucksache 14/960

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs (SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P.) - Drsn. 14/533, 14/867 - Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Vom 4. Mai 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/960 vom 04.05.1999

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der
Fraktion der F.D.P. 14/533 14/867 Entwurf eines Gesetzes zur Reform
des Staatsangehörigkeitsrechts =

04.05.1999 - 960

14/960

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS
zur dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Abgeordneten Dr. Peter
Struck,
Otto Schily, Wilhelm Schmidt (Salzgitter) und weiterer Abgeordneter der
Fraktion der SPD, der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Rezzo
Schlauch, Kristin Heyne und weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Guido
Westerwelle, Jörg van Essen und weiterer Abgeordneter der Fraktion der
F.D.P.
- Drucksachen 14/533, 14/867 -
Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, daß sie bei der
Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts für diese Legislaturperiode
dieser Zielsetzung folgt:
1. Grundlage der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit muß die
Zeit des tatsächlichen Lebensmittelpunktes in Deutschland sein --
unabhängig vom Aufenthaltsstatus, den jemand hat. Die für den
Einbürgerungsantrag zu berücksichtigende Zeit sollte auf 5 Jahre
begrenzt werden.
2. Ein weiteres Recht muß die Erlangung der deutschen
Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland sein -- wiederum unabhängig
davon, welchen Aufenthaltsstatus die Eltern haben. Auch in diesem Fall
sollte die Zeit, in der ein Elternteil seinen Lebensmittelpunkt in
Deutschland hat, auf 5 Jahre begrenzt werden.
3. Generelle Hinnahme der mehrfachen Staatsangehörigkeit.
4. Ausländische Ehefrauen und Ehemänner von Deutschen sollen nach 2
Jahren ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten; bei psychischer
und körperlicher Gewalt durch den Ehemann oder die Ehefrau soll das
Recht auf Einbürgerung unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes
gewährt werden.
5. Der Anspruch auf Einbürgerung ist unabhängig vom sozialen Status
und wird nicht durch den Bezug von Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe
eingeschränkt. Deutschkenntnisse und eine Gesinnungsprüfung werden
nicht zur Einbürgerungshürde aufgebaut.
Bonn, den 29. April 1999
Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Begründung
Es ist grundsätzlich anzuerkennen, daß die Bundesrepublik Deutschland
ein Einwanderungsland ist. Bislang haben die hohen rechtlichen und
bürokratischen Hürden eine leichtere Einbürgerung einer großen Anzahl
von Migrantinnen und Migranten verhindert. Die Regierungskoalition
hatte sich nun in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, "die
Integration der auf Dauer bei uns lebenden Zuwanderer" zu fördern. Im
neuen Entwurf des Staatsangehörigkeitsrechts finden sich diese
Erleichterungen nicht wieder.
Sowohl die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch die Fraktion der SPD
haben in den zurückliegenden Jahren immer wieder die Erleichterung der
Einbürgerung gefordert. In einem Antrag für Mindestkriterien für eine
Reform des Staatsangehörigkeitsrechts hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN geschrieben:
"Der Rechtsanspruch auf Einbürgerung wird verbessert. (. . .) Das
Verfahren ist -- im Interesse eines ökonomischen Verwaltungsvollzugs
und der Transparenz für die Antragstellenden -- auf das zur
Aufgabenstellung Erforderliche zu begrenzen. Bestandteil einer
erleichterten Einbürgerung ist die vermehrte Hinnahme der doppelten
Staatsbürgerschaft. Auf das Kriterium der Aufgabe der bisherigen
Staatsangehörigkeit wird weitergehend verzichtet" (Drucksache 13/3657).
Auch die Fraktion der SPD forderte in einem Antrag bereits 1995: "Der
Fortbestand der anderen Staatsangehörigkeit stellt keinen
Hinderungsgrund dar." So kann es nach Meinung der Fraktion der SPD auch
kein Staat "auf Dauer hinnehmen, daß ein zahlenmäßig bedeutender Teil
der Bevölkerung über Generationen hinweg außerhalb der staatlichen
Gemeinschaft und außerhalb der Loyalitätspflichten ihm gegenüber
steht." Eine großzügige Regelung hinsichtlich der Mehrstaatigkeit
sollte "zugleich auch einer Harmonisierung innerhalb der europäischen
Länder, auf die das zusammenwachsende Europa einen Anspruch hat" dienen
(Drucksache 13/259).
Von diesen Prinzipien haben sich die Regierungsparteien weitgehend in
dem von ihnen vorgelegten Entwurf getrennt. Statt dessen setzen sie nun
gezielt darauf, durch Hindernisse die Einbürgerung zu erschweren.
Im vorliegenden Gesetzentwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht (Drucksache
14/533) wird offenbar mit Vorsatz ein System von Erschwernissen
eingebaut, das darauf abzielt, Einbürgerungen weiterhin zu behindern.
Mit Recht weist beispielsweise die "Türkische Gemeinde in Deutschland
e. V." immer wieder darauf hin, daß die Bundesregierung mit dem
vorgelegten Entwurf gerade die größte Gruppe der Migrantinnen und
Migranten in Deutschland gezielt an der Einbürgerung mit einer Vielzahl
von besonderen Regelungen hindern will. So wird z. B. die
Inlandsregelung in § 87 Abs. 2 auf EU-Bürgerinnen und -Bürger begrenzt.
Andere Regelungen wie die Erhöhung der Gebühren um das Fünffache und
Verschärfungen bei den Ansprüchen an die Deutschkenntnisse usw.
schaffen ein engmaschiges Netz, das dazu dient, Migrantinnen und
Migranten und Flüchtlinge aus dem Einbürgerungsverfahren
herauszuhalten.
Berücksichtigt man, daß hier beabsichtigt wird, Migrantinnen/Migranten-
Gruppen gezielt aus dem Einbürgerungsverfahren auszugrenzen, dann wird
hier wohl sehend und mit Bedacht eine Situation herbeigeführt, über die
die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 1995 noch schrieb: "Gelingt diese
Reform nicht, so vertieft sich der unbefriedigende Zustand, daß
Unionsbürger und Unionsbürgerinnen bereits nach kurzem Aufenthalt volle
Freizügigkeit und das kommunale Wahlrecht besitzen, während hier seit
Jahrzehnten und über mehrere Generationen lebende Einwanderer und
Einwanderinnen diese Rechte nicht ausüben können" (Drucksache 13/423).
Das trifft auch auf die Optionsstaatsbürgerschaft für Kinder zu. Es
fördert keineswegs die Integration, wenn Menschen damit rechnen müssen,
nach einer bestimmten Zeit auch gegen ihren Willen wieder ausgebürgert
zu werden. Ihnen wird damit lediglich vermittelt, daß sie doch nicht so
ganz richtig dazu gehören sollen. Die vor Jahren von der CDU/CSU
anvisierte Kinderstaatsbürgerschaft, die einem solchen Optionszwang
gleichkommt, kommentierte die Fraktion der SPD mit folgender
Einschätzung:
"Sie entsprechen weder den Bedürfnissen der betroffenen Menschen, noch
dienen sie dem staatlichen Interesse an einer vollständigen, d. h. auch
staatsangehörigkeitsrechtlichen Integration eines beträchtlichen
Anteils unserer Bevölkerung" (Drucksache 13/259).
Die einzige Möglichkeit, ein Auseinanderdriften einzelner
Gesellschaftsgruppierungen zu behindern und den inneren Frieden in der
Bundesrepublik Deutschland zu fördern, sieht die PDS in der rechtlichen
Gleichstellung der auf Dauer in Deutschland lebenden Menschen,
unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Wir wollen ein
Staatsangehörigkeitsrecht, das durch überschaubare, unkomplizierte und
großzügige Regelungen die Lebensrealität der Menschen anerkennt und
eine erleichterte Einbürgerung ermöglicht. Nach 40 Jahren Einwanderung
und Jahren der wachsenden Ausländerfeindlichkeit muß sich Deutschland
eindeutig zu allen hier lebenden Menschen bekennen und die rechtlichen
Grundlagen für ein gleichberechtigtes Miteinander schaffen.

04.05.1999 nnnn

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