BT-Drucksache 14/9561

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Ulf Fink, Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid), Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -14/8364- Entwurf eines Gesetzes zur Verstärkung der Personalausstattung in Pflegeheimen (Personalverstärkungsgesetz Pflege - PVG)

Vom 26. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9561
14. Wahlperiode 26. 06. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Ulf Fink, Wolfgang Lohmann
(Lüdenscheid), Maria Eichhorn, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/8364 –

Entwurf eines Gesetzes zur Verstärkung der Personalausstattung
in Pflegeheimen (Personalverstärkungsgesetz Pflege – PVG)

A. Problem
Die Leistungen der Pflegeversicherung im vollstationären Bereich sind seit ih-
rer Einführung im Jahr 1996 nicht erhöht worden. Im Zeitraum von 1996 bis
2001 sind die Verbraucherpreise aber um knapp 8 % und die Arbeitskosten um
knapp 10 % angestiegen. Durch diese Entwicklung besteht die Gefahr, dass
notwendige Personalmehrungen in den vollstationären Pflegeeinrichtungen un-
terbleiben oder sich der Personalbestand in den Heimen sogar verschlechtert.
Zudem zeichnet sich seit Jahren in den vollstationären Einrichtungen der Alten-
hilfe folgender Trend ab: Ein Pflegeplatz wird in vielen Fällen erst dann in An-
spruch genommen, wenn die Zunahme der Pflegebedürftigkeit die Angehöri-
gen überfordert. Dementsprechend werden in den Heimen mehr und mehr Pfle-
geplätze anstelle von Rüstigenplätzen benötigt. Viele Heimbewohnerinnen und
Heimbewohner sind multimorbid und leiden an Demenzerkrankungen. Die
hiermit einhergehende Be- und Überlastung der Pflegekräfte muss beseitigt und
dem drohenden weiteren Qualitätsverlust in der stationären Pflege vorgebeugt
werden. Es ist deshalb dringend erforderlich, die stationären Pflegeeinrichtun-
gen mit Personal in ausreichender Anzahl und mit den entsprechenden Qualifi-
kationen auszustatten. Gleichzeitig müssen Maßnahmen zur Qualitätssicherung
sowie zur wirtschaftlichen Leistungserbringung in stationären Pflegeeinrich-
tungen ergriffen werden. Deshalb ist eine Verbesserung der Leistungen der
Pflegeversicherung im stationären Bereich unverzüglich vorzunehmen.

B. Lösung
Die Pflegeversicherung kann wegen ihres Teilsicherungscharakters nur einen
Teil der Kostensteigerungen auffangen, welche durch die notwendigen Perso-
nalmehrungen in den Heimen verursacht werden. Der Gesetzentwurf knüpft
deshalb bei der Bemessung der Leistungen der Pflegeversicherung an den er-
höhten Pflegeaufwand von Pflegebedürftigen der Pflegestufen II und III (ein-
schließlich Härtefälle) in vollstationären Pflegeeinrichtungen an.

Drucksache 14/9561 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ab 1. Juli 2002 bis einschließlich 2004 zahlt die Pflegekasse an die Pflege-
heime je Pflegebedürftigen der Pflegestufen II und III monatlich einen Betrag
von 102 Euro und für jeden Pflegebedürftigen, der als Härtefall anerkannt ist,
einen Betrag von 204 Euro. Dies entspricht – auf alle vollstationär Pflegebe-
dürftigen umgerechnet – einer Erhöhung der Leistungen der Pflegeversiche-
rung um gut 5 %. Bis zum 31. Dezember 2004 prüfen der Deutsche Bundestag
und Bundesrat, ob die erhöhten Leistungen der Pflegeversicherung weiterhin
und ggf. dauerhaft notwendig sind.
Die weiteren Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs betreffen
l die Zulassung von sog. situativen Pflegeplätzen in vollstationären Einrich-

tungen für ältere Menschen,
l die Abschaffung des Zustimmungsverfahrens bei den gesondert berechenba-

ren Investitionsaufwendungen zu Gunsten einer Vereinbarungslösung,
l die Schaffung der Möglichkeit, eine eigene Pflegeklasse für Härtefälle zu

vereinbaren,
l die Festlegung des zeitlichen Rahmens für die Rückwirkung von Schieds-

stellensprüchen, in denen Pflegesätze festgesetzt werden,
l die Errichtung einer Schiedsstelle für den Bereich der häuslichen Kranken-

pflege.
Ablehnung des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der PDS

C. Alternativen
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/8364.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Durch die Möglichkeit der Vereinbarung einer eigenen Pflegeklasse für die als
Härtefälle anerkannten Pflegebedürftigen kann es zu gewissen, derzeit nicht
quantifizierbaren Mehrbelastungen für die zuständigen Sozialhilfeträger kom-
men.

E. Sonstige Kosten
Unmittelbare Auswirkungen auf die private Wirtschaft entstehen durch den Ge-
setzentwurf nicht.
Die vorgesehenen Mehrausgaben der Pflegekassen aufgrund der Änderung des
§ 43 SGB XI sind – für einen Zeitraum von drei Jahren – mit jährlich 394 Mio.
Euro zu beziffern. Bei den privaten Krankenversicherungsunternehmen werden
die Mehrausgaben voraussichtlich 30 Mio. Euro pro Jahr betragen.
Gemessen am Gesamtvolumen der Leistungsausgaben der sozialen Pflegever-
sicherung im Jahr 2000 in Höhe von rd. 31 Mrd. DM und Aufwendungen der
privaten Pflegeversicherung von rd. 6 Mrd. DM sind die Mehrausgaben von so
geringer Bedeutung, dass mittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaft nicht zu
erwarten sind.
Soweit die Einnahmen der Pflegeversicherung nicht ausreichen, die Mehraus-
gaben zu decken, kann für den vorgesehenen Zeitraum von 2,5 Jahren auf die
Rücklagen der Pflegeversicherung zurückgegriffen werden. Vor diesem Hinter-
grund ist weder mit einer Auswirkung auf den Beitragssatz der Pflegeversiche-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9561

rung noch mit Auswirkungen auf Einzelpreise sowie das Preisniveau, insbeson-
dere das Verbraucherpreisniveau, zu rechnen.
Im Hinblick auf die Errichtung einer Schiedsstelle im Bereich der häuslichen
Krankenpflege ist eine Ermächtigung für die Landesregierungen – entspre-
chend der Regelung zur Schiedsstelle nach § 76 SGB XI – zum Erlass einer
Rechtsverordnung vorgesehen, in der die Erhebung von Gebühren und die Ver-
teilung der Kosten geregelt werden. Es bietet sich an, dass sich die Schieds-
stelle zum Teil über Verfahrensgebühren und Auslagen finanziert, die der unter-
legene Teil trägt, und die restlichen Kosten die Krankenkassen und Leistungs-
erbringer jeweils zur Hälfte zu tragen haben.

Drucksache 14/9561 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/8364 abzulehnen.

Berlin, den 26. Juni 2002

Der Ausschuss für Gesundheit
Klaus Kirschner
Vorsitzender

Monika Knoche
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9561

Bericht der Abgeordneten Monika Knoche

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 14/8364 in seiner 230. Sitzung am 18. April 2002 in
erster Lesung beraten und dem Ausschuss für Gesundheit
zur federführenden Beratung sowie dem Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie und dem Ausschuss für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwie-
sen.

II. Inhalt des Gesetzentwurfs auf Drucksache
14/8364

Die Leistungen der Pflegeversicherung im vollstationären
Bereich sind seit ihrer Einführung im Jahr 1996 nicht erhöht
worden. Im Zeitraum von 1996 bis 2001 sind die Verbrau-
cherpreise aber um knapp 8 % und die Arbeitskosten um
knapp 10 % angestiegen. Dadurch besteht die Gefahr, dass
notwendige Personalmehrungen in den vollstationären Pfle-
geeinrichtungen unterbleiben oder sich der Personalbestand
in den Heimen sogar verschlechtert. Zugleich werden in den
Heimen mehr und mehr Pflegeplätze anstelle von Rüstigen-
plätzen benötigt. Die hiermit einhergehende Be- und Über-
lastung der Pflegekräfte muss beseitigt und dem drohenden
weiteren Qualitätsverlust in der stationären Pflege vorge-
beugt werden. Deshalb ist eine Verbesserung der Leistungen
der Pflegeversicherung im stationären Bereich unverzüglich
vorzunehmen.
Der Gesetzentwurf knüpft bei der Bemessung der Leistun-
gen der Pflegeversicherung an den erhöhten Pflegeaufwand
von Pflegebedürftigen der Pflegestufen II und III (ein-
schließlich Härtefälle) in vollstationären Pflegeeinrichtun-
gen an. Ab 1. Juli 2002 bis einschließlich 2004 zahlt die
Pflegekasse an die Pflegeheime je Pflegebedürftigen der
Pflegestufen II und III monatlich einen Betrag von 102 Euro
und für jeden Pflegebedürftigen, der als Härtefall anerkannt
ist, einen Betrag von 204 Euro. Dies entspricht einer Erhö-
hung der Leistungen der Pflegeversicherung um gut 5 %.
Bis zum 31. Dezember 2004 prüfen der Deutsche Bundes-
tag und Bundesrat, ob die erhöhten Leistungen der Pflege-
versicherung weiterhin und ggf. dauerhaft notwendig sind.
Die weiteren Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs be-
treffen
l die Zulassung von sog. situativen Pflegeplätzen in voll-stationären Einrichtungen für ältere Menschen,
l die Abschaffung des Zustimmungsverfahrens bei dengesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen zuGunsten einer Vereinbarungslösung,
l die Schaffung der Möglichkeit, eine eigene Pflegeklassefür Härtefälle zu vereinbaren,
l die Festlegung des zeitlichen Rahmens für die Rückwir-kung von Schiedsstellensprüchen, in denen Pflegesätzefestgesetzt werden,
l die Errichtung einer Schiedsstelle für den Bereich derhäuslichen Krankenpflege.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Gesetzentwurf auf Drucksache 14/8364 in seiner 83. Sit-
zung am 12. Juni 2002 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der PDS die Ablehnung empfohlen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hat den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/8364 in
seiner 94. Sitzung am 12. Juni 2002 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU
bei Stimmenthaltung der Fraktionen der FDP und PDS die
Ablehnung empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
Ausschuss für Gesundheit

Der federführende Ausschuss für Gesundheit hat die Bera-
tung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/8364 in seiner
139. Sitzung am 24. April 2002 aufgenommen und be-
schlossen, eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen
durchzuführen. Die Anhörung fand in der 142. Sitzung am
15. Mai 2002 statt.
Als Verbände waren hierzu der AOK-Bundesverband, der
Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK), der Ver-
band der Angestellten-Krankenkassen e. V./Arbeiter-Ersatz-
kassen-Verband e. V. (VdAK/AEV), der Bundesverband der
Innungskrankenkassen (IKK), die See-Krankenkasse, die
Bundesknappschaft, der Bundesverband der landwirtschaft-
lichen Krankenkassen, der Medizinische Dienst der Spit-
zenverbände der Krankenkassen e. V. (MDS), die Bundes-
vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA),
der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Kassenärztli-
che Bundesvereinigung (KBV), der Arbeitgeber- und Be-
rufsverband Privater Pflege e. V., der Arbeiterwohlfahrt-
Bundesverband e. V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der
Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), die Bundesarbeitsge-
meinschaft Hilfe für Behinderte e. V. (BAGH), die Bundes-
arbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozial-
hilfe, der Bundesverband Ambulante Dienste e. V., der Bun-
desverband privater Alten- und Pflegeheime und ambulan-
ter Dienste e. V., die Bundesvereinigung der Kommunalen
Spitzenverbände, die Bundesvereinigung Lebenshilfe für
Menschen mit geistiger Behinderung e. V., die Deutsche
Alzheimer Gesellschaft e. V., der Deutsche Behindertenrat,
der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e. V., der
Deutsche Caritasverband e. V., der Deutsche Paritätische
Wohlfahrtsverband e. V. (DPWV), der Deutsche Pflegerat,
das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das Diakonische Werk der
Evangelischen Kirche in Deutschland e. V., das Forum zur
Verbesserung der Situation pflegebedürftiger Menschen in
Deutschland, das Forum selbstbestimmter Assistenz behin-
derter Menschen e. V., der Sozialverband Deutschland e. V.,
der Sozialverband VdK Deutschland e. V., der Verband der
privaten Krankenversicherung e. V. und der Verband Deut-

Drucksache 14/9561 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

scher Alten- und Behindertenhilfe eingeladen, als Einzel-
sachverständige Prof. Dr. rer. med. Klaus Priester, Prof. Dr.
Günter Neubauer, Dipl.-Pflegepädagoge Maik H.-J. Winter,
Prof. Dr. Andreas Kruse, Dr. Willi Rückert und Carlo Götz.
Auf das Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung und die
als Ausschussdrucksachen verteilten schriftlichen Stellung-
nahmen der Sachverständigen wird Bezug genommen.
In seiner 147. Sitzung am 12. Juni 2002 hat der Ausschuss
für Gesundheit die Beratung über den Gesetzentwurf auf
Drucksache 14/8364 fortgesetzt und abgeschlossen.
Die Mitglieder der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN betonten, dass die Regierungskoalition in
dieser Legislaturperiode viel für die Pflege getan habe. Vier
Gesetzesvorhaben – das 4. SGB XI-Änderungsgesetz, das
Pflege-Qualitätssicherungsgesetz, das Heimgesetz und das
Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz – seien angestoßen und
zum Abschluss gebracht worden. Dabei werde vor allem
das Pflege-Qualitätssicherungsgesetz, das verstärkte Kon-
trollen und die Einführung eines Qualitätsmanagements in
den Heimen und den Pflegediensten durchsetze, einen
Qualitätsschub auslösen.
Dies gelte nicht nur wegen der Verpflichtung zur Einführung
des einrichtungsinternen Qualitätsmanagements und der
Pflicht zur regelmäßigen Vorlage von Leistungs- und Quali-
tätsnachweisen durch unabhängige Sachverständige oder
Prüfstellen. Das Pflege-Qualitätssicherungsgesetz stelle mit
den landesweit zu vereinbarenden Verfahren zur Ermittlung
des Personalbedarfs oder zur Bemessung der Pflegezeiten,
den landesweit zu vereinbarenden Personalrichtwerten so-
wie den heimindividuell abzuschließenden Leistungs- und
Qualitätsvereinbarungen darüber hinaus geeignete Instru-
mentarien für eine ausreichende Personalausstattung zur
Verfügung. Es gelte, diese neuen Vertragsinstrumente auch
zu nutzen, um die jeweils erforderliche Personalausstattung
bereitzustellen. Überdies knüpfe das Heimgesetz den
Betrieb eines Heimes an die Voraussetzung, dass der Träger
sicherstellt, dass die Zahl der Beschäftigten sowie ihre per-
sönliche und fachlich Eignung für die von ihnen zu leistende
Tätigkeit ausreichen.
Im Übrigen sei es nicht allein Sache der Politik, sich dafür
einzusetzen, dass Pflegepersonal in ausreichender Zahl zur
Verfügung steht. Auch die Träger von Heimen und Pflege-
stationen müssten ihren Teil dazu beitragen, den Pflegebe-
ruf attraktiver zu machen und junge Menschen für diesen
Beruf zu gewinnen sowie an ihn zu binden. Die Koalition
habe dies von politischer Seite her durch eine entsprechende
Verbesserung der Rahmenbedingungen unterstützt und
werde sich auch weiterhin den großen Herausforderungen,
die auf diesem Gebiet auf die Gesellschaft und den Staat zu-
kämen, stellen. Weitere Anregungen für künftige Maßnah-
men erhoffe sie sich auch von dem Bundespflegeausschuss
zur Fortentwicklung der Pflegeversicherung, der u. a. die
Themen „Personalausstattung“ und „Qualität in der Pflege“
auf der Tagesordnung habe, sowie von den Initiativen aller,
die am Pflegegeschehen beteiligt seien.
Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU bezeichneten
die in ihrem Gesetzentwurf vorgesehene Erhöhung der Leis-
tungen der Pflegeversicherung um etwa 5 % als zwingend,
weil sich seit Einführung der Pflegeversicherung die Preise
und Lohnkosten erhöht hätten und in fast allen Feldern Kos-

tensteigerungen festzustellen seien. Die Leistungen der
Pflegeversicherung hingegen seien seit Mitte der 90er-Jahre
weder angepasst worden noch habe es wenigstens einen
Inflationsausgleich gegeben. Um eine Auswirkung auf die
Beitragssätze auszuschließen – was der Union sehr wichtig
sei –, sei die Erhöhung auf den Zeitraum von zweieinhalb
Jahren begrenzt worden.
Die Pflegeversicherung sei gegen zumTeil erheblicheWider-
stände eingeführt worden, weil man es seinerzeit in Überein-
stimmung mit der jetzigen Koalition für einen unwürdigen
Zustand hielt, dass Menschen, die pflegebedürftig würden,
häufig auf das Sozialamt angewiesen seien, um die Kosten
des Pflegeheims zu decken. Die SPD-geführte Regierung sei
mit dem Anspruch angetreten, mehr soziale Gerechtigkeit zu
schaffen. Realiter jedoch sei die Zahl derjenigen, die wegen
Pflegebedürftigkeit wieder auf ergänzende Hilfen des So-
zialamtes angewiesen seien, seit 1999 ständig – auf mittler-
weile schon wieder mehr als 300 000 Menschen – gestiegen.
Hinzu komme, dass viele Heime – weil sie oftmals nicht in
der Lage gewesen seien, die Leistungen den gestiegenen
Kosten anzupassen – bei der Personalausstattung sparen
mussten, so dass diese mittlerweile um fast 20 % unter dem
liege, was eigentlich notwendig wäre. Deshalb schlage die
Union zur Sicherstellung einer ordentlichen Versorgung die
in dem Gesetzentwurf verankerte Sofortmaßnahme vor, mit-
tels derer zumindest die dringendsten Missstände in der
finanziellen Ausstattung der Heime gelindert werden könn-
ten.
Die Mitglieder der Fraktion der FDP sahen einen Wider-
spruch darin, dass die Union noch vor kurzem die „Ver-
schiebebahnhöfe“ hinsichtlich der sozialen Sicherungs-
zweige vehement kritisiert habe, mit ihrem Gesetzentwurf
nunmehr aber die GKV verpflichten wolle, bereits ab dem
1. Juli 2002 die Kosten für die medizinische Behandlungs-
pflege zu übernehmen. Aus ihrer Sicht wäre es sachgerech-
ter, die Behandlungspflege auf Dauer bei der Pflegeversi-
cherung zu belassen, da Pflege und Behandlungspflege in
den Heimen stark ineinander übergingen. Der Gesetzent-
wurf der Fraktion der CDU/CSU würde eine künstliche
Schnittstelle schaffen, die zu Problemen zwischen GKV
und gesetzlicher Pflegeversicherung und damit zu Versor-
gungsproblemen führen könne.
Wenn die Pflegekassen verpflichtet würden, bis Ende des
Jahres 2004 je Pflegebedürftigem der Stufen II und III
102 Euro monatlich an die jeweilige Pflegeeinrichtung zu
zahlen, und – unter Finanzierung der Mehrkosten aus den
Rückstellungen – zusätzliches Personal eingestellt werden
solle, halte die Fraktion der FDP dies angesichts der großen
Probleme, die aufgrund des demografischen Wandels auf
die Pflegeversicherung zukämen, für nicht verantwortbar.
Reserven bei gesetzlichen Sicherungssystemen, auf die der
Gesetzgeber Zugriff habe, seien vor Übergriffen nicht ge-
schützt. Wenn zusätzliche Vorsorge getroffen werde, dann
müsse dies in Form einer privaten Absicherung als ergän-
zender Säule zur Pflegeversicherung geschehen.
Die Mitglieder der Fraktion der PDS meinten, im Prinzip
könne niemand etwas dagegen einzuwenden haben, wenn
die Union vorschlage, den Heimen bzw. Einrichtungen
mehr Geld zu geben, um Personal einzustellen; nötig sei
dies allemal. Allerdings müsse man der Union den Vorwurf
machen, dass sie die Pflegeversicherung seinerzeit mit ei-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9561

nem Geburtsfehler zur Welt gebracht habe, indem sie keinen
Dynamisierungsfaktor vorgesehen habe, geschweige denn
dazu bereit sei, das Dogma der Beitragssatzstabilität auch
nur anzutasten. Stattdessen wolle sie die zurzeit noch vor-
handenen geringen Überschüsse aufbrauchen, um eine
zweijährige Übergangslösung zu finanzieren und danach zu
sehen, wie es weitergehen solle. Dies halte die Fraktion der
PDS nicht für ausreichend. Sie sei davon überzeugt, dass –
unter Infragestellung des Dogmas der Beitragssatzstabilität
– eine zukunftsfähige Dauerlösung gefunden werden müsse,
die mehr Personal in die Einrichtungen bringe und eine
hohe Versorgungsqualität gewährleiste.
Als Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss für Ge-
sundheit mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der
PDS beschlossen, dem Deutschen Bundestag die Ableh-
nung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/8364 zu emp-
fehlen.

Berlin, den 26. Juni 2002

Monika Knoche
Berichterstatterin

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