BT-Drucksache 14/9526

Vorwürfe und bisherige Erfahrungen im Zusammenhang mit dem deutsch-vietnamesischen Rückübernahmeabkommen

Vom 24. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9526
14. Wahlperiode 24. 06. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Vorwürfe und bisherige Erfahrungen im Zusammenhang mit dem
deutsch-vietnamesischen Rückübernahmeabkommen

Im Zusammenhang mit dem am 21. September 1995 in Kraft getretenen
deutsch-vietnamesischen Rückübernahmeabkommen häufen sich Beschwerden
und öffentliche Kritiken. So berichtete „die tageszeitung“ am 11. Mai 2002 un-
ter der Überschrift „Der Geheimdienst Vietnams fragt mit“, in mehreren Bun-
desländern seien abgelehnte vietnamesische Asylbewerber gezwungen worden,
„sich durch Hanoier Sicherheitsbeamte ausspionieren zu lassen. Eigentlich soll-
ten die Interviews durch vietnamesische Beamte nur dazu dienen, die Identität
der Abschiebekandidaten zweifelsfrei festzustellen. Doch tatsächlich seien die
Asylbewerber auch nach ihrem politischen Engagement in Deutschland gefragt
worden sowie nach Aktivitäten ihrer Verwandten in Vietnam und in Drittstaa-
ten.“ Die Zeitung beruft sich dabei auf Angaben des Asienreferenten der „Inter-
nationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM). Die Beamten aus Viet-
nam hätten auch mitgeteilt, dass ihnen die Asylakten der Abschiebekandidaten
genau bekannt seien.
Das Referat der Beauftragten der Bundesregierung für Ausländerfragen wolle
die Vorwürfe prüfen. Wenn Geheimdienstler tatsächlich anwesend gewesen
seien, könne das einen Nachfluchtgrund und Asylfolgeantrag begründen.
Ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums soll nach diesem Be-
richt erklärt haben, die Vorwürfe der IGFM seien bekannt, bisher habe sich aber
keiner der Abschiebekandidaten persönlich beschwert. Erst dann bestehe für
seine Behörde Anlass, solchen Vorwürfen nachzugehen.
Da das Rückübernahmeabkommen durch die Bundesregierung abgeschlossen
wurde und die Bundesregierung auch die Verhandlungen mit der vietnamesi-
schen Seite über die Entsendung vietnamesischer Beamter zu solchen Identi-
tätsfeststellungen geführt hat, ist die Bundesregierung verpflichtet, solchen in
der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfen nachzugehen.
In dem gleichen Zeitungsbericht wird darauf hingewiesen, dass die vietnamesi-
schen Behörden bei ca. 9 000 Personen, die die Bundesregierung bzw. die Län-
der zurückschieben wollen, die Aufnahme entweder abgelehnt hat oder die An-
träge noch nicht beschieden hat. Rückkehrer würden oft schikaniert, indem
ihnen zum Beispiel Familienregistrierkarten noch Monate nach ihrer Rückkehr
verweigert würden. Ohne solche Karten könnten sie in Vietnam weder arbeiten
noch umziehen noch ihre Kinder in die Schule schicken.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Personen sind im Zuge des Rückübernahmeabkommens bisher

nach Vietnam zurückgekehrt (bitte jährliche Angaben seit 1995)?

Drucksache 14/9526 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
2. Wie viele Anträge auf Rückübernahme wurden bisher von deutscher Seite
gestellt (bitte jährliche Angaben seit 1995)?

3. Wie viele dieser Anträge sind von vietnamesischer Seite bisher positiv be-
schieden worden (bitte jährliche Angaben seit 1995)?

4. Wie viele dieser Anträge sind von vietnamesischer Seite bisher negativ be-
schieden worden und worin liegen nach Erkenntnissen der Bundesregie-
rung die wesentlichen Gründe solcher Ablehnungen?

5. Wie verfahren die Bundesländer nach Kenntnis der Bundesregierung mit
Personen, deren Rücknahme von vietnamesischer Seite abgelehnt wurde?

6. Hat die Bundesregierung die Einhaltung der in dem Abkommen von viet-
namesischer Seite übernommenen Verpflichtung, rückkehrende Personen
nicht wegen eventueller „illegaler Ausreise“ oder unter anderen, ver-
gleichsweisen Vorwürfen zu schikanieren oder zu verfolgen, überprüft?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

7. Hat die Bundesregierung die Vorwürfe der IGFM zum Anlass genommen,
um den Ablauf der bisherigen Gespräche zu überprüfen?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Wenn nein, warum nicht?

8. Waren an der Vorbereitung und Durchführung der bisherigen Gespräche
zwischen Abschiebekandidaten und vietnamesischen Beamten Beamte des
Bundes (z. B. des Bundesgrenzschutzes) beteiligt?
Wenn ja, bei welchen dieser Gespräche und in welcher Form?
Wenn nein, welche anderen Stellen haben dann von deutscher Seite diese
Gespräche vietnamesischer Beamter mit Abschiebekandidaten vorbereitet
und begleitet?

9. Wenn deutsche Beamte beteiligt waren, haben diese Beamte kontrolliert
und dafür Sorge getragen, dass keine vietnamesischen Geheimdienstbeam-
ten anwesend waren?

10. Waren Dolmetscher bei diesen Gesprächen anwesend und haben diese die
Gespräche kontrolliert und auch für andere anwesende deutsche Beamte
übersetzt?
Wenn ja, von welcher Stelle wurden diese Dolmetscher ausgewählt?
Waren unter diesen Dolmetschern auch Beamte des Bundes, z. B. des Bun-
desgrenzschutzes oder einer anderen Behörde des Bundes?

11. Wenn solche Kontrollen bisher nicht stattgefunden haben, wird die Bundes-
regierung dafür Sorge tragen, dass bei diesen Gesprächen in Zukunft solche
Kontrollen stattfinden?
Wenn ja, in welcher Weise?
Wenn nein, warum nicht?

12. Welche weiteren Anhörungen bzw. Gespräche vietnamesischer Beamter
mit Abschiebekandidaten sind nach Kenntnis der Bundesregierung in der
nächsten Zeit geplant (bitte die Bundesländer und den Termin dieser Anhö-
rungen einzeln angeben)?

Berlin, den 20. Juni 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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