BT-Drucksache 14/9417

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Ulrich von Weizäcker, Ulrike Mehl, Ulla Burchhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Winfried Hermann, Hans-Josef Fell und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/9052- Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002: Der nachhaltigen Entwicklung zum Durchbruch verhelfen

Vom 12. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9417
14. Wahlperiode 12. 06. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ulrike Mehl,
Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Reinhard Loske, Winfried Hermann, Hans-Josef Fell
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/9052 –

Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002:
Der nachhaltigen Entwicklung zum Durchbruch verhelfen

A. Problem
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung u.a. aufgefordert werden, im Vorfeld
der Konferenz von Johannesburg eine Reihe von im Einzelnen benannten Maß-
nahmen durchzuführen (darunter: Formulierung weiterer nationaler Klima-
schutzziele) sowie sich auf der Konferenz in Johannesburg für eine Beschluss-
fassung in bestimmte Zielrichtungen (darunter: zügige Aufwertung der für Um-
welt und nachhaltige Entwicklung zuständigen Gremien der Vereinten Natio-
nen) einzusetzen.

B. Lösung
Der Ausschuss ist mehrheitlich der Auffassung, die im Antrag genannten Maß-
nahmen und Zielvorstellungen seien präziser und weitergehender als die Forde-
rungen, die im Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/9025 (zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung überwiesen) gestellt worden seien. Zudem weise man die dort
geübte Kritik an der Bundesregierung zurück.
Annahme des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, FDP und PDS

C. Alternativen
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/9052.

Drucksache 14/9417 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

D. Kosten
Die im Zusammenhang mit den geforderten Maßnahmen entstehenden Kosten
sind Gegenstand der politischen Diskussion (siehe Bericht).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9417

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 14/9052 anzunehmen.

Berlin, den 5. Juni 2002

Christoph Matschie
Vorsitzender

Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Berichterstatter

Dr. Paul Laufs
Berichterstatter

Dr. Reinhard Loske
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Drucksache 14/9417 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Dr. Paul Laufs,
Dr. Reinhard Loske, Birgit Homburger und Eva Bulling-Schröter

I.
Der Antrag auf Drucksache 14/9052 wurde in der
236. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Mai 2002
zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an
den Auswärtigen Ausschuss, den Finanzausschuss, den
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-
schaft, den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen, den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung und den Ausschuss für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung überwiesen.
Die mitberatenden Ausschüsse haben jeweils mehrheitlich
empfohlen, dem Antrag zuzustimmen. In den verschiedenen
Ausschüssen haben die Fraktionen wie folgt votiert:

Legende: + = Ja; – = Nein; 0 = Stimmenthaltung;
/ = Abwesenheit

II.
Der Antrag auf Drucksache 14/9052 zieht in seinem Fest-
stellungsteil zunächst ein Resümee über zehn Jahre Weltin-
nenpolitik seit der Konferenz der Vereinten Nationen für
Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro. Trotz po-
sitiver Entwicklungen in einigen Bereichen wird die Bilanz
als nicht zufriedenstellend bezeichnet.
Nach einer positiven Würdigung verschiedener Maßnah-
men der Bundesregierung im zweiten Teil des Antrages –
ergänzt durch den Hinweis auf die Notwendigkeit der viel-
fältigen Aktivitäten auf lokaler und regionaler Ebene für
eine nachhaltige Entwicklung sowie die zunehmende Be-
reitschaft der deutschen Wirtschaft, die nachhaltige Ent-
wicklung zum Leitprinzip der Unternehmensführung zu
machen – fordert der Antrag in seinem dritten Teil u. a. von
der Bundesregierung, im Vorfeld der Konferenz von Johan-
nesburg im Rahmen der finanzpolitischen Leitlinien eine
Reihe von näher bezeichneten Maßnahmen einzuleiten, um-
zusetzen und zu fördern. Dazu gehören u. a. die breite
Veröffentlichung und Debatte der nationalen Nachhal-
tigkeitsstrategie, die Formulierung weiterer nationaler
Klimaschutzziele sowie die konsequente Verankerung des
Vorsorgeprinzips, der Gefährdungshaftung und der Ver-
sicherungspflicht für ökologische Risiken in internationalen
Rechtsinstrumenten.
In Teil III wird die Bundesregierung schließlich weiter auf-
gefordert, auf der Konferenz in Johannesburg auf eine Be-
schlussfassung in bestimmte Zielrichtungen hinzuwirken.
Dazu gehören u. a. die zügige Aufwertung der für Umwelt
und nachhaltige Entwicklung zuständigen Gremien der Ver-
einten Nationen, die Entwicklung neuer Finanzinstrumente
zur Lösung internationaler Umwelt- und Entwicklungspro-
bleme (darunter: Prüfung der Einführung einer Devisenum-
satzsteuer), die Entwicklung einer globalen Energiestrategie
zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie sowie
der Förderung und Stärkung erneuerbarer Energien, die
Aufwertung der 1992 in Rio geforderten Walderklärung zu
einem Waldprotokoll zur Biodiversitätskonvention und die
Verstärkung der Anstrengungen bei der Sicherung der
Grundversorgung der Menschheit und hier insbesondere der
ärmsten Teile der Weltbevölkerung mit Wasser.

Auswärtiger Ausschuss SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR.: +
FDP: –
PDS: –

Finanzausschuss SPD: +
CDU/CSU: 0
BÜ90/GR.: +
FDP: –
PDS: –

Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft

SPD: +
CDU/CSU: 0
BÜ90/GR.: +
FDP: –
PDS: –

Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen

SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR.: +
FDP: –
PDS: /

Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung

SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR.: +
FDP: –
PDS: –

Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung

SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR.: +
FDP: –
PDS: 0

Haushaltsausschuss – gutachtlich SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR.: +
FDP: –
PDS: 0

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9417

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Antrag auf Drucksache 14/9052 in seiner
Sitzung am 5. Juni 2002 zusammen mit dem Antrag auf
Drucksache 14/9025, der dem Ausschuss für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung zur federführenden Be-
ratung überwiesen worden war, beraten.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde ausgeführt, der An-
trag auf Drucksache 14/9052 habe eine nationale und eine
internationale Dimension. Da man der nationalen Dimen-
sion der nachhaltigen Entwicklung einen eigenen Antrag
auf Drucksache 14/9056 gewidmet habe, stehe im Antrag
auf Drucksache 14/9052 insbesondere die internationale Di-
mension einer nachhaltigen Entwicklung im Mittelpunkt. In
seinem Feststellungsteil werde die Konferenz der Vereinten
Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de
Janeiro als wichtiger Meilenstein in dieser Entwicklung ge-
würdigt, jedoch auch darauf hingewiesen, dass in der Zwi-
schenzeit die Entwicklung alles andere als zufriedenstellend
verlaufen sei. Der Antrag führe hierzu eine Reihe von Fak-
ten auf.
Wenn nun im August/September 2002 die Völkergemein-
schaft zum Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Jo-
hannesburg zusammenkomme, werde der Süden kaum be-
reit sein, sich den vor allem aus dem Norden kommenden
ökologischen Wünschen weiter zu öffnen, da das Kopp-
lungsgeschäft von Rio de Janeiro – Umweltverträge einer-
seits und Erhöhung der Entwicklungshilfe insbesondere im
Kontext der Agenda 21 andererseits – seitens des Nordens
gebrochen worden sei. Die offizielle Entwicklungshilfe
habe sich seit 1992 weltweit praktisch halbiert. Dies habe
mit der nationalen Entwicklung praktisch nichts zu tun. Erst
im letzten Jahr habe es in Deutschland wieder eine kleine
Verbesserung gegeben, in anderen Ländern aber dafür über-
kompensierend eine Verschlechterung.
Der Antrag auf Drucksache 14/9052 enthalte weiter eine
Reihe von konkreten Vorschlägen an die Bundesregierung.
Beispielsweise solle die deutsche Außenwirtschaftsförde-
rung nach ökologischen Kriterien modernisiert und insbe-
sondere auf zukunftsfähige Technologien ausgerichtet wer-
den. Weiter dringe man auf die Ratifizierung des Cartagena-
Protokolls über die biologische Sicherheit und der Århus-
Konvention (UN-ECE-Übereinkommen über den Zugang
zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Ent-
scheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Um-
weltangelegenheiten). Für besonders wichtig halte man fer-
ner eine institutionelle Aufwertung des Themas Umwelt im
System der Vereinten Nationen sowie die Entwicklung
neuer Finanzinstrumente, wobei auch die Einführung einer
Devisenumsatzsteuer auf der Ebene der EU und im Kontext
der Weltwirtschaft geprüft werden solle. Schließlich ent-
halte der Antrag auch noch Forderungen nach der Entwick-
lung einer globalen Energiestrategie zur sparsamen und effi-
zienten Nutzung von Energie sowie der Förderung und Stär-
kung erneuerbarer Energien, die Aufwertung der 1992 in
Rio geforderten Walderklärung zu einem Waldprotokoll zur
Biodiversitätskonvention und die Verstärkung der Anstren-
gungen bei der Sicherung der Grundversorgung der
Menschheit, insbesondere von Wasser für die ärmsten Teile
der Weltbevölkerung.

Was den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
14/9025 anbelange, so könne man der auf den ersten beiden
Seiten getroffenen Feststellung durchaus zustimmen, dass
die während der UN-Konferenz für Umwelt und Entwick-
lung in Rio de Janeiro 1992 amtierende Bundesregierung
dort eine sehr positive Rolle gespielt habe. Gerade der da-
malige Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit Klaus Töpfer habe sich sehr intensiv für
das Gelingen dieser Konferenz eingesetzt. Allerdings sei er
– nicht zuletzt auf Drängen der deutschen Wirtschaft – we-
nig später aus seinem Amt entfernt worden. Der Antrag der
Fraktion der CDU/CSU konstatiere auf Seite 2, dass im
Rahmen der Globalisierung Wirtschaftsunternehmen eine
immense nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische
Machtstellung gewonnen hätten und deshalb die von UN-
Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufene Initiative
eines „Global Compact“, mit der führende multinationale
Unternehmen in einen Konsens zu weltweit gültigen Um-
welt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards eingebunden
werden sollten, zu begrüßen sei. Dem könne man nur zu-
stimmen. Man benötige eine Regelarchitektur für die Glo-
balisierung, weil dies die entscheidende Voraussetzung für
die Durchsetzung der Nachhaltigkeitsziele von Rio de
Janeiro sei. Auf den sich anschließenden Seiten enthalte der
Antrag der Fraktion der CDU/CSU allerdings eine Reihe
von Formulierungen, denen man nicht zustimmen könne.
Von daher lehne man diesen Antrag ab. Gleichwohl habe
man den Eindruck, dass bei ausreichender Beratungszeit
durchaus die Chance bestanden hätte, einen gemeinsamen
Antrag zu erarbeiten.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde konzidiert,
dass der Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN durchaus Substanz habe. Verschiedenen dort ge-
troffenen Feststellungen sei aber deutlich zu widersprechen.
So werde die Einführung der ökologischen Steuerreform
und der beschlossenen Lkw-Maut auf Autobahnen als erster
wichtiger Schritt hin zu einer Einbeziehung von Natur und
Umwelt in das eigene Steuersystem bezeichnet. Dazu sei
einmal festzustellen, dass die Erhöhung der Mineralölsteuer
zugunsten sozialer Belange ökologisch wenig effizient sei.
Außerdem sei daran zu erinnern, dass Mitte der 80er Jahre
die damalige Bundesregierung zugunsten bleifreien Benzins
bzw. mit Katalysatoren ausgestatteten Fahrzeugen – also zu
ökologischen Zwecken – bereits eine Steuerspreizung ein-
geführt habe. Unpräzise seien die Formulierungen des An-
trages auch im Hinblick auf das Klimaschutzziel. So gebe es
keinen Hinweis, ob man noch eine CO2-Reduktion um40 % bis zum Jahre 2020 anstrebe. Zu widersprechen sei
auch der Feststellung, dass Atomenergie nicht zu den öko-
logisch nachhaltigen Technologien gehöre. Viele Länder
wie beispielsweise Südafrika oder Finnland und auch die
eigene Fraktion sähen dies anders. Erneut werde ferner das
100 000-Dächer-Solarstrom-Programm als Teil der Neuord-
nung der nationalen Energiepolitik bezeichnet, obwohl
jedermann wisse, dass dies zwar viel koste, aber nur ver-
schwindend wenig zur Stromproduktion beitrage. Auch ins-
gesamt sei festzuhalten, dass Kosten bei den benannten
Maßnahmen einer Nachhaltigkeitsstrategie zu wenig beach-
tet würden. Gerade wenn man aber externe Effekte interna-
lisieren wolle, stellten Kosten das Maß für die Nachhaltig-
keit dar. Wenn man Technologietransfer im Bereich der er-
neuerbaren Energien in die Entwicklungsländer betreiben

Drucksache 14/9417 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

wolle, werde man Schiffbruch erleiden, da dies eine der teu-
ersten Formen der Energiebereitstellung sei.
Richtig sei der Hinweis im Antrag der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die globale Partnerschaft.
Man benötige in der Tat eine „Eine-Welt-Mentalität“, wie
sie in Rio de Janeiro zu spüren gewesen sei. Vielleicht ge-
linge es ja, sie in Johannesburg wieder ein Stückweit zu be-
leben. Richtig sei auch, dass eine Steigerung der administra-
tiven Effizienz auf der Ebene der Vereinten Nationen im
Umwelt- und Entwicklungsbereich erforderlich sei. Die
Einführung einer Tobinsteuer lehne man allerdings ab. Ja
sage man zu einer besseren Finanzausstattung der Global
Environmental Facilities (GEF). Insgesamt lasse sich fest-
stellen, dass der Antrag viele richtige Positionen enthalte,
aber eine Reihe falscher Forderungen stelle, so dass man
ihm nicht zustimmen könne.
Mit dem eigenen Antrag auf Drucksache 14/9025 versuche
man die Problematik etwas weiter zu fassen, da man über-
zeugt sei, dass Entwicklungshilfe zu kurz greife, wenn sie
sich vor allem auf Technologietransfer – so notwendig er sei
– konzentriere. Ausgangspunkt müssten aber die Bedürf-
nisse vor Ort sein und nicht die deutsche Binnensicht z. B.
im Hinblick auf die erneuerbaren Energien. Als internatio-
naler Ordnungsrahmen sei nach eigener Auffassung die so-
ziale Marktwirtschaft vorzüglich geeignet. Auch benötige
man in den Entwicklungsländern ein Rechtswesen interna-
tionaler Art. Weitere wichtige Stichpunkte in diesem Zu-
sammenhang seien Wirtschaftsorganisation, Bildung, For-
schung und effiziente Institutionen („Good Governance“).
Auch man selbst sei der Auffassung, dass bei ausreichender
Beratungszeit ein gemeinsamer Antrag durchaus hätte for-
muliert werden können.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde darauf hingewiesen, es habe seit 1992 auch positive
Entwicklungen gegeben. Die Klimarahmenkonvention und
die Biodiversitätskonvention seien Mitte der 90er Jahre in
Kraft getreten. Aus ihnen sei das Kyoto-Protokoll bzw. das
Cartagena-Protokoll hervorgegangen. Hier laufe die Ratifi-
zierung allerdings sehr schleppend. So werde das Kyoto-
Protokoll voraussichtlich vor Johannesburg nicht in Kraft
treten, da Russland noch nicht ratifiziert habe. Man hoffe
aber, dass es spätestens im nächsten Jahr dazu komme.
Beim Cartagena-Protokoll sei die Situation wesentlich
schlechter. Mit ausschlaggebend dafür sei die sehr restrik-
tive Haltung der USA, die nicht einmal die Biodiversitäts-
konvention ratifiziert hätten. Man begrüße von daher, dass
die Europäische Union gemeinsam mit der Gruppe G-77 bei
diesem internationalen Abkommen eine Antreiberrolle ein-
nehme. Positiv sei weiter, dass im Rahmen der Agenda 21
auf lokaler Ebene einiges vorangekommen sei. Andererseits
müsse festgestellt werden, dass seit Anfang der 90er Jahre
der Nachhaltigkeitsdiskurs durch die Globalisierungsde-
batte überlagert worden sei. Erst jüngst setze sich wieder die
Einsicht durch, dass eine ungezügelte Globalisierung ohne
sozialökologischen Ordnungsrahmen nicht akzeptabel sei.
Mit befördert habe dies die radikale Absage der USA zum
Kyoto-Protokoll sowie die Ereignisse nach dem 11. Sep-
tember 2001, aus denen deutlich geworden sei, dass dort,
wo die Ungerechtigkeit als besonders groß empfunden
werde, der Boden für Radikalismus aller Art sehr fruchtbar
sei. Um eine solche Entwicklung zu befördern, brauche man

in der Tat Staaten, die bereit seien, eine Vorreiterrolle zu
spielen. Dies wolle die auf die Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestützte Bundesregierung
tun. Daran orientierten sich auch die Zielsetzungen im eige-
nen Antrag. Teilweise entsprächen sie den Forderungen im
Antrag der Fraktion der CDU/CSU. Es gebe aber auch Be-
reiche, wo man anders an die Dinge herangehe. So setze
man sich sehr stark für eine Aufwertung der Ökologie in
den internationalen Institutionen ein. Derzeit gebe es sehr
starke internationale Institutionen im Bereich Handel und
Finanzen. Fragen der Ökologie könnten aber nicht auf glei-
cher Ebene verhandelt werden. Von daher setze man sich für
eine Welt-Umweltorganisation ein. Darüber hinaus spreche
man sich für die Einsetzung einer Welt-Kommission „Nach-
haltigkeit und Globalisierung“ aus. Ferner setze man sich
für die Entwicklung neuer Finanzinstrumente, wie sie etwa
vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Glo-
bale Umweltveränderungen (WBGU) vorgeschlagen wor-
den seien, ein. Die Einführung einer Devisenumsatzsteuer
sei nach eigener Auffassung zumindest zu prüfen und bei
positivem Ergebnis der Prüfung international koordiniert
einzuführen. Große Unterschiede zur Position der Fraktion
der CDU/CSU gebe es auch im Hinblick auf die Entwick-
lung einer globalen Energiestrategie. Man schlage hier vor,
dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen solle, eine
internationale Institution für die Förderung und Beratung
zur Energieeffizienz und der erneuerbaren Energiequellen
einzusetzen, um dadurch die mangelnde Ausgewogenheit
bei bestehenden Organisationen in diesem Bereich zu besei-
tigen. Was den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/9025 anbelange, so widerspreche man der
dort aufgestellten Behauptung, dass Deutschland unter der
rot-grünen Bundesregierung die Vorbild- und Führungs-
funktion im Rio-Prozess verloren habe. Realität sei viel-
mehr, dass es nach großem Einsatz insbesondere vom Bun-
desminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit, Klaus Töpfer, in den Jahren 1993/1994 eine Umkehr
der damaligen Bundesregierung gegeben habe und ganz an-
dere Prioritäten gesetzt worden seien. Auch in dieser Legis-
laturperiode lehne die Fraktion der CDU/CSU zentrale öko-
logische Vorhaben wie die ökologische Steuerreform oder
das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ab, und das nicht,
weil sie nicht anspruchsvoll genug seien, sondern weil man
sich insgesamt gegen diese Regelungen wende.
Von Seiten der Fraktion der FDP wurde festgestellt, der An-
trag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
enthalte einige Teile, die allgemeiner Konsens seien. Auf
der anderen Seite enthalte er eine Reihe von Forderungen,
die man so nicht teile. Beispielsweise werde in diesem An-
trag nochmals die eigene nationale Nachhaltigkeitsstrategie
begrüßt. Man selbst halte diesen Bericht für konturenlos,
wie dies auch der Rat von Sachverständigen für Umweltfra-
gen (SRU) getan habe. Auch die unter den Stichworten na-
tionale Klimapolitik und Verkehrspolitik aufgeführten Maß-
nahmen halte man für verfehlt. Man verweise hierzu auf die
bereits mehrfach zu diesen Themen im Ausschuss geführte
Debatte. Auf der anderen Seite zeigten einige Forderungen
in diesem Antrag Versäumnisse der Bundesregierung auf.
So werde unter Ziffer III. 4 die Nutzung der projektbezoge-
nen Mechanismen des Kyoto-Protokolls gefordert. Diese
Forderung habe man selbst seit langem erhoben, ohne dass
die Bundesregierung darauf eingegangen sei. Ähnliches

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9417

gelte für die Forderungen unter den Ziffern III. 5 und III. 8.
Die Einbeziehung der Parlamente in die nationale Nachhal-
tigkeitsstrategie hätte man sich sicher anders vorstellen kön-
nen, als dies in der Realität abgelaufen sei. Von daher könne
man diesem Antrag nicht zustimmen.
Was den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
14/9025 anbelange, so teile man die dort aufgeführte Kritik
an der rot-grünen Bundesregierung. Dies gelte insbesondere
auch im Hinblick auf die ineffiziente und aus Umweltsicht

verfehlte Klimapolitik. Auch mit einer Reihe der in diesem
Antrag gestellten Forderungen gehe man konform. Von da-
her werde man diesem Antrag zustimmen.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und PDS, dem Deut-
schen Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache
14/9052 anzunehmen.

Berlin, den 12. Juni 2002

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Berichterstatter

Dr. Paul Laufs
Berichterstatter

Dr. Reinhard Loske
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

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