BT-Drucksache 14/9395

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/9013, 14/9410- Entwurf eines Jugendschutzgesetzes (JuSchG)

Vom 12. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9395
14. Wahlperiode 12. 06. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Klaus Haupt, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Ulrike Flach, Hans-Michael Goldmann, Ulrich Heinrich,
Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Ina Lenke,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Irmgard Schwaetzer, Jürgen Türk,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 14/9013, 14/9410 –

Entwurf eines Jugendschutzgesetzes (JuSchG)

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der gesetzliche Jugendschutz ist ein wichtiger Maßnahmenbereich innerhalb
der gesellschaftlichen Aufgabe, Gefährdungen des körperlichen, geistigen und
seelischen Wohls junger Menschen wirksam zu begegnen. Dabei ist das recht-
liche Regelwerk den gesellschaftlichen und technischen Veränderungsprozes-
sen angemessen anzupassen.
Eine breite politische und gesellschaftliche Diskussion darüber, vor welchen
Gefahren Kinder und Jugendliche heute mit welchen Mitteln geschützt werden
sollten, ist in Deutschland nicht erst seit den Gewalttaten von Erfurt dringend
notwendig. Doch mit dem vorliegenden Gesetzesvorhaben heilen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Fehler nicht. Denn die Absicht, den
Jugendschutz nun in einem Schnellverfahren neu zu regeln, bedeutet genau den
Verzicht auf die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung und auf eine ange-
messene Würdigung der Sachkunde von Experten und der Einschätzungen von
Betroffenen und Beteiligten. Der notwendige fachliche Diskurs hierzu darf
dabei nicht einzig und allein von der Zielstellung des Schutzes der Kinder und
Jugendlichen vor Gefährdungen geprägt sein. Zu berücksichtigen ist auch das
Recht der Kinder und Jugendlichen auf ihre eigene Kultur, kindgerechte
Medien und Medieninhalte. Der notwendige Jugendschutz einerseits ist abzu-
wägen gegen die andererseits für eine Kompetenzentwicklung erforderlichen
Freiheiten der Kinder und Jugendlichen.
Rechtliche Regelungen zum Jugendschutz können nie mehr, als einen Beitrag
dazu leisten, dass die Gesellschaft als Ganzes Kinder und Jugendliche vor Ge-
fährdungen schützt. Damit der gesetzliche Jugendschutz diese Aufgabe wir-

Drucksache 14/9395 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

kungsvoll erfüllen kann, braucht es ein breites Engagement aller für das Auf-
wachsen der jungen Generationen verantwortlichen Instanzen und einen Rück-
bezug der rechtlichen Regelungen auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. Des-
halb ist für eine Reform des Jugendschutzes auch und gerade in der aktuellen
Situation Sorgfalt das wichtigere Gebot als Eile.

I. Zu einer fundierten Reform des Jugendschutzes gehört,
1. dass eine Novellierung des rechtlichen Jugendschutzes auf Basis einer brei-

ten und vertieften wissenschaftlichen Analyse und politischen und gesell-
schaftlichen Diskussion erarbeitet wird,

2. einen Diskurs auch zu führen über die generelle Möglichkeit einer zeitgemä-
ßen partiellen Lockerung des rechtlichen Jugendschutzes, um die für die
Kompetenzentwicklung der Kinder und Jugendlichen notwendigen Freihei-
ten zu gewähren,

3. den rechtlichen Jugendschutz weiterzuentwickeln im Hinblick auf eindeu-
tige, klare und transparente Zuständigkeitsregelungen zwischen Bund und
Ländern, den beteiligten Behörden und der Polizei sowie den Organisationen
der Selbstkontrolle,

4. sicherzustellen, dass das neue Jugendschutzgesetz verzahnt wird mit der Re-
form der Medienordnung und relevanten europarechtlichen Regelungen,

5. die Bemühungen um internationale Regelungen des Jugendschutzes zu
verstärken.

II. Insbesondere folgende Probleme sind mit dem Jugendschutzgesetz nicht
sachgerecht geregelt:

1. Angesichts der Tatsache, dass die seit Jahren praktizierte Selbstbeschränkung
der Wirtschaft, Kino-Vorstellungen vor 18 Uhr von Werbung für Tabak-
erzeugnisse und alkoholische Getränke frei zu halten, sich bewährt hat, ist
die entsprechende gesetzliche Regelung (§ 11 Abs. 5 JuSchG) entbehrlich.
Wenn Selbstverpflichtungen der Wirtschaft erfolgreich praktiziert werden,
besteht kein Handlungsbedarf für gesetzliche Regelungen.

2. Die Systematik der Altersdifferenzierungen im Jugendschutzgesetz (§ 14
Abs. 2 JuSchG) setzt Grenzen bei 6, 12, 16 und 18 Jahren. Der entwicklungs-
psychologische Schritt bei Kindern zwischen 6 und 12 Jahren ist aber in der
Regel sehr groß und die Zusammenfassung dieser Altersstufen nicht sachge-
recht. Es ist eine neue Differenzierung einzuführen, die zwischen 6 und 12
Jahren noch einmal eine Grenze setzt. Entsprechende Folgeänderungen im
Jugendschutzgesetz sind vorzunehmen.

3. Das Jugendschutzrecht muss für Behörden, Organisationen der Freiwilligen
Selbstkontrolle und andere Beteiligte und Betroffene eindeutig und umsetz-
bar sein. Im Jugendschutzgesetz sind jedoch mehrere Begriffe unklar und
bedürfen näherer Erläuterung oder einer Legaldefinition: So sind die Be-
griffe „Informations-, Instruktions- und Lehrfilme“ genauer zu erläutern
(§ 14 Abs. 7 JuSchG), um zu verhindern, dass eine Hintertür zur Umgehung
des Jugendschutzes aufgetan wird. Wie eine nach dem Gesetz so genannte
„erziehungebeauftragte Person“ ihren Auftrag „darzulegen“ hat, muss auch
präzisiert werden (§ 2 Abs. 1 JuSchG). Ebenso ist der mehrfach verwendete
Begriff der „Jugendbeeinträchtigung“ im Jugendschutzgesetz an den Stellen,
an denen auf ihn zurückgegriffen wird, zu präzisieren. In § 12 Abs. 5
JuSchG ist beispielsweise ein Satz 2 zu ergänzen: „Es wird vermutet, dass
Bildträger keine Jugendbeeinträchtigungen enthalten, wenn sie Film- und
Spielprogramme betreffen, die gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 gekennzeich-
net sind.“

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9395

4. Bei Demo-Versionen von Filmen und Spielen reicht es nach dem jetzigen
Entwurf des Jugendschutzgesetzes (§ 12 Abs. 5 JuSchG) aus, dass die feh-
lende Jugendbeeinträchtigung durch das Attest einer Organisation der frei-
willigen Selbstkontrolle festgestellt wird. Nichts anderes darf bei einer
Publikation gelten, bei der die Vollversion einer Spiele-CD oder eines Fil-
mes beiliegt. Anderenfalls wären Publikationen mit Vollversionen gegen-
über Publikationen mit Demo-Versionen einer unvertretbaren Vertriebsrest-
riktion unterworfen. Deshalb sind in § 12 Abs. 5 Satz 1 die Worte „Auszüge
von“ und „Auszüge“ ersatzlos zu streichen. Das Wort „Spielprogrammen“
wird zu „Spielprogramme“. Gemäß § 12 Abs. 1 JuSchG würde ansonsten
die Klassifizierung eines Filmes oder Spieles nach § 14 automatisch eine
Vertriebsbeschränkung für das Printprodukt nach sich ziehen, dem die Voll-
version des Filmes oder Spieles beiliegt

Berlin, den 11. Juni 2002
Klaus Haupt
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Ulrike Flach
Hans-Michael Goldmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Dr. Irmgard Schwaetzer
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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