BT-Drucksache 14/9363

Aktionsplan zum Kinder- und Jungendtourismus in Deutschland

Vom 12. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9363
14. Wahlperiode 12. 06. 2002

Antrag
der AbgeordnetenBrunhilde Irber, Annette Faße, Renate Gradistanac, Karl-Hermann
Haack (Extertal), Klaus Hagemann, Monika Heubaum, Jelena Hoffmann (Chemnitz),
Iris Hoffmann (Wismar), Barbara Imhof, Jann-Peter Janssen, Susanne Kastner,
Marianne Klappert, Horst Kubatschka, Lothar Mark, Günter Oesinghaus, Eckhard
Ohl, Birgit Roth (Speyer), Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Dr. Margrit Spielmann,
Antje-Marie Steen, Dr. Norbert Wieczorek, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Sylvia Voß, Albert Schmidt (Hitzhofen), Franziska
Eichstädt-Bohlig, Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske, Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aktionsplan zum Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Möglichkeit zu Reisen ist eine wichtige Errungenschaft der heutigen Zeit.
In einer modernen Gesellschaft sollte diese Chance für alle Kinder und Jugend-
lichen unabhängig von Armut oder anderen sozialen oder gesundheitlichen
Hindernissen gesichert werden. Der Integration in Deutschland lebender Kin-
der und Jugendlicher mit anderem kulturellen Hintergrund ist dabei besondere
Beachtung zu schenken.
Die statistische Datenlage über den Kinder- und Jugendtourismus in Deutsch-
land ist unbefriedigend. Das Alter, die Anzahl der bereitgestellten Betten sowie
der jeweiligen Übernachtungen der Kinder und Jugendlichen werden in den Er-
hebungen bei den Unterkünften nicht erfasst.
Im Jahre 1998 gründete sich der „Runde Tisch der Unterkünfte“ an dem unter
anderem für die Beherbergungsstätten die Bundesarbeitsgemeinschaft der
Kinder- und Jugenderholungszentren, das Deutsche Jugendherbergswerk, das
Kolping-Familienferienwerk, die Naturfreundejugend und das Reisenetz
vertreten sind. Allein diese Organisationen bewirtschaften 1 130 Beherber-
gungsstätten mit 102 000 Betten für junge Gäste und jährlich etwa 13 Millionen
Übernachtungen. In der Datenbank über Kinder- und Jugendunterkünfte in
Deutschland „Grukid“ sind knapp 5 000 Häuser erfasst und beschrieben.
Hinzu kommt eine unbekannte Größe weiterer jugendspezifischer Unterkünfte
und eine ebenso unbekannte Größe von Übernachtungen von Kindern und
Jugendlichen in anderen Beherbergungseinrichtungen. Damit ist der Kinder-
und Jugendreisebereich ein nicht unwesentlicher Wirtschaftsfaktor.
Als Maßnahme zur Verbesserung der Datenlage und zur Einschätzung des
Handlungsbedarfs würde es ausreichen, in den Fragenkatalog der Tourismus-
erhebung Fragestellungen aufzunehmen, die es erlauben, konkrete Aussagen zu
dem Kinder- und Jugendtourismus zu treffen und analog zur Senkung des

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Zugangsalters zu Programmen der Internationalen Kinder- und Jugendarbeit
mit Förderung aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes auf 12 Jahre, eine
Absenkung der unteren Altersgrenze in der „Reiseanalyse” von jetzt 14 auf
dann 12 Jahre vorzunehmen.
Kinder- und Jugendreisen werden neben den kommerziellen Unternehmen auch
von gemeinnützigen Vereinen angeboten. Die gemeinnützigen Träger werden
zum Teil über den Kinder- und Jugendplan des Bundes gefördert oder beziehen
Zuwendungen von der öffentlichen Hand, weil sie ihr Angebot mit einer spezi-
fischen Wertorientierung verbinden.
In den neuen Bundesländern sind neue Strukturen entstanden und diese haben
sich wie z. B. die Kinder- und Erholungszentren bewährt. Im Rahmen der ge-
forderten Gleichbehandlung von Anbietern im Kinder- und Jugendbereich soll-
ten diese die Voraussetzungen schaffen, in die Förderung der Jugendpolitik auf-
genommen werden zu können.
Unabhängig von der Rechtsform des Reiseanbieters beinhaltet ein Reiseange-
bot für Kinder und minderjährige Jugendliche die Übernahme der Verantwor-
tung über die bloße Aufsicht hinaus für die Gestaltung eines außerschulischen
und außerfamiliären Lern- und Erfahrungsbereiches. Die Qualitätsstandards für
Kinder- und Jugendreisen und die Praxis der betroffenen Trägerbereiche haben
sich weiterentwickelt. Dies muss bei den Qualifizierungsprogrammen für
Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter berücksichtigt werden.
Wer unbegleitete Jugendliche als Gäste annimmt, muss eine Betreuung wäh-
rend der Reise absichern und die Aufsichtspflicht übernehmen.
Durch die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes wird neu geregelt, dass
derjenige nicht selbst im Besitz einer Genehmigung sein muss, der Gelegen-
heitsverkehre in der Form der Ausflugsfahrt oder der Ferienziel-Reise plant, or-
ganisiert, anbietet und dabei gegenüber den Teilnehmern eindeutig zum Aus-
druck bringt, dass die Beförderungen nicht von ihm selbst durchgeführt
werden, sondern von einem bestimmten Unternehmer, der Inhaber einer Ge-
nehmigung nach diesem Gesetz ist. Mit dem Wegfall dieser so genannten Dop-
pellizenz entfallen auch die bisherigen Prüfungen nach dem Personenbeför-
derungsgesetz für die Träger von Kinder- und Jugendreisen, wenn sie einen
Beförderungspartner wählen, der seinerseits diese Lizenz besitzt.
Maßnahmen des Tourismus sind in den Kinder- und Jugendprogrammen nicht
förderfähig. Der Tourismus dient der Völkerverständigung und der Bildung.
Durch die Begegnungen und den Austausch mit anderen Menschen am Reise-
ort bekommen insbesondere junge Menschen einen Vergleich über die Lebens-
weise und Kultur anderer Völker, auch ohne ein gesetztes Programm.
Der Erhaltung und der Qualitätsverbesserung von kinder- und jugendgerechten
Unterkünften in Deutschland kommt weiterhin hohe Bedeutung zu. Dabei ist
die Gleichbehandlung aller gemeinnützigen Unterkünfte verstärkt zu beachten.
Um den Kinder- und Jugendreisebereich weiter auszubauen, sollen Bund und
Länder in Zusammenarbeit mit Kinder- und Jugendreiseveranstaltern innerhalb
der gegebenen Kompetenzen Aktionspläne für Kinder- und Jugendreisen in
Deutschland aufstellen. Die Ziele dieser Aktionspläne sind:
1. Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene soll die Akzeptanz des Kinder-

und Jugendreisens verbessert werden. Dazu ist es notwendig, bundesweite
Qualitätsstandards trägerübergreifend für das Kinder- und Jugendreisen zu
entwickeln, die sich unter anderem an den Kriterien orientieren, wie sie z. B.
für „Viabono“ oder die Leitsätze des „BundesForum Kinder- und Jugendrei-
sen e. V.“ entwickelt wurden. Durch geeignete Maßnahmen sollen das
Natur- und Umweltbewusstsein von Kindern und Jugendlichen gefördert

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und nachhaltige Kinder- und Jugendreisen z. B. in Nationalparke, Biosphä-
renreservate und andere Großschutzgebiete besonders gefördert werden.

2. Der Kinder- und Jugendreisesektor soll unter gleichberechtigter Einbindung
der gemeinnützigen und kommerziellen Arbeit bedarfsgerecht ausgebaut
werden. Trägerübergreifende Konzepte und Vorhaben zur Stärkung des In-
coming im Kinder- und Jugendtourismus sollen unter Einbeziehung der
Deutschen Zentrale für Tourismus gefördert werden.

3. Es sollen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um den Zustand der Ein-
richtungen im Kinder- und Jugendreisebereich in Deutschland zu ermitteln.

4. Für die Weiterentwicklung des Kinder- und Jugendreisens kommt der Quali-
fizierung der meist ehrenamtlich tätigen Betreuerinnen und Betreuer beson-
dere Bedeutung zu. Neben dem Ausbau trägerübergreifender Weiterbil-
dungsangebote ist die Anerkennung der geleisteten ehrenamtlichen Arbeit
und der dabei erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen durch eine ver-
gleichbare Bescheinigung und Dokumentation zu unterstützen.

5. Bei trägerübergreifenden Ausbildungsangeboten zum Erwerb der „Jugend-
leitercard“ sollen die Länder die Möglichkeit vorsehen, solche Karten auch
für Teilnehmende aus anderen Bundesländern auszustellen.

6. Die Europäische Union wächst und verändert sich. Auch der Tourismus, ins-
besondere der Kinder- und Jugendtourismus, kann dazu einen Beitrag leis-
ten. Die Kontakte und Beziehungen zu den EU-Staaten und den Nachbarlän-
dern sind noch stärker im Rahmen des Kinder- und Jugendaustausches zu
nutzen und auszubauen. Auf europäischer Ebene ist deshalb zu prüfen, wie
die internationalen Begegnungen von Kindern ab dem 12. Lebensjahr zu
fördern sind. Bei einer Vielzahl europäischer Aktivitäten und Gesetzge-
bungsverfahren ist zu prüfen, inwiefern der Kinder- und Jugendtourismus
ausreichend Beachtung findet.

7. Durch einen Wettbewerb soll neben dem innerdeutschen auch der internatio-
nale Kinder- und Jugendaustausch weiterentwickelt werden, um ein breites
Angebot im Dialog der Nationen aufzubauen und um ein Lernen und Erfah-
ren über andere Länder zu ermöglichen.

8. Auf Länderebene könnte das Segment von Kinder- und Jugendreisen noch
größere Bedeutung erhalten, wenn der Austausch von Kindern und Jugendli-
chen, insbesondere von Schulklassen, innerhalb von Deutschland verstärkt
würde.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
die Umsetzung des Aktionsplanes im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unter-
stützen und über die Fortschritte des Kinder- und Jugendtourismus in Deutsch-
land im Tourismuspolitischen Bericht der Bundesregierung zu berichten.

Berlin, den 12. Juni 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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