BT-Drucksache 14/9362

Nicht-Erwähnung von mehr als 50 Prozent der in Länderberichten genannten rechtextremistischen Gewalttaten im Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2001

Vom 11. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9362
14. Wahlperiode 11. 06. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Nicht-Erwähnung von mehr als 50 Prozent der in Länderberichten genannten
rechtsextremen Gewalttaten im Verfassungsschutzbericht des Bundes für 2001

Im Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2001 findet sich auf
Seite 41 der Pressefassung ein Diagramm, das die Verteilung von „Gewalttaten
mit rechtsextremistischem Hintergrund“ auf die Länder angibt.
Für Nordrhein-Westfalen beispielsweise weist diese Statistik 48 Gewalttaten
mit rechtsextremistischem Hintergrund nach, für Sachsen-Anhalt 45 rechts-
extremistische Gewaltdelikte, für Berlin 21 und für Mecklenburg-Vorpommern
keine einzige rechtsextremistische Gewalttat.
Die Verfassungsschutzberichte dieser Länder dagegen nennen durchweg erheb-
lich höhere Zahlen:
l Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen 2001 werden

123 Gewaltdelikte im „Phänomenbereich politisch motivierte Kriminalität –
rechts“ genannt (S. 189).

l Der Verfassungsschutzbericht des Ministeriums des Innern Sachsen-Anhalt
nennt für das Jahr 2001 insgesamt 55 rechtsextremistische Gewalttaten
(http://www.mi.sachsen-anhalt.de/broinfo/verfbe/index.htm).

l Der Verfassungsschutzbericht 2001 des Landes Berlin führt in der Statistik
über „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ insgesamt 35 Gewaltdelikte
an (S. 132).

l Der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern erfasst für das Jahr 2001
insgesamt 40 Gewaltdelikte im „Phänomenbereich Rechts – politisch moti-
vierte Kriminalität“ (http://www.verfassungsschutz-mv.de/pages/jahr01_
tabelle1.htm).

Die Länderzahlen sind damit bei diesen ausgewählten Beispielen allesamt und
z. T. erheblich höher als die Zahlen des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Insgesamt werden allein bei diesen vier Bundesländern 139 rechtsextreme
Gewalttaten, das ist mehr als die Hälfte der in den Berichten der Landesämter
genannten rechtsextremen Gewaltdelikte, in der Bundesstatistik nicht genannt.
Dabei sollte mit der 2001 reformierten Zählweise rechtsextremer Straf- und Ge-
walttaten – erfasst werden Delikte demnach nicht mehr nach dem engen „Extre-
mismus“-Begriff, sondern nach dem weitergehenden Begriff „politisch moti-
vierte Kriminalität – rechts“ – ein Erfassungskriterium gefunden worden sein,
das zum einen ein realitätsgetreueres Abbild rechtsextremer Straftaten liefert,
das aber zum anderen auch verbindlich angewendet zuverlässige und vergleich-
bare Statistiken liefert.

Drucksache 14/9362 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Warum berichtet der Verfassungsschutzbericht des Bundes für Nordrhein-

Westfalen im Jahr 2001 über 48 rechtsextreme Gewalttaten, während der
Bericht des entsprechenden Landesamtes 123 solche Gewalttaten nennt?

2. Warum berichtet der Verfassungsschutzbericht des Bundes für Sachsen-
Anhalt im Jahr 2001 über 45 rechtsextremistische Gewalttaten, während
der Bericht des entsprechenden Landesamtes 55 solche Gewalttaten nennt?

3. Warum berichtet der Verfassungsschutzbericht des Bundes für Berlin im
Jahr 2001 über 21 rechtsextremistische Gewalttaten, während der Bericht
des entsprechenden Landesamtes 35 solche Gewalttaten nennt?

4. Warum berichtet der Verfassungsschutzbericht des Bundes für Mecklen-
burg-Vorpommern im Jahr 2001 über keine einzige rechtsextremistische
Gewalttat, während der Bericht des entsprechenden Landesamtes 40 solche
Gewalttaten nennt?

5. Welche weiteren rechtsextremistischen Gewalttaten in welchen weiteren
Bundesländern werden im Bericht des Bundesamtes aus welchen Gründen
nicht genannt (bitte nach Ländern aufschlüsseln und begründen)?

6. Welche anderen rechtsextremistischen Straftaten (z. B. Propagandadelikte),
die in den Landesberichten erfasst und gemeldet wurden, werden in den
Übersichten und Zahlenangaben des Bundesamtes ebenfalls nicht genannt,
und aus welchen Gründen geschieht das (bitte nach Ländern aufgeschlüs-
selt beantworten)?

7. Wird die Bundesregierung diese Differenzen in den Statistiken korrigieren?
a) Wenn ja, wann wird sie das Ergebnis dem Parlament und der Öffentlich-

keit vorlegen?
b) Wenn nein, warum nicht?

8. Wird die Bundesregierung diese Differenzen in den Statistiken zum Anlass
nehmen, um ihre Statistiken einer eingehenden Überprüfung zu unter-
ziehen?
a) Wenn ja, wann will sie das Ergebnis dem Parlament und der Öffentlich-

keit vorlegen?
b) Wenn nein, warum nicht?

9. Wird die Bundesregierung diese Differenzen in den Statistiken zum Anlass
nehmen, um die Umsetzung der neuen Zählweise vor Ort (d. h. bei den ört-
lichen Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften), auf Landes- und Bun-
desebene noch einmal genau zu überprüfen und ggf. zu verbessern?
a) Wenn ja, wann will sie das Ergebnis dem Parlament und der Öffentlich-

keit vorlegen?
b) Wenn nein, warum nicht?

10. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse über mögliche weitere Mängel, Feh-
ler oder Differenzen in den Landes- und Bundesstatistiken über rechte
Straf- und Gewalttaten?
Wenn ja, welche und wie will sie diese beheben?

11. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Differenzen in
den Statistiken der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern die Ein-
führung und Umsetzung des neuen Erfassungskriteriums „politisch moti-
vierte Kriminalität – rechts“?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9362

12. Welche Schritte will die Bundesregierung ergreifen, um eine Wiederholung
derart gravierender irreführender Informationen der Öffentlichkeit über das
Ausmaß rechtsextremistischer Gewalt in diesem Land für die Zukunft aus-
zuschließen?

Berlin, den 10. Juni 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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