BT-Drucksache 14/9290

zu dem GE der BReg -14/8985, 14/9250- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtshaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2003 (ERP-Wirtshaftsplangesetz 2003)

Vom 5. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9290
14. Wahlperiode 05. 06. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Ursula Lötzer,
Christine Ostrowski, Wolfgang Bierstedt, Uwe Hiksch, Gerhard Jüttemann
und der Fraktion der PDS

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 14/8985, 14/9250 –

Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans
des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2003
(ERP-Wirtschaftsplangesetz 2003)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Die ERP-Förderkulisse befindet sich offensichtlich in einer Krise.

Schwankte die Förderung – der Konjunktur nachfolgend – zwischen 1991
und 1999 zwischen umgerechnet knapp 6 und 7 Mrd. Euro, so sackte sie in
2000 trotz Wirtschaftswachstums auf 5 Mrd. und in 2001 weiter auf 4 Mrd.
Euro. Auch im ersten Quartal 2002 setzte sich der freie Fall bei der Förde-
rung von Existenzgründungen sowie Kleinunternehmen unvermindert fort:
– Existenzgründungskredite und Eigenkapitalmittel: minus 27 % gegen-

über Vorjahreszeitraum, darunter Ostdeutschland minus 39,5 %,
– ERP-Regionalförderung: minus 27 % (Ostdeutschland: minus 40 %),
– Beteiligungsförderung technologieorientierter Unternehmen (BTU):

minus 51 %.
Lediglich die Umweltprogramme konnten langfristig – seit 1997 – ihr jährli-
ches Fördervolumen bei ca. 1,6 Mrd. Euro stabil halten. Aber auch hier zeigt
sich, dass diese Förderung zunehmend größeren Projekten zugute kommt,
während kleinere Unternehmen kaum noch Chancen haben: Gab es für Kre-
dite bis umgerechnet 256 000 Euro 1997 noch 1 313 Zusagen, so waren es
2000 lediglich 588. In 2001 wurden bis Ende Oktober gar nur noch 271 sol-
cher kleineren Kredite zugesagt.
Besonders dramatisch ist der Zusammenbruch der ERP-Förderung in Ost-
deutschland: Wurden dort 1994 umgerechnet 5,5 Mrd. Euro ausgereicht, so
waren es 2001 nur noch 1,1 Mrd. Euro.

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2. Mit dem ERP-Wirtschaftsplan 2003 werden zwar wie für 2002 über 4,8
Mrd. Euro Fördermittel bereitgestellt. Der bisherige Mittelabfluss lässt aber
erwarten, dass diese in Größenordnung von mindestens 0,8 Mrd. Euro über-
haupt nicht abgerufen werden. Solcher Rückgang kann nicht länger mit
Konjunkturverlauf oder gar – auf Ostdeutschland bezogen – einer „Normali-
sierung“ des Gründungsgeschehens und der Mittelstandsentwicklung erklärt
werden. Vielmehr signalisiert die sinkende Nachfrage, dass offensichtlich
das Angebot nicht mehr stimmt – weder im Existenzgründungs- noch im
Mittelstandsbereich. Kreditfinanzierung über durchleitende Banken taugt
offenbar nicht mehr als Hauptinstrument zur Sicherung und Schaffung neuer
Arbeitsplätze sowie Existenzgründungen. Hausbanken erweisen sich eher als
Barriere denn als Eingangstür zu effektiver Wirtschaftsförderung. Finanzin-
stitute sehen die Betreuung von Fördermitteldarlehen zunehmend als für sie
betriebswirtschaftlich unrentables Randprodukt. Hinzu kommt, dass es sich
immer mehr im Sparkassensektor konzentriert. Über die Hälfte der Förder-
mitteldarlehen laufen mittlerweile über diesen Bereich, auf Genossen-
schaftsbanken entfallen etwa 35 %, auf Privatbanken gar nur noch 10 %. Die
von der EU-Kommission durchgesetzten Verschlechterungen der Rahmen-
bedingungen für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute lässt aber erwarten,
dass sich auch die Sparkassen verstärkt von kleinen Unternehmensfinanzie-
rungen abwenden werden.

3. Neue Förderinstrumente müssen daher offensiv erprobt werden. Angesichts
der Dramatik der Lage bedauert der Deutsche Bundestag, dass im ERP-Wirt-
schaftsplan 2003 zur Erprobung neuer Förderansätze wiederum nur 10 Mio.
Euro (= 0,26 % aller geplanten Finanzierungshilfen zur Leistungssteigerung
mittelständischer Unternehmen) bereitgestellt werden. Zudem sollen diese
Pilotprojekte offenbar lediglich auf eine Verbesserung der Bearbeitungsmar-
gen und der Refinanzierungsmöglichkeiten der Förderkredite durchleitenden
Hausbanken abzielen. Die Erfahrungen beispielsweise mit dem so genannten
„DtA-Startgeld“ belegen jedoch, dass auf diesem Wege keine durchgrei-
fende Besserung zu erreichen ist. Trotz einmaligem Bearbeitungsentgelt von
500 Euro pro Zusage (bei einem Kreditvolumen von maximal 50 000 Euro),
laufender Bankenmarge pro Jahr von 0,9 % der Kreditsumme und 80%iger
Haftungsfreistellung der Hausbank halbierte sich im ersten Quartal 2002 die
Zahl der monatlichen Zusagen gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 340 –
obwohl die EU-Kommission dieses Förderprogramm als „best practice“ ein-
stuft. Offenkundig kann nur noch eine direkte öffentliche Finanzierung unter
Umgehung und in Konkurrenz zu den bisherigen Hausbanken Abhilfe schaf-
fen. Die langjährige Entwicklung der Darlehen-Vergabe an kleine und mitt-
lere Unternehmen, ihrer Kosten und Risiken legt nahe, dass die Banken und
anderen Kreditinstitute derzeit jährlich 1,5 bis 3 Mrd. Euro weniger finan-
zieren, als eigentlich üblich besicherte Nachfrage in diesem Bereich vorhan-
den wäre. Die Debatten um die Neufassung der Baseler Eigenkapitalrichtli-
nie dürften künftig die Differenz zum einstigen Finanzierungsvolumen klei-
ner Unternehmensgründungen und -erweiterungen durch den traditionellen
Bankensektor noch mehr vergrößern.

4. Der Deutsche Bundestag sieht die Fortführung der Programme zur Mobili-
sierung von Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen (BTU)
im Risiko des ERP-Sondervermögens als äußerst gefährlich an. Bedingt ins-
besondere durch das Platzen der Spekulationsblase um internet-gestützte
Dienstleistungen haben die Risikoabschätzungen des Bundeshaushaltes, der
diese Förderung bis 2000 gewährte, bekanntlich dramatisch versagt: Dort
waren für 2000 nur 30,5 Mio. Euro zur Deckung von Ausfällen geplant –
dann flossen 49,5 Mio. Euro ab. Für 2001 waren zwar 45 Mio. Euro geplant,
aber bis Ende Oktober mussten schon 184 Mio. Euro verausgabt werden.
Vor diesem Hintergrund muss die Abgabe von Garantieverpflichtungen von

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9290

bis zu 1,335 Mrd. Euro im ERP-Haushalt 2003 für Ausfälle neu gewährter
Förderungen als ernsthafte Bedrohung für das gesetzliche Substanzerhal-
tungsgebot dieses Sondervermögens angesehen werden. Bekanntlich hat be-
reits die seit 1997 nicht mehr vom Bundeshaushalt, sondern vom ERP zu ge-
währende Eigenkapitalhilfe die Ausfallrisiken deutlich erhöht. Deren wei-
tere Verlagerung auf die Hauptförderinstitute, insbesondere die Deutsche
Ausgleichsbank (DtA) ist ebenfalls indiskutabel, da damit deren Möglich-
keiten als Mittelstandsbank weiter untergraben werden. Vielmehr muss end-
lich der Trend gestoppt werden, dass sich der Bund immer mehr aus aktiver
Wirtschaftsförderung zurückzieht. Denn auch das ERP-Sondervermögen
und die öffentlichen Förderbanken haben nur zwei Alternativen: Entweder
sie riskieren ihren Bestand oder Förderung wird nur noch so restriktiv ge-
währt, dass sie diesen Namen nicht mehr verdient.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. umgehend und in größerem Umfang wie bisher geplant neue Instrumente

der Mittelstandsförderung – insbesondere atypische stille Beteiligung und
Mitarbeiterbeteiligung, wie sie gegenüber dem zuständigen Unterausschuss
des Bundestages Ende 2001 bereits einmal angekündigt wurden – sowie
weitere nicht auf dem Hausbanken-Prinzip beruhende Förderinstrumente im
Rahmen des ERP zu erproben.
Anstatt Darlehen über Hausbanken zu gewähren, könnten diese Mittel nach
Evaluierung des Förderantrages durch eine am Projekt nicht beteiligte Un-
ternehmensberatung direkt als atypische Beteiligung an den geförderten
Unternehmen eingebracht werden. Über diese Beteiligung, bis zu deren
Höhe sie haftet, würde die öffentliche Hand keinen direkten Einfluss auf die
Unternehmenspolitik nehmen, sondern sie mit der Auflage gewähren, im
Unternehmen eine erweiterte Mitbestimmung der Belegschaft entsprechend
dem Modell der Montan-Mitbestimmung einzuführen. So könnte das Inte-
resse am Erhalt und der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Unternehmensent-
scheidungen ohne bürokratische Regulierung an Gewicht gewinnen und Un-
ternehmensförderung würde auf jene konzentriert, denen das erforderliche
Eigenkapital fehlt und traditionelle Finanzierungsformen derzeit verschlos-
sen sind. Wegen des aus der erweiterten Mitbestimmung resultierenden mas-
siven Eingriffs in die betriebsinterne unternehmerische Verfügungsgewalt ist
zu erwarten, dass die Beteiligung nicht länger als unbedingt erforderlich be-
stehen bleibt. Denn sie kann durch das Unternehmen durch Ausbezahlung
jederzeit aufgelöst werden. In diesem Falle hätte das ERP die Mittel erneut
für Wirtschaftsfördermaßnahmen zur Verfügung. Die Analyse der langjähri-
gen Entwicklung der Förderdarlehen-Vergabe an kleine und mittlere Unter-
nehmen offenbart, dass eine solche Förderung ohne öffentlichen Mehrauf-
wand Arbeitsplätze in Größenordnungen schaffen dürfte. Alljährlich 3 Mrd.
Euro direkt als öffentliches Beteiligungskapital würde zu jeweils zusätzli-
chen 40 000 Arbeitsplätzen führen, von denen nach vier Jahren noch 34 000
bestehen. Diese 3 Mrd. Euro wären keine öffentlichen Kosten: innerhalb von
vier Jahren würden sie zu ca. 0,6 Mrd. Euro Gewinnabführung an die öffent-
liche Hand führen, denen Ausfälle von 0,45 Mrd. Euro gegenüberständen.
Soweit ERP kein Eigenkapital einsetzt käme noch ein Finanzierungsauf-
wand von ca. 0,24 Mrd. Euro hinzu. Auf der öffentlichen Haben-Seite wären
in diesem Zeitraum aber darüber hinaus ca. 0,8 Mrd. Euro zusätzliche
Steuer-Einnahmen zu verbuchen. Wenn politisch, beispielsweise durch
Maßnahmen zum ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft,
neue Markt-Chancen für Existenzgründungen und kleinere Unternehmen er-
öffnet werden, so ließe sich solcher Kapitaleinsatz und die entsprechenden
jährlichen Arbeitsplatzeffekte unschwer noch erheblich vergrößern;

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2. im Bundeshaushalt und durch Verwaltungsvereinbarungen Vorkehrungen
zum Substanzerhalt des ERP-Sondervermögens und der es betreuenden För-
derbanken, insbesondere der DtA, zu schaffen.
Durch Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Bund und dem ERP ist
sicherzustellen, dass das Sondervermögen für Ausfälle in seiner Verantwor-
tung laufender Fördermittel nur bis zur marktüblichen Verzinsung seines
Kapitals haftet. Darüber hinausgehende Ausfälle sind vom Bundeshaushalt
zu tragen. Konstruktionen wie bei der bis 2000 praktizierten BTU-Förde-
rung des Bundes über die DtA, wo deren Beteiligungsgesellschaft Ausfälle
von bis zu 18 % des Gesamtzusagevolumens tragen musste, ehe der Bundes-
haushalt einsprang, sind als Vorbild für solche Vereinbarungen völlig indis-
kutabel, da sie die Lasten einseitig zugunsten des Bundes verschieben. Die
vom Bund zu tragenden Ausfälle sollen vom dafür vorgesehenen Kapitel 32
des Bundeshaushaltes getragen und nicht etwa durch Einsparungen im Voll-
zug des Haushaltes des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
aufgefangen werden.

Berlin, den 5. Juni 2002
Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft
Ursula Lötzer
Christine Ostrowski
Wolfgang Bierstedt
Uwe Hiksch
Gerhard Jüttemann
Roland Claus und Fraktion

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