BT-Drucksache 14/9267

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Dr. Ruth Fuchs, und der Fraktion der PDS -14/1695- Entkriminalisierung des Gebrauchs illegaler Rauschmittel, Legalisierung von Cannarbisprodukten kontrollierte Abgabe sogenannter harter Drogen

Vom 6. Juni 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9267
14. Wahlperiode 06. 06. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Dr. Ruth Fuchs und
der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/1695 –

Entkriminalisierung des Gebrauchs bislang illegaler Rauschmittel, Legalisierung
von Cannabisprodukten, kontrollierte Abgabe sogenannter harter Drogen

A. Problem
Viele Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland sind mit Dro-
genabhängigkeit konfrontiert: sei es als Abhängige oder als Angehörige von
Abhängigen. Unbestritten ist, dass ein großer Teil dessen, was unter Alltagskri-
minalität gefasst wird, mit Sucht bzw. Beschaffungskriminalität zusammen-
hängt. Der erste Schritt zur Bekämpfung dieser Form der Kriminalität besteht
in einer grundlegenden Wende in der Sucht- und Drogenpolitik. Die gegenwär-
tige Drogenpolitik ist nach Auffassung der Mehrheit der Fachleute gescheitert.
Sie ist gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Fehlinformationen, durch
Ideologisierung, kontraproduktive Pönalisierung und Tabuisierung bestimmter
Problembereiche.
Vielfach wird ignoriert, dass die Kriminalisierung des Gebrauchs von Drogen
nur einen bestimmten Teil der existierenden Rauschmittel erfasst, während bei-
spielsweise die Droge Alkohol legalisiert bleibt. Zudem fehlt es an Therapie-
einrichtungen, an Substitutionsprogrammen und an sozialer Unterstützung.
Die herrschende Drogenpolitik setzt auf das Strafrecht. Doch ist erwiesen, dass
das Strafrecht diesbezüglich ein untaugliches Mittel ist. Drogenabhängigkeit ist
kein strafrechtliches, sondern ein soziales und medizinisches Problem. Der An-
bau von Rauschmittelressourcen in vielen Ländern dieser Erde wird auch wei-
terhin stattfinden. Die Kriminalisierung des Drogenkonsums ist Grundlage da-
für, dass Drogenhändler unverhältnismäßige Handelsprofite erreichen können,
auch werden Drogen allzu oft zur weiteren Gewinnsteigerung mit z. T. beson-
ders gesundheitsschädlichen Beistoffen versetzt. Wenn so genannte harte Dro-
gen ärztlich kontrolliert für den Eigenkonsum erhältlich sind, wird dieser Extra-
profit ausbleiben.
Die amtierende Bundesregierung hat zwar „neue Wege in der Drogen- und
Suchtbekämpfung“ angekündigt und will bereits errichtete Fixerstuben legali-
sieren. Gleichwohl verweigern vor allem konservative Kräfte einen grundle-
genden Wandel in der Drogenpolitik. Es bedarf einer grundlegenden Kehrt-

Drucksache 14/9267 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

wende in der Drogenpolitik: Legalisierung, Entkriminalisierung und Therapie
statt Strafe sind die Mittel dazu.

B. Lösung
Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der
die Entkriminalisierung des Gebrauchs bislang illegaler Rauschmittel, die Le-
galisierung von Cannabisprodukten sowie die medizinisch kontrollierte Ab-
gabe so genannter harter Drogen nach folgenden Kriterien vorsieht:
1. Entkriminalisierung des für den persönlichen Eigenkonsum dienenden Be-

sitzes und Erwerbs von Drogen sowie Festlegung der gesetzlich zulässigen
Höchstgrenze der für den Eigenkonsum gedachten Menge;

2. ärztlich kontrollierte Abgabe so genannter harter Drogen, solange und so-
weit Abhängige von ihrer Sucht nicht befreit sind und erfolgreichere Mittel
und Methoden zur Entwöhnung nicht bereitstehen;

3. Schaffung einer Expertenkommission, die binnen eines halben Jahres Mo-
delle für die medizinisch kontrollierte Abgabe auch so genannter harter
Drogen vorschlägt;

4. sofortige Legalisierung von Cannabisprodukten, wobei ein Abgabeverbot
an Jugendliche unter 16 Jahren sowie die Verpflichtung von Abgabestellen
zu Beipackzetteln über den THC-Gehalt sowie mögliche Risiken zu nor-
mieren sind;

5. Legalisierung des Anbaus von Cannabispflanzen;
6. Schaffung einer nationalen Institution, zu deren Aufgaben u. a. die

Einfuhrüberwachung der Rohstoffe, die Information über Reinheitsgehalt,
Zusammensetzung, Dosierung und Risiken gehören;

7. Werbeverbot für alle Drogen, eingeschlossen Alkohol, Tabakprodukte und
andere Rauschmittel;

8. Ausbau der Therapieeinrichtungen für Drogenabhängige;
9. Zulassung bzw. Ausweitung sowohl von Programmen zur niederschwelli-

gen Substitution als auch zur Originalsubstitution nach dem niederländi-
schen Vorbild;

10. gezielter Abbau der Desinformation über Rauschmittel durch eine öffentli-
che Informationskampagne von Fachleuten und eine kontinuierliche Auf-
klärung besonders in Schulen.

Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
der PDS

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten der öffentlichen Haushalte
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9267

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 14/1695 abzulehnen.

Berlin, den 5. Juni 2002

Der Ausschuss für Gesundheit
Klaus Kirschner
Vorsitzender

Hubert Hüppe
Berichterstatter

Drucksache 14/9267 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Hubert Hüppe

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 61. Sitzung am
7. Oktober 1999 den Antrag auf Drucksache 14/1695 in
1. Lesung beraten und dem Ausschuss für Gesundheit zur
federführenden Beratung sowie dem Innenausschuss, dem
Rechtsausschuss und dem Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Wie die hohe Zahl von 11 913 Drogentoten in den Jahren
von Anfang 1992 bis Ende 1998 zeigt, sind viele Bürgerin-
nen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland mit Dro-
genabhängigkeit und deren Folgen – als Abhängige, deren
Angehörige oder als Opfer von Beschaffungskriminalität –
konfrontiert. Der vorliegende Antrag beabsichtigt die Ent-
kriminalisierung des Eigenkonsums von Drogen und fordert
die gesetzliche Festlegung der Grenze der für den Eigen-
konsum gedachten Höchstmenge, um die bisher hier beste-
hende große Spanne zwischen den einzelnen Bundesländern
zu beseitigen.
Zudem wird eine ärztlich kontrollierte Abgabe so genannter
harter Drogen und die Legalisierung von Cannabisproduk-
ten unter bestimmten Voraussetzungen verlangt. Begleitend
ist ein Werbeverbot für alle Drogen – einschließlich Alko-
hol und Tabakprodukte – vorzusehen.
Des Weiteren sind Therapieeinrichtungen, Substitutionspro-
gramme und die soziale Unterstützung für Drogenabhän-
gige weiter auszubauen.

III. Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse
Der Innenausschuss hat in seiner 24. Sitzung am 19. Januar
2000 mit den Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen
der Fraktion der PDS empfohlen, den Antrag auf Drucksa-
che 14/1695 abzulehnen.
Der Rechtsausschuss hat in seiner 120. Sitzung am
20. März 2002 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD,
CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
PDS bei Abwesenheit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 14/1695
abzulehnen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend hat in seiner 87. Sitzung am 20. März 2002 mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
der PDS empfohlen, den Antrag auf Drucksache 14/1695
abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat in seiner 133. Sitzung am
13. März 2002 die Beratung des Antrags auf Drucksache
14/1695 aufgenommen und in seiner 136. Sitzung am
20. März 2002 fortgesetzt; in der 136. Sitzung am 20. März
2002 erfolgte auch der Abschluss der Beratung.
Die Mitglieder der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN hoben hervor, dass der Antrag teilweise in
die richtige Richtung gehe, der Freigabe von Cannabispro-
dukten jedoch internationale Abkommen im Wege stünden.
Es sei allerdings notwendig, im Rahmen dieser internationa-
len Absprachen Wege für eine Entkriminalisierung zu fin-
den.
Der vorliegende Antrag sei zudem weitgehend überholt, da
zwischenzeitlich Modellprojekte ins Leben gerufen und in
den letzten Jahren viele Fortschritte erzielt worden seien,
was die Opposition anerkennend zur Kenntnis nehmen
müsse.
Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU stellten klar,
dass sie den Antrag insbesondere hinsichtlich der freien Ab-
gabe so genannter harter Drogen ablehnten, zumal hierbei
nicht nach der Art der Drogen differenziert werde. Vor al-
lem halte die Fraktion der CDU/CSU die Möglichkeit einer
positiven Wirkung durch die legale Abgabe harter Drogen
für abwegig.
Die Mitglieder der Fraktion der FDP betonten, dass sie
insbesondere eine präzise und einheitliche Definition der
Menge zum straflosen Eigengebrauch von Cannabis für not-
wendig halten. Eine Kriminalisierung suchtkranker Men-
schen helfe nicht weiter. Der Antrag der Fraktion der PDS
gehe aber zu weit, zumal es sich widerspreche, auf der einen
Seite Programme gegen Tabak- und Alkoholsucht anzustre-
ben und auf der anderen Seite den gesamten Drogenmarkt
öffnen zu wollen.
Die Mitglieder der Fraktion der PDS wiesen darauf hin,
dass die Entkriminalisierung des Drogenkonsums den Er-
folg versprechenderen Weg gegenüber der repressiven Dro-
genpolitik der Vergangenheit darstelle. Insbesondere sei
eine ärztlich kontrollierte Abgabe so genannter harter Dro-
gen wünschenswert, da es hierdurch gelänge, nach dem
Schweizer Vorbild Suchtabhängige wieder in ihr soziales
Leben einzugliedern.
Als Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss für Ge-
sundheit den Antrag auf Drucksache 14/1695 mit den Stim-
men der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der
PDS abgelehnt.

Berlin, den 5. Juni 2002
Hubert Hüppe
Berichterstatter

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