BT-Drucksache 14/9190

Haft und Folterung eines syrischen Flüchtlings nach dessen Abschiebung

Vom 31. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9190
14. Wahlperiode 31. 05. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Carsten Hübner, Ulla Jelpke, Heidi Lippmann und der
Fraktion der PDS

Haft und Folterung eines syrischen Flüchtlings nach dessen Abschiebung

Am 20. März 2002 wurde der syrische Kurde H. D. vom Obersten Staatssicher-
heitsgericht Syriens nach einem unfairen Prozess zu zwei Jahren Freiheits-
entzug verurteilt. H. D. war im Dezember 2000 aus Deutschland abgeschoben
worden. Das Urteil des Gerichts bezog sich auf sein exilpolitisches Engagement
in der „Kurdischen Volksunion“ in Deutschland, welche die syrischen Behör-
den als separatistische Organisation ansehen und die in Syrien verboten ist.
Amnesty International stuft H. D. als politischen Gefangenen ein, der lediglich
sein Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in Anspruch
genommen habe (AI-Index: MDE 24/008/2002, 27. März 2002).
Im Asylverfahren in Deutschland hatte H. D. seine politischen Aktivitäten in
Syrien und Deutschland und die daraus resultierenden Gefahren an Leib und
Leben als Kurde in Syrien vorgetragen. Die deutschen Behörden sahen jedoch
sein politisches Engagement als nicht relevant für die Gewährung von politi-
schem Asyl bzw. im Sinne eines Abschiebungshindernisses an (vgl. Presse-
mitteilung der Abgeordneten Heidi Lippmann, 3. Mai 2001; Kurdistan Rund-
brief 2/02, S. 25).
Gleich nach seiner Abschiebung am 10. Dezember 2000 nach Syrien hatten
syrische Sicherheitskräfte H. D. bei seiner Ankunft am Flughafen von Damas-
kus in Haft genommen und wegen seiner politischen Aktivitäten in Deutschland
verhört. Später verschwand er ohne Kontakt zur Außenwelt monatelang in
verschiedenen Haftanstalten, unter anderem in Damaskus und al-Qamishli im
Norden Syriens. Berichten zufolge ist er dort auch immer wieder verhört und
gefoltert worden (AI-Index: MDE 24/055/2001, 30. April 2001; AI-Index:
MDE 24/008/2002, 27. März 2002). Erst aufgrund von Nachfragen einiger
Stellen, darunter auch Amnesty International, hatten syrische Behörden im Mai
2001 die Inhaftierung H. D.’s bestätigt (AI-Index: MDE 24/011/2001, 23. Mai
2001).
Das niedersächsische Innenministerium verhängte zuerst nach dem unaufge-
klärten Verschwinden H. D.’s nach seiner Abschiebung einen Abschiebestopp
für Flüchtlinge aus Syrien. Im Februar 2001 hob das Innenministerium diesen
aber aufgrund der fälschlichen Annahme, H. D. sei erst zwei Monate nach sei-
ner Abschiebung in Syrien inhaftiert worden, wieder auf (Pressemitteilung der
Abgeordneten Heidi Lippmann, 7. November 2001).

Drucksache 14/9190 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die deutsche Bundesregierung:
1. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass der Antrag von H. D.

auf politisches Asyl bzw. auf Gewährung eines Abschiebeschutzes ab-
gelehnt wurde, obwohl dieser im Asylverfahren die Gefahr der Folter und
Inhaftierung bei einer Rückkehr anführte und sich dies auch nach seiner
Abschiebung aus der Bundesrepublik Deutschland bewahrheitete?

2. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um das Schicksal
des syrischen Flüchtlings H. D. nach seiner Abschiebung aus Deutschland
aufzuklären, und welche Erkenntnisse hat sie gewonnen?

3. Hat sich die Bundesregierung nach der Verhaftung von H. D. im Jahre 2000
an die syrischen Behörden gewandt und Aufklärung darüber verlangt, ob
seine Verhaftung mit Sachverhalten begründet wurde, die Gegenstand sei-
nes Asylverfahrens waren oder die mit seinen politischen Aktivitäten in der
Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang stehen?
Wenn ja, welche Erkenntnisse hat sie erhalten?
Wenn nein, warum nicht?

4. Welche Bemühungen wird die Bundesregierung für die sofortige Frei-
lassung H. D.’s aus der Haft und eine Rückkehr nach Deutschland unter-
nehmen?

5. Welche Bemühungen wird die Bundesregierung für eine unabhängige
Untersuchung der an ihm begangenen Folter unternehmen?

6. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um das Schicksal
anderer nach Syrien abgeschobener Personen syrisch-kurdischer Herkunft
aufzuklären, und welche Erkenntnisse hat sie gewonnen?

7. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Folterungen in Ge-
fängnissen in Syrien?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die menschenrechtliche Situation in
Syrien vor allem für Kurdinnen und Kurden?

9. Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung gegen die seit Jahren
anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Syrien unternommen und wel-
che weiteren sind gegebenenfalls vorgesehen?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Abschiebungen von in kur-
dischen Oppositionsparteien politisch tätigen Kurdinnen und Kurden nach
Syrien aufgrund der dortigen Nichtgewährung von Menschen- und Grund-
rechten nicht zu verantworten ist?
Wenn nein, warum nicht?

11. Wird die Bundesregierung sich gegenüber den Ländern auf der Innenminis-
terkonferenz Anfang Juni 2002 für einen generellen Abschiebestopp nach
Syrien einsetzen?

12. Wie viele aus Syrien stammende Personen haben im Jahr 2000/2001 und in
den Monaten Januar bis April 2002 in Deutschland einen Asylantrag
gestellt (bitte nach den einzelnen Monaten sowie nach Geschlecht der Be-
troffenen anführen)?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9190

13. Wie viele aus Syrien stammende Personen sind im Jahr 2000/2001 und in
den Monaten Januar bis April 2002 in Deutschland
a) als Asylberechtigte im Sinne des Artikels 16a Abs. 1 des Grundgesetzes

anerkannt worden,
b) als politisch Verfolgte im Sinne des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes

anerkannt worden,
c) als Träger eines Anspruchs auf Abschiebungsschutz im Sinne des § 53

des Ausländergesetzes anerkannt worden?
(Bitte nach den einzelnen Anerkennungsgründen, den einzelnen Monaten
sowie nach Geschlecht der Betroffenen getrennt aufführen.)

Berlin, den 28. Mai 2002
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Heidi Lippmann
Roland Claus und Fraktion

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