BT-Drucksache 14/9144

1. Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/8584- Vorsorgepolitik für gesundheitsverträglichen Mobilfunk 2. Antrag der Abgeordneten Aigner, Dr. Lippold (Offenbach), Dr. Paziorek, weiterer Abg. und der Fraktion CDU/CSU -14/7286- Mobilfunkforschung und Information vorantreiben 3. Antrag der Abgeordneten Jüttemann, Bulling-Schröter, Dr. Fuchs, weiterer Abg. und der Fraktion der PDS -14/7120- Mobilfunkstrahlung minimieren - Vorsorge stärken

Vom 17. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9144
14. Wahlperiode 17. 05. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/8584 –

Vorsorgepolitik für gesundheitsverträglichen Mobilfunk

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Ilse Aigner, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Dr. Peter Paziorek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
– Drucksache 14/7286 –

Mobilfunkforschung und Information vorantreiben

3. zu dem Antrag der Abgeordneten Gerhard Jüttemann, Eva Bulling-Schröter,
Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/7120 –

Mobilfunkstrahlung minimieren – Vorsorge stärken

A. Problem
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/8584 soll die Bundesregierung u. a. aufge-
fordert werden zu überprüfen, ob die von der Bundesregierung und den Mobil-
funkbetreibern eingeleiteten Vorsorgemaßnahmen dem Ziel gerecht werden, die
Strahlenexposition der Bevölkerung durch Mobilfunksendeanlagen und Mobil-
funkgeräte zu minimieren. Weiter soll dem Deutschen Bundestag regelmäßig,
erstmalig nach zwei Jahren, ein Bericht über die aktuellen Forschungsergeb-
nisse insbesondere zu folgenden Themen vorgelegt werden:
l Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnik,
l gesundheitliche Auswirkungen der von dieser Technik ausgehenden Strah-

lung vor dem Hintergrund der Grenzwerte der 26. Verordnung zur Durch-
führung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektro-
magnetische Felder – 26. BImSchV).

Drucksache 14/9144 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Mit dem Antrag auf Drucksache 14/7286 soll die Bundesregierung u. a. aufge-
fordert werden, eine Reihe von im Einzelnen bezeichneten Maßnahmen (darun-
ter u. a. Erforschung der Langzeitwirkungen der derzeit verwendeten GMS-
und der zukünftigen UMTS-Technik auf die menschliche Gesundheit sowie
Aufklärung der Bevölkerung über Chancen und Risiken des Mobilfunks) zu er-
greifen.
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/7120 soll die Bundesregierung u. a. aufge-
fordert werden, mit einer Novellierung der 26. BImSchV die Grenzwerte für
die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks unter Berücksichtigung der
nichtthermischen Wirkungen sowie des Vorsorgeprinzips soweit abzusenken,
dass gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeschlossen werden können.

B. Lösung
Der Ausschuss ist mehrheitlich der Auffassung, der Antrag auf Drucksache
14/8584 enthalte im Wesentlichen auch die Forderungen des Antrags auf
Drucksache 14/7286, sei aber inhaltlich weitergehender. Für die im Antrag
auf Drucksache 14/7120 u. a. geforderte Absenkung der Grenzwerte in der
26. BImSchV gebe es nach heutigem Stand der wissenschaftlichen Erkennt-
nisse keine hinreichende Begründung.
Annahme des Antrags auf Drucksache 14/8584 mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und PDS bei Stimmenthaltung der Fraktion der
FDP
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/7286 mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stim-
men der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktion der
FDP
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 14/7120 mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen
die Stimmen der Fraktion der PDS

C. Alternativen
Annahme der jeweils abgelehnten Anträge.

D. Kosten
Die mit den verschiedenen Maßnahmen verbundenen Kosten sind Gegenstand
der politischen Diskussion (siehe Bericht).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9144

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Antrag auf Drucksache 14/8584 anzunehmen,
2. den Antrag auf Drucksache 14/7286 abzulehnen,
3. den Antrag auf Drucksache 14/7120 abzulehnen.

Berlin, den 17. April 2002

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Christoph Matschie
Vorsitzender

Marlene Rupprecht
Berichterstatterin

Werner August Wittlich
Berichterstatter

Winfried Hermann
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

Drucksache 14/9144 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Marlene Rupprecht, Werner August Wittlich,
Winfried Hermann, Birgit Homburger und Eva Bulling-Schröter

I.
Die Anträge auf Drucksachen 14/7120, 14/7286 und
14/8584 wurden zur federführenden Beratung an den Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und
zur Mitberatung an den Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie, an den Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft, an den Ausschuss für Gesundheit

und den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung überwiesen.
Bei den beiden erstgenannten Anträgen erfolgte die Über-
weisung in der 201. Sitzung des Deutschen Bundestages
am 15. November 2001, beim letztgenannten Antrag in der
227. Sitzung des Deutschen Bundestages am 21. März
2002.

II.
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/8584 soll die Bundes-
regierung u. a. aufgefordert werden zu überprüfen, ob die
von der Bundesregierung und den Mobilfunkbetreibern ein-
geleiteten Vorsorgemaßnahmen dem Ziel gerecht werden,
die Strahlenexposition der Bevölkerung durch Mobilfunk-
sendeanlagen und Mobilfunkgeräte zu minimieren. Weiter
soll dem Deutschen Bundestag regelmäßig, erstmalig nach
zwei Jahren, ein Bericht über die aktuellen Forschungser-
gebnisse insbesondere zu folgenden Themen vorgelegt wer-
den:
l Emissionsminderungsmöglichkeiten der gesamten Mo-

bilfunktechnik,

l gesundheitliche Auswirkungen der von dieser Technik
ausgehenden Strahlung vor dem Hintergrund der Grenz-
werte der 26. BImSchV.

Mit dem Antrag auf Drucksache 14/7286 soll die Bundes-
regierung u. a. aufgefordert werden, eine Reihe von im Ein-
zelnen bezeichneten Maßnahmen (darunter u. a. Erfor-
schung der Langzeitwirkungen der derzeit verwendeten
GMS- und der zukünftigen UMTS-Technik auf die mensch-
liche Gesundheit sowie Aufklärung der Bevölkerung über
Chancen und Risiken des Mobilfunks) zu ergreifen.
Mit dem Antrag auf Drucksache 14/7120 soll die Bundes-
regierung u. a. aufgefordert werden, mit einer Novellierung
der 26. BImSchV die Grenzwerte für die elektromagneti-

Die mitberatenden Ausschüsse haben wie folgt votiert:

Legende: + = Ja; – = Nein; 0 = Stimmenthaltung; / = Abwesenheit

Drucksache 14/8584 Drucksache 14/7286 Drucksache 14/7120
Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie

Annahme
SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: +
FDP: –
PDS: –

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: +
BÜ90/GR: –
FDP: +
PDS: –

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: –
FDP: –
PDS: +

Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft

Annahme
SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: +
FDP: –
PDS: /

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: +
BÜ90/GR: –
FDP: +
PDS: /

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: –
FDP: –
PDS: /

Ausschuss für Gesundheit Annahme
SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: /
FDP: –
PDS: –

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: +
BÜ90/GR: /
FDP: +
PDS: –

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: /
FDP: –
PDS: +

Ausschuss für Bildung,
Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Annahme
SPD: +
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: +
FDP: 0
PDS: –

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: +
BÜ90/GR: –
FDP: +
PDS: –

Ablehnung
SPD: –
CDU/CSU: –
BÜ90/GR: –
FDP: –
PDS: +

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9144

schen Felder des Mobilfunks unter Berücksichtigung der
nichtthermischen Wirkungen sowie des Vorsorgeprinzips
soweit abzusenken, dass gesundheitliche Beeinträchtigun-
gen ausgeschlossen werden können.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat zum Thema „Mobilfunk - 26. BImSchV“ am
2. Juli 2001 im Wege der Selbstbefassung nach § 62 GO-BT
eine öffentliche Anhörung durchgeführt, an der folgende
Sachverständige teilnahmen:
Prof. Dr. Rainer Frentzel-Beyme, Bremer Institut für Prä-
ventionsforschung und Sozialmedizin, Zentrum für Public
Health Forschung, Bremen;
Prof. Dr. K.-H. Jöckel, Institut für Medizinische Informatik,
Biometrie und Epidemiologie, Essen;
Prof. em. Dipl.-Ing. Günter Käs, Fachbereich Elektrotech-
nik und Radartechnik der Universität der Bundeswehr Mün-
chen, München;
Dr. L. von Klitzing, Medizinische Universität zu Lübeck,
Klinische experimentelle Forschungseinrichtung, Lübeck;
Prof. Dr. J. Michaelis, Johannes-Gutenberg Universität, Kli-
nikum, Mainz;
Dr. H.-P. Neitzke, ECOLOG – Institut für sozialökologische
Forschung und Bildung, Hannover;
Dr. P. Wiedemann, Forschungszentrum Jülich GmbH, Stet-
ternicher Forst, Jülich.
Als Koordinatoren für die Mobilfunkbetreiber waren
Dr. Michael Schüller (D2 Vodafone) sowie Herr Hummel
(TELEKOM) und als Koordinator für die Mobilfunkherstel-
ler Dr. Uwe Kullnick (Siemens AG) anwesend.
Weiter haben Vertreter folgender Verbände bzw. Behörden
teilgenommen:
Bundesärztekammer;
Bundesamt für Strahlenschutz;
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin;
Bundesverband gegen Elektrosmog;
Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände
(Deutscher Städtetag);
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V.;
DGB-Bundesvorstand;
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post;
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (VZBV).
Das auf der Basis eines Tonbandmitschnitts erstellte korri-
gierte Wortprotokoll dieser Sitzung ist der Öffentlichkeit
auch über das Internetangebot des Deutschen Bundestages
zugänglich.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat die Anträge auf den Drucksachen 14/7120, 14/7286
und 14/8584 in seiner Sitzung am 17. April 2002 beraten.
Von Seiten der Fraktion der SPD wurde ausgeführt, man
nehme die Besorgnis der Bevölkerung über mögliche ge-
sundheitliche Gefährdungen durch die elektromagnetischen
Felder der Mobilfunktechnik ernst. Deshalb habe man im

vergangenen Jahr auch die Anhörung durchgeführt. Leider
habe sich dabei trotz mehrfacher Nachfragen keine Hand-
habe ergeben, an den bisherigen rechtlichen Regelungen in
diesem Bereich etwas zu ändern. Alle Untersuchungen mit
Hinweisen auf gesundheitliche Gefährdungen seien nach
wissenschaftlichem Standard nicht reproduzierbar gewesen.
Auch vom Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sei
seinerzeit im Gegensatz zu früheren Aussagen festgestellt
worden, dass die angestrebten freiwilligen Vereinbarungen
mit den Mobilfunkbetreibern ausreichend seien.
Die Bundesregierung habe ihrerseits bei der Strahlenschutz-
kommission einen Bericht zum Stand der wissenschaftli-
chen Erkenntnisse in dieser Sache angefordert. Die Kom-
mission sehe aus wissenschaftlicher Sicht keine Notwendig-
keit, die geltenden Grenzwerte für elektromagnetische Fel-
der zu verändern. Auch nach Bewertung der aktuellen
wissenschaftlichen Literatur sei nicht nachweisbar, dass die
gültigen Grenzwerte keinen ausreichenden Schutz der Be-
völkerung vor Gesundheitsbeeinträchtigungen gewährleis-
teten. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
28. Februar 2002 sei dies bestätigt worden.
Die Bundesregierung habe die wenig transparente Situation
in diesem Forschungsbereich aber zum Anlass genommen,
die dafür zur Verfügung stehenden Mittel auf 20 Mio. Euro
für die Jahre 2002 bis 2005 zu erhöhen. Auch die Mobil-
funkbetreiber hätten sich verpflichtet, für diesen Zweck 8,5
Mio. Euro nachzulegen.
Auf der Anhörung sei auch Kritik an unzureichender Infor-
mation geübt worden. Mit der Entrichtung einer zentralen
Datenbank mit Informationen über alle genehmigten Mobil-
funkanlagen wolle man die Forderung nach Transparenz
über die Dichte und Verteilung bereits vorhandener Mobil-
funksendeanlagen erfüllen. Ferner werde die Bevölkerung
durch Bundesregierung und Mobilfunkindustrie verstärkt
über die Wirkung des Mobilfunks sowie über konkrete Vor-
haben zum Bau von Mobilfunkanlagen informiert. Durch
die Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetreiber werde zu-
dem sichergestellt, dass nicht nur die Kommunen und die
Bevölkerung in Zukunft über deren Netzplanung informiert
würden, sondern die Kommunen auch in die Standortpla-
nung mit einbezogen würden. Noch offen sei die Frage der
Kennzeichnung der Handys, damit der Benutzer auch selbst
leicht feststellen könne, welcher Strahlung er sich aussetze.
Dabei sei insbesondere an Kinder zu denken.
Mit dem eigenen Antrag auf Drucksache 14/8584 fordere
man die Bundesregierung zur zügigen Umsetzung der be-
reits genannten und begonnenen Maßnahmen auf. Insbeson-
dere dringe man darauf, dem Deutschen Bundestag regel-
mäßig, erstmalig nach zwei Jahren, einen Bericht über die
aktuellen Forschungsergebnisse in Bezug auf Emissions-
minderungsmöglichkeiten der gesamten Mobilfunktechnik
und im Hinblick auf gesundheitliche Auswirkungen der
Mobilfunkstrahlung vorzulegen. Dabei sei auch auf die
Frage einzugehen, ob die geltenden Grenzwerte der 26.
BImSchV zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung
vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse dem Vorsorgeprin-
zip genügten.
Die Forderungen im Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/7286 seien im eigenen weitergehenden An-
trag mit enthalten. Von daher könne man ihm nicht zustim-
men. Auch der Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache

Drucksache 14/9144 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

14/7120 enthalte Forderungen, die Teil des eigenen Antrags
seien. Zur dort geforderten Absenkung der Grenzwerte der
26. BImSchV lasse sich aber erst dann eine Entscheidung
treffen, wenn nach wissenchaftlichem Standard verifizier-
bare Forschungsergebnisse vorlägen. Von daher lehne man
auch diesen Antrag ab.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wurde vorgetragen,
man hätte begrüßt, wenn man in dieser Sache zu einem
gemeinsamen Antrag gekommen wäre. Es sei wichtig, die
Sorgen und Ängste der Bürger ernst zu nehmen. Die Anhö-
rung habe allerdings gezeigt, dass sich aufgrund der aktuellen
wissenschaftlichen Forschungsergebnisse nicht nachweisen
lasse, dass die gültigen Grenzwerte keinen ausreichenden
Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsbeeinträchtigungen
im Zusammenhang mit den von der Mobilfunktechnik ausge-
henden elektromagnetischen Strahlung gewährleisteten. Was
die Einführung einer Kennzeichnung für die Handys anbe-
lange, so habe man die Befürchtung, dass dies keinen Beitrag
zu einem sicheren Gebrauch dieser Geräte leiste, da der
Hinweis auf einen bestimmten SAR-Wert (spezifische Ab-
sorptionsrate) irreführend sein könne. Für wichtiger halte
man dagegen, der Bevölkerung zu verdeutlichen, dass es von
der Strahlenbelastung her günstiger sei, mehr Sendeanlagen
zu errichten, weil dann die Strahlungsleistung des einzelnen
Senders geringer sein könne.
Was den Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/8584 anbelange, so
komme er viel zu spät. Die Strahlenschutzkommission habe
schon im Jahre 1998 zu verstärkten Forschungsanstrengun-
gen aufgefordert. Angesichts der UMTS-Erlöse halte man
außerdem die eingestellten Mittel für Forschungszwecke für
zu gering. Im Gegensatz zum eigenen Antrag fehle dort
auch die Forderung nach einer Aufklärungskampagne, die
sich zielgerecht an die Bürger und Kommunen wende. Die
Schaffung einer zentralen Anlaufstelle sei in diesem Zu-
sammenhang unerlässlich. Der eigene Antrag sei somit ziel-
führender. Von daher lehne man den Antrag der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache
14/8584 ab.
Das im Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7120
geforderte obligatorische baurechtliche Genehmigungsver-
fahren für sämtliche Mobilfunksendeanlagen halte man für
zu bürokratisch. Es führe nur zu Verzögerungen, ohne in der
Sache weiterzuhelfen. Eine Novellierung der 26. BImSchV
sei alleine nicht wirksam. Auch sendeanlagenfreie Schutz-
zonen in bestimmten Bereichen halte man für nicht er-
forderlich, wenn die Zusammenarbeit zwischen Mobilfunk-
betreibern und den Kommunen funktioniere. Von daher
lehne man auch diesen Antrag ab.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde festgestellt, es gebe kaum einen Umweltbereich, in
dem sich so viele Bürgerinitiativen oder Protestaktionen ge-
bildet hätten, wie den des Mobilfunks. Der Widerstand ge-
gen diese Technik sei, anders als zu deren Beginn, ziemlich
groß geworden, zum Teil nehme er allerdings irrationale
Züge an. Gleichwohl müssten die geäußerten Ängste ernst
genommen werden, zumal die Wissenschaft Hinweise auf
mögliche gesundheitliche Auswirkungen dieser Technik
gebe. Auf der anderen Seite gebe es auch die Tendenz, alle
Risiken völlig herunterzureden. In diesem Spannungsfeld

bewege man sich. Auch auf der Anhörung hätten die
Wissenschaftler zwar keine Beweise, aber doch zahlreiche
Hinweise auf mögliche Risiken im Zusammenhang mit die-
ser Technik gegeben. Dies habe die Regierungsfraktionen
dazu veranlasst, zu überlegen, was man tun könne, um die
wissenschaftliche Beweislage zu verbessern und am
schnellsten zu einer Risikominimierung zu kommen, bis
eindeutige wissenschaftliche Beweise vorlägen.
Man hätte sich gewünscht, in dieser Sache weiter zu gehen,
als man dies nun im gemeinsamen Antrag auf Drucksache
14/8584 festgehalten habe. Auf der anderen Seite habe man
gegenüber dem vorhergehenden Zustand große Fortschritte
erreicht. Zudem sei gerade von Bundesländern im Süden
Deutschlands signalisiert worden, dass man einer Verschär-
fung der Grenzwerte in der 26. BImSchV erheblichen
Widerstand entgegensetzen werde. Insofern sei auch die von
Seiten der Fraktion der CDU/CSU hier vorgetragene Posi-
tion nicht konsistent. Im eigenen Antrag weise man darauf
hin, dass von der Bundesregierung darauf geachtet werden
müsse, dass die Selbstverpflichtungen der Mobilfunkbetrei-
ber gegenüber den Kommunen auch eingehalten würden,
zumal das mögliche unterschiedliche Schutzniveau auch
rechtsstaatliche Probleme aufwerfe. Man begrüße anderer-
seits, dass es durch die Selbstverpflichtung eine Beteiligung
der Kommunen bei der Netzplanung und der Standortaus-
wahl gebe. Wichtig sei auch, dass endlich ein flächen-
deckendes Netz von Messstellen aufgebaut werde und damit
auch eine Grundlage für eine verbesserte wissenschaftliche
Beurteilung der Strahlung selbst sowie der von ihr ausge-
henden Wirkungen entstehe.
Die im Antrag der Fraktion der CDU/CSU erhobene Forde-
rung nach Einrichtung eines Standortkatasters sei angesichts
der freiwilligen Selbstverpflichtung nicht mehr erforderlich.
Wenn man die von den Mobilfunkbetreibern selbst aufge-
brachten Forschungsmittel von 8,5 Mio. Euro hinzurechne,
bestehe zudem kaum ein Unterschied zwischen den im An-
trag der Fraktion der CDU/CSU geforderten 8 Mio. Euro
pro Jahr und dem, was die Bundesregierung zusammen mit
den Mobilfunkbetreibern bereits für diesen Zweck ausgebe.
Noch mehr Geld zu investieren, bringe nach Aussage der in
diesem Bereich tätigen Wissenschaftler nichts, da es sich
angesichts der existierenden Forschungskapazitäten nicht
ausgeben lasse.
Was das Labeling von Handys anbelange, so wundere man
sich über die trotz der eingegangenen Selbstverpflichtung
seit jüngerem von den Herstellern zum Ausdruck gebrachte
Skepsis. Natürlich lasse sich nicht mit einer einfachen
Kennzeichnung „gesundheits- und umweltfreundlich: Ja
oder Nein“ operieren. Auch eine SAR-Kennzeichnung rei-
che nicht aus, da u. a. die verschiedenen Netze mit ihren un-
terschiedlichen Strahlungswerten zu berücksichtigen seien.
Vorbild könne aber die Klassifizierung sein, wie sie derzeit
beispielsweise bei der sog. weißen Ware – also z. B. Kühl-
schränken – üblich sei.
Was den Antrag der Fraktion der PDS anbelange, so gebe es
an manchen Stellen durchaus Sympathie von Seiten der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wenn in zwei bis
drei Jahren wissenschaftlich konsolidierte Daten vorlägen,
werde man sicher überprüfen, ob zusätzliche Maßnahmen
zum Schutz der Bevölkerung zu ergreifen seien.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9144

Von Seiten der Fraktion der FDP wurde festgestellt, der An-
trag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7120 stütze
seine Forderungen nach Absenkung der Grenzwerte in der
26. BImSchV und nach Einführung eines obligatorischen
baurechtlichen Genehmigungsverfahrens für sämtliche Mo-
bilfunksendeanlagen im Wesentlichen auf eine Studie des
ECOLOG-Instituts Hannover. In ihrer abschließenden Be-
wertung postuliere diese Studie einen kausalen Zusammen-
hang zwischen elektromagnetischen Feldern und Gesund-
heitsbeeinträchtigungen beim Menschen, beziehe sich dabei
aber vor allem auf Studien, bei denen Effekte festgestellt
worden seien, wogegen diejenigen Untersuchungen, bei de-
nen kein Effekt gefunden worden sei, nicht angemessen be-
rücksichtigt würden. Überwiegend würden zudem bei die-
sen Forschungsarbeiten elektromagnetische Felder benutzt,
die beim Mobilfunk überhaupt nicht zur Anwendung
kämen. Der Antrag der Fraktion der PDS trage damit mehr
zur Verunsicherung der Bevölkerung bei, als dass er für
Aufklärung sorge. Dies halte man für unseriös. Von daher
lehne man ihn ab.
In den beiden anderen Anträgen auf den Drucksachen 14/
7286 und 14/8584 werde im Wesentlichen auf die Notwen-
digkeit verwiesen, die Forschungsbemühungen zu intensi-
vieren. Ergänzend werde unter dem Gesichtspunkt der Vor-
sorge eine Kennzeichnung von Handys angemahnt. Für die
Bürger sei diese Art von Zwischenbilanz sicher nicht beson-
ders zufriedenstellend. Da man das Büro für Technikfolgen-
abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) beauftragt
habe, die verfügbaren Studien nochmals einander gegen-
überzustellen und daraus auch Handlungsempfehlungen
abzuleiten, hätte man es selbst für besser gehalten, diesen
Bericht abzuwarten und dann darauf einen gemeinsamen
Antrag zu begründen. Von daher habe man selbst auch kei-
nen Antrag in dieser Sache vorgelegt. Einem gemeinsamen
Antrag stünden offenbar aber auch voneinander abwei-
chende Auffassungen im Hinblick auf eine Absenkung der
Grenzwerte in der 26. BImSchV zwischen der Fraktion der
SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ent-
gegen.
Man selbst werde sich deshalb bei der Abstimmung zu den
Anträgen auf den Drucksachen 14/7286 und 14/8584 der
Stimme enthalten, da man mit einzelnen Punkten dieser An-
träge nicht einverstanden sei. Insbesondere betreffe dies die
Kennzeichnung bei den Handys, wo man auf den SAR-Wert
zurückgreifen wolle. In der Antwort der Bundesregierung
auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP (Drucksache
14/8501) sei deutlich geworden, dass dieser Wert nicht
allein ausschlaggebend sein dürfe, sondern dass trotz niedri-
gem SAR-Wert je nach Einsatzort und -art eine höhere
Strahlenexposition bestehe als bei einem Handy mit einem
höheren SAR-Wert. Im Sinne der Aufklärung hätte man
sich hier präzisere Hinweise auf die Kennzeichnungsmoda-
litäten gewünscht. Beim Antrag der Fraktion der CDU/CSU
halte man den Hinweis auf die Nutzung der UMTS-Erlöse
für wenig hilfreich, da diese Gelder bereits längst an anderer
Stelle eingesetzt worden seien.
Von Seiten der Fraktion der PDSwurde vorgetragen, die wis-
senschaftlichen Untersuchungen zu den gesundheitlichen
Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung hätten unterschied-
liche Ergebnisse. Zum Teil würden sie verneint. Auf der an-
deren Seite gebe es Hinweise auf negative gesundheitliche

Auswirkungenbis hin zurTumorbildung, selbstwenndie gel-
tendenGrenzwerte eingehalten würden. In den letzten Jahren
hätten sich deshalb viele Initiativen gebildet, die die Einfüh-
rung von Vorsorgegrenzwerten in diesem Bereich forderten.
Dies halte man für legitim. Der eigene Antrag unterstütze
dies. Auch von der Bundesregierung sei vor einiger Zeit
schon einmal signalisiert worden, dassman die 26. BImSchV
verändern wolle. Von den Mobilfunkbetreibern sei dann die
Selbstverpflichtung eingegangen worden, deren Vereinba-
rungen durchaus zu begrüßen seien. Im Gegenzug sei aller-
dings die beabsichtigteNovellierung der 26. BImSchV durch
die Bundesregierung angehalten worden. Von daher sei fest-
zustellen, dass zugunsten des kommerziellen Erfolgs derMo-
bilfunkbetreiber gesundheitliche Gefahren für die Bevölke-
rung bewusst in Kauf genommen würden.
Der Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN beschränke sich im Wesentlichen darauf, die sog.
freiwillige Selbstverpflichtung zu loben, deren Kontrolle
anzukündigen und weitere Selbstverpflichtungen zu for-
dern. Man selbst sei dagegen der Auffassung, dass Vorsorge
getroffen werden müsse, um mögliche Schädigungen auszu-
schließen. Für eine solche Vorsorge gebe es aber weder in
dem Antrag auf Drucksache 14/8584 noch in dem Antrag
der Fraktion der CDU/CSU einen Vorschlag. Insofern halte
man diese Anträge für einen Etikettenschwindel. Die gülti-
gen Grenzwerte für die Mobilfunkstrahlung seien seit dem
Jahre 1991 nicht verändert worden. Die ihnen zugrunde lie-
genden wissenschaftlichen Erkenntnisse stammten z. T. aus
der Zeit vor der Einführung digitaler Mobilfunknetze. Nach
eigener Auffassung müssten Vorsorgewerte nicht nur vor
den erwiesenen, sondern auch vor den nicht auszuschließen-
den Gefahren schützen. Dass es diese Gefahren gebe, be-
streite auch die Bundesregierung nicht. Richtig sei aller-
dings, dass eine Absenkung der Grenzwerte Kosten in Höhe
von 2 bis 4 Mrd. Euro verursache. Auch im Antrag der
Fraktion der CDU/CSU würden keine Grenzwertsenkungen
verlangt, obwohl beispielsweise in Bayern von der Partei
der CSU dafür Unterschriften gesammelt würden. Von da-
her lehne man sowohl den Antrag auf Drucksache 14/8584
wie den Antrag auf Drucksache 14/7286 ab.
Von Seiten der Bundesregierung wurde dargelegt, im An-
trag der Fraktion der PDS werde gefordert, Grenzwerte in
der 26. BImSchV festzulegen, die eine gesundheitliche Be-
einträchtigung ausschlössen. Dazu sei festzustellen, dass es
keinen Technikbereich gebe, in dem der Nachweis einer Ge-
fährdung ausgeschlossen werden könne. Es ließen sich ggf.
bestimmte Risiken nachweisen, und es könne versucht wer-
den, Risiken möglichst zu minimieren. Zu suggerieren, dass
sich irgendwann einmal nachweisen lasse, es lasse sich die
Mobilfunktechnik nutzen, eine gesundheitliche Gefährdung
aber ausschließen, sei nicht sachgerecht. Auch die Forde-
rung nach einer Beweislastumkehr helfe nicht weiter, wenn
es darum gehe, prinzipiell ungeklärte Ursachen-Wirkungs-
Zusammenhänge zu klären. Eine Beweislastumkehr sei im-
mer dann sinnvoll, wenn Schutzrechte verletzt würden, wie
das z. B. im Arzneimittelrecht der Fall sei. Beispielsweise
könne aber bei Lebensmitteln auch nicht verlangt werden,
dass jeder, der etwas verkaufe, nachweise, dass eine gesund-
heitliche Beeinträchtigung nicht davon herrühre.
Was die Diskussion um die Änderung der 26. BImSchV an-
belange, so sei es nicht um Grenzwerte, sondern um zusätz-

Drucksache 14/9144 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

liche Vorsorgewerte gegangen. Hier stelle sich aber insbe-
sondere die Frage, wo sie gelten sollten. Mit der Selbstver-
pflichtung, im Rahmen derer eine alternative Standortprü-
fung stattfinde, werde aber gerade diesem Anliegen, in
bestimmten sensiblen Bereichen geringere Expositionen zu-
zulassen, Rechnung getragen.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
gegen die Stimmen der Fraktion der PDS, dem Deutschen
Bundestag zu empfehlen, den Antrag auf Drucksache
14/7120 abzulehnen.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung
der Fraktion der FDP, dem Deutschen Bundestag zu emp-
fehlen, den Antrag auf Drucksache 14/7286 abzulehnen.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und PDS bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der FDP, dem Deutschen Bundestag zu
empfehlen, den Antrag auf Drucksache 14/8584 anzuneh-
men.

Berlin, den 17. April 2002
Marlene Rupprecht
Berichterstatterin

Werner August Wittlich
Berichterstatter

Winfried Hermann
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Eva Bulling-Schröter
Berichterstatterin

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