BT-Drucksache 14/9108

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Johannes Singhammer, Horst Seehofer, Max Straubinger, weiterer Abg. und der Fraktion der CDU/CSU -14/2989- Neue Belastungen für ehrenamtlich Tätigkeiten zurücknehmen b) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Johnannes Singhammer, Horst Seehofer, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -14/3778- Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit

Vom 15. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9108
14. Wahlperiode 15. 05. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Abgeordneten Johannes Singhammer, Horst
Seehofer, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
– Drucksache 14/3778 –

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Johannes Singhammer, Horst Seehofer,
Max Straubinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/2989 –

Neue Belastungen für ehrenamtlich Tätige zurücknehmen

A. Problem
a) Ehrenamtlich Tätige waren in der Vergangenheit mit der ihnen gezahlten

Aufwandsentschädigung weitgehend sozialversicherungsfrei. Die Neurege-
lung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, die zum 1. April 1999 in
Kraft trat, habe gravierende Änderungen zu Lasten des Ehrenamts gebracht.
Vor allem die Zusammenrechnung von geringfügiger Beschäftigung und
nicht geringfügiger Beschäftigung (§ 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV) habe die
Sozialversicherungspflicht vieler ehrenamtlich aktiver Bürger zur Folge ge-
habt. Weiterhin sei eine extensive Handhabung der Kriterien eines Beschäf-
tigungsverhältnisses (§ 7 Abs. 1 SGB IV) durch die Sozialversicherungsträ-
ger zu beobachten. In § 7 SGB IV soll daher klargestellt werden, dass die
Wahrnehmung von Ehrenämtern keine Beschäftigung i. S. des § 7 Abs. 1
SGB IV darstellt.

b) Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben im November
1999 Aufwandsentschädigungen für verschiedene ehrenamtlich Tätige als
sozialversicherungspflichtig beurteilt, da von einem Beschäftigungsverhält-
nis auszugehen sei. Die bisherige Praxis der Krankenkassen, z. B. der AOK-
Bayern, sei damit beendet worden. Der Deutsche Bundestag soll daher die
Bundesregierung auffordern, die pauschalen Aufwandsentschädigungen für
ehrenamtliche Tätigkeiten von Sozialversicherungsbeiträgen auch insofern
freizustellen, als nach allgemeiner Lebenserfahrung üblicherweise von

Drucksache 14/9108 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

einem Anerkennungsobolus ausgegangen werden könne. Hierzu seien ge-
eignete Abgrenzungskriterien zu definieren.

B. Lösung
Ablehnung des Gesetzentwurfs und des Antrags jeweils mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP

C. Alternativen
Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/3778, Annahme des Antrags
auf Drucksache 14/2989.

D. Kosten
Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/9108

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Gesetzentwurf auf Drucksache 14/3778 abzulehnen,
2. den Antrag auf Drucksache 14/2989 abzulehnen.

Berlin, den 15. Mai 2002

Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Doris Barnett
Vorsitzende

Dr. Heinrich L. Kolb
Berichterstatter

Drucksache 14/9108 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb

I. Überweisungen, Voten der mitberatenden
Ausschüsse und Abstimmungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

1. Überweisungen
a) Gesetzentwurf auf Drucksache 14/3778
Der Gesetzentwurf auf Drucksache 14/3778 ist in der
124. Sitzung des Deutschen Bundestages am 12. Oktober
2000 an den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zur
federführenden Beratung und an den Innenausschuss, den
Sportausschuss, den Finanzausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für die Angele-
genheiten der neuen Länder und den Ausschuss für Kultur
und Medien zur Mitberatung überwiesen worden.
b) Antrag auf Drucksache 14/2989
Der Antrag auf Drucksache 14/2989 ist in der 99. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 13. April 2000 an den
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zur federführenden
Beratung und an den Innenausschuss, den Sportausschuss,
den Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und
Technologie, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, den Ausschuss für die Angelegenheiten der
neuen Länder und den Ausschuss für Kultur und Medien
zur Mitberatung überwiesen worden.
2. Voten der mitberatenden Ausschüsse
a) Gesetzentwurf auf Drucksache 14/3778
Der Innenausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
95. Sitzung am 24. April 2002 beraten und mit der Mehr-
heit der Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzu-
lehnen.
Der Sportausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
33. Sitzung am 15. November 2000 beraten und mit der
Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU bei Enthaltung der Fraktion der PDS und Abwe-
senheit der Fraktion der FDP empfohlen, den Gesetzentwurf
abzulehnen.
Der Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner
86. Sitzung am 7. Februar 2001 beraten und mit der Mehr-
heit der Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzu-
lehnen.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Gesetzentwurf in seiner 79. Sitzung am 24. April 2002 bera-
ten und mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU und FDP bei Stimmenthaltung der
Fraktion der PDS empfohlen, den Gesetzentwurf abzuleh-
nen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hat den Gesetzentwurf in seiner 89. Sitzung am
24. April 2002 beraten und mit der Mehrheit der Stimmen
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
gen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Abwesen-
heit der Fraktionen der FDP und PDS empfohlen, den Ge-
setzentwurf abzulehnen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der neuen Län-
der hat den Gesetzentwurf in seiner 49. Sitzung am 8. No-
vember 2000 beraten und mit der Mehrheit der Stimmen der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der PDS und in Abwesenheit der Fraktion
der FDP empfohlen, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Der Ausschuss für Kultur und Medien hat den Gesetzent-
wurf in seiner 45. Sitzung am 6. Dezember 2000 beraten
und mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Ge-
setzentwurf abzulehnen.
b) Antrag auf Drucksache 14/2989
Der Innenausschuss hat den Antrag in seiner Sitzung am
7. Juni 2000 beraten und mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der
PDS empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Sportausschuss hat den Antrag in seiner 33. Sitzung
am 15. November 2000 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Enthaltung der
Fraktion der PDS und in Abwesenheit der Fraktion der FDP
empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Finanzausschuss hat in seiner 63. Sitzung am 17. Mai
2000 auf eine Stellungnahme zu der Vorlage verzichtet.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag in seiner 79. Sitzung am 24. April 2002 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hat den Antrag in seiner 89. Sitzung am 24. April
2002 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion der CDU/CSU bei Abwesenheit der Fraktionen der
FDP und PDS empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der neuen Län-
der hat den Antrag in seiner 49. Sitzung am 8. November
2000 beraten und mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der PDS und in Abwesenheit der
Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Kultur und Medien hat in seiner
34. Sitzung am 7. Juni 2000 auf eine Stellungnahme zu der
Vorlage verzichtet.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/9108

3. Beratungen im federführenden Ausschuss für Arbeit
und Sozialordnung

a) Gesetzentwurf auf Drucksache 14/3778
Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung hat in
seiner 80. Sitzung am 14. Februar 2001 beschlossen, eine
Öffentliche Anhörung zu der Vorlage durchzuführen, die
als 98. Sitzung am 4. Juli 2001 stattfand.
In seiner 129. Sitzung am 24. April 2002 hat der Ausschuss
den Gesetzentwurf beraten und abgeschlossen. Im Ergebnis
der Beratungen wurde der Gesetzentwurf auf der Drucksa-
che 14/3778 mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die
Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und FDP abgelehnt.

b) Antrag auf Drucksache 14/2989
Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung hat den An-
trag in seiner 129. Sitzung am 24. April 2002 beraten und
abgeschlossen. Im Ergebnis der Beratungen wurde der An-
trag mit der Mehrheit der Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und FDP abgelehnt.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
a) Gesetzentwurf auf Drucksache 14/3778
In § 7 SGB IV wird klargestellt, dass die Wahrnehmung von
Ehrenämtern keine Beschäftigung i. S. des § 7 Abs. 1
SGB IV darstellt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Druck-
sachen verwiesen.

b) Antrag auf Drucksache 14/2989
Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffor-
dern, die pauschalen Aufwandsentschädigungen für ehren-
amtliche Tätigkeiten von Sozialversicherungsbeiträgen
auch insofern freizustellen, als nach allgemeiner Lebens-
erfahrung üblicherweise von einem Anerkennungsobolus
ausgegangen werden könne. Hierzu seien geeignete Ab-
grenzungskriterien zu definieren.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen
Zu der Öffentlichen Anhörung, die am 4. Juli 2001 als
98. Sitzung stattfand, haben die Anhörungsteilnehmer
schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die zusammenge-
fasst in der Ausschussdrucksache 14/1649 verteilt wurden.
Der Themenkatalog umfasste folgende Punkte:
1. Bedeutung und Umfang der Ehrenämter und ehrenamt-

licher Tätigkeit
2. Abgrenzung Ehrenamt/ehrenamtlicher Tätigkeit von Er-

werbstätigkeit
3. Sozialversicherungspflicht/-freiheit
Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachver-
ständige haben an der Anhörung teilgenommen:

1. Verbände/Institutionen
l Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
l Deutscher Gewerkschaftsbund
l Bundesanstalt für Arbeit
l Verband Deutscher Rentenversicherungsträger
l Deutscher Sportbund (DSB)
l Deutscher Feuerwehrverband
l Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege

e. V.
l Deutscher Städte- und Gemeindebund
2. Einzelsachverständige
l Marcel Erlinghagen, Institut für Arbeit und Technik,

Gelsenkirchen
l Professor Dr. Winfried Boecken LL. M., Universität

Konstanz, Fachbereich Rechtswissenschaften
l Professor Dr. Gerhard Igl, Lehrstuhl für Öffentliches

Recht und Sozialrecht, Christian-Albrechts-Universität
zu Kiel

l Dr. sc. Eckhard Priller, Wissenschaftszentrum für Sozial-
forschung, Berlin

Nachstehend werden die wesentlichen mündlichen Aus-
sagen der Sachverständigen komprimiert dargestellt.
Verbände und Institutionen
Nach Ansicht der Bundesvereinigung der Deutschen Ar-
beitgeberverbände sei die Absicht, ehrenamtliches Enga-
gement durch die Freistellung von der Sozialversicherung
zu fördern, zu begrüßen. Der Gesetzentwurf greife insge-
samt jedoch zu kurz, da er lediglich eine Verbesserung der
sozialbeitragsrechtlichen Seite der ehrenamtlichen Tätigkeit
bezwecke. Völlig außen vor blieben die im Rahmen des
Steuerrechts bestehenden Ungleichbehandlungen. Insbeson-
dere im Bereich der Aufwandsentschädigung für ehrenamt-
liche Mitglieder in Selbstverwaltungsorganen im Sinne des
§ 41 SGB IV bestehe Änderungsbedarf. Der Gesetzentwurf
sollte modifiziert werden, damit die existierenden Ungleich-
behandlungen im Rahmen des Sozialversicherungs- und
Steuerrechts ausgeschlossen werden. Die Zielsetzung des
Entwurfs, die Kriterien zur Definition von Ehrenämtern zu
konkretisieren, werde unterstützt. Unverständlich sei aller-
dings, dass in Artikel 1 § 7 Abs. 5 Nr. 2 SGB IV die Arbeit-
geberverbände nicht ausdrücklich in die Aufzählung aufge-
nommen seien.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund erklärte, bürgerschaftli-
chen Aktivitäten sei zu eigen, dass sie als unbezahlte Tätig-
keiten geleistet würden. Kostenerstattungen gegen Nach-
weis bzw. pauschalierte Kostenerstattungen charakteri-
sierten bürgerschaftliches Engagement. Bürgerschaftliche
Tätigkeit ende da, wo über diese Tätigkeit hinaus bezahlt
werde. Als Kostenerstattung zähle die pauschalierte Auf-
wandsentschädigung z. B. für Telefon, Briefverkehr, Ge-
schäftsauslagen. Insofern bestehe im Hinblick auf den Ge-
setzentwurf kein Handlungsbedarf. Wünschenswert wäre
allerdings eine deutliche Entbürokratisierung der Verfahren
zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht bzw. -freiheit.

Drucksache 14/9108 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Im Übrigen gelte es festzuhalten, dass bereits eine monetäre
Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in Form der
Übungsleiterpauschale existiere und sogar eine weitere För-
derung von Seiten der SPD geplant sei. Nach Auffassung
des DGB sollte als zusätzliche weitere Förderung des bürger-
schaftlichen Engagements in Infrastrukturmaßnahmen, wie
beispielsweise Bürger- und Stadtteilbüros, investiert werden.
Die Bundesanstalt für Arbeit vertrat die Auffassung, die
beabsichtigte Gesetzesänderung dürfte die Wahrnehmung
von Ehrenämtern begünstigen. Allerdings dürfe die zeit-
liche Inanspruchnahme durch das Ehrenamt nicht dazu füh-
ren, dass die Eigensuche des Arbeitslosen nach einem
Arbeitsplatz beeinträchtigt und somit die Beendigung der
Arbeitslosigkeit verzögert oder verhindert werde. Durch die
geplante Änderung in § 7 Abs. 5 Nr. 2 letzter Halbsatz
SGB IV könnten möglicherweise Mitnahmeeffekte derge-
stalt eintreten, dass die hohe Aufwandsentschädigung des
Ehrenamtes zur Versicherungspflicht führe. Bei Erfüllung
der sonstigen Voraussetzungen könnte dann aus dem „ver-
sicherungspflichtigen Ehrenamt“ ein Leistungsanspruch ab-
geleitet werden.
Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger kri-
tisierte den Gesetzentwurf, weil er die bestehende Systema-
tik der Sozialversicherungspflicht durchbreche. Die Sozial-
versicherungspflicht liege vor, wenn eine Beschäftigung
ausgeübt und hieraus Arbeitsentgelt bezogen wird. Das Vor-
liegen bzw. Nichtvorliegen einer Beschäftigung hänge we-
der von der Bezeichnung einer Tätigkeit noch von der Höhe
der bezogenen Arbeitsentgelte ab. Ein Ehrenamt könne so-
mit außerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses, in einen
Beschäftigungsverhältnis und gegebenenfalls im Rahmen
einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt werden. Durch das
vorgesehene Recht eines ehrenamtlich Tätigen, seine Tätig-
keit als Beschäftigung zu behandeln, würden auch Personen
in das Sozialversicherungssystem aufgenommen werden,
die tatsächlich keine Beschäftigung ausübten. Außerdem
würde der Gesetzentwurf eine unterschiedliche Behandlung
der Einkünfte aus einem Ehrenamt im Steuerrecht und im
Sozialversicherungsrecht zur Folge haben. Es sollte aber
nach Möglichkeit an dem Grundsatz festgehalten werden,
dass Einkünfte im Steuerrecht und im Sozialversicherungs-
recht grundsätzlich gleichbehandelt werden.
Der Deutsche Sportbund (DSB) stand dem Gesetzentwurf
insgesamt uneingeschränkt positiv gegenüber. Der vom
DSB verabschiedete Forderungskatalog sehe die Einfüh-
rung eines Ehrenamtsgesetzes oder sonstiger geeigneter Re-
gelungen als besonders vordringlich an. Der vorliegende
Gesetzesentwurf trage dem Rechnung, indem die innerhalb
der Grenzwerte geleistete Tätigkeit sowohl steuerlich als
auch sozialversicherungsrechtlich nicht relevant sein soll.
Das Gesetz indiziere, dass dann, wenn die genannten Grenz-
beträge nicht überschritten seien, ehrenamtliche Tätigkeit
für z. B. gemeinnützige Organisationen anzunehmen sei.
Die gewünschte Entlastung für die Vereine würde eintreten,
da ein Großteil der in diesem Sinne ehrenamtlich Beschäf-
tigten aus dem Meldeverfahren herausfiele. Das Überschrei-
ten der Grenzbeträge würde hingegen indizienhaft für die
Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses sprechen und
insofern Sozialversicherungspflicht auslösen. Dies wäre für
die Vereine zu verkraften, da hiervon nur wenige Mitarbei-
ter (im Umkehrschluss) betroffen wären.

Der Deutscher Feuerwehrverband konstatierte, die exten-
sive Handhabung der Kriterien eines Beschäftigungsver-
hältnisses durch die Sozialversicherungsträger stoße bei den
ehrenamtlich Tätigen auf Unverständnis. Die leistungs-
rechtliche Seite der Versicherungspflicht sei den ehrenamt-
lich Tätigen nicht zu vermitteln, da in allen Fällen eine an-
derweitige ausreichende Absicherung gegeben sei. Die So-
zialversicherungspflicht für ehrenamtlich Tätige werde u. a.
deshalb abgelehnt, weil sich in vielen Fällen Bagatellbe-
träge ergäben, bei denen erhebliche Kosten (Gehaltsabrech-
nungen, EDV-Kosten, Ermittlung der steuerpflichtigen An-
teile durch den Weisungsgeber usw.) bei der Verbeitragung
entstünden. Der vorliegende Gesetzentwurf erscheine als
die beste Lösung. Dem Ehrenamt würde zumindest kein
weiterer Schaden zugefügt. Die Auffassung, dass ehrenamt-
liche Feuerwehrangehörige in einem abhängigen Beschäfti-
gungsverhältnis stünden, sei abwegig und wirklichkeits-
fremd. Es werde daher die vollständige Freistellung von So-
zialversicherungsbeiträgen und außerdem die Anhebung der
sog. Übungsleiterpauschale auf 4 800 DM gefordert.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrts-
pflege e.V. sah mit Sorge, dass sich die Diskussion im
politischen Raum um Ehrenamtsförderung zunehmend auf
finanzielle Anreize für Freiwillige konzentriere und dadurch
das Einfallstor für Prinzipien der Erwerbsarbeit in den bür-
gerschaftlich organisierten Raum Zug um Zug geöffnet
werde. Im Hinblick auf die Frage der sozialversicherungs-
rechtlichen Behandlung der Aufwandsentschädigung für
ehrenamtliche Tätigkeit sei die gegenwärtige Rechtslage
grundsätzlich ausreichend. Insbesondere stelle die Vor-
schrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sicher, dass für die
steuerfreien Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 26
EStG keine Sozialversicherungsbeiträge anfielen. Eine wei-
tergehende Regelung im Sinne des vorgeschlagenen § 7
Abs. 5 (Nr. 2) SGB IV berge die Gefahr in sich, dass die
Grenzen zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und geringfügi-
ger Beschäftigung in den aufgezählten Tätigkeitsfeldern
„verschwimmen“. In der Praxis könne dies für die gewach-
senen Strukturen von sich ergänzenden haupt- und ehren-
amtlichen Tätigkeiten zu erheblichen Nachteilen führen.
Kritisch zu sehen sei in diesem Zusammenhang auch die im
letzten Absatz des vorgeschlagenen § 7 Abs. 5 SGB IV be-
schriebene Option, die ehrenamtlich ausgeübte Tätigkeit als
Beschäftigung behandeln lassen zu können.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßte den
Gesetzentwurf, dem sowohl in der Zielsetzung als auch in
der vorgeschlagenen Lösung zugestimmt werden könne. Er
enthalte eine Regelung, die der Verunsicherung unter den
Ehrenamtlern begegnen könne und eine Vielzahl von Pro-
blemen beseitige. Er biete eine Chance, Belastungen durch
das Sozialversicherungsrecht für das bürgerschaftliche En-
gagement zu beseitigen. Dabei sollte nicht verkannt werden,
dass es auch bei der vorgeschlagenen Regelung für viele
Bürgermeister, Amtsvorsteher etc. keine Verbesserung gebe,
weil deren Aufwandsentschädigungen über 640 (West) bzw.
520 DM (neue Bundesländer) lägen. Richtig sei es, eine
Grenze für die Sozialversicherungsfreiheit der Aufwandsent-
schädigung zu ziehen. Der Vorschlag in Höhe von 1/7 der
monatlichen Bezugsgröße sei dabei angemessen. Zu beden-
ken sei, dass der Gesetzentwurf keine Veränderung für die
steuerliche Ungleichbehandlung z. B. von Sporttrainern und
Bürgermeistern etc. bringe. Der DStGB setzte sich dafür ein,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/9108

die kommunalen Ehrenämter in die „Übungsleiterpauschale“
einzubeziehen und diese deutlich zu erhöhen.

Einzelsachverständige
Herr Erlinghagen, Institut für Arbeit und Technik, Gel-
senkirchen, erklärte, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
sei eine prinzipielle Wende in der bereits heute bestehenden
staatlichen Förderung gemeinnützigen Engagements ver-
bunden. Werde bislang gemeinnützige Arbeit vor allem
durch direkte oder indirekte staatliche Zuwendungen (z. B.
Zuschüsse oder Steuerbefreiungen) an gemeinnützig gel-
tende Organisationen gefördert, beinhalte der Gesetzent-
wurf eine Förderung der ehrenamtlich Aktiven selbst. Dem-
nach bemühe sich der Gesetzentwurf, die bislang zumeist
praktizierte Objektförderung zu Gunsten einer verstärkten
Subjektförderung zu verschieben. Mit einer verstärkten
Subjektförderung gemeinnützigen Engagements könnten al-
lerdings eine Reihe von Problemen verbunden sein: Eine
verstärkte Subjektförderung erhöhe den Verwaltungsauf-
wand und verringere die sozialpolitische Zielgenauigkeit,
Kontinuität und Effizienz staatlicher Fördermaßnahmen.
Neben den grundsätzlichen Bedenken gegenüber einer ver-
stärkten Subjektförderung berge der Gesetzentwurf die Ge-
fahr eines Missbrauchs durch die Umwidmung regulärer
Beschäftigung in ehrenamtliche Arbeit in sich.
Nach Auffassung von Professor Dr. Winfried Boecken
LL. M., Universität Konstanz, sollte die begrüßenswerte
Entlastung ehrenamtlicher Tätigkeiten von der Sozialver-
sicherungsbeitragspflicht rechtsystematisch nicht über die
Fiktion einer fehlenden Beschäftigung, sondern über die
dem Sozialversicherungsrecht bekannte Rechtsfigur der
Versicherungsfreiheit hergestellt werden. Des Weiteren
sollte der Gleichlauf von Beitragspflicht bzw. Beitragsfrei-
heit und Steuerpflicht bzw. Steuerfreiheit bewahrt werden.
Soweit dies durch Anbindung des Sozialversicherungs-
rechts an das Steuerrecht gewährleistet werde, bedürfe es
keiner Sonderregelung im Sinne der Fiktion einer fehlenden
Beschäftigung bei ehrenamtlicher Tätigkeit oder einer
zusätzlichen Versicherungsfreiheitsregelung. Schließlich
sollte bei einer Sonderregelung der ehrenamtlichen Tätig-
keit im Bereich der Sozialversicherung darauf geachtet wer-
den, für die alten und die neuen Bundesländer eine in ihren
Auswirkungen einheitliche Bestimmung zu schaffen.
Professor Dr. Gerhard Igl, Christian-Albrechts-Univer-
sität zu Kiel, machte deutlich, dass der Gesetzentwurf ent-
gegen seinen Intentionen zwar auf der einen Seite eine ge-
wisse Entbürokratisierung schaffe, auf der anderen Seite
aber die Rechtslage unübersichtlicher werde. Dies komme
insbesondere darin zum Ausdruck, dass darauf verzichtet
werden soll, ehrenamtliche Tätigkeiten der sozialversiche-
rungsrechtlichen Meldepflicht zu unterwerfen, wie sie für
die geringfügigen Beschäftigungen vorgesehen sei (vgl.
§ 28a Abs. 9 SGB IV). Damit werde insbesondere darauf
verzichtet zu kontrollieren, ob mehrere ehrenamtliche Tä-
tigkeiten zusammenzurechnen seien, mit der Konsequenz,
dass die mit der Regelung bezweckte Freistellung von der
Sozialversicherungspflicht wegfalle. Die Vermeidung sozi-
alversicherungsrechtlicher Verpflichtungen könne nicht per
se zu einer Förderung des Ehrenamtes führen. Die Verschaf-
fung von Rentenpunkten für ehrenamtliche Tätigkeit werde
z. B. in der Diskussion um das Ehrenamt durchaus als An-

reiz für das Ehrenamt angesehen. Gleiches gelte für den
Schutz in der Unfallversicherung. Das Argument der „uner-
wünschten Kommerzialisierung des Ehrenamtes“ aufgrund
des Einbezugs von ehrenamtlich Tätigen in die Sozialver-
sicherungspflicht, sofern ein Beschäftigungsverhältnis vor-
liege, entbehre der Nachvollziehbarkeit. Das Ehrenamt
werde vielmehr schon dann „kommerzialisiert“, wenn je-
mand aus ehrenamtlicher Betätigung über den echten Auf-
wendungsersatz hinaus Einnahmen erzielen könne.
Dr. sc. Eckhard Priller hob hervor, der größte Anteil eh-
renamtlich tätiger Bürger erhalte für seine Tätigkeit keine
finanziellen Aufwandsentschädigungen. Die Förderung
ehrenamtlicher Tätigkeit sollte sich deshalb nicht auf diesen
Aspekt beschränken. Hingegen seien generelle Überlegun-
gen zur Förderung ehrenamtlicher Tätigkeit anzustreben,
die weit über eine Sozialversicherungsbefreiung hinaus
reichten und das gesamte Spektrum möglicher Maßnahmen
berücksichtigen sollten (z. B. öffentliche Anerkennung,
Freistellungen, Zertifikate, genereller Versicherungsschutz,
Berücksichtigung bei Rentenanwartschaft). Entsprechende
Vorschläge seien von der Enquete-Kommission „Zukunft
des Bürgerschaftlichen Engagements“ des Deutschen Bun-
destages zu erwarten und sollten als Paket behandelt wer-
den. Insofern sei der vorliegende Gesetzentwurf durch die
Berücksichtigung nur des finanziellen Aspekts als nicht
weitreichend genug anzusehen.

IV. Ausschussberatungen
Einig war sich der Ausschuss darüber, dass die ehrenamt-
liche Tätigkeit gefördert werden muss. Gestritten wurde
über die Notwendigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen.
Die Mitglieder der Fraktion der SPD hielten bürgerschaft-
liches Engagement in der Gesellschaft für unverzichtbar.
Finanzielle Anreize zur Stärkung des bürgerschaftlichen
Engagements, wie sie von der Fraktion der CDU/CSU vor-
geschlagen würden, seien jedoch nicht geeignet, um das
bürgerschaftliche Engagement zu fördern. Bayern habe den
selben Vorschlag bereits im Jahr 2000 im Bundesrat einge-
bracht, der Bundesrat habe ihn jedoch nicht mitgetragen.
Auch die öffentliche Anhörung habe deutlich gemacht, dass
die Interessenverbände den Gesetzentwurf überwiegend
ablehnten. Die Einführung des Begriffs „Ehrenamt“ sei der
falsche Weg, weil es diesen Begriff weder im Steuer- noch
im Sozialversicherungsrecht gebe. Die Sachverständigen
und die Verbände hätten sich in der öffentlichen Anhörung
gegen neue ungesicherte Beschäftigungsverhältnisse ge-
wandt. Der Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU gehe
in die falsche Richtung und werde daher abgelehnt.
Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU wiesen darauf
hin, dass die Vorlagen die klare Zielsetzung enthielten, das
Ehrenamt zu fördern. Ausgangspunkt der Überlegungen sei
die Neuregelung der 630-DM-Jobs gewesen, mit der es eine
falsche Weichenstellung gegeben habe. Die Koalition habe
bereits selbst mehrfach Korrekturen an diesen Neuregelun-
gen vornehmen müssen, so z. B. im Hinblick auf die
Übungsleiter. Das Beste wäre es, die gesamte Neuregelung
der 630-DM-Jobs zurückzunehmen. Tätigkeiten, die in den
Vorschriften von Bund und Ländern als ehrenamtlich be-
zeichnet würden, sollten nicht mehr sozialversicherungs-

Drucksache 14/9108 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

pflichtig sein. Der Deutsche Sportbund und der Deutsche
Städte- und Gemeindebund unterstützten diese Forderungen.
Nach Auffassung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN sei die Definition in Artikel 1 Nr. 2 des Gesetz-
entwurfs, was Ehrenämter seien, nicht zweckmäßig, weil
eine solche Liste nicht endgültig festgelegt werden könne.
Die 630-DM-Neuregelungen (325 Euro) sollten beibehalten
werden. Regelmäßige Arbeitsstellen sollten nicht in Ehren-
ämter umgewandelt werden. Die Frage der Ehrenämter
sollte im Übrigen bundesweit und nicht auf Landesebene
geregelt werden.
Für die Mitglieder der Fraktion der FDP machte der
Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Zukunft des
Bürgerschaftlichen Engagements“ deutlich, dass sich das
Ehrenamt in vielfältiger Weise weiterentwickelt habe. Bei
einer alternden Bevölkerung müsse mehr ehrenamtliche
Tätigkeit geleistet werden als bisher. Neben den klassischen

Wohlfahrtsverbänden sei eine Vielzahl von neuen kleinen
Organisationen entstanden, die aus dem Leben kleinerer
Städte nicht mehr wegzudenken seien. Die Einführung der
Sozialversicherungspflicht für Aufwandsentschädigungen
ehrenamtlich Tätiger durch die Koalition zu Beginn der Le-
gislaturperiode sei ein Irrweg gewesen und müsse wieder
rückgängig gemacht werden. Der Ansatz der CDU/CSU sei
richtig und werde daher unterstützt.
Die Mitglieder der Fraktion der PDS kritisierten, die Vor-
lagen seien bereits zwei Jahre alt. Die Enquete-Kommission
„Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ habe ge-
rade ihren Abschlussbericht vorgelegt, der – bei vier Enthal-
tungen aus der Fraktion der CDU/CSU – einstimmig ange-
nommen worden sei. Dieser umfassende Bericht enthalte
eine Fülle von Hinweisen, die bei der Erarbeitung eines
Gesetzentwurfs aufgegriffen werden könnten. Teillösungen,
wie sie die Fraktion der CDU/CSU vorschlage, reichten zur
Lösung der vorliegenden Probleme nicht aus.

Berlin, den 15. Mai 2002
Dr. Heinrich L. Kolb
Berichterstatter

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