BT-Drucksache 14/9098

Nationale Verantwortung des Bundes für Kunst und Kultur stärken

Vom 15. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9098
14. Wahlperiode 15. 05. 2002

Antrag
der Abgeordneten Eckhardt Barthel (Berlin), Hans-Werner Bertl, Monika Griefahn,
Kerstin Griese, Angelika Krüger-Leißner, Horst Kubatschka, Lothar Mark,
Günter Oesinghaus, Michael Roth (Heringen), Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Gisela Schröter, Dr. Angelica Schwall-Düren, Ludwig Stiegler, Jörg Tauss,
Gert Weisskirchen (Wiesloch), Heino Wiese (Hannover), Hanna Wolf (München),
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Grietje Bettin, Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN

Nationale Verantwortung des Bundes für Kunst und Kultur stärken

Nach dem Regierungswechsel 1998 hat die Kulturpolitik auf Bundesebene
durch die Bündelung der kulturpolitischen Kompetenzen im Amt des Staatsmi-
nisters für Kultur und Medien sowie die Einrichtung des Bundestagsauschusses
für Kultur und Medien einen deutlich größeren Stellenwert erhalten. Gemein-
sam wurden im Bereich der Kulturordnungspolitik die Weichen neu gestellt
durch eine Kurskorrektur bei der Besteuerung selbständiger ausländischer
Künstlerinnen und Künstler, einer Verbesserung der sozialen Absicherung der
Kulturschaffenden im Zuge der Novelle des Künstlersozialversicherungsge-
setzes, der Sicherung der Buchpreisbindung, der letztlich parteiübergreifend
gelungenen Reform des Urhebervertragsgesetzes wie auch der überfälligen
Reform des Stiftungsrechts. Der Bund hat neue Akzente gesetzt bei der Film-
förderung, die Hauptstadtkulturförderung neu geordnet, die Mittel für die
Sicherung der kulturellen Substanz in den neuen Ländern erheblich aufgestockt
und der deutschen Kultur auf europäischer und internationaler Ebene endlich
die notwendige politische Außenrepräsentanz verschafft. Ein weiterer sichtba-
rer Ausdruck des verstärkten kulturpolitischen Engagements des Bundes ist
schließlich die nach 30-jähriger Vorgeschichte gegründete Kulturstiftung des
Bundes, deren Gewicht für die weitere Kulturentwicklung in Deutschland nicht
zu unterschätzen ist.
In dieser Phase einer erfolgreichen Neuorientierung der Bundeskulturpolitik
haben die Ministerpräsidenten der Länder den Wunsch nach einer Überprüfung
der Zuständigkeiten im Kulturbereich geäußert, eingebettet in das Gene-
ralthema Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung. Seit den ersten Be-
schlüssen der Regierungschefs im Sommer vergangenen Jahres bis zum letzten
Beschluss vom 8. März 2002 „Systematisierung/Entflechtung der Kulturförde-
rung und Kulturstiftung des Bundes und der Länder“ gibt es eine breite öffent-
liche Diskussion, wobei es nicht nur um abstrakte Zuständigkeitsfragen geht,
sondern ganz unmittelbar die weitere Finanzierung vieler Kulturinstitutionen
und -projekte betroffen ist. Der Beauftragte der Bundesregierung für Ange-
legenheiten der Kultur und der Medien, Staatsminister Prof. Dr. Julian Nida-
Rümelin, hat für den Bund – mit breiter Unterstützung im Bundestagsausschuss
für Kultur und Medien – die Position des Bundes vertreten, dass die Kultur in

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Deutschland in der gemeinsamen Verantwortung aller drei staatlichen Ebenen,
also Bund, Länder und Kommunen, liegt. Es gibt eine nationale Verantwortung
des Bundes für die Förderung von Kunst und Kultur.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der
Medien, Staatsminister Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, hat den Ausschuss für
Kultur und Medien regelmäßig über den Fortgang der Gespräche mit den Län-
dern unterrichtet, insbesondere auch zur Frage der weiteren Beteiligung der
Länder an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der möglichen Zusam-
menführung der Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung der Länder
zu einer gemeinsam getragenen nationalen Kulturstiftung. Der Deutsche Bun-
destag hat bislang zu den Verhandlungen nicht durch einen Plenarbeschluss
Stellung genommen. Da indes elementare Fragen des kooperativen Kulturföde-
ralismus, der Pflege des kulturellen Erbes und der weiteren kulturellen Ent-
wicklung Deutschlands angesprochen sind, ist eine parlamentarische Beratung
und deutliche Unterstützung der Bundesposition in den Verhandlungen notwen-
dig. Die kulturpolitische Kompetenz des Bundes muss am Ende aus den Ge-
sprächen gestärkt hervorgehen.

Der Bundestag wolle beschließen:
1. Die Förderung von Kunst und Kultur ist eine gemeinsame Aufgabe von

Bund, Ländern und Kommunen. Es gibt eine in den letzten Jahren, nicht zu-
letzt auch im Zuge des deutschen Einigungsprozesses, deutlich gestiegene
nationale Verantwortung des Bundes für die Kultur.

2. Eine Systematisierung der Förderkompetenzen ist gewinnbringend für die
Kultur, wenn sie nach sachgerechten Kriterien, d. h. an kulturellen Notwen-
digkeiten und nicht an kurzfristigen finanziellen Entlastungen orientiert er-
folgt. Systematisierung bedeutet dabei zum einen klarere Verantwortungszu-
teilungen und Abgrenzungen, andererseits Kooperation dort, wo dies für die
Pflege des nationalen Erbes und die Kulturentwicklung Deutschlands ange-
zeigt ist. Gemeinsame Förderungen sind im Kulturbereich nicht nur zuläs-
sig, sondern vielfach die allein angemessene Form der Aufgabenerfüllung.
Dabei sollte sich die Aufteilung der Entscheidungsbefugnisse in den ge-
meinsam geförderten Institutionen an den jeweiligen eingebrachten Förder-
mitteln orientieren. Systematisierung einerseits und Kooperation anderer-
seits schließen sich nicht aus. Der Kulturstandort Deutschland ist auf beides
angewiesen.

3. Der Bund hat eine Kompetenz zur Kulturförderung im Bereich der Auswär-
tigen Kulturpolitik, der Repräsentation des Gesamtstaates in der Bundes-
hauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn, der historischen Stätten, natio-
nalen Denkmäler und Gedenkstätten, der kulturellen Filmförderung, des
Denkmalschutzes und der Baukultur, der Rückführung von Kulturgut und
des Kulturgüterschutzes, der kulturellen Angelegenheiten der Vertriebenen
und Flüchtlinge sowie nationaler Minderheiten, der Förderung der kulturel-
len Substanz und herausragender Kultureinrichtungen in den neuen Bundes-
ländern sowie der als Weltkulturerbe anerkannten Kulturstätten in Deutsch-
land.

4. Darüber hinaus hat der Bund allgemein eine ungeschriebene Zuständigkeit
aus der Natur der Sache zur Förderung gesamtstaatlich bedeutsamer Kultur-
einrichtungen und -projekte sowie von nichtstaatlichen Kulturorganisatio-
nen auf der Bundesebene (Dachverbände). Der Bund trägt Mitverantwor-
tung für diejenige Kultur, die von nationaler Bedeutung ist, sich demzufolge
nicht regionalisieren lässt und durch ein Land allein nicht wirksam gefördert
werden kann. Diese Auffassung haben alle Bundesregierungen – unabhän-
gig von ihrer politischen Zusammensetzung und stets mit breiter Unterstüt-

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zung des Deutschen Bundestages – seit Bestehen der Bundesrepublik
Deutschland vertreten und in der Staatspraxis zur Grundvoraussetzung ihres
kulturpolitischen Engagements gemacht. Der Deutsche Bundestag bekräftigt
diese Gesamtverantwortung des Bundes für die Kunst und Kultur in
Deutschland.

5. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist ein gelungenes Beispiel kooperati-
ven Kulturföderalismus. Ein völliger Rückzug der oder einzelner Länder aus
der Mitfinanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist aus föderalis-
tischer und kulturpolitischer Sicht nicht wünschenswert; die Verantwortung
für das preußische Erbe liegt nicht allein beim Bund.

6. Die neue Kulturstiftung des Bundes und die bewährte Kulturstiftung der
Länder sollten auf mittlere Sicht zu einer gemeinsam von Bund und Ländern
getragenen nationalen Kulturstiftung zusammengeführt werden. Dabei sind
vorher die Verantwortungssphären abzuklären; es bedarf außerdem einer
höheren finanziellen Beteiligung der Länder als derzeit, damit zwei gleich-
gewichtige Stiftungsteile entstehen können.

7. Der Deutsche Bundestag erwartet wie bisher eine regelmäßige Unterrich-
tung der Bundesregierung im Ausschuss für Kultur und Medien über den
Fortgang der Gespräche mit den Ländern.

8. Unter Bezugnahme auf den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz
vom 20. Dezember 2001 (Ergebnisprotokoll TOP 1.3, Ziff. 2) ist auch der
Deutsche Bundestag der Auffassung, dass die angestrebte Vereinbarung der
Regierungschefs von Bund und Ländern über die Aufgabenabgrenzung im
Kulturbereich einer Bestätigung in „übereinstimmender Beschlussfassung
von Bundesrat und Bundestag“ bedarf.

Berlin, den 15. Mai 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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