BT-Drucksache 14/9030

Rechtsanspruch auf Beratung im Mutterpass zusätzlich festschreiben

Vom 14. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/9030
14. Wahlperiode 14. 05. 2002

Antrag
der Abgeordneten Christel Riemann-Hanewinckel, Dr. Hans-Peter Bartels,
Anni Brandt-Elsweier, Dieter Dzewas, Hans Forster, Arne Fuhrmann,
Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin Griese, Klaus Hagemann,
Reinhold Hemker, Christel Humme, Christine Lehder, Marlene Rupprecht,
Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Dr. Angelica Schwall-Düren, Dr. Margrit Spielmann,
Rolf Stöckel, Hildegard Wester, Inge Wettig-Danielmeier, Hanna Wolf (München),
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechtsanspruch auf Beratung im Mutterpass zusätzlich festschreiben

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Jede Frau und jeder Mann hat nach dem Gesetz zur Vermeidung und Bewäl-
tigung von Schwangerschaftskonflikten Anspruch auf Information und Bera-
tung in einer anerkannten Beratungsstelle. Der Rechtsanspruch auf Beratung
gilt im umfassenden Sinne nach § 2 Abs. 2 SchKG.
Dies gilt für alle Fragen, die eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar
berühren. Beratung umfasst hierbei aber nicht nur die medizinische Informa-
tion, sondern auch Fragen zur Sexualaufklärung, Verhütung, Familienplanung
und vor allem psychosoziale Beratung in allen Fragen, die sich aus dem Verlauf
der Schwangerschaft und eventuellen Vorsorgeuntersuchungen ergeben.
Die Erfahrung zeigt, dass psychosoziale Beratung während der Schwanger-
schaft nur sehr wenig in Anspruch genommen wird, da die werdenden Eltern
auf ihren Beratungsanspruch, vor allem im Zusammenhang mit pränataler
Diagnostik, nicht hingewiesen werden. Darauf haben unterschiedliche Institu-
tionen und Betroffenengruppen vermehrt hingewiesen.
Um werdenden Eltern verantwortungsvolle Entscheidungen, auch in Hinsicht
auf die Entscheidung für ein behindertes Kind, zu ermöglichen, müssen Bera-
tung und Aufklärung in Zukunft eine Schlüsselrolle im Zusammenhang mit
Schwangerschaft und pränataler Diagnostik spielen. Ihr muss eine wachsende
Rolle zugewiesen werden. So, wie die behandelnde Ärztin oder der behan-
delnde Arzt sich mit weiteren Kolleginnen und Kollegen anderer medizinischer
Fachrichtungen berät, so sollte auch die Schwangere die Möglichkeit einer
psychosozialen Beratung jederzeit wahrnehmen können. Dazu gehört auch, den
Bekanntheitsgrad der vorhandenen Beratungsmöglichkeiten zu erhöhen und
Kooperationen zu intensivieren. So werden z. B. Eltern mit ihrer Entscheidung
für ein behindertes Kind nicht alleine gelassen. Es gibt ein vielfältiges Früh-
förder- und Rehabilitationsangebot, wie durch die Broschüre der Bundes-

Drucksache 14/9030 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation deutlich wird. Nach dem SGB IX § 30
sind die Rehabilitationsträger aufgefordert, gemeinsam Empfehlungen zu erar-
beiten.
Um das Recht auf umfassende Beratung besser bekannt zu machen, empfiehlt
sich ein entsprechender Eintrag im Mutterpass. Mit diesem Dokument, dass die
betroffene Frau bereits zu Beginn der Schwangerschaft ausgehändigt bekommt,
wird sie zum frühest möglichen Zeitpunkt auf das ihr zustehende Recht auf-
merksam gemacht. Sie kann nach Bedarf davon Gebrauch machen.
Der Mutterpass ist Bestandteil der Mutterschafts-Hilferichtlinien (MuSchHiRL)
und vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erarbeitet. Somit
bestimmen die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung gemein-
sammit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung den Inhalt der entsprechenden
Richtlinie. Der Arbeitsausschuss Mutterschafts-Richtlinien des Bundesaus-
schusses der Ärzte und Krankenkassen ist berechtigt, Änderungen am Mutter-
pass vorzunehmen, deren Notwendigkeit sich aus der praktischen Anwendung
ergibt, soweit dadurch der Mutterpass nicht in seinem Aufbau und in seinen
wesentlichen Inhalten verändert wird.

2. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
sich beim Arbeitsausschuss Mutterschafts-Richtlinien des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen dafür einzusetzen, dass der Rechtsanspruch auf
Beratung Bestandteil der Informationen des Mutterpasses wird.
Eine sinnvolle Ergänzung für Seite 1 des Mutterpasses könnte lauten:
„Im Rahmen der Schwangerenvorsorge werden Ihnen von Ihrer Ärztin/Ihrem
Arzt vorgeburtliche Untersuchungen angeboten und Sie über diese aufgeklärt.
Vorwiegend handelt es sich um Ultraschalluntersuchungen, Bluttests, Frucht-
wasseruntersuchungen und Chorionzottenbiopsie. Alle diese Untersuchungen
können für Sie und das Leben Ihres Kindes zu weitreichenden Folgen und Ent-
scheidungen führen.
Deshalb haben Sie als Ergänzung zur medizinischen und humangenetischen
Aufklärung und Beratung durch Ihre Ärztin oder Ihren Arzt das Recht auf
psychosoziale Beratung vor, während und nach den Untersuchungen. Diese ist
von Medizin und Humangenetik unabhängig. Sie bietet Ihnen die Möglichkeit,
in Ruhe das Für und Wider der Testanwendungen und der Untersuchungs-
methoden abzuwägen und Ihre persönliche Wahl zur Inanspruchnahme zu tref-
fen.
Ihre Ärztin/Ihr Arzt ist verpflichtet, Sie darüber zu informieren und Ihnen die in
Ihrer näheren Umgebung dafür zuständigen Schwangeren- und Schwanger-
schaftskonfliktberatungsstellen oder die für vorgeburtliche Untersuchungen
spezialisierten Beratungsstellen zu nennen. Die Beratung ist kostenfrei.“

Berlin, den 14. Mai 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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