BT-Drucksache 14/8986

Die Neonazi-Organisation "Blood & Honour" nach dem Verbot (2. Nachfrage)

Vom 7. Mai 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8986
14. Wahlperiode 07. 05. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Die Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ nach dem Verbot (2. Nachfrage)

Bei einer groß angelegten Aktion gegen die verbotene Neonazi-Organisation
„Blood & Honour – Division Deutschland“ hat das Landeskriminalamt Sach-
sen-Anhalt am 25. April 2002 insgesamt 43 Objekte in sieben Bundesländern
durchsucht. Betroffen waren Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersach-
sen, Brandenburg, Sachsen, Bayern und Sachsen-Anhalt. Hintergrund seien
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle gegen 30 Personen, die verdächtigt
wurden, die verbotene Skinheadbewegung „Blood & Honour – Division
Deutschland“ fortzuführen (dpa, 25. April 2002).
Bei den Durchsuchungen seien zahlreiche Waffen, darunter Karabiner und
Revolver, sowie Personalcomputer, Schriftmaterial, Zeitschriften und CD mit
Bezug auf die Organisation beschlagnahmt worden. Die Ermittlungen seien
nach Angaben von Oberstaatsanwalt I. S. durch ein Skinhead-Konzert in der
Region Dessau ausgelöst und dann auf die anderen Bundesländer ausgedehnt
worden (dpa, 25. April 2002).
Die Neonazi-Organisation „Blood & Honour – Division Deutschland“ sowie
ihre Jugendorganisation „White Youth“ war im September 2000 vom Bundes-
minister des Innern, Otto Schily, verboten worden.
Die Bundesregierung vertrat danach – beispielsweise in der Antwort auf die
Kleine Anfrage „Die Neonazi-Organisation ‚Blood & Honour‘ nach dem Ver-
bot“ (Bundestagsdrucksache 14/6137) wie auch in der Antwort auf die Nach-
frage (Bundestagsdrucksache 14/6417) – die Auffassung, dass „Aktivitäten, die
als Nachfolgeaktivitäten zu werten wären, fast vollständig zum Erliegen ge-
kommen“ und „die früheren Strukturen, [...] entweder zerschlagen oder hand-
lungsunfähig“ seien (Bundestagsdrucksache 14/6137).
Insgesamt wertete die Bundesregierung das Verbot von „Blood & Honour“ als
„uneingeschränkt positiv. Es ist gelungen, die Struktur von ‚Blood & Honour‘
in Deutschland nahezu vollständig zu zerschlagen und ihre Aktivitäten, ins-
besondere bei der Organisation von Skinhead-Konzerten, zum Erliegen zu
bringen. Insgesamt hat das Verbot nicht nur bei ehemaligen ‚Blood & Honour‘-
Aktivisten, sondern auch in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene und
darüber hinaus im Rechtsextremismus zu starker Verunsicherung geführt.“
(ebd.).

Drucksache 14/8986 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine mögliche Fortfüh-

rung der verbotenen Neonazi-Organisation „Blood & Honour“ sowie deren
Jugendorganisation „White Youth“ hinsichtlich
a) des Fortbestehens von Organisationsstrukturen,
b) des Fortbestehens von personellen Strukturen,
c) des Vertriebs von CD und anderer Tonträger, des Vertriebs der Zeitschrift

„Blood & Honour Deutschland“ und anderer „Blood & Honour“/„White
Youth“-Artikel und -Propagandamaterialien,

d) der Organisation von rechtsextremen Skinhead-Konzerten,
e) der Beteiligung bzw. Vermittlung von deutschen Bands an „Blood &

Honour“/„White Youth“-Konzerte im Ausland,
f) der Beteiligung bzw. Vermittlung von ausländischen „Blood & Honour“/

„White Youth“-Bands für in Deutschland stattfindende Konzerte,
g) des Aufbaus von Alternativstrukturen, mit denen das Verbot umgangen

wird,
h) der Übernahme von altem „Blood & Honour“/„White Youth“-Inventar,

-Besitz und -Vermögen,
i) der Verwendung des Kürzels „28“ als Chiffre für „Blood & Honour“?

2. Welche seit dem September 2000 bekannt gewordenen Aktivitäten der
rechtsextremistischen und neonazistischen Musik-Szene sind nach Erkennt-
nis der Bundesregierung als Nachfolgeaktivitäten von „Blood & Honour“/
„White Youth“ zu werten (bitte einzeln auflisten)?

3. Ist das Konzert, das am 16. März 2002 in den Dortmunder „Event-Hallen“
u. a. mit den Bands „Intimidation one“, „Oidoxie“, „Max Resist“, „Haupt-
kampflinie“ und „Legion of Thor“ stattfand, nach Erkenntnis der Bundes-
regierung als eine Nachfolgeaktivität von „Blood & Honour“ zu werten?
a) Wenn ja, aufgrund welcher Sachverhalte?
b) Wenn nein, warum nicht?

4. Welche deutschen Bands und welche deutschen CD-Vertriebe haben nach
Erkenntnis der Bundesregierung Kontakt zum internationalen „Blood &
Honour“-Netzwerk (bitte einzeln auflisten)?
Welche dieser Bands sind seit September 2000 auf welchen Konzerten in
Deutschland aufgetreten (bitte einzeln auflisten)?

5. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über heutige Aktivitäten
ehemaliger „Blood & Honour“/„White Youth“-Mitglieder bzw. -Aktivisten
vor?

6. Wie viele weitere Ermittlungsverfahren neben dem der Staatsanwaltschaft
Halle wurden nach Informationen der Bundesregierung seit dem September
2000 in Deutschland wegen des Verdachts auf Fortführen der verbotenen
Organisationen „Blood & Honour – Division Deutschland“ und/oder „White
Youth“ aufgenommen?
Wie viele davon sind bis heute zu einem Abschluss gekommen und mit wel-
chem Ergebnis?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8986

7. Hält die Bundesregierung weiter an ihren in den Antworten auf die Kleinen
Anfragen „Die Neonazi-Organisation ‚Blood & Honour‘ nach dem Verbot“
(Bundestagsdrucksachen 14/6137 und 14/6417) formulierten Bewertungen
des Verbots von „Blood & Honour“ und „White Youth“ fest?
a) Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle und die bundesweiten Durch-
suchungen vom 25. April 2002?

b) Wenn nein, wie bewertet die Bundesregierung heute das Verbot vom Sep-
tember 2000 und welche Erkenntnisse liegen ihrer veränderten Bewer-
tung zugrunde?

8. Nimmt die Bundesregierung die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle
und die bundesweiten Durchsuchungen vom 25. April 2002 zum Anlass,
ihre bisherigen Bewertungen noch einmal zu überprüfen?
Wenn nein, warum nicht?

9. Welche Schritte wird die Bundesregierung ergreifen, um Nachfolgestruktu-
ren von „Blood & Honour“ und „White Youth“ aufzulösen bzw. deren Auf-
bau zu verhindern?

Berlin, den 3. Mai 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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