BT-Drucksache 14/8916

Versandapotheken

Vom 24. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8916
14. Wahlperiode 24. 04. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Walter Hirche, Detlef Parr, Dr. Irmgard
Schwaetzer, Marita Sehn, Ina Albowitz, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael
Goldmann, Birgit Homburger, Dr. Heinrich L. Kolb, GudrunKopp, JürgenKoppelin,
Ina Lenke, Cornelia Pieper, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Wolfgang Gerhardt und
der Fraktion der FDP

Versandapotheken

In der letzten Zeit sind zunehmend Aktivitäten gesetzlicher Krankenkassen zu
beobachten, die Abgabe von Arzneimitteln an ihre Versicherten über eine Ver-
sandapotheke vertraglich zu regeln. Gemäß § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz dür-
fen Arzneimittel berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbraucher nur in
Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu in einem Urteil vom 19. Oktober
2000 (BVerwG 3 C 3299) festgestellt, dass der Gesetzgeber im Arzneimittel-
gesetz den Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel generell ausgeschlossen
habe und dabei nur in engen Grenzen Ausnahmen zugelassen habe. Diese
Regelung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der großflächige
Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel gefährde die Arzneimittelsicherheit.
Es sei Sache des Gesetzgebers, die insoweit geltenden Grenzen im Einzelnen
festzulegen. Die Krankenkassen versuchen zurzeit das geltende deutsche Recht
mit der Begründung zu umgehen, es verstoße gegen das europäische Recht des
freien Warenverkehrs.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung den Abschluss von Verträgen deutscher Kranken-

kassen mit ausländischen Versandapotheken für mit dem geltenden Recht
vereinbar?

2. Wenn nein, was gedenkt die Bundesregierung gegen die Verstöße zu tun?
3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussichten, dass der Europäische Ge-

richtshof einen Abschluss von Verträgen mit europäischen Versandhandel-
apotheken ermöglicht, obwohl es eine verbriefte Freiheit für nationale Rege-
lungen im Gesundheitsbereich gibt?

4. Ist es möglich, dass die niederländische Versandapotheke ihre Preisnach-
lässe auf den deutschen Apothekenverkaufspreis aus der Mehrwertsteuerdif-
ferenz zwischen Deutschland und den Niederlanden bezahlt?

5. Führt diese niederländische Versandapotheke die 16-prozentige Mehrwert-
steuer an den deutschen Fiskus ab oder zahlt sie in den Niederlanden 6 %
Mehrwertsteuer?

Drucksache 14/8916 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

6. Ist seitens der Bundesregierung geplant, das Mehrwertsteuergefälle bei
Arzneimitteln zu beseitigen, um eine Diskriminierung inländischer Apo-
theken zu vermeiden?

7. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Versandhandel innerhalb
der EU nur grenzüberschreitend zugelassen werden kann?

8. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ausländische Anbieter dem
Herkunftslandprinzip unterworfen sind?

9. Hält es die Bundesregierung für richtig, sich durch die Einführung des Ver-
sandhandels im Interesse des eigenen GKV-Systems administrierte Preise
und niedrigere Mehrwertsteuersätze anderer EU-Mitgliedstaaten zunutze
zu machen?

10. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass gleiche und faire Wettbe-
werbsbedingungen für deutsche Apotheken in diesem Falle nur erreicht
werden können, wenn
– die Arzneimittelpreisverordnung (einheitlicher Apothekenabgabepreis,

Mischkalkulation),
– das Fremd- und Mehrbesitzverbot,
– der Kontrahierungszwang sowie
– alle Bindungen der Apothekenbetriebsordnung
aufgehoben werden?

11. Wenn nein, aus welchen Gründen bzw. mit welchen Alternativen?
12. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Apotheken in diesem

Falle die Preise für alle angebotenen Waren und Dienstleistungen betriebs-
wirtschaftlich kalkulieren müssten, was zu erheblichen Preiserhöhungen,
insbesondere bei
– Nacht- und Notdiensten,
– Rezepturen,
– niedrigpreisigen Arzneimitteln
– und pharmazeutischer Beratung
führen müsste?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Einbeziehung des Ver-
sandhandels in die Regelversorgung die Apothekenpflicht auch grund-
sätzlich in Frage stellt, da nicht begründbar sein wird, weshalb die Arznei-
mittelübergabe durch Postboten und die Arzneimittellagerung bei
Nichtzustellbarkeit auf Postämtern die Arzneimittelsicherheit weniger be-
einträchtigen sollte als ein Arzneimittelvertrieb über andere Vertriebska-
näle (Bahnhofskiosk, Supermarkt)?

14. Hält die Bundesregierung die Zulassung von Verträgen zwischen Kranken-
kassen und Versandhandelsapotheken dennoch für wünschenswert?

15. Wenn ja, ab wann will sie solche Verträge zulassen und wie soll eine solche
Regelung ausgestaltet werden?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8916

16. Welche Auswirkungen hat das bzw. muss das nach Ansicht der Bundesre-
gierung auf die Arzneimittelpreisverordnung, die Zuzahlungspraxis, die
Notfallversorgung mit Arzneimitteln, die flächendeckende Versorgung mit
Arzneimitteln, die umgehende Versorgung mit Arzneimitteln haben?

17. Wie wird die Bundesregierung bei einem Systemwandel die wohnort- und
zeitnahe Arzneimittelversorgung künftig garantieren?

Berlin, den 23. April 2002
Dr. Dieter Thomae
Walter Hirche
Detlef Parr
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Ina Albowitz
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Birgit Homburger
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Cornelia Pieper
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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