BT-Drucksache 14/8914

Allergien als ernste gesundheitspolitische Herausforderung

Vom 23. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8914
14. Wahlperiode 23. 04. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Wolfgang
Lohmann (Lüdenscheid), Dr. Wolf Bauer, Dr. Hans Georg Faust, Ulf Fink, Hubert
Hüppe, Dr. Harald Kahl, Eva-Maria Kors, Hans-Peter Repnik, Anita Schäfer, Aribert
Wolf, Wolfgang Zöller und der Fraktion der CDU/CSU

Allergien als ernste gesundheitspolitische Herausforderung

Allergien gehören zu den großen gesundheitlichen Herausforderungen unserer
Gesellschaft. Aus epidemiologischen Querschnittsuntersuchungen geht hervor,
dass viele allergische Erkrankungen in den letzten Jahrzehnten dramatisch zu-
genommen haben. Die Zahl der am allergischen Bronchialasthma Erkrankten
ist allein in den 80er Jahren um das Doppelte gestiegen. In der Schweiz ist eine
Zunahme der Heuschnupfenerkrankungen von 0,83 % im Jahr 1926 auf 11,1 %
im Jahr 1991 zu verzeichnen. Studien an Zwillingen aus Dänemark zeigen ei-
nen Anstieg der kumulativen Inzidenz des atopischen Ekzems (Neurodermitis)
von 3,2 % der in den Jahren 1960 bis 1964 geborenen Kinder auf 10 bis 11,5 %
der zwischen 1970 und 1979 geborenen auf. Ein Fünftel der Kinder mit atopi-
schem Ekzem entwickelte später ein Bronchialasthma. Die Ursachen für diese
Zunahme von Allergien sind noch nicht ausreichend geklärt.
Allergien entwickeln sich zu einer der größten Volkskrankheiten. Sie sind keine
Bagatellerkrankungen. Sie können chronisch werden, tödlich enden und gehen
mit hohen Einbußen an gesundheitsbezogener Lebensqualität und volkswirt-
schaftlichen Verlusten einher. Allergologie ist im Gegenstandskatalog der me-
dizinischen Ausbildung nicht offiziell vertreten. Aus einer wissenschaftlichen
Studie geht hervor, dass nur 10 % der allergiekranken Menschen in Deutsch-
land eine adäquate Versorgung erhalten. Demnach wissen viele Menschen
überhaupt nicht, dass ihre Beschwerden allergischer Natur sind; viele werden
inadäquat behandelt. Der Mangel an selbständigen Lehrstühlen und die weni-
gen Abteilungen für Allergologie an deutschen medizinischen Fakultäten be-
hindern die qualifizierte ärztliche Aus- und Weiterbildung. Ärzte, die sich nach
der Absolvierung einer Facharztweiterbildung in einem klassischen Gebiet
noch zwei zusätzliche Jahre in Allergologie weiterbilden, werden häufig nicht
zu Diagnostik und Therapie herangezogen, was zu Qualitätseinbußen und zu
unnötigen Kostensteigerungen führt. Dabei sind durch die Fortschritte der ex-
perimentellen Immunologie und Allergologie der letzten Jahre eine Fülle neuer
Kenntnisse verfügbar geworden, die – richtig umgesetzt – für viele allergische
Patienten Linderung oder Heilung bringen könnten.
Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie
(DGAI), der Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA) und die Deutsche
Akademie für Allergologie und Umweltmedizin (DAAU) haben mit dem im
September 2000 vorgelegten „Weißbuch Allergie in Deutschland 2000“ die
Situation der Allergologie in Krankenversorgung, Lehre und Forschung in
Deutschland dargestellt und konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet.

Drucksache 14/8914 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche gesundheitspolitischen Konsequenzen hat die Bundesregierung aus

dem „Weißbuch Allergie in Deutschland 2000“ gezogen?
2. Gibt es neue Erkenntnisse aus der Epidemiologie (oder aus Kohortenstu-

dien) zur Ursache allergologischer Erkrankungen?
3. Wie ist heute die Datenlage zur Inzidenz und Prävalenz des Bronchial-

asthma (Asthma bronchiale) in Deutschland?
4. Ist die Prävalenz von Heuschnupfen (Allergische Rhinokonjunktivitis)

weiterhin steigend?
5. Hat die Bundesregierung eigene Institutionen veranlasst, systematische

Datenerhebungen durchzuführen?
6. Gibt es Untersuchungen über Änderungen des Stillverhaltens bei Müttern,

nachdem belegt ist, dass durch konsequentes Stillen eine wirksame Primär-
prävention gegen Allergien erzielt werden kann?

7. Gibt es Fortschritte bei der Senkung der Konzentration von Innenraum-
allergenen in Risikofamilien?

8. Gibt es Konzepte, die frühzeitige Anwendung von spezifischen Immun-
therapien zu fördern, um die Entstehungen von Asthma bei Kindern mit
Heuschnupfen zu verhindern?

9. In welcher Weise werden Anstrengungen unternommen, um die vom Sach-
verständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen fest-
gestellte Unter- bzw. Fehlversorgung im Bereich der spezifischen Immun-
therapie zur Prävention von allergischem Asthma zu beheben?

10. Welchen Stellenwert haben Strategien zur Vermeidung der Progression von
Atemwegserkrankungen in Bezug auf Patientenschulung, Pharmakothera-
pie und beim Einsatz der spezifischen Immuntherapie?

11. Gibt es Untersuchungen zur Kosteneinsparung, die durch derartige qualifi-
zierte und indizierte Strategien entstehen?

12. Welche Initiativen hat die Bundesregierung ergriffen, um die allergolo-
gische Ausbildung von Studierenden der Medizin zu verbessern?

13. Inwieweit gibt es Bestrebungen der Bundesregierung, durch die Erfassung
der Prävalenz von Allergien und damit verbunden der allergologischen
Versorgungsmaßnahmen sowie ihrer Auswertung und Analyse, die Versor-
gung von Allergikern zu verbessern?

14. Hat die Bundesregierung Forschungsvorhaben im Bereich der allergischen
Erkrankung (z. B. insbesondere in Hinblick auf Mechanismen der aller-
gischen Entzündung, pränatale und frühkindliche Entstehungsfaktoren,
Chronifizierung, Präventionsstrategien) initiiert?

15. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor über lebensbedrohliche
Gefährdungen bzw. Todesfälle von allergiekranken Patienten durch In-
toleranzreaktionen, die nicht durch den vergleichbaren Wirkstoff eines
Generika, sondern durch Zusatz- und Hilfsstoffe sowie Farbstoffzusätze
ausgelöst werden können?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8914

16. Welche Maßnahmen sind von der Bundesregierung vorgesehen, um den
Kenntnisstand in der deutschen Ärzte- und Apothekerschaft im Hinblick
auf allergologische Grundzusammenhänge zu verbessern?

17. Sieht die Bundesregierung gesundheitliche Risiken für Allergiker durch die
aut-idem-Regelung?

Berlin, den 23. April 2002
Annette Widmann-Mauz
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)
Dr. Wolf Bauer
Dr. Hans Georg Faust
Ulf Fink
Hubert Hüppe
Dr. Harald Kahl
Eva-Maria Kors
Hans-Peter Repnik
Anita Schäfer
Aribert Wolf
Wolfgang Zöller
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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