BT-Drucksache 14/8879

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler zur Lage im Nahen Osten

Vom 24. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8879
14. Wahlperiode 24. 04. 2002

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Hans-Ulrich Klose, Christoph
Moosbauer, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Dr. Peter Struck und der
Fraktion der SPD
sowie der AbgeordnetenChristian Sterzing, Rita Grießhaber, KerstinMüller (Köln),
Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundeskanzler
zur Lage im Nahen Osten

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Eskalation der gewaltsamen Auseinandersetzung im Nahen Osten bedroht
den Frieden in der Region und gefährdet die internationale Sicherheit. Auf bei-
den Seiten ist eine normale, angstfreie Lebensführung der betroffenen Men-
schen nicht mehr möglich. Terror und Gewalt, die immer mehr Opfer fordern,
müssen sofort beendet werden. Nur eine politische Lösung kann einen Ausweg
aus diesem Konflikt bieten.
Ein neuer Friedensprozess im Nahen Osten benötigt die schrittweise Herstel-
lung neuen Vertrauens zwischen Israelis und Palästinensern.
Dabei hat Deutschland aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwor-
tung.
Das Existenzrecht Israels ist für uns unantastbar. Israel hat das Recht auf eine
Existenz in Frieden und in sicheren Grenzen.
Gleichzeitig erkennt der Deutsche Bundestag die legitimen Rechte der Palästi-
nenser nach einem demokratischen Staat, der in Frieden und Freiheit Seite an
Seite mit Israel existiert, an.
Der Deutsche Bundestag begrüßt die verstärkten Bemühungen der USA, ihre
Einflussmöglichkeiten zu nutzen, um die Gewaltspirale zu stoppen und die
Rückkehr zu einem politischen Dialog zu eröffnen.
Vor diesem Hintergrund ist das Ideenpapier vom Bundesminister des Auswär-
tigen, Joseph Fischer, zum Friedensprozess im Nahen Osten ein wichtiger Bei-
trag zur Deeskalation und zur Befriedung der Region. Denn es benennt mit dem
Rückzug Israels aus der Westbank und dem Gazastreifen, der Räumung von
Siedlungen sowie der Ausrufung des Staates Palästina auf der Grundlage eines
uneingeschränkten Waffenstillstands und der Anerkennung des gegenseitigen
Existenzrechts die wesentlichen Eckpunkte einer Endstatusregelung, die beiden
Konfliktparteien eine politische Perspektive eröffnet. Es betont die Notwendig-
keit der intensiven Zusammenarbeit von USA, EU, Russland und dem UN-

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Generalsekretär bei der weiteren Konfliktbearbeitung. Die Lage in der Region
erfordert eine gemeinsame kontinuierliche Einwirkung von außen.
Es benennt ferner das Ziel des Friedensprozesses, nämlich die Existenz zweier
Staaten – Israel und Palästina – in Frieden, sicheren Grenzen und Freiheit, ei-
nen Fahrplan, einen verbindlichen Zeitplan sowie die Garantie der Implemen-
tierung durch eine dritte Partei – einem „Quartett“, bestehend aus den USA, der
EU, Russland sowie dem UNO-Generalsekretär – und die Überwachung der
unverzichtbaren Eckpunkte, die den Konfliktparteien den Weg zu Frieden und
Sicherheit eröffnen.
Der Deutsche Bundestag bestärkt die Bundesregierung darin, ihre außenpoliti-
schen Anstrengungen auf dieser Linie vor allem im Rahmen der EU weiterzu-
verfolgen.
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Resolutionen 1397, 1402 und 1403 des
UN-Sicherheitsrates und das darin geforderte Ziel zweier Staaten – Israel und
Palästina – Seite an Seite innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen. Die
Existenz zweier Staaten, verbunden in gemeinsamer Sicherheit, eingebunden in
einen regionalen Frieden und garantiert durch die internationale Gemeinschaft,
ist ein zentrales Element auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben
beider Völker.
Der Deutsche Bundestag verurteilt Terror und Gewalt. Er verlangt die uneinge-
schränkte Beachtung der einschlägigen internationalen Schutzkonventionen
und des Völkerrechts. Er fordert die palästinensische Autonomiebehörde auf,
unter Beachtung rechtsstaatlicher Prinzipien glaubhaft alles in ihrer Macht Ste-
hende zu unternehmen, um terroristische Aktivitäten von palästinensischer
Seite zu unterbinden. Beide Konfliktparteien sind aufgefordert, alles in ihrer
Macht Stehende zu tun, um den Ursachen der Eskalationsspirale entgegenzu-
wirken.
Der Deutsche Bundestag ist über Berichte tief beunruhigt, nach denen der Ein-
satz unverhältnismäßiger militärischer Gewalt eine bisher unbekannte Zahl von
Todesopfern unter der palästinensischen Zivilbevölkerung gefordert hat. Der
Deutsche Bundestag unterstützt die Resolution 1405 des UN-Sicherheitsrates,
die eine internationale Untersuchung der Vorgänge in Jenin und den ungehin-
derten Zugang für die humanitären Organisationen fordert.
Der Deutsche Bundestag verurteilt Positionen, die das Existenzrecht Israels in
Frage stellen. Selbstverständlich steht das Handeln jeder Regierung in der Kri-
tik – das gilt auch für Israel. Der Deutsche Bundestag weist jedoch Äußerungen
zurück, die antisemitische Untertöne enthalten oder gar offen antisemitisch arti-
kuliert werden.
Der Deutsche Bundestag fordert mit allem Nachdruck ein offenes und coura-
giertes Einschreiten überall dort, wo Juden und jüdische Einrichtungen in
Deutschland bedroht oder angegriffen werden. Solche Übergriffe sind abscheu-
lich, völlig inakzeptabel und werden mit der vollen Strenge des Gesetzes ge-
ahndet. Unsere jüdischen Bürgerinnen und Bürger und die jüdische Gemein-
schaft können sich auf unsere volle Solidarität verlassen.

Berlin, den 24. April 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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