BT-Drucksache 14/8857

Bedeutung des Kongresswesens für den Tourismus- und Wirtschaftsstandort Deutschland

Vom 23. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8857
14. Wahlperiode 23. 04. 2002

Große Anfrage
der Abgeordneten Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, Anita Schäfer, Peter Rauen,
Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Monika Brudlewsky, Cajus Caesar,
Wolfgang Dehnel, Thomas Dörflinger, Dr. Hans Georg Faust, Albrecht Feibel,
Klaus Holetschek, Siegfried Hornung, Werner Kuhn, Hans-Peter Repnik,
Hannelore Rönsch (Wiesbaden), Edeltraut Töpfer, Klaus-Peter Willsch
und der Fraktion der CDU/CSU

Bedeutung des Kongresswesens für den Tourismus- und Wirtschaftsstandort
Deutschland

Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über ein hohes Ansehen als
Kongress- und Tagungsziel. Dazu tragen vor allem die gute Tagungs- und Ver-
kehrsinfrastruktur, die zentrale Lage in Europa, die Professionalität der Dienst-
leister, touristisch attraktive Städte und Regionen sowie die große Vielfalt
kultureller Angebote bei. Auch das große Potenzial von über 1 000 außerge-
wöhnlichen Tagungsstätten wie etwa Schlösser, Burgen, Museen, Industrie-
denkmäler und Freizeitparks wird immer stärker genutzt. Im internationalen
Vergleich steht Deutschland bei der Durchführung von Kongressen weltweit an
dritter Stelle. Allerdings befinden sich deutsche Anbieter in den letzten Jahren
zunehmend in einem verschärfenden Wettbewerb mit ausländischen Stand-
orten, da viele Staaten ihre Kongress- und Tagungskapazitäten massiv ausbauen
und intensiv vermarkten. Deshalb verliert Deutschland zunehmend Markt-
anteile z. B. gegenüber den wichtigen Konkurrenzländern USA, Großbritan-
nien, Spanien und Frankreich.
Trotz modernster Kommunikationstechnik ist die Bedeutung des Kongresswe-
sens nach wie vor sehr hoch, insbesondere für den Wissens- und Know-how-
Transfer. Kongresse und Tagungen sind für die Kommunikation von Angesicht
zu Angesicht und den interdisziplinären Informationsaustausch unverzichtbar.
Damit wird der deutschen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft importier-
tes Wissen vor Ort kostengünstig zugänglich gemacht und ein wichtiger Beitrag
zur Sicherung des Informations- und Wissensvorsprungs Deutschlands geleis-
tet. Außerdem profitiert auch die regionale Wirtschaft in beträchtlichem Um-
fang, vor allem die Hotellerie, die Gastronomie, der örtliche Einzelhandel, Ver-
kehrsunternehmen und andere Dienstleistungsanbieter.
Die Durchführung von internationalen Kongressen hat nicht nur eine heraus-
ragende Bedeutung für Deutschland als Wirtschafts- und Wissenschaftsstand-
ort, sondern auch in besonderem Maße für die Stärkung als Tourismusstandort.
Bei der Vermarktung Deutschlands als Kongressziel kann u. a. mit den Namen
großer Dichter, Denker, Erfinder und Schriftsteller geworben werden. Hier gibt
es oft Imagevorteile gegenüber der Vermarktung als reinem Urlaubsziel. Als
Reisemotiv stehen bei Tagungen und Kongressen auch die fachlichen Themen
und Inhalte der Veranstaltungen sowie die Möglichkeit des Erfahrungsaustau-

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sches im Vordergrund. Weitgehend unabhängig von klimatischen Gegebenhei-
ten eignen sich Reisen zu Kongressen und Tagungen damit hervorragend zur
Auslastung gastgewerblicher Betriebe in der Vor- und Nachsaison. Die stei-
gende Bereitschaft, Veranstaltungen auch am Wochenende zu besuchen, kann
darüber hinaus grundsätzlich die Auslastung von Hotels verbessern, die an Wo-
chenenden sonst nur in geringem Umfang für Geschäftsreisen genutzt werden.
Wichtige Impulse für die deutsche Tourismuswirtschaft ergeben sich auch da-
raus, dass viele Kongress- und Tagungsteilnehmer ihren Veranstaltungsbesuch
auch mit privaten touristischen Reisen in Deutschland verbinden oder zu einem
späteren Urlaubsaufenthalt z. B. mit ihrer Familie motiviert werden. Dies gilt
vor allem für aus dem Ausland anreisende Teilnehmer. Dabei liegen die Aus-
gaben von Kongressbesuchern generell fast doppelt so hoch wie bei reinen
Urlaubsgästen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:
1. Wie hoch ist nach Erkenntnissen der Bundesregierung der volkswirtschaft-

liche Nutzen des Kongress- und Tagungsmarktes in Deutschland?
Gibt es hier unterschiedliche Entwicklungen in den neuen und den alten
Bundesländern?

2. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung den mit Kongressen und
Tagungen verbundenen Reisen für den Tourismusstandort Deutschland ins-
gesamt bei?

3. Welchen Anteil haben Reisen zu Kongressen und Tagungen am gesamten
Reiseverkehr innerhalb Deutschlands und nach Deutschland?

4. Wie hoch ist der Anteil ausländischer Besucher, die geschäftlich oder pri-
vat im Zusammenhang mit Kongressen und Tagungen nach Deutschland
reisen, an den gesamten Übernachtungen von Gästen aus dem Ausland?

5. Mit welchen Maßnahmen trägt die Bundesregierung zur Förderung des
Kongressstandortes Deutschland bei?
Welche Maßnahmen sind dabei speziell auf die neuen Bundesländer ge-
richtet?

6. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung für eine stärkere Unter-
stützung bei der Vermarktung des Kongressstandortes Deutschlands in
wichtigen ausländischen Quellmärkten und der gezielten Ansprache inter-
nationaler Organisationen wie etwa den Vereinten Nationen oder Nicht-
regierungsorganisationen für die Ausrichtung von Tagungen?

7. Mit welchen Maßnahmen und finanziellen Mitteln fördern die anderen EU-
Mitgliedstaaten ihre eigene Kongress- und Tagungswirtschaft?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die internationale Wettbewerbsfähigkeit
des deutschen Kongresswesens?

9. Wie schätzt die Bundesregierung die Bedeutung der Sicherheitssituation
als Standortfaktor für den Kongress- und Tourismusstandort Deutschland
ein?

10. Welche Wettbewerbsverzerrungen gibt es für den Kongressstandort
Deutschland gegenüber wichtigen Konkurrenzländern, insbesondere ge-
genüber den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den
USA?

11. Welche Auswirkungen hat die Anwendung des vollen Mehrwertsteuer-
satzes für Beherbergungsbetriebe in Deutschland auf die Attraktivität
Deutschlands bei der Durchführung internationaler Kongresse im Vergleich

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8857

zu wichtigen Konkurrenzländern, die ihren Beherbergungsbetrieben einen
ermäßigten Steuersatz gewähren?

12. Plant die Bundesregierung angesichts der Ausrufung des Jahres 2003 als
Themenjahr für Kongresse in Deutschland durch die Deutsche Zentrale für
Tourismus (DZT) zusätzliche Mittel für die DZT zur Verfügung zu stellen
oder andere zusätzliche Fördermaßnahmen für die internationale Vermark-
tung zu ergreifen?

13. Plant die Bundesregierung, zweckgebundene Mittel zur langfristigen
Sicherung des Kongressstandortes Deutschland bereitzustellen?

14. Welche Auswirkungen hat die teilweise schleppende und umständliche
Visaerteilung für Besucher aus dem Ausland, insbesondere für Bürger eini-
ger osteuropäischer Staaten, auf in Deutschland durchgeführte Kongresse
bzw. ihre Internationalität?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag zur Einrichtung einer
zentralen Stelle in Deutschland, die sich mit der Visaerteilung für große in-
ternationale Kongresse befasst, um die Abwicklung für die Kongressveran-
stalter zu erleichtern und zu beschleunigen?

Berlin, den 23. April 2002
Klaus Brähmig
Ernst Hinsken
Anita Schäfer
Peter Rauen
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Monika Brudlewsky
Cajus Caesar
Wolfgang Dehnel
Thomas Dörflinger
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Klaus Holetschek
Siegfried Hornung
Werner Kuhn
Hans-Peter Repnik
Hannelore Rönsch (Wiesbaden)
Edeltraut Töpfer
Klaus-Peter Willsch
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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