BT-Drucksache 14/8827

Pfingsttreffen von Vertriebenenverbänden, Förderung aus dem Bundeshaushalt und rechtsextremistische Umtriebe auf diesen Treffen

Vom 16. April 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8827
14. Wahlperiode 16. 04. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Pfingsttreffen von Vertriebenenverbänden, Förderung aus dem Bundeshaushalt
und rechtsextremistische Umtriebe auf diesen Treffen

Jedes Jahr veranstalten Vertriebenenverbände in Zeitraum Mai bis Juli so ge-
nannte Pfingsttreffen, Festveranstaltungen mit zentraler Bedeutung für den je-
weiligen Verband. Jahr für Jahr sind diese Pfingsttreffen nicht nur Sammel-
punkte für Mitglieder dieser Verbände, sondern auch Anziehungspunkte für
zahlreiche Rechtsextremisten, ihre Parteien und Organisationen, die in diesen
Vertriebenenverbänden eine „Massenbasis“ für rechtsextremistische, ge-
schichtsrevisionistische und fremdenfeindliche Propaganda sehen.
In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der PDS „Deutschland-
treffen der Landsmannschaft Schlesien“ (Bundestagsdrucksache 14/8604) legte
die Bundesregierung kürzlich Erkenntnisse über solche rechtsextremistischen
Aktivitäten im Umfeld der Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Schlesien
vor. So habe es in den letzten Jahren auf Deutschlandtreffen der Schlesier wie-
derholt Stände rechtsextremistischer Organisationen oder Zeitungen gegeben.
Neben der Wochenzeitung „Der Schlesier“ – so die Bundesregierung in ihrer
Antwort – nahm der rechtsextremistische „Zentralrat der vertriebenen Deut-
schen“ an den Deutschlandtreffen der Schlesier wiederholt mit Ständen teil.
Über Reaktionen der Organisationen sei nichts bekannt – offenbar auch nicht
über Versuche der Landsmannschaft Schlesien, dies zu unterbinden.
Ebenso habe die NPD in ihrem Parteiorgan „Deutsche Stimme“ auf die
Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Schlesien hingewiesen. Die rechts-
extremistische „Junge Landsmannschaft Ostpreußen“ (JLO) habe zu dem letz-
ten Treffen im Juli 2001 in Nürnberg eine Gemeinschaftsfahrt unternommen.
Die Wochenzeitung „Der Schlesier“ rufe regelmäßig zur Teilnahme an den
Treffen auf. Der Bundesregierung sei nicht bekannt, ob diese Veröffentlichun-
gen im Einvernehmen mit der Landsmannschaft Schlesien erfolgt sind.
Der Berliner Politologie-Professor Hans-Gerd Jaschke beschrieb in der Sen-
dung „Monitor“ vom 26. Juli 2001 diese Entwicklung wie folgt: „Kreise wie
die NPD und andere rechtsextreme Organisationen agieren in die Vertriebenen-
verbände hinein mit jüngeren Funktionären. Und die Verbandsspitze scheint
diese Entwicklung zu dulden oder nicht zur Kenntnis zu nehmen. Und dadurch
entsteht eine neue Plattform, ein neues – sagen wir mal – Bündnis durchaus
zwischen Vertriebenenverbänden, Teilen der Vertriebenenverbände, Teilen der
nachwachsenden Generation in den Vertriebenenverbänden und dem Rechtsex-
tremismus.“

Drucksache 14/8827 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Pfingsttreffen welcher Vertriebenenverbände sind nach Erkenntnis

der Bundesregierung in diesem Jahr in den Monaten Mai bis Juli geplant?
2. Werden in diesem Jahr auf diesen Treffen Vertreter der Bundesregierung als

Festredner auftreten?
Wenn ja, wer, bzw. wenn nein, warum nicht (bitte für jedes Treffen einzeln
auflisten)?

3. Welche dieser Pfingsttreffen werden aus Haushaltsmitteln der Bundesre-
gierung direkt oder indirekt in welchem Umfang finanziell gefördert (bitte
nach den jeweiligen Treffen bzw. kulturellen und anderen Veranstaltungen
auf den Treffen, nach Art und Höhe der Förderung aufschlüsseln)?

4. Hat die Bundesregierung Hinweise auf rechtsextremistische Vorbereitungen,
Werbungen und/oder Mobilisierungen zu diesen Pfingsttreffen?
Wenn ja, welche (bitte detailliert nach den werbenden bzw. mobilisierenden
Organisationen, Internet-Seiten, Zeitungen etc. auflisten)?

5. Hat die Bundesregierung ggf. die Vertriebenenverbände auf diese rechts-
extremistischen Vorbereitungen, Werbungen und/oder Mobilisierungen hin-
gewiesen?
Wenn ja, wann und in welcher Form?
Wenn nein, warum nicht?

6. Hat die Bundesregierung ggf. Kenntnis von Maßnahmen der Vertriebenen-
verbände, um solche Werbungen und/oder Mobilisierungen und das Auf-
treten von Rechtsextremisten zu unterbinden?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?

7. Kam es nach Erkenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren auf
Pfingsttreffen der Vertriebenenverbände zu Äußerungen von Rednern,
welche den „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ und die Anerkennung der Oder-
Neiße-Linie als endgültige deutsche Ostgrenze angriffen, oder zu anderen
geschichtsrevisionistischen Äußerungen, zur Bagatellisierung des Holo-
causts und der deutschen Kriegsverbrechen im zweiten Weltkrieg?
Wenn ja, von wem und auf welchen Treffen?
Haben diese Äußerungen ggf. zu strafrechtlichen Ermittlungen geführt, und
wenn ja, mit welchem Ergebnis (bitte für jedes Treffen einzeln auflisten)?

8. Haben nach Erkenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren be-
kannte einzelne Rechtsextremisten bzw. rechtsextremistische Organisatio-
nen, Verlage und Parteien an Pfingsttreffen von Vertriebenenverbänden teil-
genommen, sind dort an Ständen, durch Verbreitung ihrer Zeitungen und
Zeitschriften, mittels Flugblätter und Transparenten, an Büchertischen, als
Diskussionsteilnehmer oder als offizielle Redner aufgetreten?
Wenn ja, um wen und welche Treffen handelt es sich (bitte für jedes Treffen
einzeln auflisten)?

9. Wie haben die Organisationen der Vertriebenen ggf. nach Kenntnis der Bun-
desregierung auf diese rechtsextremistischen Werbungen und Propaganda
reagiert?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8827

10. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung ggf. aus diesem wieder-
holten Auftreten von Rechtsextremisten auf diesen Pfingsttreffen der Ver-
triebenenverbände?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Ausstrahlung dieser Pfingsttreffen
auf Nachbarländer wie die Republik Polen und die Tschechische Republik,
insbesondere im Hinblick auf einen kritischen Umgang mit der deutschen
Gewaltpolitik in diesen Ländern während des Zweiten Weltkriegs und im
Hinblick auf eine Politik der guten Nachbarschaft mit diesen Ländern?

Berlin, den 9. April 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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