BT-Drucksache 14/878

Zurückweisung eines peruanischen Staatsbürgers

Vom 29. April 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/878 vom 29.04.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Zurückweisung eines peruanischen
Staatsbürgers =

29.04.1999 - 878


14/878


Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS
Zurückweisung eines peruanischen Staatsbürgers

Am 23. Januar 1997 erteilte die Deutsche Botschaft dem peruanischen
Staatsbürger C. B. C. antragsgemäß ein Schengen-Visum. C. B. C., ein
Wirtschaftsprofessor, war zu einer Vortragsreise von
Entwicklungshilfeorganisationen eingeladen, und wollte anschließend
seine Tochter in Frankreich besuchen. Er reiste über Oslo und London
nach Berlin, ohne daß die Behörden (in Oslo und London)
Sicherheitseinwände gegen den Transit erhoben.
C. B. C. wurde aber bei seiner Ankunft aus London in Berlin in
Gewahrsam genommen und anschließend zurückgewiesen, obwohl er ein
gültiges Schengen-Visum besaß. Die Grenzschutzstelle Berlin-Tegel
erklärte, es bestünden Sicherheitsbedenken gegen C. B. C., aufgrund
derer er am selben Tag auf eigene Kosten mit dem annullierten Schengen-
Visum zurück nach London fliegen mußte. Keine weiteren Informationen
wurden ihm zuteil. Die britischen Behörden erlaubten C. B. C., den
Flughafen zu verlassen und einen befristeten Aufenthalt in Liverpool
wahrzunehmen.
Weder die zuständigen englischen noch die peruanischen Behörden konnten
das Einreiseverbot erklären oder bestätigen.
Bei einer Klage vor dem Verwaltungsgericht in Berlin behauptete die
Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch das Grenzschutzpräsidium
Ost, Berlin), C. B. C. gelte als Unterstützer einer japanischen
terroristischen Vereinigung. Weiter behauptete das
Grenzschutzpräsidium, daß C. B. C. einem gesuchten Mitglied dieser
Vereinigung gefälschte Papiere verschafft habe und auf seiner Reise in
die Bundesrepublik Deutschland Kontakt mit der Gruppe aufnehmen wolle.
Das Verwaltungsgericht befand am 6. März 1997, das Grenzschutzpräsidium
habe diesen Verdacht "weder belegt noch auch nur glaubhaft gemacht"
(Az: VG 10 A 168.97). Dabei wurde trotz mehrfacher Aufforderung des
Gerichts weder ein aussagekräftiger Beleg für die Sicherheitsbedenken
gegen C. B. C. vorgelegt noch ihm komplette Akteneinsicht gewährt. Ihm
wurden nur teilweise geschwärzte Akten vorgelegt.
C. B. C. wurde dann aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts die
Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ermöglicht. Ihm sind aber
während seiner Zeit in London hohe Kosten (für Anwälte, Unterkunft in
London, Flüge nach London und zurück etc.) entstanden. Die
Rufschädigungen für C. B. C. sind ebenfalls erheblich.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wann erhielt welche Dienststelle der Bundesregierung erstmals
Kenntnis von den Sicherheitsbedenken gegen C. B. C.?
2. Aus welchem Anlaß wurden ihr diese mitgeteilt?
3. Welche Person oder Dienststelle aus welchem Land hat den
bundesrepublikanischen Behörden die angeblichen Sicherheitsbedenken
gegen C. B. C. übermittelt?
4. Warum stellte die Deutsche Botschaft in Lima C. B. C. trotz
bestehender Sicherheitsbedenken ein Visum aus?
5. Waren der Deutschen Botschaft in Lima die den bundesdeutschen
Sicherheitsbehörden vorliegenden Sicherheitsbedenken nicht mitgeteilt
worden, und wenn nein, warum nicht?
6. Unter welchen Voraussetzungen und wann werden in vergleichbaren
Fällen die Botschaften und/oder das Auswärtige Amt über
Sicherheitsbedenken und Einreisehindernisse informiert?
7. Warum ist in diesem Fall möglicherweise anders verfahren worden?
8. Welche besonderen Prüfungsschritte und Sicherheitsanfragen bei
weiteren Dienststellen sind bei Einreiseanträgen peruanischer
Staatsbürger nach den Schengen-Regularien einzuhalten?
9. Hat die Deutsche Botschaft in Lima in diesem Fall alle diese
Prüfungen vorgenommen, und wenn ja, welche Ergebnisse oder ggf.
Sicherheitsbedenken haben diese erbracht?
10. Waren die den bundesdeutschen Behörden vorliegenden
Sicherheitsbedenken gegen C. B. C. nach Kenntnis der Bundesregierung
auch den Behörden Großbritanniens, Norwegens und Frankreichs zugänglich
bzw. übermittelt worden, die C. B. C. problemlos ein- bzw. durchreisen
ließen?
Wenn ja:
-- Wann wurden diese Informationen übermittelt?
-- Warum haben die Sicherheitsbehörden dieser Staaten C. B. C. --
anders als die Bundesrepublik Deutschland -- einreisen lassen?
-- Worauf beruhen die Unterschiede in der Bewertung der
Sicherheitsbedenken unter den fraglichen Staaten?
Wenn nein:
-- Warum sind derartige wichtige Informationen nicht umgehend allen
EU- bzw. Schengen-Mitgliedstaaten zugänglich gemacht worden?
-- Welche Behörde hat hier nach Kenntnis der Bundesregierung versagt?
11. Werden C. B. C. die ihm durch die unberechtigte Zurückweisung
entstandenen Kosten erstattet werden?
Wenn nein:
-- Warum nicht?
-- Mit welchen Erwägungen widerspricht die Bundesregierung unserer
Auffassung, daß sich durch eine großzügige freiwillige Kostenübernahme
zusätzliche Gerichts- und Anwaltskosten eines sonst absehbaren
Zivilrechtsstreits vermeiden ließen, in welchem bundesdeutsche Behörden
mutmaßlich unterliegen würden?
Wenn ja:
-- Wann wurde oder wird die Regulierung mit welcher Ersatzzahlung
abgeschlossen?
-- Welche Differenzen zwischen Forderung und Angebot der
Bundesregierung bestehen noch?
12. Welche Rechtsschutzmöglichkeiten vor welchem zuständigen Gericht,
in welchem Staat und gegen welchen Prozeßgegner stehen C. B. C. zur
Verfügung, um bez. der gegen ihn vorgebrachten Sicherheitsbedenken
a) bei allen damit befaßten Stellen eine Löschung, Sperrung oder
Berichtigung in allen Dateien und Akten durchsetzen zu können,
b) bei den damit befaßten Behörden der Bundesregierung und aller
anderen Staaten eine Auskunft und Akteneinsicht erwirken zu können,
c) zu erfahren, wer diese Informationen gegen ihn erstmals
aufgebracht und weiterverbreitet hat,
d) gegen die Verbreiter der für ihn nachteiligen Informationen wegen
der erlittenen Rufschädigung und anderer Schäden zivilrechtliche
Haftungsgründe geltend machen zu können?
13. Sieht die Bundesregierung hier eventuelle Lücken in bezug auf
Rechtsschutzmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger in derartigen
Fällen, und wenn ja, welche?
14. Finden die Schengener Rechtsschutzregelungen auf den Fall des C.
B. C. Anwendung?
Wenn ja:
-- Welche Lücken werden darin möglicherweise an diesem Fall offenbar?
-- Wird die Bundesregierung Initiativen zur Verbesserung der
Rechtsschutzregelungen ergreifen, und wenn ja, welche?
15. Trifft es zu, daß Hinweise wie vorliegend über C. B. C. künftig
über Europol an nationale Sicherheitsbehörden übermittelt werden
sollen?
Wenn ja:
-- Welche besseren Rechtsschutzmöglichkeiten als heutzutage hätten
Betroffene dann, die vorstehend unter Frage 12 genannten Ansprüche
durchzusetzen?
-- Welche Rechtsansprüche hätten Betroffene dann, den Ursprung
belastender Informationen zu erfahren, wenn die Behörde, die diese
Informationen verwendet, sich wie vorliegend die Bundesregierung
weigert, Näheres preiszugeben, etwa mit der Begründung, die
Erkenntnisse habe Europol aus verschiedenen Quellen analysiert oder
verdichtet?
Bonn, den 23. April 1999
Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

29.04.1999 nnnn

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