BT-Drucksache 14/875

Altfallregelung für Flüchtlinge

Vom 29. April 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/875 vom 29.04.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Altfallregelung für Flüchtlinge =

29.04.1999 - 875


14/875


Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS
Altfallregelung für Flüchtlinge

In ihrer Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 haben SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - auf entsprechende Forderungen von
Flüchtlingsräten, Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, PRO
ASYL, Wanderkirchenasyl und anderen Initiativen hin - eine
Altfallregelung für Flüchtlinge mit langjährigem Aufenthalt
angekündigt. Wörtlich hieß es in der Koalitionsvereinbarung: "Wir
wollen gemeinsam mit den Ländern eine einmalige Altfallregelung
erreichen." Damit wurden Hoffnungen und Erwartungen bei vielen
Flüchtlingen geweckt.
Statt die angekündigte Altfallregelung rasch, klar und großzügig
auszuarbeiten und vorzulegen, machen Vertreter der Koalitionsparteien
und der von ihnen gestellten Länderregierungen seitdem immer neue
Einschränkungen. So stellte der rheinland-pfälzische Minister des
Innern und für Sport, Walter Zuber, schon kurz nach der
Koalitionsvereinbarung mit einem "Denkmodell" Stichtage in den Raum,
die so eng gefaßt waren, daß nur wenige Flüchtlinge begünstigt wären.
Die Innenminister einiger SPD-regierter Bundesländer wollen offenbar
eine nur hinsichtlich der Stichtage (in der Diskussion sollen
Einreisetermine zwischen dem 1. Januar 1992 und 1. April 1994 sein)
veränderte Neuauflage der letzten Altfallregelung. Das hätte zur Folge,
daß Staatsangehörige aus der Bundesrepublik Jugoslawien - darunter auch
Kosovo-Flüchtlinge, traumatisierte ehemalige Lagerhäftlinge aus
Bosnien-Herzegowina, serbische Deserteure u. a. - wieder nicht unter
die Altfallregelung fallen würden. Auch würden die vielen Hürden der
Altfallregelung von 1996, die dazu führten, daß statt 20 000 am Ende
nur etwa 7 800 Aufenthaltsbefugnisse ausgestellt wurden, unverändert
fortbestehen (s. PRO ASYL, "Für eine großzügige Altfallregelung",
Januar 1999).
Das lange Ausbleiben der nun seit sechs Monaten angekündigten
Altfallregelung hat für die Flüchtlinge zu neuen Härten geführt. Ihre
Hoffnungen sind bis heute nicht erfüllt, ihre Not dauert an. Nur in
wenigen Bundesländern - Berlin, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-
Holstein - haben die Länder im Vorgriff auf die erwartete
Altfallregelung die Abschiebungen von Flüchtlingen, die mit hoher
Wahrscheinlichkeit von der Altfallregelung begünstigt wären,
ausgesetzt. In anderen Ländern werden selbst solche Flüchtlinge weiter
abgeschoben.
Flüchtlingsräte, PRO ASYL und andere Gruppen haben die Hinauszögerung
der Altfallregelung wiederholt kritisiert. Sie fordern eine klare und
großzügige Altfallregelung. Flüchtlinge, auch solche ohne Status, die
länger als 5 Jahre in Deutschland sind, sollen eine Aufenthaltsbefugnis
erhalten. Bei unbegleiteten Minderjährigen soll eine
Aufenthaltsbefugnis nach wesentlich kürzerer Zeit erteilt werden, weil
Kinder und Jugendliche sehr schnell wissen müssen, wie ihre
Zukunftsperspektive aussieht. Zudem handelt es sich bei ihnen um einen
überschaubaren Personenkreis. Eine erneute Herausnahme von
Staatsangehörigen aus bestimmten Herkunftsländern wie bei der letzten
Altfallregelung lehnen sie entschieden ab. Ausländerinnen und
Ausländer, deren Verfahren seit dem 14. Mai 1996 (Grundsatzurteil des
Bundesverfassungsgerichts) anhängig sind und die zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens der neuen Regelung gerichtlich noch nicht abgeschlossen
sind, sollen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten ("Mindestanforderungen
an ein neues Asylrecht, Mai 1998, hrsg. von PRO ASYL u. a.).
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Vorstellungen bringt die Bundesregierung für die künftige
Altfallregelung in die Gespräche mit den Ländern im einzelnen ein?
a) Soll die Herausnahme von Staatsangehörigen der Bundesrepublik
Jugoslawien bei der neuen Altfallregelung wegfallen?
b) Sollen Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina unter die neue
Altfallregelung fallen?
c) Sollen traumatisierte Lagerhäftlinge, vergewaltigte Frauen,
Folteropfer und serbische Deserteure in den Genuß der neuen
Altfallregelung kommen?
d) Stimmt die Bundesregierung der Forderung (z. B. der
Rechtsberaterkonferenz der mit den Wohlfahrtsverbänden und dem Hohen
Flüchtlingskommissar des UNHCR zusammenarbeitenden Anwältinnen und
Anwälte) zu, daß alle Flüchtlinge, die länger als 3 Jahre in
Deutschland sind, eine Aufenthaltsbefugnis erhalten sollen?
e) Soll die bisherige Bedingung, wonach Flüchtlinge ihren
Lebensunterhalt für den gesamten Haushalt durch legale Erwerbstätigkeit
sichern müssen, durch faire Ausnahmen (z. B. für Alleinerziehende mit
Kindern, für Auszubildende, für Familien mit vielen Kindern) geändert,
d. h. gelockert werden?
Wenn ja, wie soll diese Änderung aussehen?
Wenn nein, warum nicht?
f) Sind Änderungen für den Nachweis von ausreichendem Wohnraum
geplant?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
g) Wird die Ausschöpfung von Rechtsmitteln (z. B. Einreichung von
Asylfolgeanträgen) bei der künftigen Regelung nicht mehr zum Nachteil
der Flüchtlinge gewertet werden?
h) Sind neue Regelungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge
geplant?
Wenn ja, welche?
Wenn nein, warum nicht?
2. Wann wird die angekündigte Altfallregelung vorgelegt und
verabschiedet werden?
3. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, daß bis zum
Inkrafttreten der angekündigten Altfallregelung die Abschiebung von
Flüchtlingen, die wahrscheinlich zu den Begünstigten der kommenden
Regelung gehören werden, in allen Bundesländern ausgesetzt wird?
Wenn ja, wann ist mit der bundesweiten Aussetzung solcher Abschiebungen
zu rechnen?
Wenn nein, warum nicht?
4. Welche Konsequenzen will die Bundesregierung aus den Erfahrungen
mit den vielen Hürden der letzten Altfallregelung ziehen, bei der mit
20 000 Begünstigten gerechnet wurde, aber nur ca. 7 800 Begünstigte
eine Aufenthaltsbefugnis erhielten?
Bonn, den 27. April 1999
Ulla Jelpke
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

29.04.1999 nnnn

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