BT-Drucksache 14/8651

Bildungs- und Forschungspolitik für eine nachhaltige Entwicklung

Vom 20. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8651
14. Wahlperiode 20. 03. 2002

Antrag
der Abgeordneten Ulla Burchardt, Jörg Tauss, Ulrike Mehl, Adelheid Tröscher,
Klaus Barthel (Starnberg), Hans-Werner Bertl, Willi Brase, Dr. Peter Eckardt,
Lothar Fischer (Homburg), Monika Griefahn, Klaus Hagemann, Reinhold Hemker,
Karin Kortmann, Ernst Küchler, Ulrich Kasparick, Siegrun Klemmer,
Robert Leidinger, Lothar Mark, Dietmar Nietan, Dr. Edelbert Richter, René Röspel,
Dr. Ernst Dieter Rossmann, Siegfried Scheffler, Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Heinz Schmitt (Berg), Dr. Angelica Schwall-Düren, Bodo Seidenthal,
Wieland Sorge, Dr. Margrit Spielmann, Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker,
Brigitte Wimmer (Karlsruhe), Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Winfried Hermann, Dr. Reinhard Loske,
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bildungs- und Forschungspolitik für eine nachhaltige Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Umsetzung des Leitbildes einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwick-
lung erfordert eine umfassende Modernisierung von Staat, Wirtschaft und
Gesellschaft. Es gilt, die natürlichen Lebensgrundlagen als Basis für Wohlstand
und Lebensqualität zu sichern, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit zu erhal-
ten und Arbeit, Einkommen und Lebenschancen gerecht zu verteilen.
Diese komplexe Aufgabe erfordert ein hohes Maß an Orientierungswissen über
die Zusammenhänge von Mensch, Natur und Technik und neue Lösungs-
strategien. Neues Wissen und die Fähigkeit dieses Wissen intelligent zu nutzen,
ist Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Innovationen sind
der Schlüssel, um die ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforde-
rungen des 21. Jahrhunderts zu bewältigen.
Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologieentwicklung kommen eine
entscheidende Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung zu. Dies hat der
Deutsche Bundestag bereits in der 13. Legislaturperiode in seinem einvernehm-
lich verabschiedeten Entschließungsantrag „Forschungspolitik für eine zu-
kunftsverträgliche Gestaltung der Industriegesellschaft“ (Bundestagsdruck-
sache 13/6855) unterstrichen. Um dieser Bedeutung gerecht zu werden, muss
sich die Bildungs- und Forschungspolitik auf veränderte Anforderungen ein-
stellen.

1. Forschungs- und Technologiepolitik für eine nachhaltige Entwicklung
Der Deutsche Bundestag hat das Büro für Technikfolgenabschätzung beauf-
tragt, die neuen Anforderungen an die Forschungs- und Technologieförderung

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herauszuarbeiten. Im TA-Bericht (TA = Technische Anleitung) zur „Forschungs-
und Technologiepolitik für eine nachhaltige Entwicklung“ (Bundestagsdruck-
sache 14/571) sind wesentliche Eckpunkte einer notwendigen Neuorientierung
benannt:
Förderung interdisziplinärer und systemisch-vernetzter Zusammenarbeit
Das für eine nachhaltige Entwicklung notwendige Wissen und seine Umset-
zung in Innovationen ist auf einem rein naturwissenschaftlich-technischen Ent-
wicklungspfad nicht zu erreichen. Natur-, Ingenieurs-, Sozial-, Kultur- und
Wirtschaftswissenschaften müssen eng miteinander kooperieren, um neue
Technologien, neue Produkte und Produktionsverfahren, aber auch neue Kon-
summuster zu fördern. Diese Disziplinen übergreifende Zusammenarbeit muss
gezielt angestoßen werden. Dabei müssen neue systemische Denk- und Hand-
lungsorientierungen zu den etablierten linearen Erklärungsmustern treten, um
ein Verständnis von der Vernetzung und Steuerbarkeit gesellschaftlicher und
natürlicher Systeme entwickeln zu können. Wissenschaftliche Lösungen auf
Basis monokausal-linearer Erklärungsansätze sind nicht zielführend und effizi-
ent.
Orientierung an Bedürfnis- und Handlungsfeldern
Integrierte Lösungsstrategien in wichtigen gesellschaftlichen Handlungs- und
Bedürfnisfeldern, wie etwa „Bauen und Wohnen“, „Mobilität“, „Umwelt und
Ernährung“ u. Ä. sind ein wesentlicher Beitrag für eine nachhaltige Entwick-
lung. Um solche Strategien zu fördern, ist es notwendig, Forschungspro-
gramme aufzulegen, die an derartigen relevanten Feldern orientiert sind.
Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren
Um praxistaugliche Methoden für nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln, ist
es sinnvoll, dass Forscher, Produzenten, Handel, Verbraucher und andere
gesellschaftliche Akteure eng miteinander kooperieren. Kommunikation und
Kooperation zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern, ist
eine zentrale Aufgabe einer nachhaltigen Forschungs- und Technologiepolitik.
Langfrist- und Folgenorientierung
Die mittel- und langfristigen Folgen technischer Innovationen regelmäßig ab-
zuschätzen ist unabdingbare Voraussetzung für eine nachhaltige Technologie-
entwicklung. Die häufig anzutreffende Fixierung auf die kurzfristige Optimie-
rung vorhandener Technologie- und Produktlinien ist kontraproduktiv. Es ist
notwendig, langfristige technologische Entwicklungslinien aufzuzeigen und
deren Machbarkeit zu demonstrieren.
Lösungs- und Handlungsorientierung
Die Erkenntnisse aus der Umweltforschung und die Beschreibung von Um-
weltgefahren müssen verstärkt in Lösungsstrategien sowohl technologischer als
auch sozialwissenschaftlicher Art einmünden. Hier sollte die Ursachenbekämp-
fung statt „end of pipe technology“ Vorrang haben. Zum Beispiel müssen die
Erkenntnisse der Klimaforschung in die Weiterentwicklung von Energietechno-
logien umgesetzt werden, die keine Klimagase ausstoßen. Auch müssen die ge-
wonnenen Erkenntnisse aus der Trinkwasserproblematik in die Erforschung
von Strategien für weltweit flächendeckenden Trinkwasserschutz übergehen.
Die skizzierten Eckpunkten einer Neuorientierung müssen schon bei der Defini-
tion von Forschungsfragen und Förderzielen berücksichtigt werden. Dies erfor-
dert neue Methoden der Generierung von Leitbildern und Zielen für den wis-
senschaftlich-technischen Fortschritt, die in Abstimmung mit einer nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie erfolgten sollte.

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2. Bildungspolitik für eine nachhaltige Entwicklung
Der Deutsche Bundestag hat wesentliche Elemente einer Neuorientierung der
Bildungspolitik am Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung aufgezeigt. Im ein-
vernehmlich verabschiedeten Antrag „Bildung für eine nachhaltige Entwick-
lung“ (Bundestagsdrucksache 14/3319) hat er die Bundesregierung aufgefor-
dert, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.
Dabei hat er sich von der Einschätzung leiten lassen, die auch in der Ab-
schlusserklärung des BLK-Kongresses „Zukunft lernen und gestalten“ vom
Juni 2001 zum Ausdruck kommt: „Eine nachhaltige Entwicklung auf lokaler,
regionaler, nationaler und internationaler Ebene wird nur gelingen, (…) wenn
über die ungleiche Verteilung von Lebenschancen, den Klimawandel und die
Erhaltung der biologischen Vielfalt, über das Konsumverhalten und den
Ressourcenverbrauch, über Ursachen von Armut und Gesundheitsrisiken,
über Möglichkeiten der demokratischen Mit- und Selbstbestimmung und der
globalen Gerechtigkeit, über umweltschonende, sozialverträgliche und an-
wenderfreundliche Techniken kommuniziert wird und diese Themen der nach-
haltigen Entwicklung zum Gegenstand von Lehr- und Lernprozessen gemacht
werden“ (BLK = Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und For-
schungsförderung).
Die Integration des Leitbildes Nachhaltigkeit in alle Sektoren des Bildungs-
bereichs ist nicht nur ein Gebot globaler Verantwortung, sondern ein entschei-
dender Beitrag zur Förderung der Innovationsfähigkeit des Standorts Deutsch-
land. Die Delphi-Studie „Potentiale und Dimensionen der Wissensgesellschaft“
weist dem Wissen über ökologische Zusammenhänge und nachhaltige Wirt-
schafts- und Lebensweisen in Zukunft erhebliche Bedeutung für die soziale,
kulturelle und ethische Orientierung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
der Gesellschaft zu. Wesentlich ist aber nicht alleine die Vermittlung von Fak-
tenwissen, sondern vor allem auch die Förderung von Schlüsselqualifikationen,
wie der Fähigkeit zu ganzheitlichem und vernetztem Denken, kommunikativer
Kompetenz, der Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, Toleranz und Weltoffen-
heit.
Eine besondere Bedeutung kommt der Förderung der Bildung für eine nachhal-
tige Entwicklung in den Ländern des Süden zu. Diese Aufgabe wird zu einem
wichtigen Teil von zivilgesellschaftlichen Akteuren wahrgenommen. Deshalb
hat der Deutsche Bundestag im Antrag „Förderung der Zivilgesellschaft in
Nord und Süd“ (Bundestagsdrucksache 14/5789) die Bundesregierung aufge-
fordert, die zivilgesellschaftlichen Akteure in Deutschland zu stärken und ange-
messen bei Bildungsmaßnahmen zur nachhaltigen Entwicklung zu berücksich-
tigen.
Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung mit Unterstützung
des Deutschen Bundestages die notwendige Neuorientierung der Bildungs- und
Forschungspolitik eingeleitet hat. Nachhaltigkeit ist eine zentrale Leitlinie der
Bildungs- und Forschungspolitik der Bundesregierung. Die Antwort der Bun-
desregierung auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen „Bildungs- und
Forschungspolitik für eine nachhaltige Entwicklung“ (Bundestagsdrucksachen
14/6022 und 14/6959) und der Bericht der Bundesregierung zur „Bildung für
eine nachhaltige Entwicklung“ (Bundestagsdrucksache 14/7971) unterstreichen
dies. Der Deutsche Bundestag fördert diese Entwicklung durch überdurch-
schnittliche Zuwächse bei den Etatmitteln für das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF). Im Etat des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurde der Haushaltstitel für
Entwicklungspolitische Bildungsarbeit seit 1998 um 123 % erhöht.

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Unter der Vielzahl forschungspolitischer Maßnahmen sind hervorzuheben:
l neue Förderschwerpunkte und Programme beispielsweise zu Fragen der

Biodiversität, des Klimawandels, des globalen Wasserhaushaltes und des
Bodenschutzes, die notwendiges Grundlagen- und Orientierungswissen
liefern;

l neue Forschungsprogramme zu Themen wie „Bauen und Wohnen“ und
„Mobilität“, mit denen die notwendige Ausrichtung der Forschungsförde-
rung an wichtigen Handlungs- und Bedürfnisfeldern vorangebracht wurde;

l der Förderschwerpunkt „sozial-ökologische Forschung“, in dessen Rahmen
neue konzeptionelle Forschungsansätze interdisziplinärer Zusammenarbeit
und die Bildung von langfristig tragfähigen Strukturen in diesem Bereich ge-
zielt gefördert werden;

l Forschungsprogramme, die bei der Entwicklung von Lösungsstrategien für
nachhaltiges Wirtschaften in Branchen und Regionen auf enge Kooperation
mit Akteuren aus der Praxis setzen;

l die systematische Etablierung von Kriterien wie Energie- und Emissions-
minderung, Ressourceneffizienz und die Gestaltung umweltgerechter Stoff-
kreisläufe in der Technologieförderung.

Der Bericht der Bundesregierung zur „Bildung für eine nachhaltige Entwick-
lung“ weist eine Fülle von bildungspolitischen Projekten und Maßnahmen ver-
schiedenster Fachressorts auf, die gemeinschaftlich darauf zielen, Nachhaltig-
keit in alle Bereiche des Bildungssektors zu integrieren. Besonders hervorzuhe-
ben sind dabei:
l das BLK-Modellprogramm „21“ und die flankierenden Maßnahmen und

Projekte insbesondere zum Einsatz neuer Medien, die einen wesentlichen
Fortschritt bei der Integration von Nachhaltigkeit in den schulischen Bereich
darstellen;

l die systematische Berücksichtigung von nachhaltigkeitsrelevanten Lernzie-
len wie Umwelt- und Gesundheitsschutz und sozialer Kompetenz am
Arbeitsplatz bei der Neuordnung von Ausbildungsordnungen sowie die Ent-
wicklung von praxisbezogenen Konzepten zur Integration von Nachhaltig-
keit in die berufliche Bildung in branchenbezogenen Modellprojekten. Mit
der vom BMBF in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie „Berufsbildung
für eine nachhaltige Entwicklung“ sind die Voraussetzungen geschaffen, um
die vorhandenen Ansätze auszuweiten und zu vertiefen;

l Stipendienprogramme, z. B. zu integrierter Umwelttechnik, und Fördermaß-
nahmen für junge Wissenschaftler in sozial-ökologischen Forschungsver-
bünden, mit denen die Bundesregierung gezielt den akademischen Nach-
wuchs fördert und dazu beiträgt, Nachhaltigkeit auch in der universitären
Ausbildung zu verankern;

l Maßnahmen zur Integration von Nachhaltigkeit in den Bereich der Weiter-
bildung, wie die Unterstützung der Lernfest-Bewegung, die Durchführung
von Fortbildungsveranstaltungen, Konferenzen und Wettbewerben.

Die Initiativen der Bundesregierung im Bereich von Bildung und Forschung
sind ein zentraler Bestandteil der Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung
und ein unverzichtbares Element der Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
ihre Bemühungen um eine Ausrichtung der Bildungs- und Forschungspolitik
am Leitbild Nachhaltigkeit konsequent fortzusetzen und bestehende Ansätze
weiterzuentwickeln.
Im Bereich der Forschungs- und Technologieförderung fordert der Deutsche
Bundestag die Bundesregierung insbesondere auf,
l ursachenorientierten Lösungsstrategien den Vorzug vor symptom-orientier-

ten End-Of-Pipe-Technologien zu geben;
l Forschungsprojekte zu vermeiden, die dem Nachhaltigkeitsziel zuwiderlau-

fen. Hierzu zählt z. B. die Forschung zur Gewinnung von Methanhydraten,
die im Falle eines Abbaus das Klima gefährden würden;

l den mit den Forschungsprogrammen zu „Mobilität“ und „Bauen und Woh-
nen“ beschrittenen Weg der Orientierung an Bedürfnis- und Handlungs-
feldern fortzuführen und auf weitere Handlungsfelder wie etwa „Umwelt,
Gesundheit, Ernährung“ sowie „Information und Kommunikation“ auszu-
dehnen;

l einen Schwerpunkt der Forschungsförderung auf die Entwicklung institutio-
neller Innovationen zu legen, die geeignet sein könnten, die Erarbeitung
langfristig angelegter ressort- und fachübergreifender Strategien für eine
nachhaltige Entwicklung und deren Umsetzung zu befördern;

l im Interesse einer breiten Rezeption der Ergebnisse der Nachhaltigkeits-
forschung in der unternehmerischen und gesellschaftlichen Praxis die Ent-
wicklung von Umsetzungs- und Verbreitungsstrategien gezielt zu fördern;

l den Aufbau von Strukturen und Kapazitäten im Bereich der transdisziplinä-
ren Nachhaltigkeitsforschung durch gezielte Nachwuchsförderung insbeson-
dere auch im Hochschulbereich weiter voranzutreiben;

l Methoden und Wege zu prüfen, die zu einer weiteren Verbesserung der Ab-
stimmung und Vernetzung der breit gefächerten Forschungsprogramme der
Bundesregierung und zur Entwicklung langfristiger Forschungsziele zur
Förderung nachhaltiger Innovationen beitragen können. Grundlage dieser
Prüfung sollten u. a. die im Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung
analysierten Erfahrungen mit dem niederländischen Programm „Duurzame
Technologische Ontwickeling“ (DTO) sein.
Der Deutsche Bundestag empfiehlt in diesem Zusammenhang, einen fach-
programmübergreifenden Ansatz zu initiieren, der dazu beitragen soll, nach-
haltige Innovationen zu stimulieren. Im Rahmen dieses Ansatzes sollten
neue Wege der Bestimmung und Umsetzung von langfristigen Leitbildern
und Zielen einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise und der dafür
notwendigen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Innovationen er-
probt werden.
Die Entwicklung langfristiger Zielvorstellungen im Dialog der gesellschaft-
lichen Akteure und die Durchführung von Illustrations- und Demonstra-
tionsprojekten, in denen die technologische und ökonomische Realisierbar-
keit sowie soziale Wirkungen demonstriert werden sollen, sollte im Rahmen
dieses Ansatzes gezielt gefördert werden. Hierbei kann an bereits vorhan-
dene Elemente aus bestehenden Fachprogrammen angeknüpft werden, die
im Hinblick auf zentrale gesellschaftliche Bedürfnisfelder aufeinander abzu-
stimmen sind.

Im Bereich der Bildungspolitik kann bei der Weiterentwicklung bestehender
Ansätze unter anderem an die jüngsten Empfehlungen der BLK zur Umsetzung
des Orientierungsrahmens „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“, die

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Ergebnisse des BLK-Kongresses „Zukunft lernen und gestalten“, die Resultate
des VENRO-Kongresses „Bildung 21 – Lernen für eine gerechte und zukunfts-
fähige Entwicklung“ (VENRO = Verband Entwicklungspolitik Deutscher
Nichtregierungsorganisationen) sowie die Machbarkeitsstudie des Bundesinsti-
tuts für berufliche Bildung zur „Berufsbildung für eine nachhaltige Entwick-
lung“ angeknüpft werden. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf,
l den mit dem Forum Bildung begonnenen breiten Dialog über die Erneue-

rung des Bildungssystems gezielt für die Bereiche Bildung und Kommuni-
kation für eine nachhaltige Entwicklung fortzusetzen, um innovative Kon-
zepte zur Weiterentwicklung der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
zu entwerfen und Vorschläge zu deren Umsetzung zu entwickeln;

l sich für ein BLK-Programm „Nachhaltigkeit und Lehrerbildung“ einzuset-
zen. Dieses würde die bisherigen Maßnahmen im Rahmen des BLK-Pro-
gramms „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“, das sich an Schulen
und Schüler der Sekundarstufe I und II richtet, sinnvoll ergänzen. Denn Bil-
dung für eine nachhaltige Entwicklung kann in den Schulen nur dann umge-
setzt werden, wenn auch die Lehrerinnen und Lehrer entsprechend qualifi-
ziert und ausgebildet sind;

l unter Nutzung der Möglichkeiten neuer Informations- und Kommunika-
tionstechniken ein für alle Interessierten leicht zugängliches und auf Dauer
angelegtes bundesweites Netzwerk zum Informations- und Erfahrungs-
austausch anzulegen, das bestehende Initiativen, Projekte, Erfahrungen,
Erkenntnisse und Kooperationsstrukturen sinnvoll integriert;

l die bestehenden Ansätze zur Integration des Leitbildes in die berufliche Bil-
dung und die Weiterbildung fortzuentwickeln. Nachhaltigkeit und systemi-
sche Denkansätze müssen zum festen Bestandteil der Ausbildungsordnun-
gen, -rahmenpläne und Prüfungsanforderungen in der beruflichen Bildung
werden. Darüber hinaus sollten neue Ausbildungsgänge (wie z. B. „Nach-
haltigkeits-Aufbaustudium“) und Berufe (wie Energiewirt in der Landwirt-
schaft oder Solarteure im Handwerk) entwickelt werden. Den Vorschlägen
des Bundesinstituts für Berufsbildung in der Machbarkeitsstudie „Berufs-
bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ folgend sollte in Kooperation mit
der ausbildenden Wirtschaft und den Ländern ein BLK-Modell-Versuchs-
programm aufgelegt werden mit dem Ziel, vorliegende Erfahrungen, Vor-
arbeiten und Konzepte weiter zu entwickeln und zu verbreiten;

l geeignete Maßnahmen in die Wege zu leiten, die eine Verankerung von
Nachhaltigkeit in der allgemeinen Weiterbildung befördern können. Dazu
gehört die Entwicklung und Erprobung neuer Strategien der Zielgruppen-
ansprache sowie neuer didaktischer und methodischer Konzepte ebenso wie
die Entwicklung von Qualifizierungsprogrammen für Weiterbildnerinnen
und Weiterbildner;

l über Bund-Länder-Gespräche zur verstärkten Implementierung der Nach-
haltigkeit in der Ausbildung an Hochschulen beizutragen. So machen die
Forschungsergebnisse neuer Wohnkonzepte und Bautechnologien (z. B.
solare Bautechnologien) nur dann Sinn, wenn dieses Wissen auch in die
Curricula der Architektenausbildung einfließt;

l die Forschung zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung insgesamt zu
intensivieren und durch die Verbindung von Forschungs- und Entwicklungs-
vorhaben mit Bildungsaspekten für den Transfer von Ergebnissen der For-
schung für eine nachhaltige Entwicklung in die verschiedenen Bildungs-
bereiche Sorge zu tragen;

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l eine verstärkte Kommunikation und Empfehlung der Nachhaltigkeitsstrate-
gie beim Lehrpersonal (z. B. bei Lehrern und Professoren) zu forcieren;

l vorhandene Ansätze zur Förderung regionaler Netzwerke der Weiterbildung
und des lebenslangen Lernens für die Bildung für eine nachhaltige Entwick-
lung zu öffnen und damit die Herausbildung regionaler Lernstrukturen zu
unterstützen;

l den internationalen Erfahrungsaustausch und die Kooperation bei Projekten
und Programmen zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung auszubauen
und zu intensivieren. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Ent-
wicklungshochschulen gelegt werden;

l nichtstaatliche Initiativen (NROs) in dem Bereich der Bildung für eine nach-
haltige Entwicklung verstärkt zu unterstützen;

l nach Maßgabe des Haushaltes die Einrichtung einer Stiftung auf Bundes-
ebene zu prüfen, mit dem Ziel, die Finanzierung der Trägerstrukturen in der
deutschen Entwicklungszusammenarbeit unabhängig zu gestalten und lang-
fristig zu sichern. Dies – wie auch die Möglichkeit einer NRO-Trägerstruk-
turfinanzierung – wäre angesichts des geänderten deutschen Stiftungsrechts
heute einfacher realisierbar.

Berlin, den 20. März 2002
Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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