BT-Drucksache 14/8617

1)zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Schuster, Adler, Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abg. Dr. Köster-Lößack, Ströbele, Müller (Köln), und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/3396- EU-AKP-Zusammenarbeit - bewährte Partnerschaft mit großer Zukunft 2) zu dem Antrag der Fraktion CDU/CSU -14/3771- Reform der EU-Entwicklungszuammenarbeit ist bislang Stückwerk und muss konsequent vorangetrieben werden

Vom 20. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8617
14. Wahlperiode 20. 03. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(20. Ausschuss)

1) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. R. Werner Schuster, Brigitte Adler,
Ingrid Becker-Inglau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Dr. Angelika Köster-Loßack, Hans-Christian Ströbele,
Kerstin Müller (Köln), und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/3396 –

EU-AKP-Zusammenarbeit – bewährte Partnerschaft mit großer Zukunft

2) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 14/3771 –

Reform der EU-Entwicklungszusammenarbeit ist bislang Stückwerk und muss
konsequent vorangetrieben werden

A. Problem
Beide Anträge gehen auf das am 23. Juni 2000 unterzeichnete Nachfolgeab-
kommen zu dem im Februar 2000 ausgelaufenen Lomé-Abkommen ein.
In dem Antrag auf Drucksache 14/3396 und auch in dem Antrag auf Drucksa-
che 14/3771 wird die Bundesregierung aufgefordert, auf die strikte Einhaltung
wichtiger Bestandteile des Abkommens (Beachtung der Menschenrechte, de-
mokratische Grundrechte, Rechtstaatlichkeit, verantwortungsvolle Regierungs-
führung) zu achten und, wenn es erforderlich werden sollte, die im Abkommen
vorgesehenen Konsultations- und Sanktionsmöglichkeiten konsequent zu nut-
zen.
Nach den Ausführungen auf Drucksache 14/3396 soll weiter darauf geachtet
werden, dass die Armutsbekämpfung als zentrales Ziel des Abkommens im
Vordergrund steht. Die vorgesehene Aushandlung der regionalen Freihandels-
abkommen solle aktiv und im Interesse der Entwicklungsländer vorangebracht
werden, insbesondere durch entwicklunspolitische Maßnahmen, wobei die Ver-
antwortung (ownership) der AKP-Staaten im Vordergrund stehen müsse.
Der Antrag in der Drucksache 14/3771 spricht neben dem Nachfolgeabkommen
von Lomé die neue Konzeption der EU-Kommission zur gemeinschaftlichen

Drucksache 14/8617 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Entwicklungspolitik an, durch die die Defizite der EU-Entwicklungszusam-
menarbeit beseitigt werden sollen.

B. Lösung
Die Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP haben
sich interfraktionell auf eine gemeinsame Neufassung der Anträge auf den
Drucksachen 14/3396 und 14/3771 verständigt. Die Neufassung hat der Aus-
schuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit den Stimmen
aller Fraktionen angenommen.
Einstimmigkeit im Ausschuss

C. Alternativen
Zustimmung zu einem der beiden Anträge auf den Drucksachen 14/3396 und
14/3771.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8617

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
die Anträge auf denDrucksachen 14/3396 und 14/3771 in der folgenden Fassung
anzunehmen:
Reformen der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union vor-
antreiben

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten leisten insgesamt ca.

55 % der weltweiten öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Damit
ist in der Vergangenheit ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der Armut
und zur Förderung der Entwicklungschancen imSüden geleistetworden.Den-
noch hat die europäische EZ weltweit bislang nicht das Gewicht, das sie auf-
grund ihres quantitativen Übergewichts haben könnte. Ursache dafür waren
bzw. sind nicht zuletzt die existierenden Defizite auf europäischer Ebene, wie
z. B. deren mangelnde Effizienz, die unzureichende Koordinierung zwischen
der EU-Kommission und den 15 Mitgliedstaaten, der immer noch stockende
Mittelabfluss mit einer bis Ende 1999 bis auf über 20 Mrd. Euro angewach-
senen Pipeline oder die regionale (Zuständigkeit von zwei Kommissaren) so-
wie sektorale Aufsplitterung (Zuständigkeit mehrerer Generaldirektionen).
Die meisten dieser Defizite hat der Deutsche Bundestag in unterschiedlichen
Anträgen (Drucksachen 14/538; 14/3396, 14/3771) dargestellt und die Bun-
desregierung aufgefordert, sich für weitreichende Reformen einzusetzen.

2. Als Reaktion auf die Kritik durch Mitgliedstaaten und nicht-staatliche Orga-
nisationen hat der Rat der Entwicklungsministerinnen und -minister der EU
am 10. November 2000 eine ‚Gemeinsame Erklärung zur gemeinschaftlichen
Entwicklungspolitik‘ verabschiedet. In diesem Grundsatzbeschluss zur poli-
tischen Positionierung und Neubestimmung der Entwicklungszusammenar-
beit im Rahmen der EU werden weitreichende Reformen angekündigt.
Die Erklärung hat zum Ziel, die angedeuteten Defizite der EU-Entwicklungs-
zusammenarbeit zu beheben und sie integrierter und strategischer auszurich-
ten. Zudem zeigt sieWege für eineKonzentrierung und bessereArbeitsteilung
zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten auf. Die künftige Strategie der
EU-Kommission soll sich prioritär auf Armutsbekämpfung und die schritt-
weise und harmonische Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirt-
schaft richten. Um der EU-Entwicklungszusammenarbeit die maximale Wir-
kung verleihen zu können, schlägt die EU-Kommission die Konzentration auf
nur noch sechs Sektoren vor:
– Handel und Entwicklung
– Regionale Integration
– Unterstützungmakroökonomischer PolitikenmitArmutsbezug (besonders

Bildung und Gesundheit)
– Transport
– Ernährungssicherheit und ländliche Entwicklung
– Aufbau institutionellerKapazitäten, verantwortungsvolleVerwaltungsfüh-

rung und Rechtsstaatlichkeit.

Drucksache 14/8617 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die zukünftige Entwicklungszusammenarbeit soll bestimmten Prinzipien un-
terstellt werden, die neben der Betonung des Partizipationsprinzips und der
Beteiligung der Zivilgesellschaft auch einen Übergang von Projekt- zu Pro-
grammhilfe beinhalten.
Besonders hohe Priorität wird folgenden Punkten eingeräumt:
– Verbesserung derKoordination der 15+1Entwicklungspolitiken, damit die

Stärken der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit zum Tra-
gen kommen (u.a. Kenntnis regionaler Integrationsprozesse, Erfahrungen
von 15 Mitgliedstaaten);

– erhöhte Kohärenz zwischen den Politikbereichen, die auf die Entwick-
lungsländer ausstrahlen,wie z. B.Agrar- und Fischereipolitik, und der Ent-
wicklungszusammenarbeit. Institutionell soll der Projektzyklus in einer
Hand gebündelt und die Finanzkontrolle verbessert werden durch Bildung
einer neuen Arbeitseinheit aus Mitarbeitern der zuständigen Ressorts für
Außenbeziehungen, Erweiterung, Außenhandel und Entwicklungszusam-
menarbeit, die die Projekte von der Konzeption bis zur Finanzkontrolle be-
gleiten;

– verstärkte Komplementarität, d.h. eine bessere Arbeitsteilung zwischen
der Gemeinschaft und den einzelnen Mitgliedstaaten, um u. a. unnötige
Verdoppelungen der Arbeit zu vermeiden, und die Delegation von Aufga-
ben der Verwaltung und Mittelzuweisungen der Gemeinschaft an die Mit-
gliedstaaten, die offensichtlich komparative Vorteile aufweisen können;

– Schließlich soll eine Dezentralisierung durch die Übertragung von mehr
Entscheidungsverantwortung an die EU-Delegationen in den Empfänger-
ländern eingeleitet werden.

Diese Erklärung zur Entwicklungspolitik der Gemeinschaft wird unterstützt
durch einen von der Kommission vorgelegten Aktionsplan, der die entspre-
chenden Durchführungsmodalitäten und Zeitpläne zur Erreichung der vorge-
gebenen Ziele enthält.

3. Darüber hinaus konnten sich die 15 EU-Staaten und die 77 AKP-Länder nach
langwierigenVerhandlungen auf einNachfolgeabkommen zu dem imFebruar
2000 ausgelaufenen Lomé-Abkommen einigen, das am 23. Juni 2000 in Co-
tonou/Benin unterzeichnet wurde. Kernstück des neuen Abkommens ist der
Ersatz der bisherigen einseitigen Handelspräferenzen durch die Schaffung
von regionalen Freihandelsabkommen, die 2008 in Kraft treten sollen. Diese
Abkommen sehen lange Übergangsfristen vor, während derer die Märkte stu-
fenweise geöffnet werden. Darüber hinaus enthält das Abkommen mit einer
erstmalig 20-jährigen Laufzeit weitere, grundlegende Vereinbarungen für die
Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und den AKP-Staaten. So
stellt die EU bis zum Jahr 2005 einen Betrag von bis zu 13,8 Mrd. Euro für
die Mittelausstattung des nächsten Europäischen Entwicklungsfonds (EEF)
zur Verfügung. Im Hinblick auf die HIPC-Entschuldungsinitiative sollen
1 Mrd. Euro aus bisher nicht verplantenMitteln des EEF für die Finanzierung
des multilateralen Schuldenerlasses eingesetzt werden. Das Prinzip der ver-
antwortungsvollen Regierungsführung (Good Governance) wurde im Ver-
tragstext fixiert, allerdings nur der Sonderfall extremer Korruption der Mög-
lichkeit der Sanktionsverhängung unterworfen. Darüber hinaus enthält das
Abkommen einige Bestimmungen zur verstärkten Einbeziehung der Zivilge-
sellschaft und zur Stärkung des politischen Dialogs.

4. Der Deutsche Bundestag hat die Bemühungen der EU-Kommission um eine
Bündelung und Straffung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit der
EU zur Kenntnis genommen. Die neu geschaffene Organisation „EuropeAid“
mit rund 1200 Mitarbeitern soll künftig fast die gesamten Außenhilfen der
EU verwalten und verfügt damit über ein Finanzvolumen von jährlich fast

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/8617

8 Mrd. Euro. Das entspricht 80 % der im Gemeinschaftshaushalt vorgesehe-
nen Mittel für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit. Zum Leiter er-
nannte die Kommission den Italiener Giorgio Bonacci. Er untersteht einem
Verwaltungsrat, der von den EU-Kommissaren für Außenbeziehungen Chris
Patten und für Entwicklungszusammenarbeit Poul Nielson geleitet wird.
In Zukunft soll die gesamte Durchführung von Projekten und Programmen,
von der Ausschreibung und Umsetzung bis zur Bewertung in der Hand von
EuropeAid liegen. Damit soll die bislang auf unterschiedliche Generaldirek-
tionen und Agenturen verteilte Kompetenz klarer und effizienter strukturiert
werden.

5. Schließlich hat der Deutsche Bundestag mit Erleichterung zur Kenntnis
genommen, dass die Differenzen zwischen der EU-Kommission und dem so
genannten ‚Liaison Committee‘ (LC), dem Dachverband der europäischen
entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen (auch unter dem
französischen Akronym CLONG bekannt), ausgeräumt werden konnten. Der
auf der Generalversammlung des LC verabschiedete Kompromissvorschlag
zur Fortführung der Zusammenarbeit ist von der Kommission weitgehend an-
genommenworden. Das LCwurde vormehr als 25 Jahrenmit der aktivenUn-
terstützung der Kommission gegründet und wurde bislang zu 85 % von ihr
finanziert. Es ist imnicht-staatlichenBereich eine derHauptinformationsquel-
len über europäische Entwicklungspolitik und repräsentiert 930 europäische
Nichtregierungsorganisationen (NRO). Der vorgelegte Kompromissvor-
schlag sieht nun vor, dass die Summe der Rückforderungen der Kommission
auf 325 000 Euro (ursprünglich 1 Mio. Euro, d. h. 2/3 weniger) reduziert und
innerhalb von drei Jahren zurückgezahlt werden müssen, der Anteil der EU-
Zuwendungen an das LC von 85 auf 70 % bis 2004 gesenkt wird und die not-
wendigen internen Finanz- undVerwaltungsstrukturreformen beimLCdurch-
geführt werden.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt,
– die weitreichenden Schritte, die mit der ‚Gemeinsamen Erklärung zur ge-

meinschaftlichen Entwicklungspolitik‘ in Richtung einer Verbesserung der
EU-Entwicklungszusammenarbeit eingeleitet worden sind;

– dass sich die Bundesregierung seit vielen Jahren und insbesondere während
ihrer EU-Ratspräsidentschaften für eine zügige Reform der Entwicklungszu-
sammenarbeit auf europäischer Ebene eingesetzt hat und damit einen erheb-
lichen Anteil an den eingeleiteten Reformschritten besitzt;

– die Ausrichtung des Cotonou-Abkommens am zentralen Ziel der Armutsbe-
kämpfung sowie die Stärkung des politischen Dialogs, u. a. über Fragen der
Demokratisierung und Beachtung der Menschenrechte zwischen den Regie-
rungen sowie zwischen den Regierungen und den Vertretern der Zivilgesell-
schaft. Ferner die Betonung der Geschlechter-Gleichberechtigung und die
Aufnahme von verantwortungsvoller Regierungsführung als fundamentales
Element der EU-AKP-Zusammenarbeit;

– dass sich die Bundesregierung mit Nachdruck für eine Lösung des Konfliktes
zwischen der EU-Kommission und dem NRO-Dachverband LC und für das
Fortbestehen des LC eingesetzt hat;

– den Beschluss der EU-Außenminister, die EU-Märkte für Produkte der ärms-
ten Staaten derWelt (LDCs) völlig zu öffnen und die Einfuhrzölle abzubauen,
wobei der Markt für Bananen erst 2006, für Zucker und Reis sogar erst 2009
völlig liberalisiert wird. In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, dass die
Bundesregierung andere Handelspartner der ärmsten Staaten der Welt auffor-
dert, ebenfalls ihre Märkte völlig zu öffnen.

Drucksache 14/8617 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Doch trotz dieser begrüßenswerten Entwicklung sieht der Deutsche Bundestag
den Prozess der Reform der EU-Entwicklungszusammenarbeit noch nicht als
beendet an, sondern erkennt noch erheblichen Reformbedarf.
III. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
– eine kohärente, auf nachhaltige und menschenwürdige Entwicklung der Ent-

wicklungs- und Transitionsländer ausgerichtete Gesamtpolitik der EU in Ab-
stimmung mit der Arbeit der multilateralen Organisationen, insbesondere der
Vereinten Nationen, zu unterstützen und dort wo notwendig einzufordern;

– sich für eine stärkere Berücksichtigung der imEG-Vertrag festgelegten Struk-
turprinzipien der Subsidiarität und Komplementarität im Hinblick auf die
Konzeption und Durchführung der EU-Entwicklungszusammenarbeit im
Rahmen des Cotonou-Abkommens einzusetzen;

– darauf hinzuwirken, dass diemit der Einrichtung von „EuropeAid“ angestreb-
te Straffung und Bündelung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit
nicht zur Schaffung zusätzlicher administrativer Strukturen führt. Die vorran-
gigeAufgabe von „EuropeAid“ sollte in der Konzeption, Kontrolle sowieKo-
ordination liegen, um die Komplementarität der verschiedenen nationalen
Entwicklungspolitiken zu steigern und unnötige Verdoppelungen zu vermei-
den. Zudem sollte EuropeAid die Voraussetzungen für einen schnellerenMit-
telabfluss schaffen;

– dafür Sorge zu tragen, dass „EuropeAid“ bei der praktischen Durchführung
von EU-finanzierten Projekten, auch weiterhin auf die in den EU-Mitglieds-
staaten vorhandenen, bewährten staatlichen und nichtstaatlichen Trägerorga-
nisationen zurückgreift;

– darauf zu achten, dass im Zuge der Einrichtung von EuropeAid die europä-
ische Entwicklungszusammenarbeit im Verhältnis zur europäischen Außen-
und Außenhandelspolitik keinen Bedeutungsverlust erleidet;

– die in dem Aktionsprogramm enthaltenen Durchführungsmodalitäten und
Zeitpläne zur Erreichung der vorgegebenen Ziele präziser zu beschreiben.
Bislang fehlen noch eine Reihe von Stufen und damit auch eine Reihe von In-
strumenten. Das Aktionsprogrammmuss einen verbindlicheren Charakter er-
halten. Zudemmuss die Kontrolle der Durchführung und die Evaluierung der
vorgesehenen Aktionen gewährleistet werden;

– sich für schlankere administrative Verfahren, kürzere Entscheidungswege
und höhere Flexibilität der EU-Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen
und so z. B. die Anfang 2000 auf über 20Mrd. Euro angewachsene „Pipeline“
noch nicht ausgezahlter Verpflichtungen abzubauen. Die in diesem Zusam-
menhang, vor Beschlussfassung stehende so genannte ‚Sunset-Klausel‘, die
beinhaltet, dass genehmigte Gelder automatisch verfallen, falls sie nicht in-
nerhalb von drei Jahren nach der Genehmigung genutzt werden, ist ein erster
Schritt in die richtige Richtung;

– die Arbeitsteilung zwischen der EU-Kommission und den 15Mitgliedstaaten,
aber insbesondere die Arbeitsteilung zwischen den Mitgliedstaaten unter-
einander zu verbessern, um unnötige Doppelungen zu vermeiden, kompara-
tive Vorteile einzelner Staaten nutzen zu können und die Entwicklungszusam-
menarbeit der EU damit insgesamt zu effektivieren. Diese Arbeitsteilung
muss allerdings in enger Absprache mit den Partnerländern geschehen;

– verstärkt und systematisch unabhängige Evaluierungen von EU-Entwick-
lungsprojekten und -programmen durchzuführen, die Ergebnisse zu veröf-
fentlichen und die Lehren hieraus umgehend in dieKonzeption nachfolgender
Projekte und Programme einfließen zu lassen;

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/8617

– sich dafür einzusetzen, dass die EU-Kommission die in den letzten 25 Jahren
im Rahmen des LC begründete vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen
EU-Kommission und europäischen NRO weiter vertieft, nachdem die Diffe-
renzen in Brüssel zwischen Kommission und dem LC nun weitgehend ausge-
räumt werden konnten. Im Interesse einer besseren Verankerung der europä-
ischen Entwicklungspolitik in den Bevölkerungen der EU-Mitgliedstaaten
sollte die EU eine breite und repräsentativeNetzwerk-Struktur vonNROaktiv
fördern und dort wo notwendig finanziell unterstützen;

– darauf hinzuwirken, dass Initiativen eingeleitet werden zur Förderung ent-
sprechender Netzwerk-Strukturen durch die EU-Kommission in den Partner-
ländern der EU, um die durch den Cotonou-Vertrag oder PRSP-Prozesse auf
die Süd-NRO zukommenden neuen Aufgaben auch adäquat bewältigen zu
können;

– die EU-Kommission davon zu überzeugen, das bisherige SystemderKofinan-
zierung auf EU-Ebene auszubauen und auch für kleine und mittlere NRO zu-
gänglich zu halten. Der in der jetzigen Haushaltslinie B7-6000 enthaltene Ge-
danke der Partnerschaft von Nord- und Süd-NRO und das darin implizierte
Initiativrecht der NRO für eigene Projektvorschläge sollten erhalten bleiben;

– darauf hinzuwirken, dass die Verfahren zur Antragstellung im Bereich der
NRO-Kofinanzierungwesentlich vereinfacht und die Beratung für antragstel-
lende NRO verbessert werden, um eine größere Breite der NRO-Projektzu-
sammenarbeit zu gewährleisten und auch kleineren NRO die Möglichkeit der
Finanzierung ihrer Vorhaben über EU-Mittel zu ermöglichen;

– zur Verwirklichung der im Cotonou-Abkommen zu Recht verankerten Betei-
ligung der Bevölkerung in den Entwicklungsländern verstärkt capacity buil-
ding-Programme und -Projekte (besonders für Fragen der menschlichen
Grundbedürfnisse wie Zugang aller zu Grundbildung, Versorgung mit saube-
rem Wasser und Basisgesundheitsdiensten sowie für Fragen des Umwelt-
schutzes und des sozialen Umfeldes) auf bilateraler und EU-Ebene zu initiie-
ren, die die Bevölkerung dazu befähigen, die sich aus den genannten
Beteiligungsmöglichkeiten ergebendenMitspracherechte angemessen zu nut-
zen;

– bei gegebenen Anlässen stets auf die hohe Bedeutung von Informations-,
Presse- und Meinungsfreiheit sowie der politischen Oppositionsfreiheit hin-
zuweisen;

– mit Nachdruck weitere wichtige Handelspartner der LDCs aufzufordern, dem
Beschluss der EU zu folgen und ihre Märkte für Produkte aus diesen Staaten
völlig zu öffnen;

– sich auch imBereich verarbeiteter Produkte aus LDCs auf europäischer Ebene
für vereinfachten Marktzugang einzusetzen und hierbei eine größere Flexibi-
lität bei den sog. Ursprungsregeln im Interesse der LDCs einzufordern;

– die Politikkohärenz im Bereich der Außenhandelspolitik zu erhöhen. Die EU
muss gemeinsam mit den AKP-Staaten und anderen Entwicklungsländern in
derWelthandelsorganisation (WTO) prüfen,wie die schwächerenÖkonomien
der Entwicklungsländer besser in den Welthandel integriert und gleichzeitig
auf angemessene Weise geschützt werden können;

– gegenüber der EU-Kommission darauf hinzuwirken, die Vertretungen der
Entwicklungsländer bei der WTO dabei zu unterstützen, dass diese ihre be-
rechtigten Belange im Rahmen der nächsten Welthandelsrunde wirkungsvol-
ler einbringen können;

– unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips Krisenprävention als operativen
Bestandteil der europäischen Entwicklungszusammenarbeit aufzuwerten.

Drucksache 14/8617 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dazu müssen sich die Mitgliedstaaten zügig auf ein gemeinsames Konzept
zur Krisenprävention einigen, das die Entwicklungszusammenarbeit im Zu-
sammenwirken mit allen außen- und sicherheitspolitischen Maßnahmen be-
sonders berücksichtigt, dafür ein entsprechendes Instrumentarium entwickeln
und dieses auf seine Wirksamkeit überprüfen. Im Sinne einer kohärenteren
Politik muss außerdem nachdrücklich auf eine stärkere Kontrolle der Rüs-
tungsausgaben und des internationalen Waffenhandels gedrängt werden;

– den Übergang von Nothilfemaßnahmen zur Entwicklungszusammenarbeit zu
optimieren, um die Nachhaltigkeit der Hilfsmaßnahmen zu gewährleisten.
Das für den Sudan ins Leben gerufene Programm ‚Humanitarian Plus‘ deutet
in diesemZusammenhang in die richtigeRichtung.Ähnliche Programme soll-
ten auf andere Krisengebiete ausgeweitet werden;

– den chronischen Mangel an deutschen Mitarbeitern in Brüssel zu beheben.
Deutschland istmit einemPersonalanteil von 11,5 % in den für Entwicklungs-
politik relevanten Generaldirektionen sowie in der für die Durchführung der
Entwicklungszusammenarbeit zuständigen Einheit (zukünftig: „EuropeAid“)
unterrepräsentiert. Insbesondere der Anteil von jüngeren deutschenMitarbei-
tern ist unbefriedigend. Von daher müssen spezielle Anreizstrukturen für die
Förderung dieser Gruppe geschaffen werden;

– unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips ein besonderes Programmauf EU-
Ebene zur Förderung der IT-Branche in Entwicklungsländern ins Leben zu ru-
fen, um die befürchtete ‚digitale Lücke‘ und damit die Abkoppelung weiter
Teile des Südens abzuwenden;

– darauf hinzuwirken, die Zusammenarbeit zwischen der EU-Kommission, der
Bundesregierung, den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parla-
ment zu verbessern Eine Vielzahl der zu behandelnden EU-Dokumente sind
zum Zeitpunkt der Behandlung in den zuständigen Parlaments-Ausschüssen
bereits veraltet. Dadurch werden die Abstimmungen zu EU-Vorlagen teilwei-
se zur Farce;

– das Parlament konsequenter und rechtzeitig über relevante Entwicklungen,
Planungen und Ergebnisse vonVerhandlungen in Brüssel zu informieren. An-
sonsten besteht für die Parlamente die Gefahr, bei wichtigen Verhandlungen
nur noch zu spät reagieren zu können, bzw. bereits Entschiedenes zurKenntnis
nehmen zu müssen. Dazu bedürfte es einer regelmäßigen Abstimmung über
anstehende Termine, Sitzungen, wichtige Treffen, Verhandlungen etc.;

– weiterhin nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass den begrüßenswerten
Reformvorschlägen auch wirklich Taten folgen und die Umsetzungsdefizite
der europäischen Entwicklungszusammenarbeit aufgehoben werden.

Berlin, den 23. Januar 2002

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Rudolf Kraus
Vorsitzender

Detlef Dzembritzki
Berichterstatter

Dr. Ralf Brauksiepe
Berichterstatter

Dr. Angelika Köster-Loßack
Berichterstatterin

Joachim Günther (Plauen)
Berichterstatter

Carsten Hübner
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/8617

Bericht der Abgeordneten Detlef Dzembritzki, Dr. Ralf Brauksiepe,
Dr. Angelika Köster-Loßack, Joachim Günther (Plauen) und Carsten Hübner

I. Zum Beratungsverfahren
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache
14/3376 in seiner 106. Sitzung am 19. Mai 2000 federfüh-
rend an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung überwiesen.
Den Antrag der Fraktion der CDU/CSU in der Drucksache
14/3771 hat er in seiner 125. Sitzung am 13. Oktober 2000
federführend an den Ausschuss für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung und mitberatend an den Aus-
wärtigen Ausschuss, den Ausschuss für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, den Ausschuss für Men-
schenrechte und Humanitäre Hilfe, den Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union und den Haus-
haltsausschuss überwiesen.
Der Auswärtige Ausschuss hat über den Antrag in der
Drucksache 14/3771 in seiner 54. Sitzung am 8. November
2000 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP
und PDS empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft hat über den Antrag in seiner 51. Sitzung
am 8. November 2000 beraten und mit den Stimmen der

Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS
gegen die Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und FDP
empfohlen, den Antrag abzulehnen.
Der Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe hat über den Antrag in seiner 48. Sitzung am 25. Ok-
tober 2000 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU und PDS bei Abwesenheit der FDP
empfohlen, dem Plenum die Ablehnung des Antrags vorzu-
schlagen.
Der Haushaltsausschuss hat über den Antrag in seiner
56. Sitzung am 25. Oktober 2000 beraten und mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und FDP bei
Stimmenthaltung der Fraktion der PDS empfohlen, den An-
trag abzulehnen.
Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat über die Anträge in seiner 42. Sitzung am
8. November 2000 und in seiner 73. Sitzung am 23. Januar
2002 beraten und mit den Stimmen aller Fraktionen emp-
fohlen, den Anträgen auf den Drucksachen 14/3396 und
14/3771 in der von den Fraktionen SPD, CDU/CSU,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP erarbeiteten Fas-
sung in der Beschlussempfehlung zuzustimmen.

Berlin, den 23. Januar 2002
Detlef Dzembritzki
Berichterstatter

Dr. Ralf Brauksiepe
Berichterstatter

Dr. Angelika Köster-Loßack
Berichterstatterin

Joachim Günther (Plauen)
Berichterstatter

Carsten Hübner
Berichterstatter

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