BT-Drucksache 14/859

Der Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 1998

Vom 23. April 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/859 vom 23.04.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Der Verfassungsschutzbericht des
Bundes für das Jahr 1998 =

23.04.1999 - 859


14/859


Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS
Der Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 1998

Im März legte der Bundesminister des Innern, Otto Schily, den
Verfassungsschutzbericht 1998 des Bundes vor. In einer Pressemitteilung
des Bundesministeriums des Innern zu diesem Bericht heißt es: "Der
Verfassungsschutzbericht vermittelt der Öffentlichkeit Informationen
über das Ausmaß und die Ausprägungen verfassungsfeindlicher
Bestrebungen. Damit macht er deutlich, daß die Bekämpfung des
Extremismus nicht allein die Aufgabe des Staates ist."
Dieser selbst gesetzten Aufgabe wird der Bericht aber nur äußerst
ungenügend gerecht. Im Verfassungsschutzbericht wird beispielsweise
erwähnt, daß es 114 rechtsextreme Organisationen in der Bundesrepublik
Deutschland gibt (vgl. S. 15). Es werden dann jedoch nur die
-- drei großen rechtsextremen Wahlparteien (DVU, NPD, REP),
-- drei neonazistische Organisationen ("Hilfsorganisation für
nationale politische Gefangene und deren Angehörige", "Freiheitlicher
Volks Block", Neonazikreis um Frank Schwerdt -- ehemals "Die
Nationalen"),
-- drei sonstige rechtsextreme Organisationen ("Deutsche Liga für
Volk und Heimat", "Gesellschaft für Freie Publizistik", der "Heide-Heim
e. V."),
-- drei Organisationen, die angeblich die
Intellektualisierungsbemühungen des bundesdeutschen Rechtsextremismus
betreiben ("Thule-Seminar", "Deutsch-Europäische Studiengesellschaft",
"Synergon Deutschland")
namentlich aufgeführt.
Namentlich genannt und eingestreut in dem Text findet man dann noch
beispielsweise den "Nordischen Ring e. V.", die "Gesellschaft für
biologische Anthropologie, Eugenik und Verhaltensforschung e. V." (vgl.
S. 65) und einige "Kameradschaften" (vgl. z. B. S. 31).
Mehr als 90 rechtsextreme Organisationen werden in dem Bericht nicht
einmal namentlich erwähnt, geschweige denn deren Politik und Methoden
zur Gewinnung von Anhängern skizziert. Von Aufklärung der
Öffentlichkeit kann nicht die Rede sein.
Ähnlich geht der Verfassungsschutzbericht bei den rechtsextremen
Verlagen vor. 1998 gab es laut Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 45
rechtsextreme organisationsunabhängige Verlage und Vertriebe (vgl. S.
74). Namentlich genannt werden knapp über 10 Verlage; deren Sortiment
und Zielgruppen werden zudem nur äußerst dürftig beschrieben. Erwähnt
werden:
-- Grabert Verlag
-- Hohenrain-Verlag
-- Nation-Europa-Verlag GmbH
-- Verlag Manfred Rouhs
-- Castel Del Monte-Verlag
-- Faksimile-Verlag
-- Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur
-- Arndt-Verlag
-- VGB Verlagsgesellschaft Berg mbH
-- Arun-Verlag
Von mehr als 30 anderen Verlagen erfährt die Öffentlichkeit weder den
Namen noch etwas über die inhaltliche Ausrichtung des Verlagssortiments
noch über deren Zielgruppen.
Über die 110 rechtsextremen periodischen Publikationen, die eine
Gesamtauflage von rund 6,9 Millionen Exemplaren haben (vgl. S. 74),
wird die Öffentlichkeit so gut wie nicht aufgeklärt. Circa 90 Periodika
werden überhaupt nicht erwähnt.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche 114 rechtsextremen Organisationen sind der Bundesregierung
bekannt (bitte die Organisationen einzeln aufführen)?
2. Wieso wurden über 90 von diesen Organisationen nicht im
Verfassungsschutzbericht 1998 aufgeführt?
3. Welche 45 organisationsunabhängigen rechtsextremen Verlage und
Vertriebe sind der Bundesregierung bekannt (bitte einzeln aufführen)?
4. Wieso wurden über 30 Verlage nicht im Verfassungsschutzbericht
aufgeführt?
5. Welche 110 rechtsextremen Periodika sind der Bundesregierung
bekannt (bitte einzeln aufführen)?
6. Wieso wurden über 90 dieser Periodika im Verfassungsschutzbericht
nicht aufgeführt?
7. Wie will die Bundesregierung die Öffentlichkeit über den
Rechtsextremismus aufklären, wenn sie nicht einmal das Gros des
Organisationsgeflechts namentlich benennt, geschweige denn deren
Vorgehensweise, Aktivitäten, inhaltlichen Schwerpunkte und teilweise
geschickten Versuche, auf bestimmte Zielgruppen einzuwirken, darstellt?
8. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über Versuche rechtsextremer
Organisationen und Persönlichkeiten, in
--- Vertriebenenverbände,
--- studentische Verbindungen,
--- soldatische Traditionsverbände
hineinzuwirken?
Wenn ja,
-- welche,
-- wieso werden sie nicht im Verfassungsschutzbericht aufgeführt?
9. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über Versuche rechtsextremer
Organisationen und Personen, in
-- konservative Denkfabriken,
-- konservative Zeitungen
hineinzuwirken?
Wenn ja,
-- welche,
-- wieso werden sie nicht im Verfassungsschutzbericht aufgeführt?
10. Hat die Bundesregierung Kenntnisse über Versuche rechtsextremer
Organisationen und Personen, beispielsweise in den Fragen
-- Staatsbürgerschaftsrecht,
-- Verbrechen der NS-Wehrmacht ("Unsere Väter waren keine Mörder")
zusammen mit anderen Kräften massenwirksame Kampagnen zu entwickeln?
Wenn ja,
-- welche,
-- wieso werden sie nicht im Verfassungsschutzbericht aufgeführt?
Bonn, den 19. April 1999
Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

23.04.1999 nnnn

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