BT-Drucksache 14/8544

Umsetzung der HIPC-Entschuldungsinitiative

Vom 12. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8544
14. Wahlperiode 12. 03. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen), Klaus-Jürgen Hedrich, Dr. Norbert
Blüm, Siegfried Helias, Joachim Hörster, Rudolf Kraus, Dr. Manfred Lischewski,
Marlies Pretzlaff, Erika Reinhardt, Hans-Peter Repnik, Dr. Christian Ruck, Heinz
Schemken und der Fraktion der CDU/CSU

Umsetzung der HIPC-Entschuldungsinitiative

Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) haben bei ihrer Herbst-
tagung 1999 einen weitreichenden Schuldenerlass für die ärmsten und hochver-
schuldeten Länder der Welt (Heaviliy Indebted Poor Countries – HIPC) be-
schlossen. Diese HIPC-II-Initiative soll zur nachhaltigen Entschuldung der
ärmsten Entwicklungsländer beitragen. Verbunden ist dieser Schuldenerlass mit
der Bedingung, dass die betroffenen Länder durch verbindliche Programme
deutlich machen, wie sie die frei werdenden Mittel für die Bekämpfung der
Armut einsetzen wollen. Diese Programme zur Armutsbekämpfung (Poverty
Reduction Strategy Paper – PRSP) sollen unter breiter Beteiligung der Zivil-
gesellschaften in den jeweiligen Ländern entstehen und umgesetzt werden.
IWF und Weltbank haben zudem angekündigt, dass die PRSP nicht nur eine
Konditionalität für den Schuldenerlass darstellen, sondern dass künftig kon-
zessionäre Kreditmittel für ärmste Länder nur noch dann vergeben werden,
wenn ein PRSP vorliegt. Eine Reihe von bilateralen staatlichen Gebern wollen
ebenso verfahren. Damit stellen die PRSP nicht mehr nur die Bedingung für
einen Schuldenerlass dar, sie sind nunmehr zusätzliche Voraussetzung für
Entwicklungshilfegelder an ärmste Staaten.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Für welche Staaten ist nach gegenwärtigem Stand eine Entschuldung im

Rahmen der HIPC-Entschuldungsinitiative zustande gekommen?
2. Für welche Länder liegt mittlerweile ein vollständig ausgearbeitetes und

verabschiedetes PRSP (Full-PRSP) vor?
3. Für welche Länder liegt mittlerweile ein vorläufiges PRSP (Interim-PRSP)

vor?
4. Für welche Länder, für die keine Entschuldungsmaßnahmen im Rahmen

der HIPC-Initiative vorgesehen sind, sind mittlerweile PRSP erarbeitet
worden?

5. In welchem Umfang sind welchen Ländern seit 1999 im Rahmen der
HIPC-II-Initiative Schulden erlassen worden?

6. In welchem Umfang sind seit 1999 welchen Ländern im Zusammenhang
mit der HIPC-Initiative bilaterale Schulden durch die Bundesrepublik
Deutschland erlassen worden?

Drucksache 14/8544 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

7. In welchem Umfang werden von den in der Antwort auf Frage 1 genannten
Ländern jährlich zusätzliche Mittel für Maßnahmen der Armutsbekämp-
fung, ausgewiesen in Staatshaushalten bzw. Fonds und Sonderprogrammen
zur Verfügung gestellt?

8. Wie erfolgte bei der Erstellung der in den Antworten auf die Fragen 2
und 3 genannten Full-PRSP und Interim-PRSP die Beteiligung der Zivil-
gesellschaften?

9. Trifft es zu, dass die Anforderung für die zivilgesellschaftliche Beteiligung
bei der Erarbeitung und Umsetzung der PRSP nicht für alle an der HIPC-
Initiative beteiligten Staaten gleich ist, sondern sich am Stand der bisher in
diesen Ländern üblichen Möglichkeiten einer zivilgesellschaftlichen Betei-
ligung orientiert, also graduell unterschieden wird?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit, für die weitere
Umsetzung der HIPC-Initiative Mindeststandards festzulegen, die für eine
zivilgesellschaftliche Beteiligung an der Erstellung und Umsetzung der
PRSP vorzusehen sind?

11. In welchen Ländern, die bislang ein Full-PRSP oder ein Interim-PRSP er-
arbeitet haben, ist das Parlament in den Entscheidungsprozess mit einbezo-
gen worden?
In welchen Ländern wurden die PRSP durch das Parlament verabschiedet?

12. In welcher Weise wurden bislang von der Weltbank und dem IWF die Or-
ganisationen und Repräsentanten der Zivilgesellschaften unterstützt und
gefördert, um sich am Beteiligungsprozess im Rahmen der Erarbeitung und
Umsetzung der PRSP zu beteiligen?

13. In welcher Weise und in welchem Umfang hat die Bundesrepublik
Deutschland bislang dazu beigetragen, um Organisationen und Akteure der
Zivilgesellschaften in den jeweiligen Ländern zu unterstützen und zu för-
dern, um sich am Prozess der Erarbeitung und Umsetzung von PRSP zu be-
teiligen?

14. In welchem Umfang und in welcher Weise hat die Bundesregierung sich
daran beteiligt, Kirchen, Nichtregierungsorganisationen und politische
Stiftungen zu unterstützen, damit diese mit ihren Partnerorganisationen
Programme zur Unterstützung und Förderung des Beteiligungsprozesses
im Rahmen der PRSP-Erarbeitung zu unterstützen?

15. Ist die von Weltbank und IWF für Anfang 2002 angekündigte umfassende
Überprüfung der Beteiligungsprozesse im Rahmen der PRSP bereits einge-
leitet?
Welche Ergebnisse hat die Überprüfung erbracht?
Welche Konsequenzen werden daraus gezogen?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung die Studie der britischen Organisation
„Christian Aid“, die zum bisherigen zivilgesellschaftlichen Beteiligungs-
prozess für die Erstellung und Umsetzung von PRSP festgestellt hat, dass
die Meinungen von Experten ignoriert werden, die Meinungen von Armen
nur zu ausgewählten Themen eingeholt werden, zivilgesellschaftliche Ak-
teure missbraucht würden, um die PRSP zu legitimieren, die hochtrabende
Rhetorik von IWF und Weltbank im Widerspruch zur Unterstützung par-
tizipativer Prozesse stehe und die vorherrschende englische Sprache (für
Dokumente) vielerorts die Einbeziehung der Armen verhindere?

17. In welchen Ländern sind die PRSP trotz Beteiligungsprozess von den zivil-
gesellschaftlichen Akteuren abgelehnt und zurückgewiesen worden?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8544

18. Welche Regelungen und Mechanismen wurden seitens des IWF und der
Weltbank getroffen, um nach erfolgter Entschuldung die Einhaltung der
programmatischen und inhaltlichen Zielsetzungen in den jeweiligen Län-
dern auch künftig zu kontrollieren und zu gewährleisten?

19. Will die Bundesregierung ihrerseits Initiativen ergreifen, um international
ausgehandelte Regelstandards für die Erstellung von PRSP und die zivil-
gesellschaftliche Beteiligung zu erarbeiten?

20. Wie hat sich das Wirtschaftswachstum in den von der HIPC-Initiative be-
günstigten Ländern in den letzten Jahren entwickelt?

21. Besteht in einigen Ländern die Gefahr, dass aufgrund eines verminderten
Wirtschaftswachstums die Effekte der Entschuldung sich in deren Staats-
haushalten nicht positiv bemerkbar machen, weil insgesamt die staatlichen
Einnahmen rückläufig sind?

Berlin, den 12. März 2002
Peter Weiß (Emmendingen)
Klaus-Jürgen Hedrich
Dr. Norbert Blüm
Siegfried Helias
Joachim Hörster
Rudolf Kraus
Dr. Manfred Lischewski
Marlies Pretzlaff
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Christian Ruck
Heinz Schemken
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.