BT-Drucksache 14/8531

1. GE der Bundesregierung -14/8010- Entw. GE zur Verlängerung von Übergangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz 2. GE von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/7280- -dto- 3. A der Fraktioen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/72936- Förder und Fordern - Sozialhilfe modern gestalten 4. A von Kolb, Niebel, Schwaetzer, und FDP -14/5982- Für eine Reintegration von Sozialhilfeempfängern in den Arbeitsm. - Anreize für die Rückk in das Erwerbsl. erhöhen 5. A Abg. Maier, Höll, Grehn PDS -14/7298- Die Sozialhilfe

Vom 13. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8531
14. Wahlperiode 13. 03. 2002

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss)

1. zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 14/8010 –
Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Übergangsregelungen im
Bundessozialhilfegesetz

2. zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/7280 –
Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Übergangsregelungen im
Bundessozialhilfegesetz

3. zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 14/7293 –
Fördern und Fordern – Sozialhilfe modern gestalten

4. zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, Dr. Irmgard
Schwaetzer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 14/5982 –
Für eine Reintegration von Sozialhilfeempfängern in den Arbeitsmarkt –
Anreize für die Rückkehr in das Erwerbsleben erhöhen

5. zu dem Antrag der Abgeordneten Pia Maier, Dr. Barbara Höll, Dr. Klaus Grehn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/7298 –
Die Sozialhilfe armutsfest gestalten

A. Problem
Mit dem Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes wurde 1962 in der Bun-
desrepublik Deutschland ein modernes System der Sozialhilfe geschaffen.
Damit verfügt die Bundesrepublik Deutschland über einen breiten Katalog von
Instrumenten, die jedem Bürger das Recht auf die Führung eines menschenwür-
digen Lebens auf dem sozio-kulturellen Mindestniveau unserer Gesellschaft ga-

Drucksache 14/8531 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

rantieren sollen. Zusammen mit der Arbeitslosenhilfe ist die Sozialhilfe eine
zentrale Säule der sozialstaatlichen Sicherung und Ausdruck des in Artikel 20
des Grundgesetzes normierten Sozialstaatsprinzips.
Gesellschaftliche Entwicklungen wie insbesondere Arbeitslosigkeit, demografi-
scher Wandel, Änderung von Familienstrukturen, steigende Bildungs- und Qua-
lifikationsansprüche auf dem Arbeitsmarkt und die Zunahme der Überschul-
dung privater Haushalte sind Herausforderungen, denen sich die Sozialhilfe
schon in den vergangenen Jahren stellen musste und weiterhin stellen muss. Die
Hilfen in besonderen Lebenslagen wurde in den wesentlichen Bereichen der
Hilfe zur Pflege, der Eingliederung behinderter Menschen, der Hilfe bei Krank-
heit und der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten bereits
reformiert. Im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt besteht jedoch Bedarf an
einem modernen Konzept, das Antworten auf die genannten Entwicklungen
gibt, sich an den Lebenslagen der Betroffenen orientiert und andererseits den
bewährten Grundsätzen der Sozialhilfe – einer menschenwürdigen Bedarfsde-
ckung, der Hilfe zur Selbsthilfe und des Nachrangs – Rechnung trägt. Dabei ist
auch das Verhältnis zur Arbeitslosenhilfe neu zu bestimmen. Trotz gleicher
Zielrichtung und steuergetragener Finanzierung bestehen zwischen beiden Sys-
temen Unterschiede. Während sich die Arbeitslosenhilfe am letzten Nettoein-
kommen orientiert, wird die Sozialhilfe/Hilfe zum Lebensunterhalt am indi-
viduellen Bedarf ausgerichtet. Es bestehen des Weiteren unterschiedliche
Zumutbarkeitsregelungen für die Annahme einer angebotenen Arbeit und un-
terschiedliche Grenzwerte hinsichtlich des Einsatzes eigenen Einkommens und
Vermögens.
Über eine Neukonzeption der Regelsatzbemessung ist aus vielfältigen Gründen
ebenfalls zu entscheiden

B. Lösung
Zu den Drucksachen 14/8010 und 7280
Verlängerung der Bestimmungen über die Erhöhungen der Regelsätze entspre-
chend den Rentenanpassungen und anderer befristeter Regelungen des Bundes-
sozialhilfegesetzes bis zum Jahr 2005.
Zu Drucksache 14/7293
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, alle nöti-
gen Vorarbeiten für eine Reform der Sozialhilfe in der nächsten Legislaturpe-
riode mit dem Ziel größerer Transparenz und Bedarfsgerechtigkeit der finan-
ziellen Leistungen, stärkerer Selbstverantwortung des Hilfeempfängers, der
Verwaltungsvereinfachung, des Ausbaues aktivierender Instrumente der Sozial-
hilfe und der Verbesserung der Integration von Leistungsbeziehern in den
Arbeitsmarkt und wirksamer Unterstützung der Länder und Kommunen bei der
Verwaltungsmodernisierung zu leisten.
Zu Drucksache 14/5982
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, die Ein-
kommensfreibeträge in der Sozialhilfe zu erhöhen, die Anrechnungssätze mit
zunehmendem Einkommen langsamer ansteigen zu lassen und den Einkom-
mensteuersatz bereits 2002 auf 15 % zu senken.
Zu Drucksache 14/7298
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, einen Ge-
setzentwurf zur Fortschreibung der Regelsätze des Bundessozialhilfegesetzes
und bis zum Frühjahr 2002 ein verbessertes System der Regelsatzbemessung
vorzulegen.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8531

Abstimmungen im Ausschuss:
Annahme des Gesetzentwurfs auf den Drucksachen 14/8010 und 14/7280 in
der vom Ausschuss geänderten Fassung mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, FDP und PDS
Annahme des Antrags auf Drucksache 14/7293 mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, FDP und PDS
Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 14/5982 mit
den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Frak-
tion der CDU/CSU
Ablehnung des Antrags der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7298 mit
den Stimmen der Mitglieder des Ausschusses gegen die Stimmen der an-
tragstellenden Fraktion

C. Alternativen
Ablehnung des Gesetzentwurfs auf den Drucksachen 14/8010 und 14/7280 so-
wie des Antrags auf Drucksache 14/7293 und Annahme aller oder einzelner, auf
Drucksachen 14/5982, 14/7298 abgedruckter Anträge.

D. Kosten
Zu dem Gesetzentwurf auf den Drucksachen 14/8010 und 14/7280
Durch die Verlängerung der Fristen entstehen keine Mehrkosten und kein
erhöhter Vollzugsaufwand gegenüber der bisher geltenden Übergangsregelung.
Sonstige Kosten entstehen ebenfalls nicht.
Zu den Anträgen auf Drucksachen 14/7293, 14/5982, 14/7298
Der Ausschuss hat auf eine Kostenerörterung verzichtet.

Drucksache 14/8531 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Gesetzentwurf – Drucksachen 14/8010 und 7280 – in der aus der nach-

stehenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen,
2. den Antrag – Drucksache 14/7293 – anzunehmen,
3. den Antrag – Drucksache 14/5982 – abzulehnen,
4. den Antrag – Drucksache 14/7298 – abzulehnen.

Berlin, den 13. März 2002

Der Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung

Doris Barnett Dr. Heinrich L. Kolb
Vorsitzende Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/8531

En twu r f


Be s c h l ü s s e d e s 11 . Au s s c h u s s e s


Zusammenstellung
des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung von Übergangsregelungen im
Bundessozialhilfegesetz
– Drucksachen 14/8010 und 7280 –
mit den Beschlüssen des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss)

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von
Übergangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das

folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bundessozialhilfegesetzes

Das Bundessozialhilfegesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, 2975), zu-
letzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:
1. „In § 18 Abs. 5 Satz 4 wird die Angabe „31. Dezember

2002“ durch die Angabe „30. Juni 2005“ ersetzt.“
2. § 22 Abs. 6 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Jeweils zum 1. Juli der Jahre 2000 bis 2004 erhöhen
sich die Regelsätze um den Vomhundertsatz, um den
sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Ren-
tenversicherung verändert; sind Mindestregelsätze
nach Absatz 2 Satz 2 festgelegt, so kann die Landes-
regierung durch Rechtsverordnung für die Erhöhung
der auf der Grundlage des Mindestregelsatzes festge-
setzten regionalen Regelsätze Abweichendes bestim-
men.““

3. § 76 Abs. 2 wird wie folgt geändert:
a) An Nummer 3 werden folgende Wörter angefügt:

„sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach
§ 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den
Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommen-
steuergesetzes nicht überschreiten,“

b) Nummer 5 wird wie folgt gefasst:
u n v e r ä n d e r t

4. In § 77 Abs. 1 wird nach Satz 1 folgender Text ange-
fügt:
„Zu den nicht als Einkommen zu berücksichtigenden
Leistungen im Sinne des Satzes 1 zählt auch der Zu-
schuss zu den Sozialversicherungsbeiträgen sowie
der Kindergeldzuschlag, die nach den vom Bundes-
ministerium für Arbeit und Sozialordnung erlasse-
nen Richtlinien zur Durchführung des Sonderpro-

Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von
Übergangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das

folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bundessozialhilfegesetzes

Das Bundessozialhilfegesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, 2975), zu-
letzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:
1. In § 18 Abs. 5 Satz 4 wird die Angabe „2002“ durch die

Angabe „2004“ ersetzt.
2. In § 22 Abs. 6 Satz 2 werden die Wörter „Zum 1. Juli

2000 und zum 1. Juli 2001“ durch die Wörter „Jeweils
zum 1. Juli der Jahre 2000 bis 2004“ ersetzt.

3. § 76 Abs. 2 Nr. 5 wird wie folgt gefasst:

„5. Bis zum 30. Juni 2005 für minderjährige, unverhei-
ratete Kinder ein Betrag in Höhe von monatlich
10,25 Euro bei einem Kind und von monatlich
20,50 Euro bei zwei oder mehr Kindern in einem
Haushalt.“

Drucksache 14/8531 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 11 . Au s s c h u s s e s
gramms „Mainzer Modell“ an den Arbeitnehmer
gewährt werden.“

5. In § 101a Satz 5 wird die Angabe „31. Dezember
2004“ durch die Angabe „30. Juni 2005“ ersetzt.

6. Nach § 117 wird folgender § 118 eingefügt:
㤠118

Wissenschaftliche Forschung
im Auftrag des Bundes

Der Träger der Sozialhilfe darf einer wissenschaft-
lichen Einrichtung, die im Auftrag des Bundesminis-
teriums für Arbeit und Sozialordnung ein For-
schungsvorhaben durchführt, das dem Zweck dient,
die Erreichung der Ziele von Gesetzen über soziale
Leistungen zu überprüfen oder zu verbessern, Sozial-
daten übermitteln, soweit
1. dies zur Durchführung des Forschungsvorhabens

erforderlich ist, insbesondere das Vorhaben mit
anonymisierten oder pseudonomysierten Daten
nicht durchgeführt werden kann, und

2. das öffentliche Interesse an dem Forschungsvor-
haben das schutzwürdige Interesse des Betroffe-
nen an einem Ausschluss der Übermittlung erheb-
lich überwiegt.

Vor der Übermittlung ist der Betroffene über die
beabsichtigte Übermittlung, den Zweck des For-
schungsvorhabens sowie sein Widerspruchsrecht
nach Satz 3 schriftlich zu unterrichten. Er kann der
Übermittlung innerhalb eines Monats nach der Un-
terrichtung widersprechen. Im Übrigen bleibt das
Zweite Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
unberührt.“

Artikel 1a
Änderung des Gesetzes über eine

bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung

(860-6-21)
§ 4 des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grund-

sicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vom
26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310) wird wie folgt geändert:
1. Der bisherige Text wird Absatz 1
2. Es werden folgende Absätze 2 und 3 angefügt:

„(2) Bei stationärer Unterbringung ist der Träger
der Grundsicherung zuständig, in dessen Bereich der
Antragsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt
vor der Aufnahme in der Einrichtung zuletzt gehabt
hat. Wenn und solange eine Zuständigkeit nach
Satz 1 nicht fest steht, ist der Träger der Grund-
sicherung zuständig, in dessen Bereich die Einrich-
tung liegt; wird der nach Satz 1 zuständige Träger
der Grundsicherung festgestellt, erstattet dieser dem
bisher zuständigen Träger der Grundsicherung die
entstandenen Kosten. Der Ort der stationären Unter-
bringung gilt nicht als gewöhnlicher Aufenthalt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/8531

En twu r f B e s c h l ü s s e d e s 11 . Au s s c h u s s e s
(3) Die Länder können bestimmen,

1. dass und inwieweit die Landkreise ihnen zugehö-
rige Gemeinden oder Gemeindeverbände zur
Durchführung dieses Gesetzes heranziehen und
ihnen dabei Weisungen erteilen können, wobei die
Landkreise auch in diesen Fällen den Wider-
spruchsbescheid nach der Verwaltungsgerichts-
ordnung erlassen;

2. dass abweichend von Absatz 1 in den Fällen, in
denen Antragsberechtigte bei stationärer oder
teilstationärer Unterbringung von einem überört-
lichen Träger der Sozialhilfe Leistungen nach dem
Bundessozialhilfegesetz erhalten, dieser Träger
auch für die Leistungen nach diesem Gesetz zu-
ständig ist .“

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Satzes 2 am Ers-
ten des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats
in Kraft. Artikel 1a tritt am 1. Januar 2003 in Kraft.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. April 2002 in Kraft.

Drucksache 14/8531 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb

A. Allgemeiner Teil
I. Beratungsverlauf
Der Deutsche Bundestag hat auf seiner 190. Sitzung am
27. September 2001 den Antrag der Fraktion der FDP auf
Drucksache 14/5982, in seiner 199. Sitzung am 9. Novem-
ber 2001 den Gesetzentwurf und den Antrag der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/
7280 bzw. auf Drucksache 14/7293 sowie den Antrag der
Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7298 und auf der
212. Sitzung am 24. Januar 2002 den mit dem Gesetzent-
wurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
auf Drucksache 14/7280 identischen Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 14/8010 in erster Lesung
beraten und dem Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
zur federführenden Beratung, den Antrag auf Drucksache
14/5982 dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie,
dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
und dem Ausschuss für Angelegenheiten der Neuen Länder,
die Gesetzentwürfe auf Drucksache 14/8010 und 14/7280
und die Anträge auf Drucksachen 14/7293 und 14/7298
dem Finanzausschuss und dem Ausschuss für Familie, Seni-
oren, Frauen und Jugend zur Mitberatung überwiesen.
Der Bundesrat hat in seiner 770. Sitzung am 30. November
2001 gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlos-
sen, zu dem Gesetzentwurf wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nr. 2 (§ 22 Abs. 6 Satz 2 BSHG)

Artikel 1 Nr. 2 ist wie folgt zu fassen:
,2. § 22 Abs. 6 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Jeweils zum 1. Juli der Jahre 2000 bis 2004 erhöhen
sich die Regelsätze um den Vomhundertsatz, um den
sich der aktuelle Rentenwert in der gesetzlichen Renten-
versicherung verändert; sind Mindestregelsätze nach
Absatz 2 Satz 2 festgelegt, so kann die Landesregierung
durch Rechtsverordnung für die Erhöhung der auf der
Grundlage des Mindestregelsatzes festgesetzten regiona-
len Regelsätze Abweichendes bestimmen.“‘
Beg r ü n d u n g
Die Übergangsregelung zur jährlichen Neufestsetzung
der Regelsätze, die durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzent-
wurfs verlängert werden soll, hat für Länder, die von der
Möglichkeit zur Festsetzung von Mindestregelsätzen
Gebrauch gemacht haben, äußerst nachteilige Konse-
quenzen:
So hat der bayerische Gesetzgeber durch die Verordnung
zur Ausführung sozialhilferechtlicher Vorschriften
(AVSV) vom 28. Juni 1994 bestimmt, dass vom Landes-
regelsatz abweichende örtliche Regelsätze festgesetzt
werden können. 13 Sozialhilfeträger haben eigene Re-
gelsätze bestimmt, die den Landesregelsatz übersteigen.
Einzelne örtlich festgesetzte Regelsätze übersteigen den
Landesregelsatz in einer Weise, die weder durch abwei-
chende örtliche Lebenshaltungskosten noch durch an-
dere Umstände gerechtfertigt ist. Der bayerische Gesetz-

geber bestimmte daher in der AVSV, dass vom
Landesregelsatz abweichende örtliche Regelsätze nur er-
höht werden können, wenn durch ein Gutachten, das
dem Stand der Wissenschaft entsprechen muss, der
Nachweis erbracht wird, dass die tatsächlichen Lebens-
haltungskosten und die örtliche Preisentwicklung sowie
die örtliche Entwicklung der Nettoarbeitslöhne eine ab-
weichende Regelsatzfestsetzung rechtfertigen. Für ört-
liche Regelsätze, die vor Erlass der Rechtsverordnung
festgesetzt wurden, wurde eine Übergangsvorschrift ge-
schaffen. Die betreffenden örtlichen Regelsätze können
demnach übergangsweise bis zur Hälfte des jeweiligen
Anpassungsprozentsatzes des Landesregelsatzes erhöht
werden, ohne dass ein Gutachten der bezeichneten Art
vorgelegt werden muss. Im Wege dieser Übergangsvor-
schrift sollten die Unterschiede zwischen den örtlich
festgesetzten Regelsätzen und dem Landesregelsatz all-
mählich abgeschmolzen werden, sofern die Unter-
schiede nicht auf der Basis eines Gutachtens gerechtfer-
tigt werden können.
Seitdem auf Grund von Übergangsvorschriften im Bun-
dessozialhilfegesetz die Regelsätze nicht mehr durch die
Länder bestimmt werden, sondern bundeseinheitlich
fortgeschrieben werden, können die Bestimmungen der
Bayerischen Ausführungsverordnung nicht mehr grei-
fen. Die bundeseinheitliche Fortschreibung vereitelt so-
mit das Ziel des Freistaats Bayern, eine Angleichung der
in Bayern geltenden Regelsätze herbeizuführen.
Die Änderung soll diesen Mangel beheben und es dem
Landesgesetzgeber ermöglichen, trotz einer fortgelten-
den bundeseinheitlichen Übergangsregelung bestehende
landesinterne Unterschiede abzuschmelzen. Dies ist aber
auch deshalb geboten, um das Lohnabstandsgebot wei-
terhin einhalten zu können.

2. Zu Artikel 1 Nr. 3
Artikel 1 Nr. 3 ist zu streichen.
Beg r ü n d u n g
Durch die Verlängerung der Frist bei den Freibeträgen
des § 76 Abs. 2 Nr. 5 des Bundessozialhilfegesetzes in
der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994
(BGBl. I S. 646, 2975), zuletzt geändert durch …, wer-
den die Träger der Sozialhilfe über den vorgesehenen
Zeitraum von 2 Jahren im Vergleich zur gültigen Rechts-
lage mit Mehrkosten i. H. v. bundesweit insgesamt ca.
225 Mio. Euro oder 440 Mio. DM belastet.
Ohne die im Gesetzentwurf vorgesehene Fristverlänge-
rung würden nämlich die Freibeträge gemäß § 76 Abs. 2
Nr. 5 BSHG ab dem 30. Juni 2002 entfallen. Die Träger
der Sozialhilfe hätten dann entsprechend weniger Sozial-
hilfe zu zahlen, nämlich – sofern die gesamte Sozialhilfe
über den nachstehend genannten Beträgen läge – pro
Haushalt und Monat 10,23 Euro bei einem Kind und
20,46 Euro bei zwei und mehr Kindern. Die Hochrech-
nung der o. a. Gesamtmehrkosten basiert auf den Anga-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/8531

ben der Gesetzesvorlage zu den finanziellen Auswirkun-
gen der Rundungserhöhungen von 2 bzw. 4 Cent.
Die Freibeträge des § 76 Abs. 2 Nr. 5 BSHG stellen be-
tragsmäßig die Kindergelderhöhung auf Grund des
Familienförderungsgesetzes vom 22. Dezember 1999
von der Anrechnung auf die Sozialhilfe bis zum 30. Juni
2003 frei. Vor dem Hintergrund, dass das restliche
Kindergeld und auch die Kindergelderhöhung ab dem
1. Januar 2002 auf Grund des 2. Familienförderungsge-
setzes vom 16. August 2001 auf die Sozialhilfe ange-
rechnet werden, ist eine weitere Verlängerung der sys-
temwidrigen Freibetragsregelung des § 76 Abs. 2 Nr. 5
BSHG wegen der Belastungen der kommunalen Haus-
halte finanzpolitisch nicht vertretbar.

Dem Vorschlag unter der Ziffer 1. hat die Bundesregierung
in ihrer Gegenäußerung zugestimmt. Dagegen hat sie den
Vorschlag unter der Ziffer 2. abgelehnt. Die in § 76 Abs. 2
Nr. 5 BSHG festgelegten Freibeträge für Kinder seien von
vornherein an die Dauer der Übergangsregelung für die
Fortschreibung der Regelsätze in § 22 Abs. 6 BSHG gekop-
pelt worden. Die Verlängerung dieser Übergangsregelung
müsse daher auch zur Verlängerung der Regelung über die
Freibeträge für Kinder führen.
Der Finanzausschuss hat auf der 123. Sitzung am 20. Feb-
ruar 2002 bei Abwesenheit der Mitglieder der Fraktion der
FDP beschlossen, auf eine Stellungnahme zu den Gesetz-
entwürfen und Anträgen auf Drucksachen 14/8010, 14/
7280, 14/7293 und 14/7298 zu verzichten.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat auf
der 75. Sitzung am 27. Februar 2002 mit den Stimmen
der Mitglieder der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Mitglieder der
Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Mitglieder der
Fraktion der CDU/CSU beschlossen, die Ablehnung des
Antrages auf Drucksache 14/5982 zu empfehlen.
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hat auf der 83. Sitzung am 20. Februar 2002
mit den Stimmen der Mitglieder der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen
der Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und PDS
beschlossen, die Annahme der Gesetzentwürfe auf Drucksa-
chen 14/8010 und 14/7293 zu empfehlen. Auf der gleichen
Sitzung hat der Ausschuss mit den Stimmen der Mitglieder
der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU
und PDS bei Stimmenthaltung der Mitglieder der Fraktion
der FDP beschlossen, die Annahme des Antrages der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Druck-
sache 14/7293 zu empfehlen. Ebenfalls hat der Ausschuss
mit den Stimmen der Mitglieder der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen
der Mitglieder der Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung
der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU beschlossen, die
Ablehnung des Antrages der Fraktion der FDP auf Druck-
sache 14/5982 zu empfehlen. Ferner wird mit den Stimmen
der Mitglieder der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Mit-
glieder der Fraktion der PDS die Ablehnung des Antrags
der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7298 empfohlen.

Der Ausschuss für Angelegenheiten der Neuen Länder
hat auf der 68. Sitzung am 17. Oktober 2001 mit den Stim-
men der Mitglieder der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Mitglieder der
Fraktion der CDU/CSU bei Abwesenheit des Vertreters der
Fraktion der FDP beschlossen, die Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 14/5982 zu empfehlen.
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialord-
nung hat auf seiner 107. Sitzung am 14. November 2001,
seiner 114. 116. und 124. Sitzung am 23. Januar, 28. Januar
und 13. März 2002 die Vorlagen beraten. Als Ergebnis emp-
fiehlt der Ausschuss mit den Stimmen der Mitglieder der
Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen
die Stimmen der Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU,
FDP und PDS die Annahme des Gesetzentwurfs auf den
Drucksachen 14/8010 und 14/7280 und des Antrags auf
Drucksache 14/7293. Er empfiehlt ferner mit den Stimmen
der Mitglieder der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und PDS gegen die Stimmen der Mitglieder der
Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Mitglieder der
Fraktion der CDU/CSU die Ablehnung der Anträge der
Fraktion der FDP auf Drucksache 14/5982 bzw. mit den
Stimmen der Mitglieder des Ausschusses gegen die Stim-
men der Mitglieder der antragstellenden Fraktion die Ab-
lehnung des Antrages der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/7298.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Zu den Drucksachen 14/8010 und 14/7280
Der Gesetzentwurf sieht die Verlängerung der Bestimmun-
gen über die Erhöhung der Regelsätze entsprechend den
Rentenanpassungen und anderer befristeter Regelungen des
Bundessozialhilfegesetzes bis zum Jahr 2005 vor.
Zu Drucksache 14/7293
Mit der Entschließung soll die Bundesregierung aufgefor-
dert werden, alle nötigen Vorarbeiten für eine Reform der
Sozialhilfe in der nächsten Legislaturperiode mit dem Ziel
größerer Transparenz und Bedarfsgerechtigkeit der finanzi-
ellen Leistungen, stärkerer Selbstverantwortung des Hilfe-
empfängers, der Verwaltungsvereinfachung, des Ausbaues
aktivierender Instrumente der Sozialhilfe und der Verbesse-
rung der Integration von Leistungsbeziehern in den Arbeits-
markt und wirksamer Unterstützung der Länder und Kom-
munen bei der Verwaltungsmodernisierung zu leisten.
Zu Drucksache 14/5982
In dem Entschließungstext wird die Bundesregierung auf-
gefordert, die Einkommensfreibeträge in der Sozialhilfe zu
erhöhen, die Anrechnungssätze mit zunehmendem Einkom-
men langsamer ansteigen zu lassen und den Einkommen-
steuersatz bereits 2002 auf 15 % zu senken.
Zu Drucksache 14/7298
In der Entschließungsvorlage wird die Bundesregierung
aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Fortschreibung der
Regelsätze des Bundessozialhilfegesetzes und bis zum
Frühjahr 2002 ein verbessertes System der Regelsatzbemes-
sung vorzulegen.

Drucksache 14/8531 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen
Der Ausschuss hat auf seiner 112. Sitzung am 14. Dezember
2001 die Durchführung einer öffentlichen Anhörung be-
schlossen, die am 28. Januar 2002 als 116. Sitzung durchge-
führt wurde. Die Mehrzahl der Sachverständigen haben
schriftliche Stellungnahmen abgegeben, die zusammenge-
fasst in der Ausschussdrucksache 14/2050 verteilt wurden.
Nachstehend werden die wesentlichen Aussagen der gela-
denen Sachverständigen dargestellt. Wegen weiterer Einzel-
heiten wird auf die erwähnten Ausschussdrucksachen und
die Wortprotokolle der Anhörungen verwiesen.
Der AOK Bundesverband hält als Fazit fest, eine kosten-
deckende Beitragsregelung sei aus der GKV-Perspektive im
Interesse der Beitragssatzstabilität in der GKV unverzicht-
bar. Die Einbeziehung sämtlicher Sozialhilfeempfänger in
die GKV würde jedoch zu erheblichen Verwerfungen unter
den einzelnen Krankenkassen führen. Von daher seien – bis
zum Wirksamwerden einer RSA-Reform – flankierende Re-
gelungen zu treffen, die eine besondere Berücksichtigung
des erhöhten Ausgabenrisikos dieser Versichertengruppe
(z. B. im Rahmen von Sonderregelungen für so genannte
Härtefallversicherte) im RSA vorzusehen hätten.
Die Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. fordert eine
Reform der Regelsatzfestlegung, die das jetzige System zu
vereinfachen und die Situation von Familien besonders zu
berücksichtigen hätte. Eine solche Vereinfachung, auch
durch sinnvolle Pauschalen, müsse bedarfsorientiert sein.
Gestärkt werden solle das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Die
Integration von Sozialhilfeempfängern in den Arbeitsmarkt
müsse verbessert werden. Deshalb sei die Zusammenarbeit
zwischen Sozial- und Arbeitsämtern verpflichtend auszu-
bauen und die Beschäftigungsförderung eng mit dem ange-
sprochenen Hilfeplansystem zu verknüpfen. Eine besondere
Berücksichtigung bedürfe die Situation von Kindern in der
Sozialhilfe, die materielle Situation von Familien mit Kin-
dern müsse stärker berücksichtigt werden. Auch sollten aus-
reichende und bedarfsgerechte Betreuungsmöglichkeiten
für Kinder bis 14 Jahren zur Verfügung stehen. Gefordert
wird des Weiteren, dass sich die Bundesregierung und der
Bundestag verbindlich darauf festlegen, dass dies die letzt-
malige Verlängerung der Übergangsfrist zur Festlegung der
Regelsätze nach § 22 BSHG sei und bis zu ihrem Ablauf
eine Reform der Sozialhilfe ausgearbeitet würde.
Prof. Dr. Bäcker ist u. a. der Ansicht, dass eine Reihe von
Argumenten deutlich machen, dass das Problem der Lang-
zeitarbeitslosigkeit nicht durch eine Verschiebung der Auf-
gaben auf die Kommunen „gelöst“ werden könne. Zusam-
menarbeit von Arbeits- und Sozialämtern hieße die wenig
spektakuläre und auch sicher mühevolle, aber einzig ziel-
führende Perspektive. Dabei gehe es wie im Modellpro-
gramm der Bundesregierung um gemeinsame Anlaufstellen
der beiden Träger, die Straffung der Verwaltungsabläufe
und eine Verbesserung des Informations- und Datenaustau-
sches sowie um die Durchführung gemeinsamer Qualifizie-
rungs- und Beschäftigungsmaßnahmen.
Die Bundesanstalt für Arbeit begrüßt den Entwurf eines
Gesetzes zur Verlängerung von befristeten Regelungen im
Bundessozialhilfegesetz. Erst nach Beendigung der derzeit
laufenden Modellvorhaben zur Verbesserung der Zusam-
menarbeit von Arbeitsämtern und Trägern der Sozialhilfe

(MoZArT) würden verwertbare Erkenntnisse für eine Wei-
terentwicklung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe bzw.
zur Gestaltung der zukünftigen Zusammenarbeit vorliegen.
Insoweit bliebe durch die angestrebte Verlängerung der Be-
fristung für die Übergangszeit ein erweiterter Handlungs-
spielraum für die Träger der Sozialhilfe – und im Zusam-
menwirken damit auch für die Arbeitsverwaltung – erhal-
ten, der einer verbesserten Eingliederung der Hilfeempfän-
ger dienen würde und damit potentiell kostenmindernd sei.
Für die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerbera-
tung e. V. sollte neben einer engeren Verzahnung der Maß-
nahmen der Hilfe zur Arbeit durch die Sozialämter und der
Arbeitsvermittlung durch die Arbeitsämter auch die Intensi-
vierung der Kooperation zwischen Arbeitsvermittlung und
Schuldnerberatung erfolgen. Neben den Schwerpunktberei-
chen Vermittlung und Qualifizierung gehöre zu einem abge-
stuften, erfolgversprechenden Fallmanagement insbeson-
dere auch flankierende Maßnahmen wie Schuldnerberatung
oder andere soziale Hilfestellungen.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiati-
ven e. V. ist der Meinung, zusammengefasst würden alle
Modelle die Parole beinhalten, raus aus der Sozialhilfe, rein
in die (fiktive) Erwerbstätigkeit. Ziel sei nicht eine vernünf-
tige, ausreichende Existenzsicherung für (allein) Erziehende
und Kinder durch staatliche Leistungen. In der Zielrichtung
unterschieden sich die Modelle deutlich von der Position
der BAG-SHI. Deren Ziel sei die Existenzsicherung von
Kindern und Erziehenden deutlich über Sozialhilfeniveau
und zwar auch außerhalb von Erwerbsarbeit. Sie seien der
Meinung, dass Erziehenden durch Gewährleistung der Rah-
menbedingungen eine Erwerbstätigkeit möglich gemacht
werden sollte, allerdings sollte keine Verpflichtung hierzu
bestehen. Die Wahl, das Kind selbst zu betreuen oder in
Fremdbetreuung zu geben, dürften nicht nur Erziehende mit
gut verdienenden Partnern haben, sondern auch alle, die auf
staatliche Leistungen angewiesen seien.
Nach Überzeugung der Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeber sollte das Bundessozialhilfegesetz im Hin-
blick auf erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger so verändert
werden, dass es dem Anspruch an ein aktivierendes, die Re-
integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen-
des Hilfesystem gerecht werde. Dazu sei die grundsätzlich
bestehende Verpflichtung erwerbsfähiger Hilfeempfänger
wesentlich deutlicher zu akzentuieren, alles zu tun, um die
Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung ganz oder zu-
mindest teilweise zu überwinden. Zugleich müssten die An-
reize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gestärkt werden.
Aus Sicht der BDA sei die Zusammenführung der für die
Gruppe der Langzeitarbeitslosen relevanten Transfersys-
teme Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe das wichtigste und
vordringlichste arbeitsmarktpolitische Gesetzgebungspro-
jekt. Das Ziel der Reform müsse sein, die Überführung des
bisher dreistufigen sozialrechtlichen Schutzsystems bei Ar-
beitslosigkeit (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Sozial-
hilfe) in ein zweistufiges System (Arbeitslosengeld, Sozial-
hilfe).
Für den Bund katholischer Unternehmer sei Bürgergeld
besser als Sozialhilfe. Eigenverantwortung und Subsidarität
würden zum Menschenbild katholischer Unternehmer gehö-
ren, das nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten umfasse.
Je mehr alle Lebensrisiken staatlich reguliert würden, desto

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/8531

mehr stürbe die Freiheit des Menschen. Zwar müsse Solida-
rität geübt werden, aber möglichst von Person zu Person
und nur durch ein Mindestmaß an staatlicher Versorgung,
damit auf privater Ebene genügend finanzieller Handlungs-
spielraum verbliebe. Der Bund katholischer Unternehmer
fordert des Weiteren, dass das Lohnabstandsgebot weit
mehr als heute üblich – insbesondere bei Familien mit Kin-
dern – gewahrt werden sollte. Dies könnte insbesondere ne-
ben dem Einfrieren der Regelsätze durch eine Reduzierung
der kumulierten Einmalleistungen, Zuschläge und Mieter-
stattungen erfolgen. Nach Meinung des Verbandes würde
eine Sicherung des Existenzminimums durch den Staat es
den Tarifpartnern ermöglichen, die unteren Lohngruppen
wieder weiter nach unten zu flexibilisieren.
Nach Ansicht des Deutschen Caritasverbands können
Pauschalierungen dazu beitragen, Selbständigkeit und
Selbstverantwortung der Leistungsempfänger zu erhalten
bzw. zu stärken und außerdem Verwaltungsressourcen für
persönliche Hilfen freimachen. Die zielgerichtete Überwin-
dung von Sozialhilfebedürftigkeit durch die Weiterentwick-
lung personenbezogener Hilfen in einem Fördersystem
(Beratung, Assessment, Hilfeplanung, Case-Management)
würde ausdrücklich begrüßt. Für den Deutschen Caritas-
Verband sei das Lohnabstandsgebot bei der derzeitigen Re-
gelsatzbemessung und -höhe in der Sozialhilfe gegeben.
Diskrepanzen würden sich allenfalls beim Haushaltsbedarf
von Familien mit mehreren Kindern ergeben. Für den Ver-
band liege die Lösung des Lohnabstandsproblems nicht in
der Absenkung der Sozialhilfe sondern in der Herausnahme
von Kindern aus der Sozialhilfe über eine vorrangige Absi-
cherung von Kindern und Jugendlichen bzw. einem verbes-
serten Familienlastenausgleich. Der Gesetzgeber sollte ein
zeitlich befristetes Einstiegsgeld für Langzeitarbeitslose
schaffen. Von einem Sozialhilfeempfänger hinzuverdientes
Einkommen sollte maximal zu 50 % (und nicht wie heute zu
85 %) mindernd auf die Sozialhilfe angerechnet werden.
Unterstützt würden auch die Forderungen nach einer besse-
ren Verteilung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe in
Form einheitlicher Fördermöglichkeiten, Zumutbarkeits-
und Sanktionsregelungen und der organisatorischen Ver-
knüpfung/Zusammenfassung der Anlaufstellen bei den Ar-
beits- und Sozialämtern. Angesichts der Tatsache, dass
oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze der volle Sozialver-
sicherungssatz zu entrichten sei, sei die Subvention der So-
zialabgaben der Beschäftigten ein richtiger Schritt zur An-
hebung der Nettolöhne im Niedriglohnbereich. Die
bundesweite Ausweitung des sog. Mainzer Modells werde
für richtig gehalten.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund teilt die Einschätzung
der Bundestagsfraktion der SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, dass die Grundsätze der Sozialhilfe sich bewährt
hätten und beibehalten werden müssten. Der Deutsche
Gewerkschaftsbund setze sich für Reformen ein, die die
Mängel und Defizite der verschiedenen Zweige der Sozial-
versicherung möglichst reduzieren würden und vermieden,
dass Familien allein wegen ihrer Kinder sozialhilfebedürftig
würden, die Steuerungs- und Evaluationsinstrumente in der
Sozialhilfe entwickeln, strukturschwache Kommunen nicht
stärker belasten und den Rückzug des Bundes aus der
sozial- und arbeitsmarktpolitischen Verantwortung nicht
fördern sondern ihr entgegen wirken würden. Weitere
Reformschritte seien die Modernisierung der Verwaltungs-

strukturen und die Förderung der Bürgerfreundlichkeit, die
Verbesserung der Datenstruktur in den Sozialämtern und die
Erleichterung des Datenaustausches mit den Sozialversiche-
rungsträgern sowie eine bessere Verzahnung und Steuerung
der unterschiedlichen Hilfen, soweit sie nicht aus einer
Hand gewährleistet werden könnten.
Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband – Ge-
samtverband e. V. hält die Fristverlängerung in § 18 Abs. 5
Satz 4 BSHG für sinnvoll. Eingebaut werden sollte eine be-
darfsdeckende Kindergrundsicherung in das vorhandene
System. Die Lohnabstandsproblematik stelle sich nach allen
vorliegenden Untersuchungen nicht so, wie in der Öffent-
lichkeit gern dargestellt. Die meisten Berechnungen würden
beispielsweise die Anrechnung des Kindergeldes in der So-
zialhilfe unterschlagen. Insgesamt stelle sich die Finanzie-
rung der Sozialhilfe als eine Überforderung der betroffenen
Kommunen dar. Bei einem Hilfesystem, auf das Jahr für
Jahr mehr als 3 Millionen Menschen angewiesen seien, sei
eine unmittelbare Finanzierungszuständigkeit des Bundes
gefordert.
Für das Deutsche Rote Kreuz muss bedacht werden, dass
vorrangige Sicherungssysteme ihre Leistungen nicht auf
Kosten der Sozialhilfe absenken. Eine Sozialhilfereform
könne nur dauerhaft erfolgreich sein, wenn vorrangige
Sicherungssysteme Leistungen gewähren, die ihre Empfän-
ger „sozialhilfefest“ machen. Um den Kreis der Anspruchs-
berechtigten zu verringern, sei eine Novellierung der Sozial-
hilfe und auch eine qualitative Weiterentwicklung der
Sozialverwaltung hin zu einer effektiver und effizienter
arbeitenden Organisation sinnvoll und notwendig. Hinsicht-
lich Hilfeplanungen sei an eine stärkere Vernetzung und Ko-
operation mit der Arbeitsverwaltung, aber auch mit anderen
Kostenträgern und Leistungserbringern zu denken. Ziel
einer Sozialhilfereform sollte neben einer zielgenaueren Ver-
mittlung in die Arbeitswelt für arbeitsfähige Hilfeempfänger
und Senkung von Sozialhilfeausgaben aber auch eine pass-
genaue Hilfeleistung für nicht arbeitsfähige Sozialhilfeemp-
fänger sein. Der in § 3 BSHG festgelegte Grundsatz der So-
zialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles dürfe auch
bei einer Reform nicht aus den Augen verloren werden.
Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und
Gemeindebund fordern eine Reform der Sozialhilfe. Dabei
erfordere das Ziel notwendiger Verwaltungsvereinfachung
eine weitergehende Pauschalierung der Sozialhilfeleistun-
gen unter Ausschluss der Möglichkeit, sich auf Einhaltung
des Bedarfsdeckungsprinzips im Einzelfall zu berufen. Fer-
ner bedürfe es einer Überprüfung des Kostenerstattungs-
rechts zwischen den Sozialhilfeträgern mit dem Ziel
weitestgehender Vereinfachung, möglichst Abschaffung,
bei gleichzeitig einzuführenden Ausgleichsregelungen für
Sozialhilfelasten auf Länderebene. Die allseits geforderte
Reform der Regelsätze müsse zügig umgesetzt werden. Die
Höhe der Regelsätze sei, wie bereits gesetzlich festgelegt,
konsequent am Verbraucherverhalten von Haushalten in un-
teren Einkommensgruppen zu orientieren. Die nachhaltig
wirksame Entlastung der Sozialhilfehaushalte sei nur durch
eine Stärkung der vorgelagerten Sicherungssysteme zu er-
reichen. Der DST und der DSGB wenden sich entschieden
gegen die Übertragung der Arbeitslosenhilfe auf die Sozial-
hilfe. Der Bund dürfe sich aus der Verantwortung für die
Langzeitarbeitslosen nicht zurückziehen. Um die Hilfen für

Drucksache 14/8531 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Langzeitarbeitslose effektiver zu gestalten, sei ein eigen-
ständiges Leistungsgesetz für Langzeitarbeitslose mit
Transferleistungen notwendig, die den Lebensunterhalt si-
chern und ergänzende Leistungen der Sozialhilfe ausschlie-
ßen müssten. Dazu hätten Strategien zu treten, die am ein-
zelnen Langzeitarbeitslosen ansetzen und ihn ganzheitlich
in den Integrationsprozess einbeziehen müssten. Die befris-
tete staatliche Subventionierung von Niedriglöhnen wird
von beiden Verbänden für eine Möglichkeit gehalten, um
Geringqualifizierten eine Chance zur Integration ins Ar-
beitsleben zu bieten. Dabei werde allerdings die Finanzie-
rung von Kombilöhnen über die Sozialhilfe entschieden ab-
gelehnt.
Der Deutsche Landkreistag schließt sich der gemeinsamen
Stellungnahme des Deutschen Städtetages und des Deut-
schen Städte- und Gemeindebundes an. Lediglich bei der
Frage der Verzahnung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
werde eine modifizierte Auffassung vertreten. Es würden
die Bemühungen unterstützt, die Arbeitsmarkt- und Sozial-
politik im Sinne verbesserter Wiedereingliederungschancen
Arbeitsloser umfassend neu zu gestalten. Dabei müsse
sichergestellt sein, dass das im SGB III normierte Arbeits-
förderungsrecht, das u. a. die Arbeitslosenhilfe regele, mit
dem BSHG im Sinne der rechtlichen Angleichung (z. B.
Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik, Qualifizie-
rungsmaßnahmen) harmonisiert werde. Auch sei das BSHG
grundlegend zu reformieren, z. B. durch die Bildung von
Haushaltsbudgets (Pauschalierung), Entbürokratisierung,
Wiederherstellung des Lohnabstandsgebotes in der Sozial-
hilfe, Schaffung eines ausreichenden Familienleistungsaus-
gleichs. Auch die Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpoli-
tik müssten überprüft werden. Die Förderung Arbeitsloser
müsse darauf ausgerichtet sein, sie wieder in den ersten Ar-
beitsmarkt zu vermitteln. Punktuelle Neuregelungen z. B.
im Bundessozialhilferecht würden als nicht zielführend
ebenso abgelehnt wie eine einseitige Kommunalisierung der
Arbeitslosenhilfe.
Der Deutsche Verein für öffentliche und private Für-
sorge e. V. plädiert für eine Überprüfung der Regelsatzbe-
messung. Amtliche Verbrauchsstatistiken würden eine ge-
eignete Datengrundlage bilden, auch wenn die Bemessung
nicht allein auf wissenschaftlichen Grundlagen erfolgen
könne, sondern im Vorfeld politisch-normativer Entschei-
dungen bedürfe. Eine weitere Pauschalierung einmaliger
Leistungen würde den Verwaltungsvollzug vereinfachen
und sei mit den sozialhilferechtlichen Grundsätzen verein-
bar. Die Pauschalierung auch der Unterkunftskosten würde
Risiken der sozialpolitischen Fehlsteuerung bergen, da Leis-
tungen in erheblichem Maße nicht dem Bedarf entsprächen.
Ohne eine finanzielle Entlastung der Kommunen bei materi-
ellen Leistungen sei eine Ausweitung der persönlichen Hil-
fen nicht zu finanzieren. Die Sozialhilfelasten der Kommu-
nen infolge der Arbeitslosigkeit seien durch eine Stärkung
des Nachrangprinzips deutlich zu senken. Eine vorgelagerte
Grundsicherung für Minderjährige, durch die diese aus der
Sozialhilfe herausgelöst würden, könne praktikabel sein.
Der Einsatz aktivierender Instrumente mit dem Ziel nach-
haltiger Integration in den Arbeitsmarkt beinhalte auf den
individuellen Bedarf zugeschnittene Unterstützungsange-
bote. Es gelte, aufeinander abgestimmte Konzepte von Ar-
beitsvermittlung, allgemeiner Sozialberatung, spezialisier-
ten Beratungen (z. B. Schuldner- und Suchtberatung), Hilfe-

planung und Case-Management zu entwickeln, die dafür
notwendigen Kompetenzen der Fachkräfte zu benennen und
entsprechende (Nach-)Qualifizierungsangebote bereitzu-
stellen.
Nach Meinung des Diakonischen Werks der Evangeli-
schen Kirche in Deutschland e. V. müssen die Regelsätze
in ihrer Höhe und Entwicklung wieder an ein verlässliches
System gekoppelt werden. Es sei ein Fehler zu glauben,
dass sich eine an Jahreszyklen orientierte jährliche Politik
nach Kassenlage für ein existenzielles Sicherungssystem
leichter handhaben ließe als eine Festlegung auf ein Berech-
nungssystem, das die Haushaltsplanung bereits berücksich-
tigen könne. Unterstützt würde das Vorhaben der Eingliede-
rung des Bundessozialhilfegesetzes in das Sozialgesetzbuch
als SGB XIII. Hinsichtlich einer weitergehenden Pauscha-
lierung der Leistungen nähme das Diakonische Werk eine
differenzierte Haltung ein. Pauschalen müssten den Krite-
rien der Angemessenheit und der Nachvollziehbarkeit ent-
sprechen. Nicht sinnvoll und keine Aufgabe der Sozialhilfe
sei es, generell die Erwerbstätigkeit von Personen, die keine
sozialen Probleme hätten, dauerhaft zu subventionieren.
Durch Regelungen des SGB III und im Rahmen der Hilfe
zur Arbeit nach dem BSHG sei es möglich und am Einzel-
fall orientiert oft sinnvoll, unzureichendes Erwerbseinkom-
men aufzustocken und individuell die Integration in den Ar-
beitsmarkt zu fördern. Auch die Maßnahmen im „Mainzer
Modell“ könnten für eine bestimmte Personengruppe die
Integrationsmöglichkeiten in den Arbeitsmarkt deutlich
verbessern. Eine Anwendung in der Breite, d. h. für alle
arbeitslosen Sozialhilfeempfänger, führe aber zu einer
Fehlallokation von an anderer Stelle dringend benötigter
Finanzmittel. Bei wissenschaftlichen Berechnungen gebe es
kein Kombi-Lohnmodell, das ökonomisch vertretbar wäre
und in der Breite angewandt zu erwähnenswerten Zuwäch-
sen bei der Beschäftigung führen würde. Unterstützt würde
eine engere Kooperation der zuständigen Behörden an der
Nahtstelle von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.
Herr Genz und Herr Schwendy vertreten in ihrer Stel-
lungnahme die Position, dass die Sozialhilfe als letztes
Glied im System der sozialen Sicherung auf die ursprüngli-
che Aufgabe zurückgeführt werden sollte. Sie müsse durch
den Ausbau der vorgelagerten Systeme und durch Korrektu-
ren im Steuerrecht/Familienlastenausgleich, im Wohngeld,
in der Bildungsförderung etc. entlastet werden. Eine Reform
könne nur im Zusammenhang mit einer Gesamtreform aller
sozialen Systeme und des Steuerrechtes sowie des Finanz-
ausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ange-
gangen werden. Aus der Sicht der Praxis könnten die derzeit
laufenden Bemühungen um die Pauschalierung positiv be-
wertet werden. Dies nicht nur unter dem Gesichtspunkt der
Verwaltungskostenersparnis, sondern aus grundsätzlichen
Erwägungen. Die Stadt Köln erziele bei rd. 52 000 Arbeits-
losen und 7 000 offenen Stellen vor allem in den sog. Nied-
riglohnbereichen für Geringqualifizierte gute Ergebnisse bei
der Vermittlung. Die strengen Zumutbarkeitsregelungen des
Bundessozialhilfegesetzes, nach denen Arbeit, die die Per-
son nicht schädige, zugemutet werden könne, würden dabei
befolgt. Es sei z. B. nicht nachvollziehbar, warum Personen-
kreise, die freiwillig jahrelang ihre akademische Laufbahn
über Jobs im Niedriglohnbereich (kellnern, Taxi fahren etc.)
finanziert hätten, sich nach Abschluss des Studiums plötz-
lich bei Sozial- und Arbeitsämtern arbeitslos melden und

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/8531

dann auf Hilfen pochen würden, die nach dem Bundesange-
stelltentarif bzw. nach den Regeln des öffentlichen Dienstes
finanziert würden. Die Kölner Arbeitsverwaltung und die
Kölner Sozialverwaltung würden schon seit vielen Jahren
eine vertraglich vereinbarte Kooperation zum Abbau der
Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit erfolgreich prakti-
zieren.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten begrüßt
den vorgelegten Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Verlängerung von Über-
gangsregelungen im Bundessozialhilfegesetz und den An-
trag der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN „Fördern und Fordern – Sozialhilfe modern ge-
stalten“ und schließt sich der entsprechenden Stellung-
nahme des DGB an. Die Vorschläge von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN, alle Jobs im Niedriglohnbereich gestaffelt zu
subventionieren und auch die von Bundeskanzler Schröder
und Bundesarbeitsminister Riester sowie der SPD angekün-
digten Pläne, das Mainzer Modell bundesweit anzuwenden,
würden nach Ansicht der Gewerkschaft in eine Sackgasse
führen und mittelfristig nur wenige Arbeitsplätze bringen,
die in keinem Verhältnis zu dem Subventionsaufwand stün-
den. Die bisherigen Kombilohn-Modellprojekte würden zei-
gen, dass dies ein untaugliches Instrument sei, um nachhal-
tige und wirksame Verbesserungen der Arbeitsmarktlage zu
erreichen.
Prof. Dr. Hauser spricht sich ebenfalls für eine Pauschalie-
rung sogenannter einmaliger Ausgaben aus. Unterstützt
wird ebenfalls die Einführung einer vorgelagerten Existenz-
minimumsicherung für Kinder. Diese könnte in einem
einkommensabhängigen Kindergeldzuschlag in Höhe von
ca. 300 DM pro Monat bestehen. Zum Verhältnis von So-
zial- und Arbeitslosenhilfe spricht sich Prof. Hauser für den
Einbau einer Mindestregelung in die Arbeitslosenhilfe mit
Leistungen für die Kernfamilie auf dem Niveau der Sozial-
hilfe aus.
Die IG Metall wendet sich nicht dagegen, in Modellvorha-
ben neue Wege zu erproben, um zusätzliche Arbeitsplätze
zu schaffen und Menschen in Arbeit zu bringen. Allerdings
erscheine der Weg, aus Mitteln der Sozialhilfe Zuschüsse
zum Arbeitslohn zu zahlen (ausgestaltet als Zuschuss an den
Arbeitnehmer), bereits hinreichend erprobt und begegne
Bedenken. Diese Bedenken würden sich gegen die diesen
Öffnungsklauseln zugrunde liegende Ansicht richten, wo-
nach Arbeit im niedrig entlohnten Bereich zu teuer und eine
sogenannte Sozialhilfefalle zu überwinden sei. Die wirt-
schaftsliberale Grundannahme, dass durch niedrigere Lohn-
kosten mehr Arbeitsplätze zu schaffen seien, sei – empirisch
ausreichend belegt – falsch. Seit Anfang der 80er Jahre
sinke in der Tendenz die Lohnquote der Bundesrepublik
Deutschland, während gleichzeitig die Arbeitslosigkeit in
der Tendenz zugenommen habe. Die IG Metall ist ferner der
Auffassung, dass die Arbeitslosenhilfe erhalten und nicht
unter dem Deckmantel ihrer Harmonisierung mit der Sozial-
hilfe abgeschafft werden dürfe. Begrüßt würden Überlegun-
gen, eine bedarfsorientierte Grundsicherung in die Arbeits-
losenversicherung zu implementieren. Diese sei nicht als
Alternative zur bestehenden Arbeitslosenhilfe zu reali-
sieren, sondern müsste für die Fälle greifen, in denen die
Höhe der Arbeitslosenhilfe nicht bedarfsdeckend sei.
Sicherzustellen sei die Möglichkeit, auch Ansprüche auf ak-

tive Maßnahmen von Seiten der Arbeitsämter leichter zu
realisieren. Ferner müsste die Sozialhilfe in höherem Maße
als bisher auf ihre ursprüngliche Funktion, Armut in beson-
deren Ausnahmefällen zu vermeiden, beschränkt werden.
Eine solche Maßnahme könnte eine Entlastung der Kommu-
nen darstellen, wenn diese bedarfsorientierte Grund-
sicherung aus steuerfinanzierten Bundesmitteln abgewickelt
würde.
Das Institut für Angewandte Sozialforschung (IAW)
Tübingen plädiert für die Begrenzung der Erwartungen hin-
sichtlich der Beschäftigungswirkungen von Kombilohn- und
Kombieinkommensmodellen auf ein realistisches Maß. Die
besondere Bewährung des Mainzer Modells im Vergleich zu
anderen Modellversuchen werde in der öffentlichen Diskus-
sion immer wieder mit dem Verweis auf die größten absolu-
ten Beschäftigungseffekte begründet. Dieser Vergleich alter-
nativer Modellversuche anhand von absoluten Beschäfti-
gungseffekten sei aber schlicht unzulässig, da er nicht
berücksichtige, dass sich die Zielgruppen der einzelnen
Maßnahmen ganz erheblich in ihrer Struktur und Größe un-
terschieden. So richte sich das Mainzer Modell an gering
Verdienende, während die Zielgruppe des Einstiegsgeldes
auf langzeitarbeitslose Sozialhilfeempfänger begrenzt sei.
Ferner sei die Zielgruppe des Mainzer Modells um ein Viel-
faches größer als die des Einstiegsgeldes. Das IAW Tübin-
gen hält die Einführung eines bundesweiten Kombieinkom-
mens zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht. Es sei beschäfti-
gungs- und finanzpolitisch gefährlich, sich vor Abschluss
der Modellprojekte und ihrer wissenschaftlichen Auswer-
tung auf ein Modell festzulegen. Ungeachtet der Einführung
eines bundesweiten Modells müssten die bestehenden Mo-
dellversuche fortgesetzt werden. Eine weitere wissenschaft-
liche Evaluation der laufenden Modellversuche gerade auch
unter Verwendung von Kontrollgruppen und unter Berück-
sichtigung möglicher Mitnahmeeffekte sei unerlässlich, um
den tatsächlichen Erfolg und die Kosten der Maßnahmen
beurteilen zu können. Entsprechende Experimentierklauseln
im Bundessozialhilfegesetz sollten über 2002 hinaus verlän-
gert werden. Die Ergebnisse der Modellversuche müssten in
eine spätere Modifikation des bundesweiten Kombieinkom-
mens Eingang finden. Ebenfalls wird sich für eine Lohnsub-
vention auf Seiten der Arbeitnehmer ausgesprochen. Eine
Arbeitnehmersubvention ließe größere Beschäftigungsef-
fekte erwarten als eine Subvention auf Arbeitgeberseite. Das
entscheidende Beschäftigungshemmnis für Sozialhilfe-
empfänger sei die Sozialhilfefalle, nicht die Belastung mit
Sozialversicherungsbeiträgen.Während das baden-württem-
bergische Einstiegsgeldmodell die Sozialhilfefalle für den
Förderungszeitraum beseitige, bleibe diese beim Mainzer
Modell grundsätzlich erhalten. Das Einstiegsgeldmodell sei
besser geeignet, Arbeitsanreize für Sozialhilfeempfänger zu
schaffen, während das Mainzer Modell den Aufbau eines
subventionierten Niedriglohnsektors fördere. In der Sozial-
hilfe sei die Einführung des Einstiegsgeldes daher die Vor-
aussetzung für den Erfolg des Mainzer Modells. Zwischen-
ergebnisse aus den laufenden Modellversuchen ließen
erkenen, dass für den Erfolg des ökonomischen Anreizin-
strumentariums auch flankierende Maßnahmen von ent-
scheidender Bedeutung sein könnten. Dabei müsse auch das
soziale Umfeld einbezogen werden. Insbesondere Maßnah-
men der Qualifizierung, der Kinderbetreuung oder der
Schuldnerberatung könnten genannt werden.

Drucksache 14/8531 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
sieht die sog. „Sozialhilfefalle“ als Fehlanreiz. Hintergrund
hierfür sei, dass Sozialhilfe nur dann bewilligt werde, wenn
der Hilfeempfänger bereit sei, sowohl seine Arbeitskraft als
auch sein gesamtes Nettoeinkommen zur Bestreitung des
Lebensunterhalts einzusetzen (vgl. Trabert et al. 1998). Aus
diesem Grund werde die Anrechnung von Zusatzverdiens-
ten bei Hilfeempfängern derzeit sehr restriktiv gehandhabt.
Erwerbseinkommen von Hilfeempfängern (ohne ein-
geschränkte Leistungsfähigkeit) werde oberhalb eines nicht
anzurechnenden Sockelbetrags von ca. 70 Euro im Monat
zu 85 % auf den Hilfeanspruch angerechnet, bis sich ein
maximaler Zuwachs an verbleibendem Erwerbseinkommen
in Höhe von ca. 140 Euro im Monat ergebe. Über diesen
Betrag hinausgehende Verdienste würden bis zur Bedürftig-
keitsgrenze voll angerechnet und dem Hilfeempfänger da-
her entzogen. Die eher geringen, nicht anzurechnenden und
quasi als Lohnsubvention zu sehenden Beträge zielten vor
allem darauf, auch bei Anspruch auf ergänzende Sozialhilfe
einen Lohnabstand zwischen erwerbstätigem und nicht-er-
werbstätigem Hilfeempfänger zu gewährleisten. Spermann
(1999) spreche in diesem Zusammenhang zu Recht von
einem „Spitzensteuersatz“ für Transferempfänger, der je
nach Einzelfall zwischen 85 % und 100 % liegen könne.
Die weitgehende Vollanrechnung von Zusatzverdiensten auf
den Hilfeanspruch gelte als Fehlanreiz, der zur Verlänge-
rung des Hilfebezugs beitragen könne. Bei einem derart ho-
hen Grundsteuersatz würden Sozialhilfeempfänger durch-
aus ökonomisch rational handeln, wenn sie keine Arbeit
anböten. Ähnliches treffe im Übrigen auch zu auf die
Anrechnung von Arbeitseinkommen bei Bezug von Arbeits-
losenhilfe, bei der der maximale Hinzuverdienst auf etwa
165 Euro begrenzt sei. Nicht anreizkompatibel sei auch
die spezifische Konstruktion des Familienlastenausgleichs.
Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes liege das
bisher unabhängig vom Einkommen gezahlte Kindergeld
(und auch der alternativ in Abzug zu bringende Kinderfrei-
betrag) weit unter den tatsächlichen Kosten für den Lebens-
unterhalt eines Kindes. Die Folge sei, dass Familien mit
niedrigem Erwerbseinkommen am Rande der Armuts-
schwelle lebten. Da sich aber im Gegensatz zum Kindergeld
die Sozialhilfesätze an dem tatsächlichen finanziellen Auf-
wand für Kinder orientierten, sei der finanzielle Anreiz für
Sozialhilfeempfänger mit Kindern, einer niedrig entlohnten
Erwerbstätigkeit nachzugehen, verständlicherweise eher ge-
ring (vgl. Gerster/Deubel 1999).
Das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln vertritt die
Ansicht, dass ungeachtet der kräftigen konjunkturellen Er-
holung in den Jahren 1998 bis 2000 es bereits im vergange-
nen Jahr wieder zu einer Akzentuierung der Arbeitsmarkt-
probleme in Deutschland gekommen sei. Es zeichne sich
ab, dass das Land bei der Therapie des gravierendsten Pro-
blems der deutschen Wirtschaftspolitik praktisch auf der
Stelle trete. Als eines von wenigen Ländern habe sich der
Anteil der strukturellen Arbeitslosigkeit in Deutschland in
den neunziger Jahren weiter erhöht. Der derzeitige Anteil
von knapp 34 % sei höher, wenn Maßnahmen zur Frühver-
rentung nicht die Statistik beeinflussen würden. Keines der
verschiedenen regionalen Kombilohnmodelle komme bis-
her über eine Zahl von 1 000 Förderfällen hinaus. Ein nen-
nenswerter Beitrag zur Verminderung der Arbeitslosigkeit
für die hier in Rede stehende Zielgruppe der Arbeitslosen-

hilfe- und Sozialhilfeempfänger könnte damit nicht geleistet
werden. An diesem Befund werde sich auch durch die ge-
plante bundesweite Einführung des sog. „Mainzer Modells“
und dessen Modifikationen in den Förder- und Anrech-
nungsregeln nichts ändern, so lange die grundsätzlichen
Probleme unbeachtet blieben. Das Institut spricht sich für
eine Abkehr von der Alimentation von Arbeitslosigkeit hin
zur Aufstockung von Niedrigverdiensten aus.
Nach Ansicht des Institutes für Sozialforschung und Ge-
sellschaftspolitik weist das System der Regelsätze im Prin-
zip angemessene Relationen auf. Allerdings ließe es sich
durch Aufsplittung des Eckregelsatzes in einen personenbe-
zogenen Teil und eine Haushaltskomponente flexibler ge-
stalten. So könnte die erforderliche Anhebung des Regel-
satzes für allein Lebende vorgenommen werden, ohne die
Leistungen für größere Haushalte in gleichemMaße zu erhö-
hen. Der Abstand zwischen der Hilfe zum Lebensunterhalt
und den verfügbaren Einkommen von Arbeitnehmerhaus-
halten sei groß genug und zudem seit Jahren gestiegen. Die
Diskussion um unzureichende Arbeitsanreize verlaufe abge-
koppelt von empirischen Befunden. Die Arbeitslosigkeit
vieler Sozialhilfeempfänger sei keine Frage der subjektiven
Motivation, sondern der objektiv rückläufigen Nachfrage
nach gering qualifizierten Arbeitskräften. Die er-heblichen
Qualifikationsdefizite der Sozialhilfeempfänger im arbeits-
fähigen Alter ließen sich nicht allein durch Schulungen be-
heben, sondern eher in einer Kombination von gering ent-
lohnter Beschäftigung und Qualifizierung. Außerdem sei ein
individuelles Case-Management zu empfehlen. Ein Ver-
gleich der Niveaus der Hilfe zum Lebensunterhalt mit den
Leistungen der Mindestsicherung in europäischen Nachbar-
staaten würde ein differenziertes Bild ergeben. In Deutsch-
land erhielten Mehr-Personen-Haushalte im Vergleich zum
Haushalt eines allein Lebenden relativ hohe Leistungen; aber
das Ausgangsniveau sei relativ niedrig, d. h., der allein
Lebende müsste höhere Leistungen beziehen.
Prof. Dr. Raffelhüschen vertritt die Auffassung, dass eine
Reform der deutschen Grundsicherung überfällig sei, weil
die Ausgaben im Verhältnis zum BIP überproportional ge-
wachsen seien. Dieser Trend müsse gebrochen werden. Fast
2,5 Millionen Grundsicherungsempfänger stünden dem Ar-
beitsmarkt potentiell zur Verfügung. In den 70er Jahren
wäre nur etwa ein Drittel der Grundsicherungsempfänger
potentiell erwerbsfähig gewesen, heute seien es zwei Drittel
– Tendenz weiterhin steigend. Die gegenwärtige Sozial-
hilfe/Arbeitslosenhilfe sei eine Subvention der Untätigkeit.
Die eigentliche Intention der sozialen Sicherung werde völ-
lig verkannt: Fast jeder könne sich ein Stück weit selbst hel-
fen; nur das, was dann noch fehle, sei von der Gemeinschaft
zu tragen. Dieser Subsidiaritätsgedanke sei dem Problem
angemessen und müsse Leitfaden einer zukunftsfähigen
Grundsicherung sein. Die zukünftige Grundsicherung
müsse zielgruppen- und arbeitsmarktorientiert sein. Selbst-
verständlich hätten nicht arbeitsfähige Grundsicherungs-
empfänger weiterhin Anspruch auf Geldleistungen in Höhe
des vollen sozio-kulturellen Existenzminimums. Dies gelte
auch für häuslich gebundene Personen, soweit sie für die
Erziehung von Kindern unter drei Jahren verantwortlich
seien. Arbeitsfähige Grundsicherungsempfänger seien
schon heute zur Selbsthilfe verpflichtet. In Zukunft sollten
Geldleistungen für Erwerbsfähige im Regelfall nur als Hilfe
zur Arbeit gewährt werden. Anspruch auf eine monetäre

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/8531

Grundsicherung hätten demnach nur Personen, die einer be-
zahlten Arbeit nachgingen oder sich in Qualifizierungsmaß-
nahmen befänden. Diejenigen, die das Arbeits- bzw. Quali-
fizierungsgebot nicht einhielten, hätten nur Anspruch auf
Sicherung des physischen Existenzminimums, und zwar im
Regelfall durch Sachleistung. Unter Einbeziehung der
steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen
müsse sichergestellt sein, dass die Selbsthilfe zu einer ver-
besserten Gesamteinkommenssituation führe. Eine zugleich
kostenneutrale und anreizwirksame Reform der Grund-
sicherung könne nur durch die Kombination zweier Trans-
ferformen mit spezifischen Entzugsraten bewerkstelligt
werden. Sie bestünde aus einem kommunalen Grundversor-
gungstransfer und eine durch den Bund finanzierte
Beschäftigungssubvention samt Erstattung der Sozialversi-
cherungsbeiträge im Niedriglohnsektor. Die darin begrün-
deten Anreize zur Offenbarung von Schwarzmarktaktivitä-
ten würden die öffentlichen Kassen mittelfristig sogar
entlasten.
Für Prof. Dr. Claus Reis muss die Bewertung „aktivieren-
der Instrumente“ vor dem Hintergrund der Ausgangssitua-
tion gesehen werden, d. h. der Probleme, auf die sie antwor-
ten sollen. Aktivierende Instrumente würden auf das
Individualisierungsprinzip rekurrieren und implizit den in-
dividuellen Bedarf an Unterstützung betonen. Sie setzten an
den differenzierten Lebenssituationen von Sozialhilfeemp-
fängern an und stünden somit generalisierenden und pau-
schalen Angeboten entgegen. Damit trügen sie den em-
pirisch zu konstatierenden Entwicklungen Rechnung.
Beratung, Assessment, Hilfeplanung und Leistungssteue-
rung seien Handlungsformen in dem Sinne, dass sich in ih-
nen die konkrete Interaktion zwischen Berater und Klient
Ausdruck verschaffe; nur über diese Interaktion, die „Ko-
Produktion“ komme ein Arbeitsergebnis zustande. Diese
Handlungsformen könnten für sich alleine stehen, sie bilde-
ten in einer spezifischen Kombination (ihrer „vertikalen In-
tegration“) aber auch Elemente eines „Case Management“.
Dieses ziele darauf ab, Bedarfslagen präzise zu erfassen,
hieraus gemeinsame Ziele zu entwickeln und Hilfeangebote
so zu kombinieren, dass sie zur Zielerreichung optimiert
werden könnten. Damit dies effektiv und zeitnah gelinge,
müsse die einzelfallbezogene „vertikale Integration“ durch
eine einzelfallübergreifende „horizontale Integration“ der
verschiedenen Angebote ergänzt werden. Konkret bedeute
dies die Planung und Steuerung von Hilfsangeboten. Um
die effektive Planung und Steuerung von Angeboten sowie
ihre konkrete Bereitstellung für die jeweiligen Einzelfälle
zu gewährleisten, müssten adäquate Instrumente (Monito-
ring und Controlling) entwickelt und eingesetzt werden. Um
sowohl einzelfallorientiertes Case-Management wie einzel-
fallübergreifende Steuerungskonzepte auf kommunaler
Ebene weiter entwickeln zu können, sei die Unterstützung
durch den Gesetzgeber erforderlich, denn die – bislang eher
experimentelle – Praxis müsse weiter systematisiert und
ausgebaut werden können. Hierzu bedürfe es gesetzlicher
Regelungen im BSHG, analog zu den Vorschriften im
SGB VIII.
Dr. Schneider sieht in der Praxis nur einen mäßigenden Er-
folg kommunaler arbeitsmarktpolitischer Programme, ar-
beitsfähige Sozialhilfeempfänger in den regulären Arbeits-
markt zu integrieren. Dennoch dürften sich die Maßnahmen
aus kommunaler Sicht rechnen, da es mit ihrer Hilfe ge-

linge, die Maßnahmeteilnehmer für längere Zeit von der So-
zialhilfe unabhängig zu machen, wenn auch in der Regel zu
Lasten von anderen föderalen Finanzierungsinstanzen.
Gleichwohl gebe es zwischen einzelnen Projekten Unter-
schiede, der Erfolg sei von der Ausgestaltung abhängig. Das
betreffe sowohl die Aufgabenverteilung im Sozialamt, die
Zahl und die Qualifikation des dort eingesetzten Personals
als auch die Form der Zusammenarbeit mit Trägern von be-
schäftigungspolitischen Maßnahmen. Durch die Förderung
der Kooperation zwischen Arbeits- und Sozialämtern auf lo-
kaler Ebene durch die Bundesregierung würden die fiskali-
schen Anreize zu Lastenverschiebung nicht aufgehoben.
Eine ursachenorientierte Politik sollte stattdessen an einer
Zusammenfassung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe anset-
zen. Faktisch dürfte dies allerdings einer aus transfersyste-
matischen Gründen ohnehin längst fälligen Abschaffung der
Arbeitslosenhilfe gleichkommen.
Für Frau Prof. Dr. Spindler ist die Pauschalierung von So-
zialhilfeleistungen bei häufig wiederkehrenden, notwendi-
gen Bedarfen sinnvoll. Allerdings bedürfe es einer seriösen
Ermittlung des notwendigen Bedarfs. Die Festlegung der
persönlichen Hilfe auf die Methode des Case-Managements
sei nicht emfehlenswert und bürge bei unfachlicher Anwen-
dung nicht nur die Gefahr des Eingriffs in individuelle Per-
sönlichkeitsrechte, sondern darüber hinaus der Verletzung
des Subsidaritätsprinzips in Zusammenarbeit mit der Freien
Wohlfahrtspflege und sozialen Verbänden und der Missach-
tung von deren Selbständigkeit bei Zielsetzung und Durch-
führung ihrer Aufgaben. Vorgeschlagen wird ferner, den
§ 22 Abs. 4 BSHG im Interesse der betroffenen Familien
mit mehreren Kindern zu ändern und ein sozialpolitisch red-
liches Abstandsverhältnis festzuschreiben. Abgelehnt werde
die Zusammenlegung der Sozialhilfe mit der Arbeitslosen-
hilfe, außer korrigierbaren Fehlentwicklungen in der Praxis
der beteiligten Behörden gebe es für sie keine Notwendig-
keit.
Univation e. V. vertritt die Thesen, dass persönliche Hilfen,
welche die Hilfeberechtigten in ihren Lebenslagen begleiten
und entsprechend ihrer Ressourcen mobilisieren würden, als
Kernbestandteil der Sozialhilfe auszubauen und qualitativ
fortzuentwickeln seien. Die Ausweitung pauschalierter
Sozialhilfezahlungen erschlössen hierfür erforderliche Per-
sonalressourcen und stießen bei vielen Beteiligten und Be-
troffenen auf Akzeptanz. Der Zuschnitt einer existenz-
sichernden Gesamtpauschale könne auf Basis von Evalua-
tionsergebnissen genauer bestimmt werden. Ein viel ver-
sprechender Weg, die Umsetzung bundesgesetzlicher
Reformen der Sozialhilfe zu befördern, bestünde in der akti-
ven Nutzung des Sachverstandes der Sozialhilfeträger – so-
wie weiterer lokaler sozialpolitischer Akteure – im Gesetz-
gebungsprozess.
Für die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat
sich das System der Sozialhilfe grundsätzlich bewährt. Al-
lerdings sei sie zuförderst finanziell zu entlasten von Risi-
ken, die nicht in der Person des einzelnen Sozialhilfeemp-
fängers lägen, also vom Risiko der Arbeitslosigkeit. In
diesem Zusammenhang käme es auch darauf an, die in
Folge des schrittweisen Fortfalls der originären Arbeits-
losenhilfe durch den Gesetzgeber ausgelöste unterschied-
liche Behandlung erwerbsloser Sozialhilfe- und Arbeits-
losenhilfeempfänger durch strikte gesetzliche Regelungen

Drucksache 14/8531 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

über die Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern zu
überwinden. Darüber hinaus sei im Rahmen der Familien-
politik bereits vorgelagert die Existenzsicherung von Kin-
dern und Jugendlichen zu gewährleisten sowie die Situation
von Alleinerziehenden durch ein hinreichendes Angebot an
Kinderbetreuungseinrichtungen zu erleichtern. Dem gegen-
über seien Fragen der technischen Grundlagen zur Festset-
zung der Sozialhilfeleistungen von sekundärer Bedeutung.
Prof. Dr. Wagner vertritt die Ansicht, dass die seit 1993
nicht mehr vorgenommene Prüfung der Sozialhilferegel-
sätze auf der Basis des Statistikmodells und die seit 1997
übergangsweise an der Entwicklung des aktuellen Renten-
wertes orientierte Anpassung der Regelsätze dazu geführt
hätten, dass der Nominalwert der Regelsätze vom 1. Juli
1993 bis 1. Juli 2001 inWestdeutschland lediglich um 8,9 %
und in Ostdeutschland um 7,9 % angestiegen sei, während
der Preisindex für die Lebenshaltung aller Haushalte (ohne
Mieten) von 1993 bis 2001 sowohl in West- wie in Ost-
deutschland um etwa 13 % zugenommen hätte. Selbst ohne
Berücksichtigung der 1993 unterlassenen Anpassung ergäbe
sich damit eine reale Minderung der Regelsätze. Zur Weiter-
entwicklung der Sozialhilfe werde die Pauschalierung von
einmaligen Ausgaben, die zwar nicht monatlich, aber auf
Grund der Verbrauchsgewohnheiten und der Produktlebens-
dauer normalerweise regelmässig anfallen, unterstützt. Um
eine größere Flexibilität bei der administrativen Hand-
habung zu erreichen, sollten die pauschalierten einmaligen
Ausgaben nicht in die Regelsätze integriert, sondern als
Mehrbedarfszuschläge getrennt ausgewiesen werden. Der
gegenwärtig diskutierte „Niedriglohnsektor“ umfasse vieler-
lei Problembereiche. Kombilöhne seien erwägenswert, um
Transferempfängern einen größeren Arbeitsanreiz zu bieten
und um Arbeitgebern die Arbeitskosten zu verringern.
Grundsätzlich seien Kombilöhne für Arbeitslose weniger
problematisch als eine generelle Subventionierung von
Niedriglohnjobs, da bei Arbeitslosen Mitnahmeeffekte und
Auswirkungen auf die Struktur der Arbeitsplätze geringer
seien. Grundsätzlich sollten nach Ansicht von Prof. Wagner
die Kosten der Arbeitslosigkeit – zumindest soweit sie
gesamtwirtschaftlich und nicht lokal bedingt seien – vom
Bund bzw. der Arbeitslosenversicherung getragen werden.
Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger the-
matisiert den Vorschlag der weitgehenden Verknüpfung von
Hilfegewährung an die Ausübung gemeinnütziger Arbeit
und unterstreicht, dass eine Rente grundsätzlich nur aus Zei-
ten gewährt würde, in denen eine Vorleistung gegenüber der
Solidargemeinschaft der Rentenversicherung erbracht wor-
den sei (z. B. wie bisher durch Beiträge des Bundes für den
Bezug von Arbeitslosenhilfe) oder für die der Rentenversi-
cherung Leistungen erstattet würden (z. B. Erstattungen für
wiedervereinigungsbedingte Mehrleistungen). Bei der Aus-
übung einer gemeinnützigen Tätigkeit handele es sich nicht
um eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt. Deswegen
müssten für eine rentensteigernde Berücksichtigung dieser
Tätigkeit die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen wer-
den, die die Versicherungspflicht, die Höhe der beitrags-
pflichtigen Einnahmen und die Beitragstragung zu regeln
hätten. Eine beitragsfreie Anrechnung der Zeiten der ge-
meinnützigen Tätigkeit (z. B. ähnlich der Anrechnungszei-
ten wegen Schulausbildung) oder die fiktive Berücksichti-
gung als Beitragszeit (wie z. B. unter bestimmten
Voraussetzungen bei gleichzeitigen Berücksichtigungszei-

ten wegen Kindererziehung oder Zeiten der nicht
erwerbsmäßigen Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für
mehrere Kinder) sei ohne Klärung der externen Finanzie-
rung der daraus entstehenden Ansprüche abzulehnen, da an-
dernfalls die Leistungen allein von der Solidargemeinschaft
der Versicherten zu finanzieren wären. Die Absicherung
gegen arbeitsmarktbedingte Risiken sei aber als gesamtge-
sellschaftliche Aufgabe nicht allein von dem begrenzten
Personenkreis der Versicherten der gesetzlichen Rentenver-
sicherung zu tragen. Sie sei deshalb ordnungspolitisch sach-
gerecht aus Steuermitteln zu finanzieren.
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sieht Re-
formerfordernisse bei der Sozial- und Arbeitslosenhilfe ins-
besondere bei der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf
diese beiden Hilfen. Die bestehenden Anrechnungsvor-
schriften würden keine ausreichenden Anreize zur Arbeits-
aufnahme setzen, sondern eher dazu führen, dass Hilfeemp-
fänger im Sozial- bzw. Arbeitslosenhilfebezug verharren
und das Einkommen durch Schwarzarbeit aufbessern wür-
den. Notwendig seien ferner Schritte, die den Nettolohnab-
stand, insbesondere zwischen Leistungsbeziehern und Er-
werbstätigen mit mehreren Kindern, sichern würden.
Notwendig sei ferner eine Deregulierung des Arbeitsmark-
tes. Hierzu müsse gehören, dass Teilzeitkräfte anteilig bei
der Berechnung aller Schwellenwerte im Arbeits- und So-
zialrecht berücksichtigt würden.

IV. Ausschussberatungen
Die Mitglieder der Fraktion der SPD erklärten, der fach-
liche und politische Kern des von der Koalition und der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs werde of-
fensichtlich von allen Ländern mitgetragen. Der Antrag von
SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN „Fördern und For-
dern – Sozialhilfe modern gestalten“ werde von einer brei-
ten Mehrheit von Sachverständigen, Verbänden und gesell-
schaftlichen Gruppen begrüßt. Der Entschließungsantrag
auf Drucksache 14/7293 mache deutlich, dass und wie u. a.
die jetzt verlängerten Regelungen in der nächsten Legis-
laturperiode im Rahmen einer umfassenden Reform des
Sozialhilferechts neu gestaltet werden können. Der Antrag
demonstriere den aktiven und positiven Gestaltungswillen
der Koalition und sei gleichzeitig Handlungsrahmen für die
Bundesregierung. Der Antrag der Fraktion der FDP auf
Drucksache 14/5982 gehe von falschen Grundannahmen
aus. So seien im Jahr 1999 an die im Antrag genannten
2,8 Millionen Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt
außerhalb von Einrichtungen nicht 40 Mrd. DM, sondern
lediglich 17 Mrd. DM gezahlt worden. Auch sei die im An-
trag nicht näher konkretisierte Forderung nach einer Anhe-
bung der Freibeträge problematisch. Der Antrag der
Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7298 werde abgelehnt,
weil die Koppelung der Regelsätze an die Entwicklung der
Lebenshaltungskosten weder dem Beschluss der Minister-
präsidenten von 1989 noch der gesetzlichen Regelung im
§ 22 Abs. 3 entsprechen würde.
DieMitglieder der Fraktion der CDU/CSU betonten, vor-
rangiges Ziel der Sozialhilfe sei es, die Menschen so schnell
als möglich aus ihrer Notsituation wieder herauszuführen.
Über die besten Wege gäbe es schon seit langem eine breite
und intensive Debatte. Auch die Anhörung, wenn auch mit
unterschiedlichen Akzentuierungen, habe deutlich gemacht,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/8531

dass auf diese Schwerpunktsetzung bei der Sozialhilfe be-
sonderer Wert zu legen sei. Der von der Bundesregierung
und den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf
nehme allerdings diese Fachdiskussion und auch die Anre-
gungen aus der Anhörung nicht auf. Entgegen den früheren
Aussagen der Regierungsfraktionen, nach Auslaufen der
bisherigen Übergangsregelungen einen Gesetzentwurf mit
einer völlig neuen Regelsatzkonzeption vorzulegen, flüchte
sich die Koalition in eine erneute Verlängerung. Der zur Be-
gründung vorgebrachte Verweis auf noch laufende Modell-
projekte sei eine Ausrede.
Die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN vertraten die Ansicht, die vorgeschlagenen
Änderungen hätten das Ziel, das Sozialhilfesystem transpa-
renter zu machen und den politischen, ökonomischen und
gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Auch solle
das Ziel der Hilfe aus einer Hand verwirklicht werden. Die
Opposition habe den Vorschlägen nichts entgegensetzen
können. Die Koalitionsfraktionen wollten die Eigenverant-
wortung der Menschen stärken und gleichzeitig die Hilfe
aus einer Hand organisieren. Die Breite der Fachdiskussion
und die Vielzahl von Vorschlägen belege, dass zz. noch
keine abschließende Regelung angebracht sei, sondern erst
die laufenden Modellvorhaben beobachtet und ausgewertet
werden sollten. Die Debatte im Ausschuss habe aber auch
gezeigt, dass es zwischen den Koalitionsfraktionen und der
Opposition deutliche Zielunterschiede gäbe. Die FDP-Frak-
tion sei anscheinend bereit, das sozio-kulturelle Existenzmi-
nimum gänzlich zu streichen. Dies sei nicht mit dem von
der Bundesregierung verfolgten Ansatz des Förderns und
Forderns vereinbar.
Die Mitglieder der Fraktion der FDP hoben hervor, dass
der vorgelegte Gesetzesentwurf und der Änderungsantrag
der Koalitionsfraktionen zeige, dass die Koalition nicht in
der Lage sei, ihre Aussagen in der Regierungserklärung von
1998 umzusetzen. Die vom Bundeskanzler angekündigte
Modernisierung der Sozialhilfe sei ausgeblieben. Der Ent-
schließungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache
14/7293 enthalte nur Allgemeinplätze, aber keine konkreten
Aussagen. Die jetzt von den Koalitionsfraktionen im Ände-
rungsantrag auf Ausschussdrucksache 14/2196 (neu) vorge-
legte Novellierung des Grundsicherungsgesetzes zeige, wie
problematisch die gesonderte, neben der Sozial- und Ar-
beitslosenhilfe erfolgte Implementierung der Grundsiche-
rung gewesen sei. Sie sei gut gemeint, aber schlecht ge-
macht. Es gäbe deutlich bessere Wege, u. a. in den Anträgen
der FDP-Fraktion benannt, die verschiedenen steuerfinan-
zierten Systeme der existenziellen Sicherung neu zu ordnen.
Es stelle sich die Frage, ob die zwei steuerfinanzierten Sys-
teme der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe nebeneinan-
der bestehen müssten. Zumindestens die Behandlung der ar-
beitsfähigen Sozialhilfebezieher müsse deutlich anders sein
als die der sonstigen Leistungsempfänger. Zum zentralen
Maßstab sei das Prinzip keine Leistung ohne Gegenleistung
zu machen. Die FDP habe mit ihren Änderungen die Erfah-
rungen der Stadt Köln aufgenommen. Die Modellversuche
würden zeigen, dass der gesetzliche Rahmen der Zusam-
menarbeit von Sozial- und Arbeitsämtern in der Praxis noch
nicht ausgeschöpft sei. Es gäbe insgesamt wesentlich mehr
Verbesserungsvorschläge zur Reform der Sozialhilfe als von
der Bundesregierung zur Kenntnis genommen. Es sei be-

dauerlich, dass die Legislaturperiode zu Ende gehe, ohne
dass man einen grundlegenden Schritt bei der Reform der
Sozialhilfe weitergekommen sei.
DieMitglieder der Fraktion der PDS kritisierten die Höhe
der Regelsätze und die beabsichtigte weitere Verlängerung
der Ankopplung ihrer Steigerungen an die Höhe der Renten-
anhebungen. Dies verstärke die Tendenz, dass die Regel-
sätze nicht mehr ausreichend den Lebensbedarf absichern
würden. Die PDS-Fraktion verfolge das Ziel, die Regelsätze
an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten zu koppeln
und damit deren Grundsicherungsfunktion zu gewährleisten
Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen seien
stattdessen bereit, die falschen Vorschläge der CDU/CSU
und FDP aufzunehmen. Diese Politik werde von der PDS-
Fraktion abgelehnt. Die Zusammenlegung von Sozial- und
Arbeitslosenhilfe werde dazu führen, dass Arbeitslose nur
noch für einen sehr begrenzten Zeitraum Leistungen aus der
beitragsfinanzierten Arbeitslosenversicherung erhalten wür-
den und im Übrigen auf eine niedrigere Sozialhilfe verwie-
sen seien. Deshalb lehne die PDS-Fraktion die Abschaffung
der Arbeitslosenhilfe ab.

B. Besonderer Teil
Zur Begründung der einzelnen Vorschriften wird – soweit
sie im Verlauf der Ausschussberatungen nicht geändert oder
ergänzt wurden – auf die Gesetzentwürfe verwiesen. Hin-
sichtlich der vom Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
neu eingefügten Vorschriften ist folgendes zu bemerken:

Zu Artikel 1 Nr. 1
Vereinheitlichung der Fristen von Übergangsregelungen.

Zu Artikel 1 Nr. 2
Die Übergangsregelung zur jährlichen Neufestsetzung der
Regelsätze, die durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfes
verlängert werden soll, hat für Länder, die von der Möglich-
keit zur Festsetzung von Mindestregelsätzen Gebrauch ge-
macht haben, äußerst nachteilige Konsequenzen:
So hat der bayerische Gesetzgeber durch die Verordnung
zur Ausführung sozialhilferechtlicher Vorschriften (AVSV)
vom 28. Juni 1994 bestimmt, dass vom Landesregelsatz ab-
weichende örtliche Regelsätze festgesetzt werden können.
13 Sozialhilfeträger haben eigene Regelsätze bestimmt, die
den Landesregelsatz übersteigen. Einzelne örtlich festge-
setzte Regelsätze übersteigen den Landesregelsatz in einer
Weise, die weder durch abweichende örtliche Lebenshal-
tungskosten noch durch andere Umstände gerechtfertigt ist.
Der bayerische Gesetzgeber bestimmte daher in der AVSV,
dass vom Landesregelsatz abweichende örtliche Regelsätze
nur erhöht werden können, wenn durch ein Gutachten, das
dem Stand der Wissenschaft entsprechen muss, der Nach-
weis erbracht wird, dass die tatsächlichen Lebenshaltungs-
kosten und die örtliche Preisentwicklung sowie die örtliche
Entwicklung der Nettoarbeitslöhne eine abweichende Re-
gelsatzfestsetzung rechtfertigen. Für örtliche Regelsätze,
die vor Erlass der Rechtsverordnung festgesetzt wurden,
wurde eine Übergangsvorschrift geschaffen. Die betreffen-
den örtlichen Regelsätze können demnach übergangsweise
bis zur Hälfte des jeweiligen Anpassungsprozentsatzes des

Drucksache 14/8531 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Landesregelsatzes erhöht werden, ohne dass ein Gutachten
der bezeichneten Art vorgelegt werden muss. Im Wege die-
ser Übergangsvorschrift sollten die Unterschiede zwischen
den örtlich festgesetzten Regelsätzen und dem Landesregel-
satz allmählich abgeschmolzen werden, sofern die Unter-
schiede nicht auf der Basis eines Gutachtens gerechtfertigt
werden können.
Seitdem auf Grund von Übergangsvorschriften im Bundes-
sozialhilfegesetz die Regelsätze nicht mehr durch die Län-
der bestimmt werden, sondern bundeseinheitlich fortge-
schrieben werden, können die Bestimmungen der
Bayerischen Ausführungsverordnung nicht mehr greifen.
Die bundeseinheitliche Fortschreibung vereitelt somit das
Ziel des Freistaats Bayern, eine Angleichung der in Bayern
geltenden Regelsätze herbeizuführen.
Die Änderung soll diesen Mangel beheben und es dem Lan-
desgesetzgeber ermöglichen, trotz einer fortgeltenden bun-
deseinheitlichen Übergangsregelung bestehende landesin-
terne Unterschiede abzuschmelzen. Dies ist aber auch
deshalb geboten, um das Lohnabstandsgebot weiterhin ein-
halten zu können.

Zu Artikel 1 Nr. 3 Buchstabe a
Die Regelung dient der Klarstellung, in welcher Höhe Er-
werbseinkommen, mit dem Beiträge zur zusätzlichen, staat-
lich geförderten, privaten Altersvorsorge nach dem XI. Ab-
schnitt des Einkommensteuergesetzes geleistet werden, von
dem Einkommen abzusetzen sind.

Zu Artikel 1 Nr. 3 Buchstabe b
Buchstabe b ist unverändert.

Zu Artikel 1 Nr. 4
Die Regelung stellt die Rechtsfolge der sozialhilferecht-
lichen Nichtanrechenbarkeit von Zuschüssen klar, die nach
dem Mainzer Modell bundesweit gewährt werden. Der
Zweck der Zuschüsse besteht darin, dass für den Arbeitneh-
mer ein zusätzlicher finanzieller Anreiz geschaffen und da-
mit die Chancen der Zuschussempfänger zur Eingliederung
in den ersten Arbeitsmarkt nachhaltig verbessert werden
sollen (Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinien). Bei dem mit den
Leistungen nach dem „Mainzer Modell“ bezweckten Ar-
beitsanreiz handelt es sich gegenüber den Absetzbeträgen
nach § 76 Abs. 2a Nr. 1 bis 3 BSHG um einen zusätzlichen
finanziellen Arbeitsanreiz. Die Zuschüsse zu den Sozialver-
sicherungsbeiträgen sowie der Kindergeldzuschlag an den
Arbeitnehmer sind daher zweckbestimmte Leistungen im
Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1, die nicht auf die Sozialhilfe
anzurechnen sind. Durch die Regelung in Satz 2 werden
Rechtsunsicherheiten auf Seiten der Hilfeempfänger wie
auch auf Seiten der Sozialhilfeträger beseitigt, die in der
ersten Durchführungsphase des Mainzer Modells dadurch
entstanden sind, dass die Sozialhilfeträger die Zuschüsse
nach dem Mainzer Modell auf die Sozialhilfe angerechnet
haben.

Zu Artikel 1 Nr. 5
Vereinheitlichung der Fristen von Übergangsregelungen.

Zu Artikel 1 Nr. 6
Die Vorschrift begründet als Spezialregelung zu § 75
SGB X, dass der Träger der Sozialhilfe befugt sind, Sozial-
daten an Forschungsinstitute zu übermitteln, die im Auftrag
des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung For-
schungsaufträge durchführen, im Rahmen derer die Wirk-
samkeit von gesetzlichen Regelungen im Bereich der sozia-
len Leistungen überprüft wird. Die Verbesserung der
Effektivität der Sozialhilfe und vergleichbarer Gesetze über
soziale Leistungen insbesondere mit dem Ziel, Bedürftig-
keit zu überwinden, bedarf der fortlaufenden empirischen
Forschung. Aus der Bundessozialhilfestatistik (§§ 127 bis
134 BSHG) allein lassen sich die notwendigen empirischen
Grundlagen nicht erschließen. Auch hat zum Beispiel das
laufende Forschungsvorhaben „Verlaufs- und Ausstiegsana-
lyse Sozialhilfe“ auf Grund des bisherigen Verfahrens, das
eine Rückmeldung von Einwilligungserklärungen voraus-
setzte, bis jetzt keine brauchbaren Ergebnisse erbracht, weil
es trotz erheblicher Anstrengungen der Sozialhilfeträger
nicht gelungen ist, ausreichende Rückläufe zu bekommen.
Die Einschaltung von 16 obersten Landesbehörden gemäß
§ 75 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ist bei
einem bundeseinheitlichen und notwendigerweise repräsen-
tativen Forschungsvorhaben in der Regel nicht praktikabel.
Für die Modellvorhaben zur Verbesserung der Zusammen-
arbeit mit den Arbeitsämtern wurde in § 18a Abs. 3 und 4
BSHG eine entsprechende bereichsspezifische Rechts-
grundlage geschaffen, die eine systematische Begleitfor-
schung ermöglicht. In der Rechtspraxis wurden hierdurch
allerdings Zweifel ausgelöst, ob für die Zwecke vergleich-
barer oder anderer Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der
Sozialhilfe nicht ebenso eine ausdrückliche gesetzliche Re-
gelung bestehen müsse, um Sozialhilfedaten zulässiger-
weise übermitteln zu können.
Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
bleibt durch die Neuregelung unberührt. Die schutzwürdi-
gen Interessen der Betroffenen werden dadurch gewahrt,
dass enge datenschutzrechtliche Voraussetzungen zu beach-
ten sind und dass der Betroffene vor der Übermittlung in die
Lage versetzt wird, ihr zu widersprechen. Dabei kann der
Träger der Sozialhilfe im Zusammenwirken mit dem Auf-
tragnehmer ein flexibles und verwaltungseinfaches Verfah-
ren wählen, weil sichergestellt und erkennbar ist, dass gegen
den erklärten Willen des Betroffenen keine Übermittlung
von Daten erfolgt und dass sein Sozialdatenschutz gewahrt
ist.
Zu Artikel 1a Nummer 1
Folgeänderung zu Nummer 2.
Zu Artikel 1a Nummer 2
Die Neuregelung des Absatzes 2 enthält in Anlehnung an
§ 97 Abs. 2 BSHG (Schutz des Anstaltsortes) eine Rege-
lung, die sowohl landesintern als auch länderübergreifend
Kostenverschiebungen vermeidet, die zwischen dem für den
Wohnort des Grundsicherungsberechtigten zuständigen
Grundsicherungsträger und dem für den Einrichtungsort des
Grundsicherungsberechtigten zuständigen Grundsiche-
rungsträger entstehen können. Die in dem Änderungsantrag
enthaltene Regelung stellt klar, dass beim Wechsel vom

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/8531

Wohnort in eine Einrichtung in einem anderen Ort der Trä-
ger der Grundsicherung zuständig ist, in dessen Bereich der
Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor der Auf-
nahme in der Einrichtung zuletzt gehabt hat. Zugleich ist
klargestellt, dass der Ort der stationären Unterbringung
nicht als gewöhnlicher Aufenthalt gilt. Weiterhin enthält der
Änderungsantrag auch eine eigenständige Kostenerstat-
tungsregelung für den Fall, dass der an sich zuständige
Grundsicherungsträger zunächst nicht ermittelt werden
kann und deshalb derjenige Träger der Grundsicherung zu-
ständig wird, in dessen Bereich die Einrichtung liegt. Die
insoweit vom Träger des Einrichtungsortes vorverauslagten
Kosten sind dann von dem Träger zu erstatten, bei dem der
Antragsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor der
Aufnahme in der Einrichtung zuletzt hatte.
Sowohl Länder als auch Kommunen haben erst ein halbes
Jahr nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur
Grundsicherung darauf hingewiesen, dass die ohne den Än-
derungsantrag möglichen Kostenverschiebungen auch län-
derübergreifend entstehen könnten, sodass zumindest inso-
weit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist.
Die Regelung in Absatz 3 enthält Länderrechtsvorbehalte
für zwei Fallkonstellationen:
Nummer 1 enthält einen Länderrechtsvorbehalt in Bezug
auf die Möglichkeit, die Durchführung der Grundsicherung
auf kreisangehörige Gemeinden, also auf die untere kom-
munale Ebene zu delegieren. Hierbei bleibt die Verantwor-
tung weiterhin bei dem gemäß § 4 Abs. 1 GSiG zuständigen
Träger, dem Kreis oder der kreisfreien Stadt. Dies ergibt
sich aus Nummer 1, 2. Halbsatz.
Die Delegationsmöglichkeit wird vor dem Hintergrund ei-
ner möglichst bürgernahen und bürgerfreundlichen Umset-
zung des GSiG eingeführt. Für dauerhaft voll Erwerbsge-
minderte, aber auch für ältere Grundsicherungsberechtigte
ab 65 wird es auf Grund ihrer alters- oder gesundheitsbe-
dingt eingeschränkten Mobilität oftmals eine große Erleich-
terung bedeuten, wenn sie die Leistungen der Grundsiche-
rung im unmittelbaren örtlichen Umfeld ihrer Wohnortge-

meinde beantragen oder hiermit im Zusammenhang ste-
hende Rückfragen erledigen können. Dies gilt umso mehr,
wenn neben Leistungen der Grundsicherung noch ergän-
zende Leistungen der Sozialhilfe zu beantragen sind und
diese ohnehin wegen einer auf Grund § 96 Abs. 1 BSHG er-
folgten Delegation auf die untere kommunale Ebene von der
kreisangehörigen Gemeinde durchgeführt werden.
Nummer 2 enthält einen Länderrechsvorbehalt für die Fälle,
in denen Antragsberechtigte nach § 1 bei stationärer Unter-
bringung ohnehin von einem überörtlichen Träger der
Sozialhilfe Leistungen nach dem BSHG erhalten (entspre-
chend dem Länderrechtsvorbehalt nach § 100 Abs. 1
BSHG). Denn hier ist z. B. im Rahmen der stationären oder
teilstationären Eingliederungshilfe die Leistung der Grund-
sicherung vorrangig zur Finanzierung der Kosten in der Ein-
richtung einzusetzen und kommt damit im Regelfall nicht
dem Antragsberechtigten, sondern dem Kostenträger zu-
gute. Auf Grund der derzeitigen Zuständigkeitsregelung
nach § 4 GSiG müssten aber die Stadt- und Landkreise zu-
nächst die Anspruchsberechtigung für die Grundsicherung
prüfen und feststellen, die Leistung bewilligen und dann
dem zuständigen überörtlichen Träger der Sozialhilfe erstat-
ten. Hierdurch kann es zu einer äußerst aufwendigen Neu-
verteilung der Mittel zwischen der örtlichen Ebene der
Stadt- und Landkreise und der überörtlichen Ebene der
Sozialhilfe kommen, ohne dass der Antragsberechtigte hier-
von selbst Vorteile hätte. Zur verwaltungsmäßigen Erleich-
terung ist es daher sachgerecht, den Ländern im Rahmen
des vorstehenden Länderrechtsvorbehalts das Wahlrecht
einzuräumen, die Zuständigkeiten für die Grundsicherung
bei nur einem Träger zu bündeln.
Für die Antragsberechtigten selbst ergeben sich aus dem
Länderrechtsvorbehalt keinerlei Nachteile, da bei stationä-
rer Unterbringung die Leistungen der Grundsicherung ohne-
hin nur dem Kostenträger zugute kommen.
Zu Artikel 2
Auf Grund des Zeitablaufs muss die Festlegung des Inkraft-
tretens auf den 1. April 2002 entfallen.

Berlin, den 13. März 2002

Dr. Heinrich L. Kolb
Berichterstatter

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