BT-Drucksache 14/8439

Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Schlesien

Vom 28. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8439
14. Wahlperiode 28. 02. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Schlesien

Die Landsmannschaft Schlesien veranstaltet alle zwei Jahre ein so genanntes
Deutschlandtreffen, auf dem regelmäßig auch Vertreter der Bundesregierung als
Gastredner auftreten. Das nächste Treffen ist für das Jahr 2003 geplant und soll
in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover stattfinden. Die nieder-
sächsische Landesregierung soll ihre Unterstützung des Treffens bereits zuge-
sagt haben.
Auf ihrem letzten Deutschlandtreffen, das am 15. Juli 2001 in Nürnberg statt-
fand, war der Bundesminister des Innern, Otto Schily, Gastredner. Als der Bun-
desminister in seiner Rede von dem „von Deutschland angezettelten, massen-
mörderischen Zweiten Weltkrieg“, vom „verbrecherischen Nazi-Regime“
sprach und den Massenmord an den europäischen Juden als das „schlimmste
Schandmal der deutschen Geschichte“ bezeichnete, wurde er vom Publikum
ausgepfiffen und als „rote Sau“ und „Heuchler“ beschimpft. „Diese historischen
Tatsachen müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie das nicht tun, sind Sie
noch immer verblendet“, entgegnete der Bundesminister des Innern, Otto
Schily, als Reaktion auf die Beschimpfungen gegen ihn (Mannheimer Morgen
und DER TAGESSPIEGEL vom 16. Juli 2001).
Der Berliner Politologieprofessor Hans-Gerd Jaschke äußerte sich in der Sen-
dung „Monitor“ vom 26. Juli 2001 zu den Reaktionen der Landsmannschaft
Schlesien auf die Rede des Bundesministers folgendermaßen:
„Es waren nicht nur die älteren Verbandsfunktionäre, die diesen Protest zum
Ausdruck gebracht haben, sondern auch jüngere. Und bei den jüngeren Funk-
tionären muss man sehen, dass hier der Einfluss rechtsextremer Kreise spürbar
ist. Kreise wie die NPD und andere rechtsextreme Organisationen agieren in die
Vertriebenenverbände hinein mit jüngeren Funktionären. Und die Verbands-
spitze scheint diese Entwicklung zu dulden oder nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Und dadurch entsteht eine neue Plattform, ein neues – sagen wir mal – Bündnis
durchaus zwischen Vertriebenenverbänden, Teilen der Vertriebenenverbände,
Teilen der nachwachsenden Generation in den Vertriebenenverbänden und dem
Rechtsextremismus. Und das halte ich doch für eine neuartige Entwicklung.“
„Monitor“ wies in derselben Sendung darauf hin, dass Vertriebenenverbände
beispielsweise für die Strategen der NPD eine wichtige Scharnierfunktion er-
füllten und zitierte die „Deutsche Stimme“, der es darum ginge, „den Kampf
um die Themenführerschaft und die kulturelle Hegemonie zwischen dem orga-
nisierten Nationalismus und den Systemkräften, der vor allem in den Vorfeld-
organisationen der nationalen Opposition ausgetragen wird. Zu diesen Vorfeld-
organisationen zählen unter anderem die Vertriebenenorganisationen“ (Monitor
vom 26. Juli 2001).

Drucksache 14/8439 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Nach diesen Vorfällen auf dem letzten Deutschlandtreffen der Schlesier stellt
sich die Frage, ob es in der Landsmannschaft Schlesien und ihrem Umkreis
noch immer Personen mit Tendenzen gibt, die deutschen Verbrechen des Zwei-
ten Weltkriegs und den Holocaust zu bagatellisieren und mit Rechtsextremisten
zusammenzuarbeiten.
Mitte der 90er Jahre hatte der damalige Bundesvorsitzende der Landsmann-
schaft Schlesien, Herbert Hupka, darüber hinaus auch oft Gebietsansprüche auf
polnisches Territorium erhoben und so indirekt gegen den „Zwei-plus-Vier-
Vertrag“ polemisiert. In den „Schlesischen Nachrichten“, der Verbandszeit-
schrift der Landsmannschaft Schlesien, schrieb er getreu dem Motto „Schlesien
bleibt unser!“: „Es gibt eben keinen rechtlichen, moralischen oder historischen
Titel polnischerseits, russischerseits, tschechischerseits auf die Heimat der aus
ihr vertriebenen Deutschen.“ (Schlesische Nachrichten vom 15. Dezember
1994).

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wird beim nächsten Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Schlesien im

Jahr 2003 erneut ein Gastredner aus den Reihen der Bundesregierung auftre-
ten, wenn ja, wer, bzw. wenn nein, warum nicht?

2. Hat die Bundesregierung verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse über die
Deutschlandtreffen der Landsmannschaft Schlesien in den letzten zehn Jah-
ren oder über die Landsmannschaft Schlesien und wenn ja, welche?

3. Kam es nach Erkenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren auf
den Deutschlandtreffen der Schlesier zu Äußerungen von Rednern, welche
die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsche Ostgrenze angriffen,
oder zu anderen geschichtsrevisionistischen Äußerungen?
a) Wenn ja, von wem und auf welchem Treffen?
b) Haben diese Äußerungen ggf. zu strafrechtlichen Ermittlungen geführt

und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
4. Haben nach Erkenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren

bekannte Rechtsextremisten an den Deutschlandtreffen der Schlesier teil-
genommen oder sind dort als Redner aufgetreten und wenn ja, um wen und
welche Treffen handelt es sich?

5. Hat die Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) in den letzten zehn Jah-
ren an den Deutschlandtreffen der Schlesier teilgenommen oder zur Teil-
nahme aufgerufen?
Wenn ja, in welcher Form und auf welchen Treffen?

6. Haben nach Erkenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren
rechtsextremistische Organisationen oder Parteien oder Organisationen, bei
denen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne der §§ 3 und 4
Bundesverfassungsschutzgesetz vorliegen, an den Deutschlandtreffen der
Schlesier erkennbar teilgenommen, zur Teilnahme aufgerufen, dort eigene
Publikationen oder Flugblätter verteilt oder Büchertische aufgebaut?
a) Wenn ja, welche und um welche Deutschlandtreffen handelte es sich?
b) Wie haben die Organisatoren der Deutschlandtreffen darauf ggf. reagiert?

7. Haben rechtsextremistische Zeitungen oder Zeitschriften oder Publikatio-
nen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen im Sinne der
§§ 3 und 4 Bundesverfassungsschutzgesetz vorliegen, nach Erkenntnis der
Bundesregierung in den letzten zehn Jahren für die Teilnahme an den
Deutschlandtreffen der Schlesier geworben oder dazu aufgerufen oder An-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8439

zeigen der Schlesier als Werbung für die Deutschlandtreffen geschaltet, und
wenn ja, welche (bitte jeweils angeben)?

8. Standen in den letzten zehn Jahren für die Deutschlandtreffen der Schlesier
oder für andere Veranstaltungen der Landsmannschaft Schlesien Mittel aus
dem Bundeshaushalt zur Verfügung und wenn ja, in welcher Höhe (bitte für
jedes Treffen und jede Veranstaltung einzeln auflisten)?

9. Wo wird nach Erkenntnis der Bundesregierung das nächste Deutschlandtref-
fen der Schlesier stattfinden und erwägt die Bundesregierung eine finanzielle
Unterstützung aus dem Bundeshaushalt?

Berlin, den 27. Februar 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

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