BT-Drucksache 14/8432

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union 2001

Vom 4. März 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8432
14. Wahlperiode 04. 03. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die
Europäische Union in 2001

Nach einer Dokumentation der Berliner „Antirassistischen Initiative“ über
„Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen“ (9. aktualisierte
Auflage, Januar 2002) starben im Zeitraum 1. Januar 1993 bis 31. Dezember
2001 mindestens 130 Menschen auf dem Weg in die Bundesrepublik Deutsch-
land oder an den Grenzen. Allein 100 Menschen starben in diesem Zeitraum an
den deutschen Ost-Grenzen. 343 Flüchtlinge erlitten beim Grenzübertritt zum
Teil erhebliche Verletzungen, 209 darunter an den deutschen Ostgrenzen.
99 Menschen töteten sich selbst angesichts ihrer drohenden Abschiebung oder
starben beim Versuch, vor der Abschiebung zu fliehen. Allein 45 Flüchtlinge
starben in Abschiebehaft.
Insgesamt starben nach Angaben dieser Dokumentation infolge der staatlichen
Abschottungspolitik im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember
2001 261 Flüchtlinge. Weitere 69 kamen durch rassistische Übergriffe ums
Leben.
Viele Menschen, deren Ziel Deutschland oder ein anderes Land der Europäi-
schen Union ist, scheitern auf ihrem Weg nach Europa bereits an den europäi-
schen Außengrenzen. Die Bundesrepublik Deutschland hat ein großes Interesse
daran, durch stark gesicherte Außengrenzen einen Teil der Flüchtlinge und
Migrantinnen bzw. Migranten nicht in die EU und schon gar nicht nach
Deutschland kommen zu lassen und investiert deshalb viel Zeit und Geld in
Absprachen, Kooperationen und Unterstützungsarbeit zur Abschottung dieser
Außengrenzen der EU. Insofern hat auch die deutsche Politik eine Verantwor-
tung für die Menschen, die bei ihrem Versuch, in die EU einzureisen, schwer
verletzt werden oder sterben.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in 2001

a) an den Landgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw. im Grenzgebiet
der Bundesrepublik Deutschland,

b) an den Grenzen der Europäischen Union insgesamt
tot aufgefunden worden (bitte nach Datum und Ort des Auffindens, Nationa-
lität des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)?
Wie viele Todesermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und
mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in 2001 mit
körperlichen Verletzungen durch Erfrierungen, Unterkühlungen, Hunger/

Drucksache 14/8432 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Durst aufgegriffen worden, die sie sich im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenz-
übertritts
a) in die Bundesrepublik Deutschland,
b) in die Europäische Union
zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers,
Körperverletzungsart aufschlüsseln)?

3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in 2001 im
Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts
a) durch Bundesgrenzschutz- (BGS) oder Zollbeamte in Deutschland,
b) durch Grenz- oder Zollbeamte in der Europäischen Union
durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. im Zuge einer entspre-
chenden Nacheile körperlich verletzt?
Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich ein-
geleitet und mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in 2001
a) in der Bundesrepublik Deutschland,
b) in der Europäischen Union
im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts durch Privatpersonen (z. B.
Jäger, Angehörige so genannter Bürgerwehren) körperlich verletzt bzw. ge-
tötet (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers und Todes- bzw.
Körperverletzungsart aufschlüsseln)?
Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und mit
welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in 2001
a) in der Bundesrepublik Deutschland,
b) in der Europäischen Union

– tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf.
unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in
ihren Transportmitteln Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte, Über-
hitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität
des Opfers, Transportmittel und Todesart aufschlüsseln)?

– verletzt aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der
(ggf. unerlaubten) Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw.
EU in ihren Transportmitteln Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte,
Überhitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Natio-
nalität des Opfers, Transportmittel und Art der Körperverletzung auf-
schlüsseln)?

6. Wie viele Fälle sind in 2001 bekannt geworden, in denen Personen, die sich
auf einem ggf. unerlaubten Transport in die Bundesrepublik Deutschland
bzw. EU befanden, im europäischen Ausland bzw. auf hoher See tot aufge-
funden wurden (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Trans-
portmittel und Todesart aufschlüsseln)?

Berlin, den 28. Februar 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.