BT-Drucksache 14/8423

Haltung der Bundesregierung zu Entschädigungsforderungen jüdischer Gemeinden in der Slowakei

Vom 28. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8423
14. Wahlperiode 28. 02. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion der PDS

Haltung der Bundesregierung zu Entschädigungsforderungen jüdischer
Gemeinden aus der Slowakei

Der Verband der jüdischen Gemeinden in der Slowakei bemüht sich seit mehre-
ren Jahren, in Gesprächen mit der Bundesregierung zu einem Übereinkommen
und einer Entschädigungsregelung für ein in der Öffentlichkeit weitgehend un-
bekanntes, schlimmes Kapitel der NS-Judenverfolgung in der Slowakei zu
kommen.
Es geht dabei um eine „Abgabe“ in Höhe von 500 Reichsmark, die den Ge-
meinden der slowakischen Juden vom NS-Regime im Zuge der gewaltsamen
Deportation der slowakischen Juden in die nationalsozialistischen Vernich-
tungslager auferlegt worden war. Von den 1942 in der Slowakei lebenden
knapp 90 000 Juden wurden 70 000 in die NS-Vernichtungslager deportiert,
über 66 000 von ihnen kamen in diesen Lagern ums Leben. „Zur Deckung der
mit der Aussiedlung der Juden aus der Slowakei verbundenen Kosten“, so die
zynische Rechtfertigung des slowakischen Ministeriums der Finanzen damals,
mussten die slowakischen Juden 200 Mio. slowakische Kronen – umgerechnet
über 17 Mio. Reichsmark – an die Regierung der Slowakei abliefern, die das
Geld an das Deutsche Reich überwies.
Wegen des Ost-West-Konflikts hat die Bundesrepublik Deutschland bis heute
den jüdischen Gemeinden der Slowakei keinerlei Wiedergutmachung gezahlt,
noch nicht einmal einen symbolischen Betrag.
1997 wendete sich der „Zentralverband der Jüdischen Gemeinden der Slowa-
kei“ deshalb erstmals in einem Schreiben an den damaligen Bundesminister des
Auswärtigen, Klaus Kinkel. Dieser soll nach Darstellung des Verbandes damals
Gespräche ohne nähere Erklärung abgelehnt haben.
Daraufhin versuchten Vertreter des Verbandes, bei den Beratungen über die
Entschädigung von NS-Zwangsarbeit eine Lösung dieser offenen Frage zu er-
reichen. Eine Delegation des Verbandes nahm aus diesem Grund auch an der
Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages über das Entschä-
digungsgesetz am 7. Juni 2000 in Berlin teil. Das am Ende im Deutschen
Bundestag verabschiedete Entschädigungsgesetz sieht aber nur Entschädigungs-
ansprüche von individuellen Personen, nicht von juristischen Personen wie den
jüdischen Gemeinden der Slowakei vor. Somit war den jüdischen Gemeinden
der Slowakei auch dieser Weg zur Regelung ihrer Anliegen verschlossen.
Mehrere Versuche, nach Inkrafttreten des Gesetzes mit Vertretern der Bundes-
regierung in Gespräche zu kommen, sind nach Angaben des Verbandes danach
ebenfalls ergebnislos geblieben.

Drucksache 14/8423 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Der Verband reichte daraufhin vor deutschen Gerichten eine Klage ein. In erster
Instanz wurde diese Klage abgewiesen – offenbar auch auf ausdrückliche Bitten
der von der Bundesregierung beauftragten Anwälte in dem Verfahren. Eine Be-
rufung ist vor dem Kammergericht Berlin anhängig.
Während die deutsche Politik offenbar das Anliegen der jüdischen Gemeinden
der Slowakei beharrlich ignorieren bzw. ablehnen will, wächst international die
Unterstützung für sie. So hat Simon Wiesenthal, Leiter des Dokumentations-
zentrums des Bundes jüdischer Verfolgter des Naziregimes, in einem Brief an
den Verband am 4. September 2001 seine ausdrückliche Unterstützung für das
Anliegen der jüdischen Gemeinden der Slowakei deutlich gemacht. Auch der
Jüdische Weltkongress hat auf seiner Tagung Ende Oktober bis Anfang Novem-
ber letzten Jahres seine Unterstützung erklärt.
Seit Anfang November 2001 hat daraufhin der Verband der jüdischen Gemein-
den sich auch mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewendet, „um
auf diesem Weg unserem legitimen Anliegen auf Wiedergutmachung zum Er-
folg zu verhelfen“.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Hält die Bundesregierung das Anliegen der jüdischen Gemeinden der Slo-

wakei auf Wiedergutmachung für diese Abgabe für berechtigt?
Wenn ja, welche Form der Wiedergutmachung erwägt die Bundesregierung?
Wenn nein, warum nicht?

2. Bestätigt die Bundesregierung die oben geschilderte Darstellung des Ver-
bandes der jüdischen Gemeinden der Slowakei, wonach sich dieser wieder-
holt vergeblich mit der Bitte um Gespräche an die Bundesregierung gewen-
det hat?

3. Falls diese Darstellung zutrifft: Hält die Bundesregierung ein solches Ver-
halten für einen angemessenen Umgang mit solchen Anliegen oder will sie
ihr Verhalten in nächster Zeit korrigieren?

4. Falls der Darstellung widersprochen wird: Wann und in welcher Form haben
Vertreter der Bundesregierung in den vergangenen Jahren mit Vertretern des
Verbandes der jüdischen Gemeinden Gespräche über ihr Anliegen geführt?
Welches Ergebnis hatten dieses Gespräche?

5. Welche deutschen Wiedergutmachungszahlungen für den Holocaust und den
Raub jüdischer Vermögen während der NS-Zeit haben die jüdischen Ge-
meinden der Slowakei in den vergangenen Jahren bisher erhalten (bitte die
Jahre, in denen eine Wiedergutmachung geleistet wurde, die Höhe der Wie-
dergutmachung und die genauen Empfänger der Zahlung angeben)?

6. Hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren andere Zahlungen, zum
Beispiel Zuschüsse zum Wiederaufbau oder zur Instandhaltung von Synago-
gen, von Altersheimen oder anderen sozialen Einrichtungen an die jüdischen
Gemeinden in der Slowakei geleistet?
Wenn ja, wann und in welcher Höhe?
Wenn nein, erwägt sie solche Zahlungen in nächster Zeit?

Berlin, den 27. Februar 2002
Ulla Jelpke
Roland Claus und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.