BT-Drucksache 14/8295

...Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (6. HRGÄndG)

Vom 20. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8295
14. Wahlperiode 20. 02. 2002

Gesetzentwurf
der AbgeordnetenMaritta Böttcher, Dr. Heinrich Fink, PiaMaier, AngelaMarquardt,
Gustav-Adolf Schur und der Fraktion der PDS

Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
(6. HRGÄndG)

A. Problem
Die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums und damit eine zentrale bildungs-
und sozialpolitische Errungenschaft der sozial-liberalen Reformära nach 1969
wird schrittweise in Frage gestellt. In Baden-Württemberg und Niedersachsen
werden Gebühren von so genannten Langzeitstudierenden erhoben; das Saar-
land und Schleswig-Holstein werden in Kürze folgen. In Sachsen und Bayern
werden für das Zweitstudium Gebühren erhoben. Rheinland-Pfalz und Nord-
rhein-Westfalen haben die Einführung von Gebühren in Verbindung mit so
genannten Studienkonten angekündigt. Mehr und mehr Politikerinnen und Poli-
tiker fordern darüber hinaus die Einführung allgemeiner Studiengebühren ab
dem ersten Semester.
Die Arbeit von Studierendenvertretungen ist zunehmenden Verunsicherungen
ausgesetzt. Gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden, die die ge-
sellschaftliche Verantwortung von Hochschule und Wissenschaft ernst nehmen
und in diesem Zusammenhang ihr Recht auf politische Meinungsfreiheit wahr-
nehmen, laufen Gefahr, sich vor den Verwaltungsgerichten oder gar strafrecht-
lich mit dem Vorwurf der rechtswidrigen Wahrnehmung eines „allgemein poli-
tischen Mandats“ auseinander setzen zu müssen. Hinzu kommt, dass die
Existenz von Studierendenvertretungen als selbstverwaltete, rechtsfähige Teil-
körperschaft der Hochschulen (verfasste Studierendenschaft) selbst zunehmend
in Frage gestellt wird. In Bayern und Baden-Württemberg besteht bereits seit
1974 bzw. 1977 keine verfasste Studierendenschaft mehr.
Studienreformbestrebungen in den Ländern und an den Hochschulen sowie die
Internationalisierung der Hochschulen machen es erforderlich, den rahmen-
rechtlichen Spielraum für die Vergabe von Hochschulgraden sowie die Einrich-
tung von Studiengängen zu erweitern und gleichermaßen Mindeststandards für
die Durchlässigkeit der Studienstruktur sicherzustellen.
Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes und anderer
Rechtsvorschriften hat die Regelungen zur Befristung von Arbeitsverträgen mit
wissenschaftlichem Personal neu geordnet, aber auf Übergangsregelungen ver-
zichtet. Dies hat zu großer Verunsicherung an den Hochschulen und For-
schungseinrichtungen geführt; wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter müssen sich über Nacht auf das neue Befristungsrecht einstellen. Der
rechtsstaatliche Vertrauensschutz von Betroffenen ist verletzt.

Drucksache 14/8295 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

B. Lösung
Es bedarf einer Änderung der bisherigen Vorschriften des Hochschulrahmen-
gesetzes über die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen und
über die Bildung von Studierendenschaften sowie der Aufnahme einer neuen
Vorschrift, die die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums sichert.
Die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums ist ohne Einschränkungen bun-
deseinheitlich zu gewährleisten.
Die Aufgaben der Studierendenschaften sind in der Weise zu präzisieren und zu
erweitern, dass diese auch zu allen gesellschaftlichen Fragen Stellung beziehen
können. Die Einführung verfasster Studierendenschaften muss für alle Länder
obligatorisch werden.
Gestufte Bachelor- und Master-Studiengänge sollen nicht nur zur Erprobung,
sondern als gleichberechtigte Alternative zu traditionellen Studiengängen ange-
boten werden, soweit die Durchlässigkeit der Studienstrukturen gewährleistet
ist.
Die Neuordnung des Rechts der Befristung von Arbeitsverträgen mit wissen-
schaftlichem Personal ist mit einer adäquaten Übergangsregelung auszugestal-
ten; gleichzeitig ist den Tarifpartnern das Recht zu abweichenden Regelungen
einzuräumen.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Durch die Gesetzesänderung entstehen für den Bundeshaushalt und die Haus-
halte der Länder keine Kosten.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8295

Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes
(6. HRGÄndG)

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Hochschulrahmengesetzes

Das Hochschulrahmengesetz in der Fassung der Be-
kanntmachung vom 19. Januar 1999 (BGBl. I S. 18), zuletzt
geändert durch … (BGBl. I S. …) wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 28 wie

folgt gefasst:
㤠28

Gebührenfreiheit“
2. § 18 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Auf Grund der Hochschulprüfung, mit der ein berufs-
qualifizierender Abschluss erworben wird, kann die
Hochschule einen Diplomgrad mit Angabe der Fachrich-
tung verleihen.“

3. § 19 wird wie folgt geändert:
a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Hochschulen können Studiengänge ein-
richten, die zu einem Bachelor- oder Bakkalaureus-
grad und zu einem Master- oder Magistergrad füh-
ren.“

b) Nach Absatz 5 wird folgender Absatz 6 eingefügt:
„Bei konsekutiven Studiengängen haben Studie-

rende, die den Bachelor-Grad erworben haben, einen
Anspruch auf Zulassung zum mit dem Master-Grad
abschließenden Studiengang.“
Absatz 6 wird zu Absatz 7.

4. Nach § 27 wird folgender § 28 eingefügt:
㤠28

Gebührenfreiheit
Das Studium an den Hochschulen ist gebührenfrei.“

5. § 41 wird wie folgt gefasst:
㤠41

Studierendenschaft
(1) Die an der Hochschule eingeschriebenen Studie-

renden bilden die Studierendenschaft. Sie ist eine rechts-
fähige Teilkörperschaft der Hochschule.
(2) Die Studierendenschaft ermöglicht die Meinungs-

bildung in der Gruppe der Studierenden und nimmt die
hochschul- und wissenschaftspolitischen, wissenschaft-

lichen, sozialen und kulturellen Belange ihrer Mitglieder
in Hochschule und Gesellschaft wahr. Sie fördert die
Verwirklichung und Weiterentwicklung der Aufgaben
der Hochschule und der Ziele des Studiums, die politi-
sche Bildung und die Bereitschaft ihrer Mitglieder zum
Eintreten für die Grund- und Menschenrechte sowie die
überregionalen und internationalen Studierendenbezie-
hungen.
(3) Zur Erfüllung ihrer Aufgaben kann die Studieren-

denschaft zu allen gesellschaftlichen Fragen Stellung be-
ziehen, insbesondere auch zu solchen, die sich mit der
gesellschaftlichen Aufgabenstellung der Hochschulen
sowie mit der Anwendung der wissenschaftlichen Er-
kenntnisse und der Abschätzung ihrer Folgen für die Ge-
sellschaft und die Natur beschäftigen. Sie kann Medien
aller Art nutzen und in diesen Medien auch die Diskus-
sion und Veröffentlichung zu allgemeinen gesellschafts-
politischen Fragen ermöglichen.
(4) Die Studierendenschaft verwaltet ihre Angelegen-

heiten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen
selbst. Sie kann von ihren Mitgliedern zur Erfüllung
ihrer Aufgaben Beiträge erheben.
(5) Für die Mitwirkung in den Organen der Studieren-

denschaft gilt § 37 Abs. 3 entsprechend.“
6. § 57a Abs. 1 Satz 3 wird wie folgt gefasst:

„Durch Tarifvertrag können abweichende Regelungen
vereinbart werden.“

7. In § 57b Abs. 1 werden nach Satz 4 folgende Sätze ein-
gefügt:
„Auf die Befristungshöchstdauer nach Satz 1 werden
Zeiten aus Beschäftigungsverhältnissen gemäß Satz 3
vor Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes vom … [einsetzen: Ausferti-
gungsdatum und Fundstelle des Änderungsgesetzes]
nicht angerechnet. Auf die Befristungshöchstdauer nach
Satz 2 werden Zeiten aus Beschäftigungsverhältnissen
vor Inkrafttreten des Fünften Gesetzes zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes vom … [einsetzen: Ausferti-
gungsdatum und Fundstelle des Änderungsgesetzes]
nicht angerechnet.“

8. In § 72 Abs. 1 wird nach Satz 7 folgender Satz einge-
fügt:
„Innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des Sechs-
ten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengeset-
zes vom … [einsetzen: Ausfertigungsdatum und Fund-
stelle des Änderungsgesetzes] sind den Vorschriften des
Artikels 1 dieses Gesetzes entsprechende Landesgesetze
zu erlassen.“

Drucksache 14/8295 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Artikel 2
Neufassung des Hochschulrahmengesetzes

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kann
den Wortlaut des Hochschulrahmengesetzes in der vom
Inkrafttreten dieses Gesetzes an geltenden Fassung im
Bundesgesetzblatt bekannt machen.

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 20. Februar 2002

Maritta Böttcher
Dr. Heinrich Fink
Pia Maier
Angela Marquardt
Gustav-Adolf Schur
Roland Claus und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/8295

Begründung

Zur Eingangsformel
Der Zustimmung des Bundesrates unterliegen Gesetze nur,
soweit dies im Grundgesetz ausdrücklich bestimmt ist. In
Betracht kommt hier nur Artikel 84 Abs. 1 GG. Danach
unterliegen Gesetze der Zustimmung des Bundesrates dann,
wenn sie die Einrichtung der Behörden der Länder oder das
Verwaltungsverfahren regeln.
Eine Zustimmungsbedürftigkeit gemäß Artikel 84 Abs. 1
GG kann sich bei Normen, die auf eine Rahmengesetzge-
bungskompetenz des Bundes gestützt sind, nur dann erge-
ben, wenn sie unmittelbar gelten. Nur solche Vorschriften
können gemäß Artikel 83 ff. GG von den Ländern verwal-
tungsmäßig ausgeführt werden. Soweit es sich dagegen um
„echte“ Rahmenvorschriften, d. h. um solche handelt, die an
den Landesgesetzgeber adressiert sind, lösen diese auch
dann keine Zustimmungsbedürftigkeit aus, wenn sie dem
Landesgesetzgeber Vorgaben für die landesgesetzliche Aus-
gestaltung des Verwaltungsverfahrens machen. Derartige
Vorschriften werden „legislativ“, nicht aber in verwaltungs-
mäßiger Weise gemäß Artikel 83 ff. GG ausgeführt.
Von den Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes gel-
ten nur die in § 72 Abs. 1 Satz 7 HRG aufgeführten Bestim-
mungen unmittelbar. Die vom vorliegenden Gesetzentwurf
betroffenen §§ 18, 19, 28 und 41 zählen nicht dazu. Bei der
Änderung von § 57a ist nicht ersichtlich, dass sie dem Lan-
desgesetzgeber Vorgaben für die landesgesetzliche Ausge-
staltung des Verwaltungsverfahrens machen oder unter an-
deren Gesichtspunkten eine Zustimmungspflicht auslösen.
Das beantragte Sechste Gesetz zur Änderung des Hoch-
schulrahmengesetzes bedarf daher keiner Zustimmung des
Bundesrates.

Zu Artikel 1
Zu Nummer 1
Hierbei handelt es sich um eine Folgeänderung aus
Nummer 4.
Zu den Nummern 2 und 3
Die zunehmende Heterogenität der Studierenden, ihrer Stu-
dieninteressen sowie der gesellschaftlichen Anforderungen
an die Absolventinnen und Absolventen spricht für die Ent-
wicklung eines vielfältigen Studienangebots an den Hoch-
schulen. Die Hochschulen sollten daher die Möglichkeit
haben, neben den herkömmlichen Diplom- und Magister-
studiengängen neue Bachelor- bzw. Bakkalaureus- sowie
Master- bzw. Magister-Studiengänge anzubieten. Auch die
Internationalisierung der Hochschulen sowie entspre-
chende Vereinbarungen auf europäischer Ebene machen es
erforderlich, die neuen Studiengänge nicht zur Erprobung,
sondern als reguläre Option zuzulassen.
Allerdings sind gleichzeitig die rahmenrechtlichen Voraus-
setzungen dafür zu schaffen, dass die Einführung der neuen
Studiengänge nicht zu einer Zweiteilung des Universitäts-
studiums in eine eher berufsorientierte erste Phase für die
„Masse“ und eine eher wissenschaftsorientierte zweite

Phase, die „exzellenten“ Studierenden vorbehalten ist, ab-
zielt. In konsekutiven Studiengängen muss daher besondere
Zulassungsvoraussetzungen zwischen der ersten und der
zweiten Phase verzichtet werden.
Aus Nummer 4 ergibt sich, dass für Master-Studiengänge
ebenso wie für alle anderen Studiengänge bundesweit das
Prinzip der Gebührenfreiheit ohne Wenn und Aber gilt.

Zu Nummer 4
In das Hochschulrahmengesetz ist ein neuer Paragraf aufzu-
nehmen, der die Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums
bundesweit und uneingeschränkt gewährleistet. Für die
Sicherung der Gebührenfreiheit des Hochschulstudiums
gibt es gute Gründe:
l Der Einführung von Studiengebühren liegt ein neues

Bildungsverständnis zugrunde: Bildung soll kein öffent-
liches Gut mehr sein, sondern eine käuflich zu erwer-
bende Dienstleistung. Nicht mehr die Gesellschaft insge-
samt, sondern die sich qualifizierenden Individuen sollen
für die Finanzierung ihrer Bildung und Ausbildung ver-
antwortlich sein. Es besteht die Gefahr, dass ausgehend
von der Infragestellung der Gebührenfreiheit des Hoch-
schulstudiums in allen Bereichen des sekundären und
tertiären Bildungssystems eine private Kostenbeteili-
gung durchgesetzt wird.

l Studiengebühren sind sozial ungerecht: Sie engen den
Hochschulzugang und die Bildungschancen nach der fi-
nanziellen Leistungsfähigkeit studierwilliger Menschen
bzw. ihrer Eltern ein. Zu einem Zeitpunkt, da andere In-
dustrieländer den Anteil der durch eine Hochschulaus-
bildung Qualifizierten erhöhen, würde in Deutschland
durch eine Verteuerung der Studienkosten die Bildungs-
beteiligung eingedämmt. Studiengebühren stellen einen
Anschlag auf die Chancengleichheit im Bildungssystem
dar.

l Studiengebühren erhöhen nicht etwa den hochschulpoli-
tischen Einfluss von Studierenden, sondern fördern den
weiteren Abbau von verbindlichen studentischen Mit-
bestimmungsrechten. Studiengebühren sind Ausdruck
des Projekts einer neoliberalen Umstrukturierung der
Hochschulen, die an die Stelle des bisherigen Modells
einer politischen Steuerung des Hochschulwesens durch
Selbstverwaltung, Mitbestimmung und staatliche Ver-
antwortung das Konzept einer ökonomischen Steuerung
über den Markt treten lassen möchte.

l Studiengebühren gefährden die Gleichwertigkeit der
Lebensverhältnisse im Bundesgebiet substanziell. Son-
derwege von einzelnen Ländern in der Studiengebühren-
frage führen zu einer Verzerrung des Wettbewerbs der
Hochschulsysteme der Länder. Studierende in Ländern
mit Studiengebühren würden gegenüber Studierenden in
Ländern mit gebührenfreiem Hochschulstudium grob
benachteiligt. Um eine unterschiedliche Entwicklung der
Hochschulsysteme der Länder auf dem wichtigen Gebiet
des Hochschulzugangs zu verhindern, ist daher eine bun-

Drucksache 14/8295 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

desweite Sicherung der Gebührenfreiheit des Hoch-
schulstudiums erforderlich.

Anders als der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt der
vorliegende Gesetzentwurf auf die Sicherung der Gebüh-
renfreiheit des Hochschulstudiums ohne Wenn und Aber ab,
wie sie auch von den im Aktionsbündnis gegen Studienge-
bühren (ABS) zusammengeschlossenen studentischen Ver-
tretungen und Organisationen sowie vom Bundesparteitag
der SPD (Beschluss vom November 2001) unterstützt wird.
Unter anderem müssen auch Gebühren für so genannte
Langzeitstudierende explizit ausgeschlossen werden. Dies
gilt auch für Studienkonten und Bildungsgutscheine, die
den Studierenden nur begrenzt zur Verfügung gestellt
werden sollen und nach Verbrauch des Kontoguthabens
bzw. der Gutscheine eine Pflicht zur Zahlung von Langzeit-
studiengebühren auslösen.
Langzeitstudiengebühren haben – ebenso wie andere Va-
rianten von Studiengebühren für Sondertatbestände (z. B.
Zweitstudiengebühren) oder als Einschreib- bzw. Verwal-
tungsbeiträge getarnte Gebühren – die Funktion eines Tür-
öffners für allgemeine Studiengebühren, für die sich die
Anhänger einer neoliberalen Umstrukturierung des Hoch-
schulsystems seit Jahren einsetzen. Hinzu kommt, dass
allein die öffentliche Debatte über Studiengebühren – in
welcher Form auch immer – potenzielle Studierende und
deren Eltern von der Aufnahme eines Studiums abschreckt.
Wer sich heute in einen gebührenfreien Studiengang ein-
schreibt, weiß nicht, ob er nicht schon morgen zu Studien-
gebühren herangezogen wird.
Die Gebührenfreiheit des Studiums darf nicht mit dessen
Kostenfreiheit verwechselt werden. Kosten – z. B. für die
Lebenshaltung, für Arbeitsmittel, für Wohnung und Verkehr
– haben Studierende eine Menge zu tragen, erst recht, wenn
sie die Regelstudienzeit überschreiten und sie nicht nur
BAföG-Ansprüche, sondern fast alle sozialen Vergünstigun-
gen bis hin zum Studententarif bei der Krankenversicherung
verlieren. Studierende, die ihr Studium über 14, 16 oder 18
Semester erstrecken, nehmen nicht mehr Kapazitäten an ih-
rer Hochschule in Anspruch, als ihre Kommilitoninnen und
Kommilitonen, die nach 10 Semestern abschließen.
Es gibt im Einzelfall viele gute Gründe für ein Überschrei-
ten der – administrativ festgesetzten – Regelstudienzeit.
Erwerbstätigkeit während des Studiums, nicht nur in den
Semesterferien, sondern kontinuierlich in der Vorlesungs-
zeit, ist heute für zwei von drei Studierenden üblich. Viele
Studentinnen und Studenten haben Kinder zu betreuen,
ohne dass ihnen auf dem Campus angemessene Betreuungs-
einrichtungen offen stünden. Der zivilgesellschaftliche Un-
terbau unserer Demokratie lebt davon, dass sich junge Men-
schen Zeit für kulturelles Engagement und politische Arbeit
– nicht zuletzt in der Hochschulselbstverwaltung und in der
Studierendenvertretung – nehmen. Es dürfen daher keine
zusätzlichen Belastungen für die schon übermäßig belastete
Gruppe der so Langzeitstudierenden aufgebaut werden.

Zu Nummer 5
Alle Studentinnen und Studenten, unabhängig davon, in
welchem Bundesland sie studieren, haben Anspruch auf
eine eigenständige und selbstverwaltete Interessenvertre-
tung. Die Kann-Bestimmung in Bezug auf die Bildung von

verfassten Studierendenschaften ist daher durch eine
Muss-Bestimmung zu ersetzen. Darüber hinaus bedarf es
der Klarstellung, dass es sich bei den Studierendenschaften
um rechtsfähige Teilkörperschaften der Hochschule handelt.
Dies ist auch deshalb geboten, weil die Studierendenschaft
zahlenmäßig die weitaus stärkste Gruppe unter den Hoch-
schulmitgliedern darstellt, aber in der Hochschulselbstver-
waltung aufgrund der absoluten Professorenmehrheiten in
fast allen Hochschulgremien nur eine Minderheitenposition
einnimmt. Die Organisation des hochschulpolitischen Mei-
nungs- und Willensbildungsprozesses der Studierenden und
die Artikulation der studentischen Interessen in Hochschule
und Gesellschaft bedarf einer speziellen Selbstverwaltungs-
einrichtung als rechtsfähiger Teilkörperschaft der Hoch-
schule: der verfassten Studierendenschaft.
Die Aufgaben der Studierendenschaft sind so zu normieren,
dass diese aktiv und eigenständig an der Wahrnehmung der
gesellschaftlichen Verantwortung der Hochschulen und der
Reflexion der sozialen, ökonomischen und ökologischen
Folgen der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse so-
wie ihrer gesellschaftlichen Grundlagen und Rahmenbedin-
gungen mitwirken kann. Die Studierendenschaft muss daher
explizit das Recht haben, zur Erfüllung dieser Aufgaben zu
allen gesellschaftlichen Fragen Stellung zu beziehen und
sich Medien aller Art zu bedienen. Dadurch soll ausge-
schlossen werden, dass die Studierendenschaft nur mit
inhaltlich unvollständigen, gleichsam zensierten Beiträgen
am wissenschaftlichen Selbstreflexionsprozess teilnehmen
oder die Interessen ihrer Mitglieder vertreten kann, wie es
der herkömmlichen Trennung von erlaubten „hochschul-
politischen“ und rechtswidrigen „allgemeinpolitischen“
Äußerungen entspricht. Es darf allein der autonomen Wil-
lensbildung der Studierendenschaften überlassen bleiben,
welcher Mittel sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedie-
nen und in welcher Weise sie der gesellschaftlichen Verant-
wortung von Wissenschaft und Hochschulen gerecht wer-
den.

Zu Nummer 6
Die an Hochschulen und Forschungseinrichtungen entstan-
denen Verunsicherungen im Zusammenhang mit den neuen
Befristungsregelungen der Fünften Änderung des Hoch-
schulrahmengesetzes haben deutlich gemacht, dass der
Staat mit der einseitigen Regulierung der Arbeits- und Be-
schäftigungsbedingungen des wissenschaftlichen Personals
überfordert ist. Es kommt daher jetzt darauf an, auch im
Wissenschaftsbereich wieder der grundgesetzlich geschütz-
ten Tarifautonomie Geltung zu verschaffen.
Heute werden die Arbeitsbedingungen des wissenschaft-
lichen Personals in Bezug auf die Befristung von Arbeits-
verträgen nicht tarifvertraglich geregelt, sondern einseitig
staatlich oktroyiert. Der Regelungsbereich, der den Tarif-
partnern in § 57a Abs. 3 HRG zugestanden wird, betrifft nur
einen kleinen isolierten Teilaspekt des gesamten Regelungs-
bereichs.
Die §§ 57a bis 57f, deren Aufnahme ins Hochschulrahmen-
gesetz 1985 äußerst umstritten war und bis heute geblieben
ist, dürfen daher nur unter der Voraussetzung erhalten blei-
ben, dass eine uneingeschränkte Öffnung der Tarifsperre

Drucksache 14/8295 – 7 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

normiert wird, die die Tarifpartner zur Verabredung abwei-
chender Tarifverträge ermächtigt.
Arbeitgeber und Gewerkschaften wären dann in der Lage,
die als unzureichend erkannten Normen des neuen Befris-
tungsrechts nach eigener Einschätzung an die spezifischen
Anforderungen des Wissenschaftssystems und der dort täti-
gen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzupassen.

Zu Nummer 7
Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmenge-
setzes hat die Regelungen zur Befristung von Arbeitsverträ-
gen mit wissenschaftlichem Personal neu geordnet, aber auf
Übergangsregelungen verzichtet. Für wissenschaftliches
Personal, das bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Fünften Änderungsgesetzes oder davor beschäftigt war, sind
daher jetzt nachträglich Übergangsregelungen ins Hoch-
schulrahmengesetz aufzunehmen, um den Anforderungen
des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes Rechnung zu tra-
gen.
Während etwa bei der Reform der Professorenbesoldung
vorhandenen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer
auf Lebenszeit Vertrauensschutz gewährleistet wird, müssen
sich nichtprofessorale Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler über Nacht auf neue Regelungen einstellen. Damit
ist die berufliche Planung etlicher Nachwuchswissenschaft-
lerinnen und Nachwuchswissenschaftler durch einen Feder-
strich des Gesetzgebers durchkreuzt worden.
Sowohl den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als
auch den Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist
aber eine faire Chance zu geben, sich in einer Übergangs-
phase auf das neue Befristungsrecht vorzubereiten. Gleich-
zeitig haben so die Tarifpartner in Verbindung mit
Nummer 6 (Neufassung von § 57a Abs. 1 Satz 3 HRG) die
Möglichkeit, das Recht durch tarifvertragliche Vereinbarun-
gen zu modifizieren, bevor es in der Fläche verbindlich
wirksam wird.
Eine Übergangsbestimmung soll daher gewährleisten, dass
Zeiten aus einem befristeten Beschäftigungsverhältnis vor
Inkrafttreten des Fünften HRG-Änderungsgesetzes auf die
in § 57b Abs. 1 Satz 1 und 2 normierten Befristungshöchst-
dauern nicht bzw. eingeschränkt angerechnet werden.

Auf die Befristungshöchstdauer für Arbeitsverträge mit
nicht promoviertem wissenschaftlichen Personal werden die
Beschäftigungszeiten aus einer Tätigkeit als wissenschaft-
liche und künstlerische Hilfskraft nicht angerechnet, soweit
sie sich aus Beschäftigungsverhältnissen vor Inkrafttreten
des Fünften HRG-Änderungsgesetzes ergeben. Damit wird
dem Vertrauensschutz von Doktorandinnen und Doktoran-
den Rechnung getragen, die nach alter Rechtslage davon
ausgehen konnten, auch im Anschluss an eine Tätigkeit als
wissenschaftliche oder künstlerische Hilfkraft bis zur Be-
fristungshöchstdauer als wissenschaftliche Mitarbeiterin
oder wissenschaftlicher Mitarbeiter befristet beschäftigt
werden zu können.
Auf die Befristungshöchstdauer für Arbeitsverträge mit
promoviertem wissenschaftlichen Personal werden die Be-
schäftigungszeiten aus Beschäftigungsverhältnissen vor In-
krafttreten des Fünften HRG-Änderungsgesetzes überhaupt
nicht angerechnet. Damit wird dem Vertrauensschutz ins-
besondere von Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nach-
wuchswissenschaftlern Rechnung getragen, die nach alter
Rechtslage davon ausgehen konnten, im Anschluss an eine
wissenschaftliche Assistentur als Oberassistentin oder
Oberassistent, Oberingenieurin oder Oberingenieur, Hoch-
schuldozentin oder Hochschuldozent ingesamt bis zu sechs
Jahre befristet beschäftigt werden zu können.
Zu Nummer 8
Gemäß Artikel 75 Abs. 3 GG werden die Länder in dem
neuen Satz 10 zur Anpassung ihrer Hochschulgesetze an die
geänderten Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes
innerhalb einer Frist von 3 Jahren nach Inkrafttreten des
Änderungsgesetzes verpflichtet. Diese Frist erscheint ange-
messen und ausreichend.
Zu Artikel 2
Zur Sicherung der Rechtsklarheit ist die Bekanntmachung
einer Neufassung des geänderten Hochschulrahmengesetzes
im Bundesgesetzblatt zweckmäßig.
Zu Artikel 3
Die Bestimmung regelt das Inkrafttreten des Gesetzes wie
üblich.

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