BT-Drucksache 14/8267

Arbeitsrecht flexibilisieren - Beschäftigung schaffen

Vom 19. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8267
14. Wahlperiode 19. 02. 2002

Antrag
der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, Brigitte Baumeister, Rainer Eppelmann,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Julius Louven, Wolfgang Meckelburg, Claudia
Nolte, Hans-Peter Repnik, Franz Romer, Heinz Schemken, Johannes Singhammer,
DorotheaStörr-Ritter, AndreasStorm,MatthäusStrebl, PeterWeiß (Emmendingen),
Gerald Weiß (Groß-Gerau) und der Fraktion der CDU/CSU

Arbeitsrecht flexibilisieren – Beschäftigung schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Die Arbeitslosigkeit ist im Jahr 2001 saisonbereinigt um mehr als 170 000

gestiegen. Für das Jahr 2002 prognostiziert die Bundesregierung im Rahmen
ihrer Haushaltsannahmen eine durchschnittliche Arbeitslosenzahl von 3,892
Millionen, also die gleiche Arbeitslosenzahl wie zu Antritt der Regierung
Gerhard Schröder im Oktober 1998. Entgegen vollmundiger Versprechung
der Bundesregierung wird die Arbeitslosigkeit trotz guten Wirtschaftswachs-
tums in den Jahren 1999 und 2000 und trotz der demografischen Entlastung
von jährlich ca. 200 000 Personen nach den Berechnungen der Bundesregie-
rung konstant bleiben. Die Bundesregierung musste ihre Konjunkturprog-
nosen ständig nach unten korrigieren und geht jetzt nur noch von 0,7 %Wirt-
schaftswachstum für das Jahr 2002 aus.
In Anbetracht dieses niedrigen Wirtschaftswachstums müssen alle Maßnah-
men ausgeschöpft werden, die einen Beschäftigungserhalt bzw. einen Be-
schäftigungsaufbau auch bei geringem Wirtschaftswachstum ermöglichen.
Die Beschäftigungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland krankt
u. a. daran, dass ein gegenüber anderen Staaten weitaus höheres Wirtschafts-
wachstum erforderlich ist, um Beschäftigungsimpulse auf dem Arbeitsmarkt
zu generieren.
Ziel muss es sein, die wirtschafts-, finanz-, sozial- und arbeitsrechtlichen
Rahmenbedingung so zu gestalten, dass auch in Zeiten geringeren Wirt-
schaftswachstums Beschäftigung gehalten, im besten Fall auch ausgebaut
werden kann. Ein Bestandteil einer hierfür geeigneten Politik ist die Flexi-
bilisierung des Arbeitsrechts. Nur wenn Beschäftigungshürden abgebaut und
Unternehmergeist gefördert wird, kann es gelingen, den Arbeitsmarkt zu be-
leben. Die zahlreichen Beispiele anderer Länder sind Beleg hierfür.
Die Bundesregierung hat auf dem Gebiet der beschäftigungsorientierten
Flexibilisierung des Arbeitsrechts versagt. Die seit Regierungsantritt durch-
geführten Reformen waren nicht auf ein Mehr an Beschäftigung gerichtet,
sondern haben die ohnehin starren arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen
noch verhärtet.

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a) Durch das „Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge“, das zum
1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, wurden ohne Not die Möglichkeiten
des Abschlusses befristeter Arbeitsverträge eingeschränkt. Gerade das
Instrumentarium der befristeten Arbeitsverträge ist wichtiger Baustein
einer beschäftigungsorientierten Politik. Nicht nur, dass den Unterneh-
men dadurch ein flexibles Instrument der Personalpolitik in die Hand ge-
geben wird, um auf Auftragsschwankungen zeitnah reagieren zu können.
Wichtig ist außerdem die Brückenfunktion des befristeten Arbeitsvertra-
ges hin zu einer regulären unbefristeten Beschäftigung. Diese Brücken-
funktion durfte nicht ohne Not aufgegeben werden.
Die in den Betrieben festgestellten Auswirkungen der neuen Regelung
für befristete Arbeitsverhältnisse bestätigen die befürchteten negativen
Auswirkungen auf die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen. Insbe-
sondere das neue Verbot des Abschlusses eines befristeten Arbeitsvertra-
ges ohne sachlichen Grund bei einer Vorbeschäftigung im Unternehmen
ist ein großes Einstellungshemmnis. Nach einer Umfrage der Bundes-
arbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels vom
Dezember 2001 gaben etwa 50 % der Einzelhandelsunternehmen an, dass
eine Vorbeschäftigung eine beabsichtigte Einstellung verhindert habe.
Bei ca. 20 % der Unternehmen kam ein Arbeitsvertrag nicht zustande,
weil Zweifel über eine Vorbeschäftigung nicht ausgeräumt werden konn-
ten.

b) Mit dem „Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge“ wurde
gleichzeitig ein nahezu voraussetzungsloser Anspruch der Beschäftigten
auf Reduzierung bzw. Verlängerung ihrer Arbeitszeit eingeführt. So wich-
tig und so richtig die Förderung der Teilzeitbeschäftigung ist, beispiels-
weise bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Kinder erziehen
oder schwerpflegebedürftige Angehörige betreuen, so geht ein vorausset-
zungsloser Teilzeitanspruch an den betrieblichen Realitäten, insbesondere
der mittelständischen Wirtschaft, vorbei. Damit besteht die Gefahr, dass
mittel- und langfristig orientierte Personalentwicklungskonzepte über
Bord geworfen werden müssen. Planungssicherheit für die Betriebe geht
verloren und die ersten Urteile der Arbeitsgerichte zeigen, dass wegen der
vielfach verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe rechtliche Konflikte
über das Teilzeitbegehren der Beschäftigten vorprogrammiert sind.
Nach einer Befragung des Deutschen Industrie- und Handelskammerta-
ges vom November 2001 wurden in 27 % aller Betriebe bereits Ansprü-
che auf Reduzierung der Arbeitszeit geltend gemacht. 12 % der Betriebe
verhalten sich bei der Einstellung von solchen Bewerbern zurückhaltend,
bei denen sie den späteren Wunsch nach einer Teilzeitarbeit vermuten;
also insbesondere bei Frauen. Insgesamt wurden durch das Teilzeit- und
Befristungsgesetz der betriebliche Spielraum für Personalentscheidungen
weiter eingeengt, Verfahrensabläufe weiter bürokratisiert und zusätzliche
Rechtsunsicherheit für die Beschäftigten und die Betriebe geschaffen.

c) Durch die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes wurden den Betrieben
durch die Absenkung der Schwellenwerte bei der Zahl der Betriebs-
ratsmitglieder und der Freistellungen zusätzliche Kosten in Milliarden-
höhe aufgebürdet. Zusätzliche Mitbestimmungsrechte, die mit weiterem
administrativen Aufwand verbunden sind, schränken die unternehmeri-
sche Handlungsfreiheit weiter ein. Auch der Sachverständigenrat zur Be-
gutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat darauf hingewie-
sen, dass mit der Novelle zum Betriebsverfassungsgesetz eine weitere
Bürokratisierung, die zusätzliche Kosten verursacht, auf die Betriebe zu-
gekommen ist. Nach Auffassung der Sachverständigen wird dies zu einer
Verlangsamung betrieblicher Entscheidungsprozesse führen. Vor der Not-

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wendigkeit von schnellen unternehmerischen Investitions- und Personal-
entscheidungen konterkariert die Reform des Betriebsverfassungsgeset-
zes das Ziel besserer Rahmenbedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit
gerade der mittelständischen Betriebe. Die Reform des Betriebsverfas-
sungsgesetzes war nicht geeignet, Arbeitsplätze in Deutschland zu si-
chern oder gar zu schaffen. Notwendig ist eine auf mehr Beschäftigung
ausgerichtete Überarbeitung des Betriebsverfassungsgesetzes.

2. Notwendig sind arbeitsrechtliche Reformen, die auf die Schaffung von
Arbeitsplätzen gerichtet sind. Neben der Gewährung von Schutzrechten für
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedarf es auch Regelungen, die
die aus Wettbewerbsgründen notwendigen Flexibilitätsanforderungen der
Betriebe und Unternehmen berücksichtigen. Dazu gehören u. a. folgende
Maßnahmen:
a) Ausgehend von dem Bekenntnis zur Tarifautonomie als unverzichtbares

Element der sozialen Marktwirtschaft gilt es das Arbeits-, Tarif- und
Sozialrecht weiterzuentwickeln. Um dezentrale, auf Beschäftigung ge-
richtete Lösungen zu gewährleisten, müssen die Möglichkeiten tarif-
dispositiver Rechtsvorschriften genutzt, aber auch um tarifdispositive
Regelungen erweitert werden.

b) Der Flächentarifvertrag hat sich in seiner befriedenden Wirkung bewährt,
deshalb muss an ihm festgehalten werden. Die praktischen Erfahrungen
zeigen aber, dass das geltende Tarifvertragsgesetz zu wenig flexibel ist,
um Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Notwendig ist eine tarif-
rechtliche Flankierung. Um den Spielraum für betriebliche Bündnisse für
Arbeit zu erweitern, müssen neben Lohn und Arbeitszeit auch die indivi-
duellen Beschäftigungsaussichten in den Günstigkeitsvergleich einbezo-
gen werden. Individuellrechtliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber
und Beschäftigten sollen dabei, bei Zustimmung des Betriebsrats und der
Belegschaft mit qualifizierter Mehrheit, zulässig sein. Den Tarifvertrags-
parteien muss zur Sicherung der Tarifautonomie ein begründetes Ein-
spruchsrecht bleiben.

c) Mit dem zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen „Gesetz zur Reform
der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“ wurde eine nur unzureichende
Lockerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vorgenommen. Die
erfolgte Lockerung zeigt aber, dass weitgehender Konsens über die posi-
tiven beschäftigungspolitischen Auswirkungen der Arbeitnehmerüber-
lassung besteht. So werden mehr als 30 % der Leiharbeitnehmer vom
Entleiher übernommen. Zeitarbeit ist also eine wirksame Brücke zwi-
schen Arbeitslosigkeit und regulärer Beschäftigung. Diese Chance gilt es
im Sinne der Arbeitslosen in Deutschland wahrzunehmen. Um die positi-
ven Beschäftigungsimpulse der Zeitarbeit zu stärken, ist
– die Höchstdauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an den-

selben Entleiher auf 36 Monate zu erhöhen,
– das Synchronisationsverbot aufzuheben und
– der Verleiher hinsichtlich der Befristungsmöglichkeiten mit allen an-

deren Arbeitgebern gleichzustellen.
d) Befristete Arbeitverhältnisse haben sich in der Praxis bewährt. Für die

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist ein befristeter Vertrag Einstieg
ins Berufsleben und die Chance auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
Die gegen das Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 eingewandten Be-
denken im Hinblick auf die Verdrängung unbefristeter Arbeitsverhält-
nisse durch befristete Arbeitsverhältnisse haben sich nicht bestätigt. Für
die Arbeitgeber bietet der befristete Arbeitsvertrag die Möglichkeit, um

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Auftragschwankungen zeitnah personalpolitisch begleiten zu können.
Gerade Existenzgründer leiden darunter, kaum abschätzen zu können,
welcher mittel- bzw. langfristige Personalbedarf besteht, und entscheiden
sich vor diesem Hintergrund vielfach gegen Neueinstellungen. Zur Stär-
kung der Einstellungsbereitschaft der Neugründer soll für diese Arbeit-
geber die Möglichkeit des Abschlusses befristeter Arbeitsverhältnisse
ohne Sachgrund ausgedehnt werden. Um auch älteren Arbeitssuchenden
wieder bessere Chancen auf Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zu
geben, sollen ältere Arbeitnehmer das Recht erhalten, unbeschränkt be-
fristete Arbeitsverhältnisse einzugehen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
die unter Ziffer I.1 Buchstabe a bis c genannten Beschäftigungshürden
unverzüglich wieder abzubauen und die in Ziffer I.2 Buchstabe a bis d ge-
nannten Maßnahmen unverzüglich umzusetzen.

Berlin, den 19. Februar 2002
Karl-Josef Laumann
Brigitte Baumeister
Rainer Eppelmann
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Julius Louven
Wolfgang Meckelburg
Claudia Nolte
Hans-Peter Repnik
Franz Romer
Heinz Schemken
Johannes Singhammer
Dorothea Störr-Ritter
Andreas Storm
Matthäus Strebl
Peter Weiß (Emmendingen)
Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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