BT-Drucksache 14/8193

Haltung der Bundesregierung zu Kritiken an der vorgelegten Waffenrechtsnevelle

Vom 6. Februar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8193
14. Wahlperiode 06. 02. 2002

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS

Haltung der Bundesregierung zu Kritiken an der vorgelegten Waffenrechtsnovelle

Die von der Bundesregierung im Dezember 2001 vorgelegte Waffenrechtsno-
velle (Bundestagsdrucksache 14/7758) stößt in der Öffentlichkeit und bei
betroffenen Verbänden auf scharfe Kritik.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nennt die vorliegende Novelle eine „Lach-
nummer“ (Deutsche Polizei, 2/2002, S. 22). Sie stellt fest: „Das geltende Waf-
fenrecht von 1972/76 hat sich aus polizeilicher Sicht durchaus bewährt … Der
private Waffenbesitz ist aus polizeilicher Sicht überhaupt nicht das Problem.“
Ein Problem sei dagegen die große Zahl umlaufender und bisher nicht registrier-
ter Gas- und Schreckschusswaffen (ca. 15 Millionen, vermutet die GdP). Hier
sei die geplante Einführung eines „kleinen Waffenscheins“ in der Novelle zwar
ein Fortschritt, aber es fehle jede Vorschrift für eine Registrierung der vorhan-
denen Waffen, außerdem bleibe der Erwerb solcher Waffen ab 18 Jahren weiter
erlaubnisfrei: „In dem vorliegenden Gesetzentwurf ist zwar noch vom Erfor-
dernis einer Erlaubnis zum Führen solcher Waffen die Rede, nicht aber von der
Registrierung. Noch schlimmer: es soll dabei bleiben, dass Gas- und Schreck-
schusswaffen frei ab 18 Jahren erworben werden dürfen.“ (ebenda, S. 24).
Auch von medizinischen Experten, die mit den gesundheitlichen Folgen des
Einsatzes solcher Gas- und Schreckschusswaffen befasst sind, kommt die For-
derung nach schärferen Kontrollen sowohl des Besitzes wie auch vor dem Ver-
kauf solcher Waffen.
Die Vorschriften für eine sichere Aufbewahrung von Waffen werden von der
GdP im Prinzip begrüßt, seien aber zum Teil weltfremd, da sie allgemein für
alle Waffen formuliert sind und damit z. B. auch für Schmuckwaffen in Restau-
rants oder über häuslichen Kaminen gelten: „Jede Burgschänke, die bislang alte
Säbel zur Dekoration an den Wänden hängen hatte, muss nun entwaffnet wer-
den … Genauso muss Opas Säbel runter vom Kaminsims.“ (a. a. O., S. 24).
Auch die im Gesetz geforderten Schutzklassen für Waffenschränke sind nach
Ansicht der GdP zum Teil lebensfremd. „Ob … diese Erfordernis letztlich zu
Panzerschränken führen muss, die aufgrund ihres Gewichts locker durch die
Decke jeder üblichen Mietwohnung brechen können, darf bezweifelt werden.“
(a. a. O., S. 24). Auch die im Gesetz geplante Einführung eines temporären
Waffenbesitzrechts sei „nicht gerade lebensnah“. Jäger würden im hohen Alter,
wenn sie nicht mehr auf die Jagd gehen, schließlich nicht zu einem Sicherheits-
risiko, und Hobbyschützen würden ihre Waffen bei Aufgabe des Hobbys auch
zumeist von selbst wieder veräußern.
Die „Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen“
(DVJJ) kritisiert in einer ersten Stellungnahme die geplante Neuregelung der
Zuverlässigkeitsregelungen als „nicht sachgerecht“. Hier ist in der vorliegen-

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den Novelle vorgesehen, dass jede Verurteilung zu einer Jugendstrafe zur An-
nahme der Unzuverlässigkeit des Verurteilten für einen Waffenbesitz führen
soll. Bei Jugendstrafen erfolge aber, so die DVJJ, mehr als ein Drittel aller Ver-
urteilungen wegen einfachen Diebstahls. „Das Kriterium ,Verurteilung zu einer
Jugendstrafe‘ ist daher ungenau und erweitert das Spektrum der als unzuverläs-
sig eingestuften Personen in unsachgemäßer Weise.“ Es sei nicht nachzuvoll-
ziehen, „weshalb von dem Weg des geltenden Waffengesetzes, die einschlägi-
gen Straftaten aufzulisten, abgewichen wurde“.
Der „Deutsche Schützenbund“ (DSB) kritisiert in einer Stellungnahme, die
vom 28. Dezember 2001 datiert ist und den Fraktionen zugesandt wurde, unter
anderem: „Der Entwurf enthält eine Vielzahl neuer Regelungen, die den legalen
Waffenbesitz erheblich beschränken, aber für die innere Sicherheit, also den
Schutz vor den illegalen Waffenbesitzern, den Kriminellen, letztlich nichts be-
wirken … Die Regelungen … lassen ein – nachgerade abgrundtiefes – Miss-
trauen gegenüber dem legalen Waffenbesitzer erkennen“.
Im Einzelnen hält der DSB die Zuverlässigkeitsregelungen in § 5 der Novelle,
insbesondere die Regelung, wonach bereits bei Verurteilung zu einer Geldstrafe
von 60 Tagessätzen generell die Unzuverlässigkeit des Verurteilten für den
Waffenbesitz angenommen wird, als „überzogen“.
Das in § 14 Abs. 2 beschriebene Kontingent an Waffen für Sportschützen sei zu
klein. Kein Verständnis hat der DSB auch für die dort formulierten Kontrollen:
„Hierdurch wird eine ständige Kontrolle der schießsportlichen Aktivitäten bis
zum Tode gefordert.“ Auch der mit diesen Kontrollen verbundene Vorwurf,
dass „angeblich ,unter dem Deckmantel des Sportschützentums‘ Waffensamm-
lungen angelegt worden sein sollen“, treffe nicht zu.
Scharfe Kritik richtet der DSB auch gegen die geplante Vorschrift in § 15
Abs. 5, „wonach der Verein verpflichtet ist, der zuständigen Behörde auch die
Sportschützen zu benennen, die aus dem aktiven Schießsport … ausscheiden“.
Auch die geplante Regelung für den temporären Waffenbesitz, die Vorschriften
für die sichere Aufbewahrung von Waffen und die geplanten erbrechtlichen
Regelungen werden vom DSB – zum Teil ähnlich wie von der GdP – kritisiert.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche sachlichen Gründe sprechen in den Augen der Bundesregierung

trotz der inzwischen vorliegenden Kritiken vieler Verbände weiterhin für
– die Vorschriften für die sichere Aufbewahrung von jeder Art von Waffen,

also inkl. Säbel und vergleichbarer Schmuckwaffen in Gaststätten oder
privaten Räumen,

– die Einführung eines temporären Waffenbesitzrechts in der vorgesehenen
Form,

– das in § 14 Abs. 2 beschriebene Kontingent von Sportwaffen,
– die restriktiven Vorschriften für Schießsportvereine zur Kontrolle der Ak-

tivitäten ihrer Mitglieder und zur behördlichen Meldung ausscheidender
Mitglieder,

– die Verpflichtung von Erben in § 17 Abs. 2 in Kombination mit § 20
Abs. 2 Satz 2, spätestens 5 Jahre nach einer Erbschaft von Waffen nicht
nur die persönliche Zuverlässigkeit und Eignung zum Besitz dieser
Waffen, sondern auch die Sachkunde und ein Bedürfnis für den weiteren
Besitz der geerbten Waffen nachzuweisen?

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2. Wie viele Fälle von
– kriminellem Missbrauch von geerbten Waffen,
– kriminellem Missbrauch von im Besitz privater Sportschützen und Jäger

befindlichen Waffen,
– kriminellem Missbrauch von in Gaststätten oder privaten Wohnungen

aufbewahrten Säbeln und vergleichbaren Stich- bzw. Schmuckwaffen,
– krimineller Waffensammlung unter dem Deckmantel des Sportschützen-

tums bzw. Bildung von so genannten Scheinvereinen, also Vereinen, die
Schießsport als ihren Vereinszweck angeben, aber kurz nach Gründung
wieder aufgelöst werden mit dem Ergebnis, dass die Waffen im Besitz der
früheren Mitglieder bleiben,

wurden in den letzten zehn Jahren registriert (bitte nach Jahren, nach Art der
mit den genannten Waffen begangenen Straftaten und bei Scheinvereinen
nach Bundesländern aufschlüsseln)?

3. Wie viele Fälle von kriminellem Einsatz von Waffen wurden im gleichen
Zeitraum registriert bei Waffen, die in Besitz von Bundeswehrangehörigen
waren bzw. aus Bundeswehrbeständen entwendet wurden (bitte nach Jahren,
Zahl der Diebstähle solcher Waffen, Zahl und Art der mit solchen Waffen
begangenen Straftaten aufschlüsseln)?

4. Wie viele Fälle von kriminellem Einsatz von Waffen wurden im gleichen
Zeitraum registriert bei Waffen, die im Besitz von Polizeiangehörigen und
Angehörigen des Bundesgrenzschutzes (BGS) sowie anderer staatlicher
Einrichtungen (Zoll u. Ä.) oder aus Beständen der Polizei, des BGS oder der
anderen Einrichtungen entwendet wurden (bitte nach Jahren, Zahl der Dieb-
stähle solcher Waffen, Zahl und Art der begangenen Straftaten sowie
getrennt für Polizei, BGS und die anderen Einrichtungen aufschlüsseln)?

5. Wie viele und welche Straftaten in den letzten zehn Jahren machen es nach
Ansicht der Bundesregierung erforderlich, das Grundrecht der Unverletz-
lichkeit der Wohnung durch die vorgeschlagene Regelung in § 36 Abs. 3 des
Gesetzentwurfs einzuschränken (bitte die Straftaten, die diese Grundrechts-
einschränkung in den Augen der Bundesregierung begründen, einzeln auf-
führen)?

6. Warum will die Bundesregierung bei Personen über 18 Jahren in der vorlie-
genden Novelle auch in Zukunft auf die Vorlage eines Waffenscheins beim
Kauf von Gas- und Schreckschusswaffen und der dazugehörenden Munition
verzichten?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Jugendarbeit von Schützenvereinen,
Jägervereinen und ähnlichen Vereinen?
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Schützenvereine und Sport-
vereine mit ihrer Jugendarbeit einem unsachgemäßen Umgang mit Waffen
eher entgegenwirken als dass sie ihn fördern?

8. Warum sieht die Novelle der Bundesregierung nicht die von Sportschützen
und anderen Vereinen schon lange geforderte Waffenbesitzkarte (WBK) für
Vereine vor?
Welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung gegen eine
solche WBK für Vereine?

9. Hält die Bundesregierung die vorgeschlagene Neuregelung der Zuverlässig-
keitsregelungen, insbesondere die pauschale Annahme von Unzuverlässig-
keit bei Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen oder zu einer
Jugendstrafe, vor dem Hintergrund der Kritik der DVJJ und des DSB weiter
für sachgerecht und angemessen?

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10. Welche Regelungen bestehen in den anderen EU-Ländern bezogen auf
a) die Altersgrenzen für den Zugang von Jugendlichen zum Schießsport,
b) die Kontingente der erlaubten Sportwaffen,
c) die Registrierung und sichere Aufbewahrung von Waffen,
d) die Vererbung von Waffen,
e) die staatliche Kontrolle von Schießsportvereinen, Jägern und anderen

Schützenvereinen,
f) die Kontrolle des Erwerbs von Gas- und Schreckschusswaffen durch

Jugendliche und Erwachsene,
und welche Anstrengung hat die Bundesregierung unternommen und plant
sie in nächster Zeit zur Harmonisierung des Waffenrechts in der EU?

Berlin, den 31. Januar 2002
Ulla Jelpke
Petra Pau
Roland Claus und Fraktion

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