BT-Drucksache 14/8144

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -14/7760, 14/7797, 14/8128- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze

Vom 30. Januar 2002


Deutscher Bundestag Drucksache 14/8144
14. Wahlperiode 30. 01. 2002

Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dirk Niebel,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Ulrich
Irmer, Jürgen Koppelin, Günther Friedrich Nolting, Hans-JoachimOtto (Frankfurt),
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig
Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

zu der zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 14/7760, 14/7797, 14/8128 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes und
anderer Gesetze

Der Bundestag wolle beschließen:
1. Artikel 4 wird wie folgt geändert:

a) § 613a Abs. 5 wird wie folgt neu gefasst:
„In Betrieben mit weniger als fünf ständig wahlberechtigten Arbeit-

nehmern im Sinne von § 1 des Betriebsverfassungsgesetzes hat der bishe-
rige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von dem Übergang betroffe-
nen Arbeitnehmer vor dem Übergang zu unterrichten über:
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs
2. den Grund für den Übergang
3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs

für die Arbeitnehmer
und

4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnah-
men“

b) § 613a Abs. 6 wird wie folgt neu gefasst:
„Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses in-

nerhalb von drei Wochen schriftlich widersprechen, nachdem er von dem
bisherigen oder dem neuen Inhaber über den Zeitpunkt oder den geplan-
ten Zeitpunkt des Übergangs in Textform unterrichtet worden ist. Der
Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem
neuen Inhaber erklärt werden.“

Drucksache 14/8144 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

2. Folgender Artikel 9 wird neu eingefügt:
„Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes

Nach § 110 des Betriebsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekannt-
machung vom 23. Dezember 1988 (BGBl. 1989 I S. 1, ber. S. 902), das zu-
letzt durch (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird folgender § 110a ein-
gefügt:

§ 110a
Unterrichtung des Betriebsrates bei Betriebsübergang

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor dem Übergang eines Betriebs
oder Betriebsteils (§ 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs) rechtzeitig zu in-
formieren über
1. den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs
2. den Grund für den Übergang
3. die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für

die Arbeitnehmer und
4. die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnah-

men.“
3. Aus Artikel 9 wird Artikel 10 und aus Artikel 10 wird Artikel 11.

Berlin, den 22. Januar 2002
Dr. Heinrich L. Kolb
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dirk Niebel
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Ulrich Irmer
Jürgen Koppelin
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Änderung (nur) des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 613a Abs. 5 und 6) wird dem Regelungsanliegen
und der Systematik der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001
(zur Angleichung der Rechtsvorschriften in Mitgliedstaaten über die Wahrung
von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrie-
ben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen) nicht gerecht. Diese sieht in erster
Linie eine Information der Arbeitnehmervertretungen und nur „hilfsweise“ (bei
fehlender Möglichkeit zur Bildung eines Betriebsrats) die Unterrichtung der
einzelnen Arbeitnehmer vor. Auch die vorgesehene Verknüpfung der nach
EG-Recht erforderlich umfassenden Information über den Betriebsübergang

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/8144

und seine wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe und Folgen mit dem
durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten Wider-
spruchsrecht des Arbeitnehmers ist nicht sachgerecht. Daher sind beide Kom-
plexe systematisch zu trennen und die umfassende Unterrichtungspflicht des
Arbeitgebers über den Betriebsübergang und seine Folgen primär im Betriebs-
verfassungsgesetz (BetrVG) zu regeln. Dafür spricht auch, dass Betriebsüber-
gänge häufig mit Betriebsänderungen im Sinne von § 111 ff. BetrVG verbun-
den sind und das BetrVG hierfür bereits eine umfassende Informationspflicht
des Arbeitgebers vorsieht (§ 111 BetrVG). Fallen Betriebsübergang und Be-
triebsänderung zusammen, ist dem Informationsanspruch des Betriebsrats so-
mit bereits nach geltendem Recht Genüge getan.

Im Einzelnen
Zu 1
Zu a
Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 (zur Angleichung der
Rechtsvorschriften in Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der
Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unterneh-
mens- oder Betriebsteilen) sieht eine unmittelbare Unterrichtungspflicht des
Arbeitgebers gegenüber Arbeitnehmern nur in nicht betriebsratsfähigen Betrie-
ben vor (Kapitel III, Artikel 7 Abs. 6). Eine Ausweitung dieser Verpflichtung
auf sämtliche Betriebe führt nicht nur zu erheblichem Verwaltungsaufwand, der
sachlich nicht begründet ist, sondern ist auch systemwidrig, weil die Richtlinie
in erster Linie die Information des Betriebsrats vorsieht und nur subsidiär die-
jenige der Arbeitnehmer, nämlich dann, wenn diese unabhängig von ihrem
Willen keinen Betriebsrat wählen können. Dieser Systematik sollte auch das
nationale Recht entsprechen. § 613a Abs. 5 BGB schreibt demzufolge eine in-
dividuelle, umfassende Information des Arbeitnehmers über sämtliche in der
Richtlinie angesprochenen Aspekte des Betriebsübergangs nur in nicht betriebs-
ratsfähigen Betrieben vor. Der Katalog derjenigen Gesichtspunkte, über die der
Arbeitgeber nach der Richtlinie zu informieren hat, ist sehr umfangreich. Eine
(von der Richtlinie im Übrigen nicht geforderte) Verpflichtung zur Unterrich-
tung in Textform würde den Arbeitgeber gerade in den hier angesprochenen
Kleinstbetrieben mit weniger als fünf Arbeitnehmern in aller Regel überfor-
dern. Darüber hinaus würde er ohne nachvollziehbaren Grund mit einer Form-
vorschrift belastet, die bei Informationspflichten nach dem BetrVG (z. B. § 111
BetrVG) nicht einmal für „große“ Arbeitgeber vorgesehen ist. Zudem ist die
persönliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in die-
sen Kleinstbetrieben so eng, dass die Unterrichtung auch in anderer geeigneter
Form (z. B. in einem persönlichen Gespräch) erfolgen kann. Für die Form der
individuellen Unterrichtung, die an die Stelle der für betriebsratsfähige Be-
triebe vorgesehenen Unterrichtung nach § 110a BetrVG tritt, wird von der Sta-
tuierung eines besonderen Formerfordernisses abgesehen.
Zu b
Für das Widerspruchsrecht und seine Verknüpfung mit einer ordnungsgemäßen
Unterrichtung durch den bisherigen Arbeitgeber oder den neuen Inhaber über
einen bevorstehenden Betriebsübergang sieht § 613a Abs. 6 BGB eine neue, ei-
genständige Regelung vor, die unabhängig davon gilt, ob in dem jeweiligen Be-
trieb ein Betriebsrat gewählt werden kann oder nicht. Angesichts der weitrei-
chenden Rechtsfolgen, die an die Ausübung des Widerspruchsrechts geknüpft
sind, ist eine einfache, praktikable und rechtssichere Gestaltung notwendig.
Diese lässt sich jedoch nicht erzielen, wenn man den Beginn für die dreiwö-
chige Widerspruchsfrist, wie im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgese-
hen, an die vollständige Information durch den Arbeitgeber über sämtliche

Drucksache 14/8144 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
nach der Richtlinie mitteilungspflichtige Umstände und Folge des geplanten
Betriebsübergangs knüpft. Im Interesse der Rechtssicherheit ist es vielmehr er-
forderlich, aber auch ausreichend, wenn die Widerspruchsfrist für den Arbeit-
nehmer im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (erst)
dann zu laufen beginnt, nachdem er von dem bisherigen Arbeitgeber oder
neuen Inhaber, sowohl über die Tatsache des (bevorstehenden) Betriebsüber-
gangs als auch über das maßgebliche Datum unterrichtet worden ist.
Verlangt man dagegen für den Fristbeginn detaillierte Informationen über den
Grund des Übergangs, seine rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen
sowie die hinsichtlich der Arbeitnehmer vorgesehenen Maßnahmen, ist einem
Auslegungsstreit, wie er bereits zu § 5 Abs. 1 Nr. 9 bzw. § 126 Abs. 1 Nr. 11
Umwandlungsgesetz (UmwG) geführt wird, Tür und Tor geöffnet. Es muss
unter allen Umständen vermieden werden, dass eine rechtswissenschaftliche
Kontroverse um die notwendige Darstellungstiefe über Jahre hinweg Rechts-
unsicherheit über den Beginn der Widerspruchsfrist des Arbeitnehmers im
Falle eines Betriebsübergangs schafft. Eine solche Rechtsunsicherheit wäre
auch für die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen und damit den
Wirtschaftsstandort Deutschland abträglich.
Zu 2
Für den Fall des bloßen Betriebsübergangs (ohne gleichzeitige Betriebsände-
rung) wird die bislang im BetrVG bestehende Lücke durch einen neuen § 110a
BetrVG geschlossen. Damit wird zugleich eine Harmonisierung mit denjenigen
Fällen erreicht, in denen der Betriebsübergang auf einer Umwandlung nach
dem UmwG beruht (vgl. z. B. § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG).

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